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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 13 UF 113/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1572
BGB § 242
Ein Unterhaltsgläubiger muß sich seine alkoholbedingte Erwerbsunfähigkeit und Bedürftigkeit nur dann zurechnen lassen, wenn er eine Therapie unterläßt, obwohl er seine Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit erkennt.

SchlHOLG, 13. ZS, Urteil vom 25. Januar 2001, - 13 UF 113/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 113/00 123 F 153/99 AG Lübeck

Verkündet am: 25.01.2001

Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 04. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03. Mai 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in folgendem Umfang zu zahlen:

a. für Oktober bis einschließlich Dezember 1998 monatlich 238,77 DM,

b. für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 30. Juni 1999 monatlich 514,73 DM,

c. für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 1999 monatlich 474,45 DM,

d. für die Zeit ab 01. Januar 2000 monatlich 346,59 DM.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 75 % und der Beklagte 25 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe: pp.

Die Klägerin macht nachehelichen Unterhalt geltend.

Sie ist am 1957 geboren. Am 1985 hat sie den am 1955 geborenen Beklagten geheiratet. Aus der Ehe sind zwei minderjährige Kinder, J, geb. am November 1985, und F, geb. am September 1987, hervorgegangen. Im Dezember 1994 haben die Parteien sich voneinander getrennt. Während der Zeit des Zusammenlebens hat die Klägerin zunächst die Kinder betreut, nachdem sie zuvor als Beamtin bei der Post berufstätig war. Ab etwa 1992 hat sie wieder teilschichtig gearbeitet. Mit Wirkung vom 01. Dezember 1996 an ist sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden und bezieht seither Versorgungsbezüge. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 20. Oktober 1997 geschieden. Dieses Urteil ist seit dem 20. Oktober 1997 rechtskräftig. Der Beklagte war und ist vollschichtig berufstätig. Zunächst hat er ebenfalls als Beamter bei der Post gearbeitet. Im Zuge der Umstrukturierung und Privatisierung ist er zu einem privaten Nachfolgeunternehmen der Post, der K GmbH, gewechselt und ist dort nunmehr im Angestelltenverhältnis tätig. Neben seiner vollschichtigen Tätigkeit betreut der Beklagte die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien, für die ihm mit Scheidungsurteil des Amtsgerichts Lübeck vom 20. Oktober 1997 die alleinige elterliche Sorge übertragen worden war. Durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 10. Februar 1999 ist die Klägerin verurteilt worden, an jedes der beiden Kinder monatlich 183,93 DM Unterhalt zu zahlen.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin Unterhalt ab Oktober 1998 zunächst in Höhe von monatlich 591,75 DM unter Hinweis auf die Differenz zwischen ihren Einkünften und denjenigen des Beklagten geltend gemacht, hat sodann ihre Klage jedoch teilweise zurückgenommen und hat letztlich monatlich nur noch 287,75 DM Unterhalt verlangt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei rechtsmissbräuchlich. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin alles, was sie möglicherweise vom Beklagten als Unterhalt fordern könne, sofort wieder an diesen zurückzahlen müsse. Denn sie zahle ihren Kindern zur Zeit nur einen Bruchteil des Mindestunterhalts. Selbst wenn der Beklagte ihr antragsgemäß monatlich 287,75 DM Unterhalt zu zahlen hätte, müsste sie diesen Betrag in voller Höhe zurückerstatten, weil zur Deckung des Mindestunterhalts beider Kinder noch 382,14 DM monatlich also ein die Klagforderung übersteigender Betrag, erforderlich sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In erster Linie meint sie, ihr Verlangen sei nicht rechtsmissbräuchlich, weil die Geltendmachung von Ehegattenunterhalt mit möglichen Ansprüchen der Kinder auf Unterhalt nichts zu tun habe. Sie behauptet auf Seiten des Beklagten höhere Einkünfte sowie einen zu berücksichtigenden Wohnvorteil. Sie trägt vor, sie selbst sei alkoholkrank, sei deshalb erwerbsunfähig und sei dies auch im Zeitpunkt der Scheidung schon gewesen. Zur Zeit stehe sie - unstreitig - unter Betreuung durch den Lübecker Rechtsanwalt H. Mit ihrer Berufung belegt die Klägerin ihre aktuellen Einkünfte.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit ab Oktober 1998 bis Dezember 1998 monatlich 285,- DM und für die Zeit ab Januar 1999 monatlich 535,- DM zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Klägerin habe ihre Bedürftigkeit nicht dargelegt. Die Tatsache, dass sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe, reiche nicht, um Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Eine evtl. Arbeitsunfähigkeit hätte sie überdies selbst verschuldet, weil sie ihr angebotene Therapien zur Bekämpfung des Alkoholproblems nicht angenommen habe. Solche Therapien hätten zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geführt. Er selbst sei in Anbetracht der Betreuung der Kinder überobligatorisch tätig und habe überdies bis Juli 1999 seiner Mutter für die Betreuung der Kinder monatlich 1.000,- DM gezahlt. Von seinem Einkommen müsse der Teil des Kindesunterhaltes abgezogen werden, den er für die Klägerin, die ihn nicht aufbringen könne, zahle. Dabei gehe es nicht nur um den Mindestunterhalt. Vielmehr sei der Kindesunterhalt nach seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen zu bemessen. Ein Wohnwert sei einkommenserhöhend nicht zu berücksichtigen. Schließlich seien mögliche Unterhaltsansprüche der Klägerin bis Oktober 1999 jedenfalls verwirkt, weil sie im Herbst 1998 vergeblich versucht habe, für eine Unterhaltsklage vor dem Amtsgericht Lübeck Prozesskostenhilfe zu erhalten und sich mit der abschlägigen Prozesskostenhilfeentscheidung des Amtsgericht zufriedengegeben habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts aus § 1572 BGB zu. Denn sie ist aufgrund ihrer Alkoholerkrankung unverschuldet erwerbsunfähig und daher bedürftig.

