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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 13 WF 41/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Nimmt der Beklagte zum Prozesskostenhilfeantrag der Klägerseite nicht Stellung, kann nach Klageerhebung sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung deshalb grundsätzlich nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden (im Anschluss an: OLG Schleswig v. 6.7.2005 - 15 WF 152/05, OLGReport Schleswig 2005, 808).
13 WF 41/06

Beschluss

In der Familiensache (Trennungs- und Kindesunterhalt)

wegen Prozesskostenhilfebewilligung

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 30. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts Itzehoe - Familiengericht - vom 17. Januar 2006 in der Fassung des der Beschwerde nicht abhelfenden Beschlusses vom 23. Februar 2006 geändert.

Dem Beklagten wird unter Beiordnung des Rechtsanwalts Brüggen in Itzehoe Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung bewilligt, soweit die Klägerin Ehegattenunterhalt verlangt.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig angebrachte Beschwerde ist auch begründet.

Zutreffend hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben, dass der Beklagte an dem Prozesskostenhilfeverfahren der Klägerin nicht zur aktiven Teilnahme verpflichtet. Er erhält gemäß § 118 Abs. 1 ZPO lediglich die Gelegenheit zur Stellungnahme, die er jedoch nicht wahrzunehmen braucht. Bei unterlassener Stellungnahme drohen keine prozessrechtlichen Nachteile.

Nimmt er zum Prozesskostenhilfeantrag der Klägerseite nicht Stellung, kann nach Klageerhebung sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung deshalb grundsätzlich nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden (OLG Schleswig in OLGR Schleswig 2005, 808; OLG Karlsruhe in FamRZ 2002, 1132). Mutwillig handelt eine Partei dann, wenn sie bei der prozessualen Verfolgung ihrer Rechte einen Weg einschlägt, den eine Partei, die für die Kosten selbst aufkommen müsste, nicht wählen würde (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rn. 30).

Dem Amtsgericht ist zuzugeben, dass diese Voraussetzungen u. U. auch dann gegeben sein können, wenn die Partei auf ein Prozesskostenhilfegesuch zunächst nicht reagiert und Einwendungen erst nach Klagezustellung vorbringt (OLG Düsseldorf in FamRZ 1997, 1017). Das OLG Oldenburg hat dazu in seiner in OLGR Oldenburg 2002, 177 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt:

Die Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dient dazu, die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung beurteilen zu können. Eine Partei, die sich zu Unrecht in Anspruch genommen glaubt, erhält so bereits im Vorfeld die Gelegenheit, von vornherein unbegründeten Ansprüchen durch ihre Sachdarstellung entgegenzutreten. Eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Partei nimmt diese Gelegenheit auch wahr. Denn bei dieser Ausgangslage ist nicht zu erwarten, dass sie aus einem obsiegenden Urteil etwaige Ansprüche auf Kostenerstattung gegen die klagende Partei realisieren kann. Mit einer fristgerecht eingereichten Erwiderung kann sie daher verhindern, selbst mit Kosten eines unnötigen Prozesses belastet zu werden.

Eine sachliche Erwiderung der beklagten Partei auf das Prozesskostenhilfegesuch der klagenden Partei kann jedoch nur dann erwartet werden, wenn die beklagte Seite nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu einer solchen Erwiderung auch imstande ist und z. B. eindeutig unzutreffende Behauptungen der klagenden Seite richtig stellen kann. Um einen solchen Fall handelt es sich jedoch regelmäßig dann nicht, wenn Unterhalt begehrt wird und die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage von einer mehr oder minder komplizierten Berechnung, der Anwendung von Unterhaltstabellen und Selbstbehaltsätzen oder Wertungsfragen abhängt (so OLG Schleswig a. a. O.).

Vorliegend würden die an den Beklagten zu stellenden Anforderungen überspannt, wenn er selbst und ohne zu Hilfenahme anwaltlicher Beratung nach Übersendung der Klage und des Prozesskostenhilfegesuchs der Klägerin hätten erkennen können und müssen, dass sein relativ kurzfristiger Bezug von Krankengeld anstelle von Arbeitslohn entscheidende Auswirkungen auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage haben konnte. Schon die der Klage und dem Prozesskostengesuch beigefügte Mangelfall-Unterhaltsberechnung dürfte für den Beklagten selbst nicht nachvollziehbar gewesen sein. Insoweit musste ihm zugebilligt werden, anwaltlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Dass der von ihm gewählte Anwalt nicht tätig werden wollte, ohne dass er die Aussicht hatte, dafür eine Vergütung zu erhalten, ist nicht zu beanstanden. Somit kann dem anwaltlich beratenen Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass er zum Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin keine Stellung nahm, sondern erst auf die förmlich zugestellte Klage erwiderte.

Da das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss die hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung gegen die Klage auf Trennungsunterhalt bejaht hat, war dem Beklagten insoweit Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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