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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 12 WF 226/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121 II
Im streitigen Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist dem Beklagten im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe regelmäßig ein Anwalt beizuordnen.
12 WF 226/01

Beschluss

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 11. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 7. November 2001 insoweit geändert, als dem Beklagten Rechtsanwalt H aus Lübeck beigeordnet wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Verfahren beantragt der Kläger die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und seine Verurteilung zur Zahlung des Regelunterhalts. Nachdem der Beklagte Mehrverkehr der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit eingewandt hat, hat das Amtsgericht diese als Zeugin vernommen und die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet. Es hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes unter Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz als nicht erforderlich abgelehnt.

II.

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Da eine anwaltliche Vertretung im vorliegenden Fall gem. § 78 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 621 Abs. 1 Nr. 10, 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorgeschrieben ist, ist die Beiordnung eines Anwalts gem. § 121 Abs. 2 ZPO nur dann vorzunehmen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Ob eine Anwaltsbeiordnung erforderlich ist, richtet sich nach objektiven oder sachlichen Kriterien wie Bedeutung, Umfang, tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache, und subjektiven oder persönlichen Kriterien wie etwa der Geschäftsgewandtheit der Partei. Die Bewertung richtet sich grundsätzlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles.

Für Kindschaftssachen und insbesondere für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren wird verbreitet die Ansicht vertreten, dass schon wegen der Bedeutung der Sache grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen und von diesem Grundsatz nur dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Fall z. B. besonders einfach gelagert ist oder beide Parteien das gleiche Ziel verfolgen (vgl. Zöller, ZPO, 22. Auflage, § 121 Rn. 6 m.w.N.; OLG Karlsruhe, NJW-FER 1999, 128; OLG Bremen, OLG-Report 2000, 372, OLG Karlsruhe, NJW-FER 1999, 128). Die Beiordnung eines Anwalts wird vielfach insbesondere dann als erforderlich angesehen, wenn in einem streitigen Verfahren Mehrverkehr eingewandt wird und die Kindesmutter oder andere Zeugen zu vernehmen oder ein Abstammungsgutachten einzuholen sind (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamm, FamRZ 1995, 747).

Dem schließt sich der Senat - in Abweichung von der früheren Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (vgl. FamRZ 1992, 197) und in teilweise Abkehr von seiner Entscheidung vom 04.09.2000 (OLG-Report 2001, 83) - sowie unter Beibehaltung des Erfordernisses einer Bewertung des konkreten Einzelfalles an.

Auch wenn die hohe Bedeutung der Sache den Gesetzgeber nicht veranlasst hat, im Vaterschaftsfeststellungsverfahren grundsätzlich eine Vertretung durch Anwälte vorzuschreiben, so ist sie doch ein gewichtiger Umstand bei der Beurteilung der Frage, ob in objektiver Hinsicht eine anwaltliche Vertretung geboten ist. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um ein streitiges Verfahren, in dem Zeugen zu hören und ein Abstammungsgutachten einzuholen sind, kommt hinzu, dass eine Partei vielfach nicht ausreichend in der Lage sein wird, eigene Anregungen zur Beweiserhebung zu geben und die erhobenen Beweise richtig zu würdigen, insbesondere auch ein Sachverständigengutachten zutreffend zu bewerten, das zudem nach unterschiedlichen Methoden erstellt werden kann (vgl. die Beschlüsse des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 31.03.1999 - 15 WF 20/99 - unveröffentlicht - sowie vom 27.07.2000, JAmt 2001, 141 und OLG Hamm, a.a.O.). Auch wenn das Gericht gem. §§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO zur Amtsaufklärung verpflichtet ist, kann es zum einen Meinungsverschiedenheiten über die Reichweite des Amtsermittlungsgrundsatzes geben, zum anderen kann sich der Richter nicht objektiv und unparteiisch verhalten und zugleich gezielt die Interessen einer Partei vertreten (vgl. die genannten Beschlüsse des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sowie OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 1285).

All das rechtfertig auch im vorliegenden Fall die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus in seiner Person liegenden Gründen in der Lage ist, die aufgezeigten Schwierigkeiten auch ohne anwaltliche Hilfe zu bewältigen, bestehen nach dem Sachverhalt nicht. Vielmehr spricht bereits seine in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2001 ausgesprochene Bitte, mit dem Beginn auf seinen Prozessbevollmächtigten zu warten, dafür, dass er sich ohne diesen nicht hinreichend sicher fühlte. Dabei ist auch sein jugendliches Alter von erst 23 Jahren zu berücksichtigen (vgl. OLG Bremen, a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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