Die Klägerin leidet langjährig an einer schwerwiegenden Alkoholsymptomatik. Dieser Umstand ist dem Beklagten bekannt und wird dem Grunde nach von ihm nicht bestritten, hat er doch bereits im Scheidungsverfahren der Parteien seinen damaligen Antrag, ihm die alleinige elterliche Sorge für die beiden minderjährigen Kinder zuzusprechen, im Wesentlichen damit begründet, die Klägerin sei aufgrund der fortgeschrittenen Alkoholerkrankung nicht in der Lage und nicht geeignet, sich um die Kinder zu kümmern. Die ergänzende Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat darüber hinaus ergeben, dass schon die Deutsche Telekom als ihr damaliger Arbeitgeber ihr im Jahr 1995 dringend geraten hatte, wegen ihrer Alkoholerkrankung eine stationäre Therapie zu machen. Die Klägerin hat sich daher - auch das ist unstreitig - schon 1995 und damit lange vor Rechtskraft der Scheidung der Ehe Ende 1997 in eine stationäre Langzeittherapie in einer Fachklinik in B begeben. Im Jahr 1996 ist sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Grund waren u. a. häufige längerdauernde unentschuldigte Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Eine arbeitsärztliche Untersuchung der Klägerin hat stattgefunden. Sie ist in der Folgezeit wiederholt worden. Als Ergebnis ist Arbeitsunfähigkeit der Klägerin festgestellt worden. Zuletzt hat sich die Klägerin von Mai bis September 2000 zu einer stationären Langzeittherapie in der Fachklinik N aufgehalten. Sie ist wegen ihrer Erkrankung unter Betreuung gestellt worden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen, nämlich der langjährigen Alkoholerkrankung erwerbsunfähig ist. Der Senat kann diese Feststellung aufgrund der dargestellten Tatsachen und des Eindrucks der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst treffen, ohne dass es hierfür noch der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachten bedurfte. Die mehrfachen Klinikaufenthalte, die Entlassung der Klägerin aus dem Dienst und die Anordnung der Betreuung sind unstreitige Tatsachen, die schwerwiegende Indizien für eine langjährige gravierende Alkoholerkrankung darstellen, so dass es nicht entscheidend auf die - im übrigen zu bejahende - Glaubwürdigkeit der Darstellung der Klägerin über den Ablauf ihrer Krankheit ankommt. Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin - wie sie in der letzten mündlichen Verhandlung angegeben hat - seit ihrer Entlassung aus N im September 2000 bzw. schon seit ihrer Einweisung im Mai 2000 keinen Alkohol mehr trinkt. Diese Behauptung hat für ihre Arbeitsfähigkeit keine entscheidende Bedeutung. Sollte sie auch nach ihrer Entlassung aus der Fachklinik N weiter Alkohol zu sich nehmen, spräche dies um so mehr gegen ihre Arbeitsfähigkeit. Sollte sie keinen Alkohol mehr trinken, wäre in Anbetracht der kurzen Zeit der Alkoholabstinenz eine Arbeitsfähigkeit zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht anzunehmen. Eine verlässliche Prognose hierüber ist allenfalls nach einem bedeutend längeren Zeitraum der Alkoholabstinenz möglich, nachdem sie seit Jahren trotz mehrerer Therapien alkoholkrank war. Es ist daher festzustellen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Krankheit erwerbsunfähig ist und dies auch schon zum Einsatzzeitpunkt im Sinne des § 1572 BGB (Rechtskraft der Scheidung der Parteien am 30. Dezember 1997) war.

Die sich aus ihrer Alkoholerkrankung ergebende Erwerbsunfähigkeit und die damit einhergehende Bedürftigkeit hat die Klägerin nicht verschuldet. Bei einer Alkoholerkrankung wäre dies allenfalls dann der Fall, wenn der Erkrankte zum Einsatzzeitpunkt fähig und in der Lage war, seine Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen, sich aber Behandlungsmöglichkeiten verschlossen hat. Das kann hier nicht festgestellt werden. Vielmehr hat die Klägerin schon vor Rechtskraft der Scheidung der Ehe, nämlich spätestens im Jahr 1995, nach dem dringenden Ratschlag ihres damaligen Arbeitgebers, die Alkoholerkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit erkannt. Sie hatte die erforderliche Einsicht, hat sich der Behandlung unterzogen, zunächst durch Aufnahme der Langzeittherapie im Jahr 1995 und dann nach einem von der Klägerin geschilderten psychischen Zusammenbruch und Rückfall im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen der Parteien im Rahmen der Scheidung, zuletzt noch einmal durch eine erneute stationäre Behandlung im Frühjahr und Sommer 2000. Auch in der Zwischenzeit stand die Klägerin unter Aufsicht und Behandlung ihres Hausarztes. Die erforderlichen Behandlungen haben bei der Klägerin allerdings trotz ihrer Einsicht in die Erkrankung und die Behandlungsbedürftigkeit - jedenfalls bis zum jetzigen Zeitpunkt - nicht zu einem dauerhaften und durchgreifenden Erfolg bei der Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit geführt. Dies ist jedoch der Klägerin, die alle angebotenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit wahrgenommen hat, nicht vorzuwerfen.

Die Klägerin handelt auch nicht - wie das Amtsgericht angenommen hat - rechtsmissbräuchlich, wenn sie den ihr zustehenden Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten geltend macht. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB kann es darstellen, wenn jemand eine Leistung fordert, von der er weiß, dass er sie aus anderem Grunde sofort an den Leistenden zurückzuerstatten hat. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein eigener Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zu, unabhängig von der Frage, ob ihre minderjährigen Kinder sie aus anderem Grund gleichfalls auf Unterhaltsleistungen in Anspruch nehmen können. Unterhalt, den sie vom Beklagten erhält, hat sie ihm in keinem Fall sofort wieder zurückzuerstatten. Ob sie, wenn sie zusätzlich zu ihren Versorgungsbezügen vom Beklagten Unterhalt erhält, in erhöhtem Umfang selbst leistungsfähig ist und ob sie ihren Kindern daher höheren Unterhalt schuldet, ist hiervon getrennt zu betrachten. Die Kinder sind nicht Partei dieses Prozesses. Ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe diese gegen ihre Mutter höhere Unterhaltsansprüche geltend machen wollen, ist ohne Einfluss auf die Beurteilung der Unterhaltspflicht des Beklagten.

Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs im Einzelnen geht der Senat auf Seiten der Klägerin von ihren belegten Versorgungsbezügen aus, auf Seiten des Beklagten von dessen ebenfalls belegten Erwerbseinkünften. Ein einkommenserhöhender Wohnvorteil ist nicht zu berücksichtigen. In Anbetracht der Tatsache, dass während der Ehe der Parteien für ein aus dem Jahr 1944 stammendes Haus mit 80 qm Wohnfläche auf einem 280 qm großen Erbbaugrundstück mit einem Verkehrswert von 150.000,- DM monatlich 750,- DM verbrauchsunabhängige Kosten zu zahlen waren, ist ein diese Belastungen übersteigender Wohnwert nicht feststellbar.

Auf Seiten des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass er die beiden minderjährigen Kinder neben seiner vollschichtigen Arbeit betreut. Die Auffassung des Beklagten, er arbeite in dieser Situation überobligatorisch und sei allenfalls verpflichtet, halbschichtig tätig zu sein, teilt der Senat jedoch nicht. Der Beklagte war während der Zeit des Zusammenlebens der Familie durchgehend vollschichtig erwerbstätig. Es entsprach dem Wunsch des Beklagten, bei Scheidung der Ehe trotz seiner vollschichtigen Tätigkeit die beiden Kinder zu sich zu nehmen. In dieser Situation ist er nicht berechtigt, seine volle Arbeitsstelle zu Lasten des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau aufzugeben und nur noch halbschichtig zu arbeiten, jedoch ist die Betreuung der Kinder durch Zuerkennung eines Betreuungsbonus zu honorieren. Die von ihm behauptete Zahlung von 1.000,- DM monatlich bis Juli 1999 bleibt außer Ansatz. Denn aus der weiteren Erklärung des Beklagten ergibt sich, dass in diesen 1.000,- DM jedenfalls auch Anteile enthalten waren, die er nicht für die reine Betreuung zahlte, sondern für darüber hinausgehende Aufwendungen der Mutter, insbesondere für Kleidung und allgemeine Lebenshaltung der Kinder. Der Senat gewährt dem Beklagten wegen der Betreuung der minderjährigen Kinder einen Bonus von 600,- DM monatlich, der von den Einkünften des Beklagten abzusetzen ist.

Weiter sind die Beträge in Abzug zu bringen, die er ihnen als ergänzenden Barunterhalt zur Verfügung stellt, weil die Klägerin aufgrund eingeschränkter Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, den vollen Mindestunterhalt zu erbringen. Dabei ist jedoch nicht darauf abzustellen, welchen Barunterhaltsanspruch die Kinder gegen den Beklagten nach dessen Einkünften hätten. Kinder leiten die Höhe ihres Unterhaltsanspruches grundsätzlich von den wirtschaftlichen Verhältnissen desjenigen ab, der ihnen zum Barunterhalt verpflichtet ist. Der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil ist in diesem Fall die Klägerin. Anhaltspunkte dafür, nicht deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Grundlage der Bemessung des Unterhalts der Kinder zu nehmen, gibt es nicht. Der Beklagte ist nicht - auch nicht anteilig - barunterhaltspflichtig. Er erbringt den ihm obliegenden Teil der Unterhaltsverpflichtung vollständig durch die dem Barunterhalt gleichwertige Betreuung. Für die Frage der Bedarfsbemessung der Kinder kommt es nicht darauf an, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist. Dem trägt der Senat auch Rechnung. Der Anspruch der Kinder beschränkt sich nicht auf die von der Klägerin anerkannten Beträge von monatlich je 183,93 DM. Die Klägerin schuldet grundsätzlich den jeweiligen Mindestunterhalt. Deshalb berücksichtigt er bei der Einkommensermittlung des Beklagten auch, dass er für die Klägerin, soweit diese nicht leistungsfähig ist, eintritt und rechnerisch den Unterhalt der Kinder jedenfalls auf den Mindestunterhalt aufstockt. Diese Differenzbeträge sind von seinem Einkommen abzuziehen. Dabei hat zu seinen Gunsten wegen der Regelung des § 1612 b Abs. 5 BGB eine Anrechnung des Kindergeldes zu unterbleiben, weil die Klägerin als Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, den Mindestunterhalt oder - soweit es die Zeit ab 01. Januar 2001 betrifft - höhere Beträge bis zu 135 % des Regelbetrages zu leisten.

