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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: 13 UF 220/99
Rechtsgebiete: UVG, BGB


Vorschriften:

UVG § 7 II
BGB § 1613 I
Der unterhaltspflichtige Elternteil kann nach § 7 UntVorschG nicht für die Zeit vor dem Erlass des Bewilligungsbescheides zur Zahlung verpflichtet werden.

SchlHOLG, 4. FamS, Urteil vom 05. Oktober 2000, - 13 UF 220/99 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 220/99 42 F 50/96 AG Elmshorn

Verkündet am: 05. Oktober 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

des Herrn

Beklagten und Berufungsklägers,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig -

gegen

das Land Schleswig-Holstein, vertreten durch den Landrat des Kreises Pinneberg, Fachdienst Soziales, Unterhaltsvorschuss, Lindenstraße 11, 25421 Pinneberg,

Klägers und Berufungsbeklagten,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Reiche, Berlage und Dr. Ahrens in Schleswig -

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Friedrichsen, die Richterin am Oberlandesgericht Jantzen und den Richter am Oberlandesgericht Hohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Elmshorn vom 17. September 1999 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für verauslagte Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Zeit vom 01. Mai 1995 bis zum 29. Februar 1996 folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:

für Katharina, geb. am 07. Juli 1986 2.878,68 DM,

für Kurt, geb. am 18. März 1989 2.878,68 DM,

für Marie, geb. am 04. Februar 1991 2.232,68 DM.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz tragen der Kläger zu 3/10 und der Beklagte zu 7/10, diejenigen des Berufungsverfahrens der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen den Beklagten als Vater der Kinder

Katharina,

Kurt,

Marie,

rückständigen Kindesunterhalt aus der Zeit vom 01.11.1994 bis zum 29.02.1996 aus übergangenem Recht gem. § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) geltend.

Die Eltern der Kinder sind seit dem 10.01.1996 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge haben beide Eltern gemeinsam behalten.

Die Kindesmutter ist als Justizbeamtin tätig.

Der Beklagte hat den Beruf des Werkzeugmachers gelernt. Zunächst arbeitete er bis einschließlich 1989 im Betrieb seines Vaters. Wegen mangelnder Aufträge schied er dort aus und machte sich Ende 1989 mit der Firma Kurt L, einer Ein-Mann-GmbH, deren Geschäftsführer er war, als Kunststoffverarbeiter selbständig. In jüngerer Zeit löste er die GmbH auf und betreibt seitdem in derselben Branche eine Einzelfirma.

Durch Bescheid vom 24.04.1995 bewilligte der Kläger den Kindern Katharina, Kurt und Marie Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und leistete für Katharina für die Zeit von November 1994 bis Dezember 1995 monatlich 283,- DM und für Januar und Februar 1996 monatlich 307,34 DM, für Kurt für November 1994 bis Februar 1995 monatlich 221,- DM, für die Zeit vom 01.03. bis zum 17.03.1995 125,12 DM und für die Zeit vom 18.03. bis zum 31.03.1995 179,17 DM, für April 1995 bis Dezember 1995 monatlich 283,- DM und für Januar und Februar 1996 monatlich 307,34 DM sowie für Marie für November 1994 bis Dezember 1995 monatlich 221,- DM und für Januar und Februar 1996 monatlich 232,34 DM.

Mit Schreiben vom 24.04.1995 teilte der Kläger dem Beklagten die Vorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die drei Kinder für die Zeit ab November 1994 mit und setzte den Beklagten darüber in Kenntnis, dass der Unterhaltsanspruch der Kinder gegen ihn in Höhe und für die Dauer der Leistungsgewährung kraft Gesetzes gem. § 7 UVG auf das Land Schleswig-Holstein übergegangen sei.

Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt,

ihm für verauslagte Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Zeit von November 1994 bis Januar 1996 folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:

für Katharina 4.776,00 DM,

für Kurt 4.494,00 DM und

für Marie 3.833,00 DM

sowie für die Zeit ab Februar 1996 monatlich

für Katharina 324,00 DM,

für Kurt 324,00 DM und

für Marie 249,00 DM.

Soweit der Kläger Unterhalt auch für die Zeit ab März 1996 verlangt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Unter Klagrücknahme im übrigen hat der Kläger zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn für die Zeit von November 1994 bis Februar 1996 folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:

für Katharina

für November 1994 bis Dezember 1995 monatlich 283,00 DM

und für Januar und Februar 1996 monatlich 307,34 DM,

insgesamt 4.576,68 DM,

für Kurt

für November 1994 bis Februar 1995 663,00 DM,

für die Zeit vom 01.03. bis 17.03.1995 125,12 DM,

für die Zeit vom 18.03 bis zum 31.03.1995 179,17 DM,

für April 1995 bis Dezember 1995 monatlich 283,00 DM

und für Januar und Februar 1996 monatlich 307,34 DM,

insgesamt 4.128,97 DM,

für Marie

für November 1994 bis Dezember 1995 monatlich 221,00 DM

und für Januar und Februar 1996 monatlich 232,34 DM,

insgesamt 3.558,68 DM.

Der Beklagte hat, soweit die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist und soweit der Kläger die Klage nicht zurückgenommen hat, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Familiengericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 16.07.1999, auf den verwiesen wird, durch Vernehmung der Zeugen M, B und S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.08.1999 verwiesen.

Sodann hat das Amtsgericht - Familiengericht - Elmshorn durch Urteil vom 17.09.1999 den Beklagten entsprechend den zuletzt gestellten Anträgen des Klägers zur Zahlung verauslagter Unterhaltsleistungen verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Er trägt vor, die auf den Kläger übergegangenen Unterhaltsansprüche könnten nur von dem Zeitpunkt der Mitteilung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG an geltend gemacht werden.

Der Beklagte hat zunächst den Antrag angekündigt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage im Umfang von 1.800,- DM (600,- DM je Kind) Unterhaltsrückständige abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden ist, für die Zeit vom 01.11.1994 bis zum 30.04.1995 Kindesunterhalt für Katharina, Kurt und Marie zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Beklagte schulde auch den Unterhaltsrückstand für die Zeit von November 1994 bis April 1995. Dem Beklagten sei die Bewilligung der Unterhaltsleistung durch Bescheid vom 24.04.1995 unverzüglich durch Schreiben vom selben Tage mitgeteilt worden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, soweit er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung rückständigen Unterhalts aus der Zeit von November 1994 bis April 1995 wendet. Im übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 7 UVG in Höhe des geltend gemachten Mindestunterhalts für die drei Kinder Katharina, Kurt und Marie für die Zeit von Mai 1995 bis Februar 1996. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seinem zuletzt gestellten Berufungsantrag nicht mehr.

Der für Mai 1995 bis einschließlich Februar 1996 geschuldete Unterhalt errechnet sich wie folgt:

Mai bis Dezember 1995

Unterhalt aus der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle, Stand Juli 1995, nach Abzug des hälftigen anteiligen Kindergeldes - (70,- DM + 130,- DM + 220,- DM) : 3 : 2 = 70,- DM -

Katharina, 8 und 9 Jahre alt

353,- DM ./. 70,- DM = 283,00 DM

Kurt, 6 Jahre alt

353,- DM ./. 70,- DM = 283,00 DM

Marie, 4 Jahre alt

291,- DM - 70,- DM = 221,00 DM.

Januar und Februar 1996

Unterhalt nach der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle, Stand Januar 1996, nach Abzug des hälftigen anteiligen Kindergeldes - (200,- DM + 200,- DM + 300,- DM) : 3 : 2 = 116,66 DM -

Katharina, 9 Jahre alt

424,- DM ./. 116,66 DM = 307,34 DM

Kurt, 6 Jahre alt

424,- DM ./. 116,66 DM = 307,34 DM,

Marie, 4 und 5 Jahre alt

349,- DM ./. 116,67 DM = 232,34 DM.

Danach ergeben sie für die Zeit von Mai 1995 bis Februar 1996 folgende Gesamtunterhaltsansprüche der drei Kinder:

Katharina 2.878,68 DM

Kurth 2.878,68 DM

Marie 2.232,68 DM.

Der Kläger kann gem. § 7 Abs. 2 UVG den Beklagten nicht wegen der Unterhaltsvorschussleistungen für die Zeit von November 1994 bis April 1995 in Anspruch nehmen. Nach § 7 Abs. 2 UVG kann der unterhaltspflichtige Elternteil außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur in Anspruch genommen werden, wenn ihm die Bewilligung der Unterhaltsleistung unverzüglich schriftlich mitgeteilt worden ist. Zwar hat der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 24.04.1995 im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erlass des Bewilligungsbescheides vom selben Tage die Unterhaltsvorschussleistungen und den Übergang des Unterhaltsanspruchs mitgeteilt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der unterhaltspflichtige Elternteil auch für Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor Erlass des Bewilligungsbescheides in Anspruch genommen werden kann. Denn die über § 1613 Abs. 1 BGB hinausgehende Regelung nach § 7 Abs. 2 UVG gilt entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Parallelvorschrift des § 37 Abs. 4 BAföG nicht für die Zeit vor dem Erlass des Bewilligungsbescheides über die Unterhaltsleistung (vgl. Scholz, Unterhaltsvorschussgesetz, 3. Aufl. 1997, § 7 Rn. 13; OLG Oldenburg FamRZ 1994, 1557; BGH NJW 1979, 1456 zur Vorschrift des § 37 Abs. 4 BAföG). Dies ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes. Der BGH (a. a. O. S. 1457) führt aus, die Vorschrift des § 1613 Abs. 1 BGB enthalte den für die bürgerlich rechtliche Unterhaltspflicht bedeutsamen Grundsatz, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur ab Verzug oder Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs verlangt werden könne. Auch im Verhältnis zu einem Dritten, der Unterhalt für vergangene Zeit vorgeschossen habe, greife der dieser Vorschrift zugrundeliegende Gedanke des Schuldnerschutzes durch. Der Verpflichtete solle in die Lage versetzt werden, sich in der Disposition seines Lebenszuschnitts auf die zu leistende Unterhaltszahlung einzurichten und davor geschützt werden, überraschend mit einer zu hohen Rückständen aufgelaufenen Schuld konfrontiert zu werden. Die unverzügliche Mitteilung von der Bewilligung der Ausbildungsförderung eröffne die Inanspruchnahme der Eltern des Auszubildenden auf Erfüllung des übergeleiteten Unterhaltsanspruchs für die Vergangenheit erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die Vorausleistung. Diese Erwägungen treffen auch für die Inanspruchnahme des unterhaltspflichtigen Elternteils nach § 7 UVG zu. Da der Unterhaltsanspruch der Kinder Katharina, Kurt und Marie für April 1995 bereits Anfang des Monats fällig war, der Bewilligungsbescheid und die Mitteilung des Klägers an den Beklagten aber erst vom 24.04.1995 stammt, der Beklagte sich somit für April nicht mehr auf die Unterhaltszahlung einstellen konnte, hat die Klage erst für die Zeit ab Mai 1995 Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 269 Abs. 3, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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