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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 13 UF 25/05
Rechtsgebiete: BErzGG, BGB


Vorschriften:

BErzGG § 9 S. 2
BGB § 165 S. II
BGB § 165 S. IV

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Zur Anrechenbarkeit von Erziehungsgeld.

2. Zur Pflicht des nichtehelichen Vaters zur Kindesbetreuung.


13 UF 25/05

Beschluss

In der Familiensache (Kindesunterhalt)

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 9. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Beklagten wird die für die beabsichtigte Berufung gegen das am 30. Dezember 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Itzehoe - Familiengericht - nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt.

Gründe:

Die beabsichtigte Berufung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Bei vorläufiger Würdigung des Sach- und Streitstandes ist die Beklagte entgegen der von ihr vorgetragenen Ansicht auch verpflichtet, für den Zeitraum ab April 2004 Kindesunterhalt an den Kläger für das gemeinsame Kind Jan Hauke G. , geb. am 17.1.2000, zu zahlen.

Zutreffend hat das Amtsgericht der Beklagten für die Zeit ab April 2004 ein Gesamteinkommen von monatliche 631 € zugerechnet. Die Beklagte muss sich das Erziehungsgeld, das sie für ihr zweites am 22. August 2003 geborenes Kind L. in Höhe von 307 € monatlich und ab 22. August 2004 in Höhe von 293 € monatlich erhielt, gem. § 9 S. 2 BErzGG als Einkommen anrechnen lassen.

Außerdem ist der Beklagten ein fiktives Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 324 € zuzurechnen. Diesen Monatsbetrag hätte die Beklagte durch eine - ihr vom Dienstherrn zu genehmigende - Nebentätigkeit verdienen können und müssen. Weil das gemeinsame Kind der Parteien aus der geschiedenen Ehe den gleichen Rang hat wie das zweite Kind der Beklagten aus der neuen Verbindung, war es der Beklagten verwehrt, sich in der Haushaltsgemeinschaft mit dem neuen Lebensgefährten allein auf die Sorge für das zweite Kind und den neuen Haushalt zu beschränken. Vielmehr war die Beklagte im Hinblick auf ihre Unterhaltspflicht auch gegenüber dem aus der geschiedenen Ehe hervorgegangenen Kind berechtigt und verpflichtet, jedenfalls im geringen Umfang erwerbstätig zu sein (BGH NJW 2001, 1488, 1489).

Der Beklagten wäre es bei der ihr zuzumutenden Arbeitssuche auch möglich gewesen im Gebiet ihres Wohnortes am südlichen Stadtrand Hamburgs oder in der Umgebung eine oder notfalls auch zwei geringfügig bezahlte Nebentätigkeiten zu finden. Das gilt entgegen der Ansicht der Beklagten auch trotz der relativ großen Arbeitslosigkeit im Bezirk des Landgerichts Stade und nach der Einführung der sogenannten 1 €-Jobs. Die Beklagte hat gar nicht den Versuch unternommen, eine solche Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Sie konnte auch von ihrem neuen Lebensgefährten, dem Vater ihres zweiten Kindes, mit dem sie in einem Haushalt zusammenlebte, erwarten und verlangen, dass er teilweise die Betreuung des gemeinsamen kleinen Kindes L. übernimmt, um ihr die geringfügige Erwerbstätigkeit zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht aus der geschiedenen Ehe zu ermöglichen (BGH a. a. O.).

Zwar konnte die Beklagte die Übernahme der teilweisen Betreuung des kleinen Kindes durch dessen Vater nicht einklagen, worauf sie zutreffend hinweist. Die für Eheleute in § 1356 Abs. 2 BGB normierte Pflicht zur gemeinsamen Betreuung der Kinder ist ebenfalls nicht einklagbar. Die Pflicht der zumindest zeitweisen Betreuung eines eigenen Kindes geht jedoch über einen moralischen Anspruch hinaus, ist also eine Rechtspflicht. Diese Rechtspflicht ergibt sich aus § 1652 Abs. 2 und Abs. 4 BGB.

Gegen den Kindesvater hat die nicht-eheliche Mutter den Anspruch auf Betreuungsunterhalt gem. § 1615 l BGB, der bis zum Alter des Kindes von 3 Jahren dem Anspruch der ehelichen Mutter auf Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB vergleichbar ist. Gleiches gilt für den Vater dann, wenn er das Kind betreut. Dann hat er einen Unterhaltsanspruch gegen die Mutter (§ 1615 l Abs. 4 BGB).

Hinzukommt, dass der Vater auch des nichtehelichen Kindes gem. § 1684 Abs. 1 BGB die rechtliche Pflicht zum regelmäßigem Umgang mit dem Kind hat. Auch im Rahmen dieser Pflicht muss er das Kind betreuen und versorgen.

Die Rechtslage ist auch in der Zeit ab März 2005 nicht anders zu beurteilen. Seit dem 3. März 2005 erhielt die Beklagte Leistungen nach SGB II für sich und die Tochter L. (Arbeitslosengeld II). Wenn die Beklagte einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nicht nachging, war sie verpflichtet, von dem auf sie entfallenden Arbeitslosengeldanteil den Barunterhalt für J. in Höhe von monatlich 192 € an den Kläger zu zahlen.

Schließlich ist die Beklagte seit dem 1. Dezember 2005 wieder ohne weiteres leistungsfähig, nachdem sie ihre Tätigkeit als Zollbeamtin wieder aufgenommen hat.

Die Beklagte war und ist auch imstande, der Höhe nach den vom Kläger geforderten Mindestunterhalt von monatlich 192 € zu zahlen. In der Zeit ab April 2004 war der Wohnbedarf der Beklagten dadurch gedeckt, dass sie mit L. im Haushalt des Vaters des kleinen Kindes lebte. Insoweit war ihr eigener notwendiger Gesamtbedarf von seinerzeit 820 € monatlich um den darin enthaltenen Anteil für warme Unterkunft von 390 € auf 430 € reduziert. Damit konnte die Beklagte das über 430 € hinausgehende Monatseinkommen zur Deckung des Mindestunterhalts für J. verwenden.

Ende der Entscheidung

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