Im Einzelnen gilt für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs folgendes:

Die Einkünfte der Klägerin in Form ihrer Versorgungsbezüge sind durch entsprechende Jahresbescheinigungen für die Zeit 1998 bis 2000 belegt. Ausweislich dieser Bescheinigungen verfügt die Klägerin über monatliche Nettobeträge von 1.870,36 DM im Jahre 1998, 1.962,70 DM im Jahre 1999 und 1.977,98 DM im Jahr 2000, wobei für das Jahr 2000 bereits berücksichtigt ist, dass die Klägerin zwar nominell höhere Nettobeträge von 2.233,81 DM monatlich erhält, jedoch selbst monatliche Krankenversicherungsbeiträge von 255,83 DM zu erbringen hat, so dass sich der genannte Nettobetrag ergibt.

Auf Seiten des Beklagten sind die Einkommensverhältnisse durch die Jahresverdienstbescheinigungen für die genannten Jahre ebenfalls nachgewiesen. Im Jahre 1998 hat er demnach als Beamter monatlich 3.897,36 DM verdient. Im Jahre 1999 ist er bis einschließlich September noch Beamter bei der Deutschen Telekom gewesen. Ausweislich der entsprechenden Jahresverdienstbescheinigung hat er in dieser Zeit 37.652,04 DM netto verdient. Zum 01. Oktober 1999 ist er als Angestellter zur K GmbH gewechselt. Dort hat er im letzten Quartal 1999 10.804,08 DM netto verdient, insgesamt im Jahr 1999 also 49.519,83 DM. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Beklagte nach Wegfall des Beamtenstatus selbst Krankenversicherung in Höhe von 354,57 DM monatlich zu zahlen hat. Für das letzte Quartal 1999 macht dies einen Gesamtbetrag von 1.063,71 DM aus, der von den Nettojahresbezügen abzuziehen ist, so dass sich diese auf 48.456,12 DM verringern. Das entspricht einem Monatsnettoeinkommen von 4.038,01 DM. Im Jahr 2000 hat der Beklagte 54.037,87 DM netto verdient. Monatlich sind dies 4.503,15 DM. Abzuziehen sind 46,48 DM monatlich Beitrag für die Postgewerkschaft und 354,57 DM Krankenversicherungsbeitrag. So verbleibt ein Nettoeinkommen von 4.102,10 DM.

Bei der Unterhaltsberechnung ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte erwerbstätig ist, ihm also ein Bonus von 1/7 zuzubilligen ist, während die Versorgungsbezüge der Klägerin in voller Höhe in die Berechnung einzustellen sind.

Für 1998 gilt:

Das Nettoeinkommen von 3.897,36 DM ist zu ermäßigen um 600,- DM Betreuungsbonus sowie den ungedeckten Teil des Kindesunterhaltes in Höhe von 558,14 DM (424,- DM + 502,- DM - 367,86 DM Zahlung der Klägerin). Es verbleibt ein Einkommen von 2.739,22DM, 6/7 sind 2.347,90 DM. Zu addieren ist die Pension der Klägerin mit 1.870,36 DM. Es ergibt sich 4.218,26 DM. Die Hälfte hiervon, also 2.109,13 DM, ist der Bedarf der Klägerin. Dieser ist gedeckt durch ihre Pension in Höhe von 1.870,36 DM, so dass ein ungedeckter restlicher Unterhaltsanspruch von monatlich 238,77 DM verbleibt.

Für 1999 gilt:

Das Nettoeinkommen beträgt 4.038,01 DM monatlich. Hinzukommen 611,- DM aus der belegten und auf den Monat umgerechneten Steuererstattung. Abzuziehen sind wiederum 600,- DM Betreuungsbonus und 558,14 DM ungedeckter Kindesunterhalt, so dass 3.490,87 DM verbleiben. 6/7 hiervon sind 2.992,17 DM. Hinzuzusetzen ist die Pension der Klägerin mit 1.962,70 DM. Der Gesamtbetrag von 4.954,87 DM : 2 ergibt den Bedarf der Klägerin, nämlich 2.477,43 DM. Dieser ist durch die Pension in Höhe von 1.962,70 DM gedeckt, so dass ein ungedeckter Restbedarf von 514,73 DM monatlich verbleibt. Dies gilt für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 1999.

Im Juli 1999 erhöht sich der Unterhaltsbedarf der Kinder. Für Juli bis Dezember 1999 ist also (einschließlich Steuererstattung) vom unveränderten Einkommen des Beklagten von 4.649,01 DM neben dem Betreuungsbonus von 600,- DM jetzt der ungedeckte Anteil des Unterhaltes der Kinder mit 652,14 DM abzuziehen (510,- DM + 510,- DM ./. 367,86 DM). So verringert sich das anrechenbare Einkommen auf 3.396,87 DM. 6/7 hiervon sind 2.911,60 DM. Addiert man die Pension der Klägerin mit 1.962,70 DM hinzu, so ergibt sich ein Gesamteinkommen von 4.874,30 DM, wovon die Hälfte, also 2.437,15 DM den Bedarf der Klägerin darstellt, der in Höhe von 1.962,70 DM durch die Pension gedeckt ist. Es verbleibt daher ein ungedeckter monatlicher Restbedarf von 474,45 DM.

Ab Januar 2000 gilt folgendes:

Das Einkommen des Beklagten beträgt 4.102,10 DM. Abzuziehen ist der Betreuungsbonus von 600,- DM und die unveränderten ungedeckten Anteile des Kindesunterhalts von 652,14 DM. Hinzuzusetzen sind die auf den Monat umgerechneten und belegten beiden Steuererstattungen, die der Beklagte im Jahr 2000 erhalten hat, und zwar einmal mit 151,69 DM monatlich und sodann mit 114,72 DM. Insgesamt steht ein Einkommen von 3.116,37 DM zur Verfügung. 6/7 hiervon sind 2.671,17 DM. Zu addieren ist die Pension der Klägerin in Höhe von 1.977,98 DM. Es ergeben sich Gesamteinkünfte von 4.649,15 DM, die geteilt durch zwei mit 2.324,57 DM den Bedarf der Klägerin ergeben. Nach Abzug ihrer Pension mit 1.977,98 DM verbleibt daher für die Zeit ab 01. Januar 2000 ein monatlicher ungedeckter Restbedarf von 346,59 DM.

Diesen Unterhaltsanspruch hat die Klägerin auch nicht für die Zeit von Oktober 1998 bis September 1999 verwirkt. Für die Annahme der Verwirkung eines Anspruches kommt es einerseits auf den Zeitablauf bis zur Geltendmachung (Zeitmoment) und andererseits auf besondere Umstände (Umstandsmoment) an, aus denen ein Verpflichteter entnehmen darf, dass der Berechtigte ihn nicht mehr in Anspruch nehmen werde. Es mag schon zweifelhaft sein, ob allein der Umstand, dass die Klägerin im Dezember 1998 die abschlägige Entscheidung hinsichtlich der beantragten Prozesskostenhilfe hingenommen hat, ein ausreichender Anhaltspunkt im Sinne eines Umstandsmomentes für den Beklagten gewesen sein kann, was ihn zu der Annahme berechtigte, er werde von der Klägerin in Zukunft für diesen Zeitraum nicht mehr in Anspruch genommen werden. Dies mag jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls ist das zusätzlich erforderte Zeitmoment nicht erfüllt. Die Klägerin hat - mit Erfolg - nur 9 Monate später einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag gestellt und Klage erhoben. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand für den Beklagten kein Anlass dafür, sich in seinen finanziellen Dispositionen so einrichten zu dürfen, als werde er nicht mehr auf Unterhalt in Anspruch genommen werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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