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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 12 UF 36/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 301 |
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 5. Dezember 2001
In der Familiensache
hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 10. Januar 2001 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Lübeck zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien sind seit 1997 getrennt lebende Eheleute. Die kinderlos gebliebene Ehe ist noch nicht geschieden.
Der am 05.06.1955 geborene Beklagte ist LKW-Fahrer. Er hat zum 04.08.2000 auf eigenen Wunsch seine frühere Arbeitsstelle aufgegeben und seit September 2000 eine neue Anstellung mit einem geringeren Einkommen.
Die am 01.03.1945 geborene Klägerin hat nach dem Hauptschulabschluss keine Berufsausbildung absolviert. Bis zur Eheschließung im Jahre 1987 war sie als kaufmän-nische Angestellte beschäftigt. Danach war sie als Inhaberin eines kleinen Kurierbetriebes selbständig kaufmännisch tätig. Danach pflegte sie ihre kranke Mutter. Seit August 2000 hat sie eine Anstellung bei einem Schlüsseldienst, wo sie seit September 2000 monatlich 200,00 DM verdient. Seit Januar 1998 bezieht sie Sozialhilfe und macht aufgrund von Rückabtretungen Trennungsunterhaltsansprüche geltend.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich diverse Male erfolglos um eine Erwerbstätigkeit bemüht und sei wegen ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und ihrer Biografie auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar.
Sie hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.038,75 DM zu zahlen,
für die Zeit von Januar 1999 bis Februar 2000 als Rückstandsbetrag von 28.542,50 DM und sodann fortlaufend ab März 2000.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 6. September 2000 nicht erschienen war, hat das Amtsgericht ihn durch ein am selben Tag verkündetes "Versäumnisurteil" zur Zahlung von Trennungsunterhalt
in Höhe von monatlich 918,98 DM ab Januar 1999, in Höhe von 1.391,06 DM für Februar 2000 und in Höhe von monatlich 2.038,75 DM ab März 2000 verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.
Wegen der Begründung wird auf das Urteil (Bl. 111 f. d. A.) Bezug genommen.
Nach Einspruch des Beklagten gegen dieses Urteil hat die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, er habe die frühere Stelle wegen gesundheitlicher Beschwerden aufgeben müssen. Er hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe sich nicht hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht und ihr müsse ein fiktives Nettoeinkommen von mindestens 2.200,00 DM zugerechnet werden.
Durch das angefochtene Teilurteil hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin Trennungsunterhalt
für Januar 1999 bis Januar 2000 in Höhe von monatlich 918,98 DM und
für Februar bis Juli 2000 in Höhe von monatlich 1.223,00 DM
zu zahlen. Wegen der weitergehenden Unterhaltsansprüche bis Juli 2000 hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dabei der Klägerin ein fiktives Einkommen von monatlich 572,00 DM zugerechnet. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 163 ff. d. A.) Bezug genommen.
Zugleich hat das Amtsgericht eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten über die Behauptung des Beklagten angeordnet, er habe ab August 2000 seine frühere Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzen können.
Mit der Berufung beanstandet die Klägerin die Einkommensberechnung auf Seiten des Beklagten und macht geltend: Für sie habe nicht bereits seit Januar 1999 eine Erwerbsobliegenheit bestanden. Angesichts ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und ihrer fehlenden Ausbildung könne ihr kein fiktives Einkommen zugerechnet werden.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und das Versäumnisurteil im Umfang
weiterer 168,06 DM für Februar 2000 und weiterer monatlich 300,00 DM für März bis Juli 2000 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
und im Wege der unselbständigen Anschlussberufung,
das angefochtene Urteil zu ändern und das Versäumnisurteil wegen weiterer Unterhaltsansprüche in Höhe von monatlich 10,00 DM aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, das Teilurteil sei wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen u. a. in Bezug auf eine Einkommensfiktion auf Seiten der Klägerin unzulässig. Im Übrigen habe das Amtsgericht zu Recht fiktive Einkünfte der Klägerin angesetzt, die jedoch auf mindestens 2.000,00 DM netto zu erhöhen seien. Auch er beanstandet die Berechnung seines Einkommens.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Gemäß § 539 ZPO ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nach § 301 ZPO lagen nicht vor.
Ein Teilurteil darf nur ergehen, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entschieden wird. Es darf nicht die Gefahr bestehen, dass es im Teil- und im Schlussurteil hinsichtlich gemeinsamer Vorfragen zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt. Dabei ist die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug mit zu berücksichtigen (zum Ganzen Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 301 Rn. 7 m.w.N.).
Diese Gefahr ist hier nicht ausgeschlossen. Die Frage, ob für die Klägerin im Rahmen des Trennungsunterhaltsanspruchs nach § 1361 Abs. 1 BGB gem. § 1361 Abs. 2 BGB eine Erwerbsobliegenheit besteht und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ihr deshalb ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist, betrifft als gemeinsame Vorfrage in gleicher Weise den durch das angefochtene Teilurteil geregelten Unterhaltszeitraum bis Juli 2000 wie den noch nicht entschiedenen Zeitraum danach. Gründe für eine Zäsur Ende Juli 2000 gibt es nicht.
In einer solchen Situation ist die getrennte Entscheidung auch über verschiedene Unterhaltszeiträume nicht möglich (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 2000, 226 = FamRZ 2000, 1375, und Urteil vom 13.03.2001 - 8 UF 107/00 - zur Frage der Verwirkung).
Eine Aufhebung und Zurückverweisung kann nicht dadurch verhindert werden, dass die Entscheidung über den in I. Instanz noch nicht entschiedenen Teil gem. § 540 ZPO zum Zwecke der einheitlichen Gesamtentscheidung "heraufgezogen" wird. Das ist nicht sachdienlich, weil für den 2. Unterhaltszeitraum noch die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht läuft.
Durch die in der Berufungsinstanz noch eingeschränkten Anträge sind die Parteien nicht gehindert, diese - wie bereits mit entsprechenden PKH-Gesuchen angekündigt - in I. Instanz wieder zu erweitern.
Die Klägerin wird jedoch darauf hingewiesen, dass oberhalb der durch das "Versäumnisurteil" zugesprochenen Beträge liegende Forderungen bereits rechtskräftig abgewiesen sind. Da die Klageabweisung insoweit mangels Schlüssigkeit und damit der Sache nach durch ein streitiges Teilendurteil erfolgt ist, hätte die Klägerin weitergehende Ansprüche nur mit einer rechtzeitigen Berufung gegen diesen Teil des "Versäumnisurteils" durchsetzen können.
Die - hier rein formale - Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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