Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 25.11.1999
Aktenzeichen: 13 UF 280/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671 n. F.
BGB § 1696 n. F.
BGB § 1672 a. F.
Eine vor Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes über die Ehescheidung erlassene Entscheidung über die elterliche Sorge kann nur nach § 1696 BGB abgeändert werden.
13 UF 280/98

Verkündet am: 25.11.1999

..., Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgericht

Beschluß

In der Familiensache

der,

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Herrn,

Antragsgegner und Beschwerdegegner,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 04. November 1999 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das am 24. November 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg im Ausspruch über die elterliche Sorge (Ziffer II. des Tenors) geändert.

Es verbleibt gemäß Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg vom 01. Oktober 1997 (49 F 261/97) bei der alleinigen elterlichen Sorge der Antragstellerin für das Kind S., geb. am 19. Juni 1992.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.500,- DM festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien haben am 15. März 1991 geheiratet. Aus ihrer Ehe ist das gemeinsame minderjährige Kind S., geb. am 19. Juni 1992 hervorgegangen. Seit Juli 1997 leben die Parteien voneinander getrennt. S. lebt seither bei seiner Mutter. Nach Trennung der Parteien hat das Amtsgericht - Familiengericht - Pinneberg durch Beschluß vom 01. Oktober 1997 der Antragstellerin für die Dauer des Getrenntlebens die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen. Diese Entscheidung beruhte auf einem entsprechenden Vorschlag des zuständigen Jugendamtes und entsprach dem übereinstimmenden Willen der Parteien.

In dem sich anschließenden Scheidungsverbundverfahren hat der Antragsgegner beantragt, die gemeinsame elterliche Sorge für S. anzuordnen. Die Antragstellerin hat dem widersprochen.

Das Amtsgericht hat durch ein am 24. November 1998 verkündetes Urteil die Ehe der Parteien geschieden. Zuvor hatten die Parteien mit familiengerichtlicher Genehmigung am 03. November 1998 den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Weiter hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil die elterliche Sorge für S. in Abänderung des Beschlusses vom 01. Oktober 1997 den Eltern gemeinschaftlich übertragen. Hinsichtlich des Scheidungsausspruches ist das angefochtene Urteil am 10. Dezember 1998 rechtskräftig geworden.

Zur Begründung der Entscheidung über die elterliche Sorge hat das Amtsgericht ausgeführt, es handele sich, da die Entscheidung vom 01. Oktober 1997 nicht bis zur Rechtskraft der Scheidung der Ehe begrenzt gewesen sei, um eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 Abs. 1 n. F. BGB. Zwar sei in den tatsächlichen Verhältnissen seit Erlaß des Beschlusses vom 01. Oktober 1997 keine Änderung eingetreten, jedoch hätte sich mit Wirkung vom 01. Juli 1998 die Rechtslage geändert. Die Vorschriften, die das Sorgerecht für minderjährige Kinder regelten, insbesondere die §§ 1687 Abs. 1 und 1671 BGB, seien neu gefaßt worden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers entspräche es jetzt im Regelfall dem Wohle des Kindes, wenn das gemeinsame Sorgerecht bestehen bleibe. Allein die geänderte Rechtslage rechtfertige daher eine Änderung der am 01. Oktober 1997 getroffenen Entscheidung zugunsten der Anordnung des gemeinsamen Sorgerechts.

Beschränkt auf den Ausspruch zur elterlichen Sorge hat die Antragstellerin gegen dieses Urteil Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, allein die Tatsache der Gesetzesänderung zum 01. Juli 1998 rechtfertige - bei ansonsten unverändert gebliebenen Tatsachen - nicht die Änderung der Entscheidung über die elterliche Sorge.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und ist der Auffassung, es handele sich nicht um eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB, vielmehr sei nach Eintritt der Rechtsänderung jetzt eine Erstentscheidung nach § 1671 n. F. BGB zu treffen.

