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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 12 WF 37/06
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB Art. 14 I Nr. 3
BGB § 1314 II Nr. 5
ZPO § 114
1. Allein der Umstand, dass für die Schließung einer Scheinehe in der Türkei türkisches Recht anzuwenden war und ein Beteiligter türkischer Staatsangehöriger ist, rechtfertigt nicht die Anwendung türkischen materiellen Rechts bei späterer Aufhebung der Ehe in Deutschland.

2. Fehlen hinreichende Anknüpfungspunkte für eine bestimmte Rechtsordnung, ist das am Gerichtsort geltende materielle Recht anzuwenden.


12 WF 37/06

Beschluss

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 28. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 23. Februar 2006 abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Todt Prozesskostenhilfe für den Antrag, die am 19. April 2005 in Istanbul geschlossene Ehe der Parteien aufzuheben, bewilligt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

1. Die Antragstellerin ist ausweislich ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 22. Dezember 2005 nicht in der Lage, die Prozesskosten - auch nicht ratenweise - aus eigener Tasche zu zahlen. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (NJW 2005, 2781 f.), kann man der Antragstellerin auch nicht vorhalten, sie hätte von dem Entgelt für die Eingehung der Scheinehe Rücklagen für die zwangsläufige Aufhebung oder Scheidung dieser Ehe bilden müssen. Die Antragstellerin hat nämlich das versprochene Geld nicht erhalten, weil der Antragsgegner nie nach Deutschland eingereist ist. Die Rechtsverfolgung ist auch nicht mutwillig i. S. v. § 114 ZPO. Auch die unbemittelte Partei darf letztlich nicht an einer vor ihr nicht gewollten Scheinehe festgehalten werden (vgl. BGH a. a. O., 2782 m. w. N.).

2. Der Eheaufhebungsantrag der Antragstellerin nach § 1314 Abs. 2 Ziff. 5 BGB ist nach ihrem für das Prozesskostenhilfeverfahren zugrunde zu legenden Vortrag auch Erfolg versprechend. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist nämlich hier das deutsche Recht anwendbar.

Welches Recht für eine Klage auf Aufhebung der von den Parteien am 19. April 2005 in Istanbul geschlossenen Ehe anwendbar ist, richtet sich im Grundsatz nach Art. 14 EGBGB. Die Art. 13 und 17 EGBGB gelten nicht für das Eheaufhebungsverfahren wegen einer Scheinehe i. S. v. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, worauf das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung hingewiesen hat. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts führt hier aber auch Art. 14 EGBGB zur Anwendung des deutschen Rechts, - § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB -. Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB - die Nrn. 1 und 2 dieser Vorschrift sind hier nicht einschlägig - unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staates, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind. Dass der Antragsgegner türkischer Staatsangehöriger ist und die Hochzeit wegen des Zwecks der Eheschließung, nämlich dem Antragsgegner die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, notgedrungen in der Türkei stattgefunden hat, rechtfertigen nicht den Schluss auf eine besonders enge Verbindung der Parteien mit dem türkischen Recht (vgl. KG FamRZ 2002, 840, 841). Da die Eheschließung dem Antragsgegner gerade die Möglichkeit eröffnen sollte, nach Deutschland einzureisen, spricht ebenso viel für die Anwendung des deutschen Rechts. Mindestens lässt sich aber eine gemeinsame engste Verbundenheit i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB nicht feststellen. Für diesen Fall sieht Art. 14 EGBGB zwar keine Lösung vor. Da die deutschen Gerichte für das Begehren der Antragstellerin international zuständig sind (§ 606 a ZPO), muss aber der zu treffenden Entscheidung zwangsläufig eine bestimmte Rechtsordnung zugrunde gelegt werden. Wenn es keinerlei Anknüpfungspunkte für eine bestimmte Rechtsordnung gibt, ist die praktikabelste Lösung diejenige, dass grundsätzlich die Sachnormen des am Gerichtsort geltenden eigenen Rechts Anwendung finden. Dieser Grundsatz rechtfertigt hier die Anwendung des deutschen materiellen Rechts (vgl. KG a. a. O., 842 m. w. N.).

Anwendbar ist hier demgemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift hat die Antragstellerin hinreichend aussichtsreich vorgetragen, sodass ihr für den Aufhebungsantrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

Ende der Entscheidung

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