Die nach § 621 e ZPO statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Das Familiengericht hat im Ausgangspunkt zutreffend seine Entscheidung über die Übertragung der elterlichen Sorge an den Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 n. F. BGB gemessen. Nach dieser Vorschrift hat das Familiengericht seine Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners erfolgt die hier zu treffende Entscheidung nicht auf der Grundlage des § 1671 n. F. BGB. Dem Senat ist bewußt, daß diese Auffassung nicht unumstritten ist; er hält jedoch an seiner bisherigen Rechtsprechung zu dieser Frage (13 UF 247/98) fest. Schon ihrem Wortlaut nach greift die Vorschrift des § 1671 n. F. BGB nicht ein. Danach kann, wenn Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrenntleben, jeder Elternteil beantragen, daß ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil bereits durch Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg vom 01. Oktober 1997 der Antragstellerin die elterliche Sorge für S. übertragen worden ist. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden, bevor am 01. Juli 1998 das Kindschaftsrechtsreformgesetz, durch das auch die Regelung der elterlichen Sorge geändert worden ist, in Kraft getreten ist. Die Übergangsvorschriften dieses Gesetzes (Art. 15) enthalten keine Bestimmungen, die die Anwendbarkeit des neuen materiellen Rechts zur elterlichen Sorge regeln, wenn bereits während des Getrenntlebens der Ehegatten eine bestandskräftige Entscheidung über die elterliche Sorge auf der Grundlage des § 1672 a. F. BGB - wie im vorliegenden Fall - ergangen ist. In dem Streit darüber, ob eine solche Entscheidung nach Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes über die Ehescheidung hinaus Bestandskraft hat und nur der Abänderung nach § 1696 BGB unterliegt (so beispielsweise OLG Stuttgart FamRZ 1999, 804 und OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 807) oder ob eine Sorgerechtsregelung nach § 1672 a. F. BGB einer späteren Entscheidung nach § 1671 n. F. BGB nicht entgegensteht (so etwa OLG Hamm FamRZ 1999, 803 und OLG Bamberg, FamRZ 1999, 805) bleibt der Senat bei seiner Auffassung, nach der eine Entscheidung gem. § 1672 a. F. BGB nach Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes über die Ehescheidung hinaus Bestandskraft hat und nur der Abänderung nach § 1696 BGB unterliegt. Hierfür spricht, daß die Übergangsvorschriften (Art. 15) des Kindschaftsrechtsreformgesetzes keine Bestimmungen enthalten, die die materiell rechtlichen Voraussetzungen für einen Sorgerechtsantrag, der innerhalb von drei Monaten nach dem 01.07.1998 gestellt werden mußte, in dem Verbundverfahren regeln. Deshalb kann allein auf die Vorschrift des § 1671 n. F. BGB abgestellt werden, die nach ihrem Wortlaut voraussetzt, daß den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zusteht. Die Vertreter der Gegenmeinung (OLG Hamm und OLG Bamberg, a. a. O.) gehen demgegenüber davon aus, daß die nach § 1672 a. F. BGB ergangene Sorgerechtsregelung nur vorläufigen Charakter hat und auf die Trennungszeit beschränkt ist, ferner daß auf die in § 1671 n. F. BGB aufgeführte Voraussetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge verzichtet werden könne, um zu vermeiden, daß eine Sorgerechtsänderung nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 1696 BGB erfolgen kann. Einer solchen Auslegung durch Ausfüllung einer Regelungslücke bedarf es aber nicht, da auch bei Anwendung des § 1696 BGB angemessene Ergebnisse erzielt werden können. Bei der Entscheidung, ob eine nach § 1672 a. F. BGB erfolgte Sorgerechtsregelung zu ändern ist, weil dies aus triftigen das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist, können Gesichtspunkte herangezogen werden, die im Rahmen des § 1671 n. F. BGB Bedeutung haben können. Dabei kann es insbesondere von Bedeutung sein, daß Eltern darin übereinstimmen, daß die elterliche Sorge für die Kinder auf den anderen Elternteil allein übertragen oder auf beide Eltern gemeinsam zurückübertragen wird. Im vorliegenden Fall kommen derartige Erwägungen allerdings nicht zum Tragen, weil die Antragstellerin eine gemeinsame elterliche Sorge mit der Begründung ablehnt, daß eine Einigung mit dem Antragsgegner nur schwer oder gar nicht möglich sei. Daß in der Vergangenheit das Umgangsrecht relativ problemlos ausgeübt werden konnte, habe im wesentlichen darauf beruht, daß sie zunächst die elterliche Sorge allein gehabt habe und sich auf Diskussionen mit dem Antragsgegner nicht habe einzulassen brauchen.

Auch in Anbetracht der weiteren vom Antragsgegner erwähnten zwischenzeitlichen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Koblenz und Zweibrücken (OLG Report 1999, 468 ff., 471) verbleibt der Senat bei seiner Auffassung, daß in Fällen wie dem vorliegenden eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB zu treffen ist. Die der bereits dargestellten Gegenmeinung folgenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Koblenz und Zweibrücken bringen für ihre Auffassung keine Argumente vor, die nicht bereits in der - kontroversen - Diskussion der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung erwähnt worden wären. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß unverändert vor und nach der Rechtsänderung jede gerichtliche Entscheidung über die elterliche Sorge für minderjährige Kinder so zu treffen war, daß sie dem Wohl dieser Kinder am besten diente. Dieser Ansatzpunkt, den in vorliegenden Fall das Amtsgericht Pinneberg bereits bei dem Beschluß vom 01. Oktober 1997 berücksichtigt hat, gilt unverändert fort und trägt im wesentlichen die Ursprungsentscheidung. Daß damals möglicherweise nur für die Dauer des - zeitlich nicht einzugrenzenden - Getrenntlebens der Parteien eine Entscheidung getroffen werden sollte, ist gegenüber der Ausrichtung am Kindeswohl von geringerer Bedeutung. Allein der Umstand, daß aufgrund der am 01.07.1998 erfolgten Gesetzesänderung bei Scheidung der Ehe der Eltern nicht mehr von Amts wegen eine Regelung der elterlichen Sorge für minderjährige Kinder getroffen wird, reicht nicht aus, um eine zuvor getroffene Entscheidung auf Grundlage des § 1696 BGB zu ändern. Die Rechtsänderung wirkt sich nicht unmittelbar auf das Kindeswohl aus. Dies gilt um so mehr, als das Argument, auf das das Amtsgericht seine abweichende Auffassung gestützt hat - seit Eintritt der Gesetzesänderung gehe der Gesetzgeber davon aus, daß die gemeinsame elterliche Sorge der Regelfall sei - seinerseits in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht unumstritten ist und sich so jedenfalls nicht zwingend den Materialien zur Gesetzesänderung entnehmen läßt.

Da aber der Antragsgegner Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die aus zwingenden, das Wohl des Kindes betreffenden Gründen eine Abänderung des Beschlusses vom 01. Oktober 1997 rechtfertigen könnten, nicht vorträgt, hat es bei dieser Entscheidung zu verbleiben. Die Anhörung der Parteien durch den Senat hat ergeben, daß die Schwierigkeiten der Parteien im Umgang miteinander, mit den jeweiligen neuen Partnern und mit dem Kind im wesentlichen die gleichen sind, die auch schon vorlagen, als das Amtsgericht zugunsten der Antragstellerin den Beschluß vom 01. Oktober 1997 erließ. Umstände, die es erforderlich machten, diese Regelung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen, zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge zu ändern, haben sich auch aus der Anhörung des Antragsgegners nicht ergeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 93 a Abs. 1 S. 1 ZPO und 12 Abs. 2 S. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück