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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 18.05.2001
Aktenzeichen: 14 U 153/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 249 S. 2
BGB § 812 I S. 1
Der zeitweilige Entzug von Gebrauchsvorteilen an den Kellerräumen eines Doppelhauses oder am Garten ist kein ersatzfähiger Schaden im Sinne von § 249 S. 2 BGB.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

14 U 153/00

Verkündet am: 18. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 04. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kock, den Richter am Oberlandesgericht Hellwig und den Richter am Amtsgericht Röttger für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 18. Mai 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 20.147,04 DM nebst 4 % Zinsen auf 8.882,04 DM seit dem 3. Juni 1998 und auf 11.265 DM seit dem 23. Juni 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Kläger 26 % und die Beklagte 74 %. Von den Kosten des Berufungsrechtzuges tragen die Kläger 20 % und die Beklagte 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Kläger beträgt 2.816,25 DM, die der Beklagten 11.265,-- DM.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Kläger ist nur zum Teil begründet. Mit der Berufung wenden sich die Kläger mit Erfolg gegen die vom Landgericht zuerkannte Hilfsaufrechnung in Höhe von 11.265,-- DM, ohne Erfolg jedoch gegen die vom Landgericht nicht zuerkannte Nutzungsausfallentschädigung für Kellerräume und Garten (wovon im zweiten Rechtszug nur 1.649,59 DM für den Keller und 1.166,66 DM für den Garten im Streit sind).

Die umstrittenen Fragen, ob die Beklagte angesichts der Haftungsbeschränkung in Ziff. V 6 d) des notariellen Kaufvertrages (nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) überhaupt dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist und ob der hier geltend gemachte Nutzungsausfallanspruch verjährt ist, können letztlich offen bleiben, denn die begehrte Nutzungsausfallentschädigung für Kellerräume und Garten steht den Klägern schon aus Gründen des Schadensrechtes nicht zu.

Der große Zivilsenat des BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 9. Juli 1986 (BGHZ 98, 212 ff.) entschieden, dass auch bei Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, der deliktische Eingriff in den Gegenstand des Gebrauchs einen ersatzfähigen Vermögensschaden begründen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Rechtsprechung überwiegend die Ersatzpflicht für entgangene Gebrauchsvorteile bei anderen Gegenständen als Kraftfahrzeugen verneint (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. vor § 249 Rnr. 25 u. 26 m.w.N.). Der BGH (a.a.O. S. 219) hat ausgeführt, dass das Gesetz im Hinblick auf § 252 BGB nicht grundsätzlich Nutzungsersatz für Einbußen von Wirtschaftsgütern im eigenwirtschaftlichen Einsatz verbiete. Auch die verbleibenden Bewertungsschwierigkeiten für solche Ausfälle in der eigenwirtschaftlichen Verwendung einer Sache würde nicht grundsätzlich einen Ausschluss der entsprechenden Nutzungsausfallentschädigung rechtfertigen (BGH a.a.O., S. 222). Die Nutzungsausfallentschädigung müsse aber auf solche Sachen beschränkt bleiben, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei. Eine weitergehende Erstreckung des Ersatzes liefe Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB den Ersatz auf Nichtvermögensschäden auszudehnen (BGH a.a.O., S. 222).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe stellt der Entzug von Gebrauchsvorteilen weder an den Kellerräumen noch am Garten einen ersatzfähigen Vermögensschaden im Sinne von § 249 S. 2 BGB dar. Nicht jeder Nachteil bedeutet automatisch einen Vermögensschaden im Sinne von § 249 BGB. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um ein komfortabel ausgestattetes Wohnhaus dessen vollständige Nutzung dem Geschädigten für ca. einen Monat untersagt worden war. Der BGH hat weiter ausgeführt, dass zwar der vollständige zeitweise Verlust des Wohngebrauchs eines selbst bewohnten Hauses grundsätzlich zur Entschädigung der entgangenen Gebrauchsvorteile berechtige, für kurzfristige Gebrauchsbeeinträchtigungen, die der Geschädigte bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtung durch zumutbare Umdispositionen auffangen könne, möge jedoch die Entschädigungslosigkeit gerechtfertigt sein (BGHZ a.a.O. S.224). Aus diesen Gründen hat der BGH z.B. in einer weitergehenden Entscheidung vom 21. Februar 1992 (BGHZ 117, 260 ff.) die Nutzungsentschädigung für eine im Kellergeschoss befindliche Einliegerwohnung ausgeschlossen.

Soweit sich die Kläger auf die Entscheidung des 7. Zivilsenats des BGH vom 10. Oktober 1985 (BGHZ 86, 124 = NJW 1986, 427 ff.) wegen der zuerkannten Nutzungsausfallentschädigung für eine Tiefgarage berufen, ist diese Entscheidung durch die oben genannte grundlegende Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen überholt (so auch BGH NJW 1993, 1793, 1794).

Die Kellerräume gehören nicht zu solchen Wirtschaftsgütern von zentraler Bedeutung, auf deren private Verfügbarkeit die Kläger typischerweise angewiesen waren. Ausweislich des Lageplans ist hier nur ein Teilbereich des Doppelhauses unterkellert, zudem wird nicht der gesamte Keller, sondern nur jeweils ein ca. 25 m² großer Raum zu Wohnzwecken (Gästezimmer bzw. Spielzimmer für Kinder) genutzt. Die übrigen Kellerräume stellen Vorratsraum, Wasch- und Abstellraum bzw. Sauna und Dusche dar. Eine zentrale Bedeutung wird man diesen Räumen nicht beimessen können, zumal die beiden Kinder der jeweiligen Familien jeweils im Dachgeschoss über eigene ca. 12 m² große Kinderzimmer verfügen. Im übrigen war es hinsichtlich der Wirtschaftsräume im Keller den Klägern möglich, durch zumutbare Umdispositionen die Nutzungsbeeinträchtigung teilweise aufzufangen (z.B. durch Installation eines Waschmaschinenanschlusses in der Garage).

Die gleichen Erwägungen gelten für den Garten. Terrasse und Garten gehören - wie die Garage - in der Regel nicht zu den nach der Rechtsprechung des großen Senats für Zivilsachen geschützten Wirtschaftsgütern (BGH NJW 1993, 1793, 1794). Dem steht die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 1987, 50, 53) nicht entgegen. Dort hat das Bayerische Oberste Landesgericht zwar grundsätzlich einen Vermögensschaden für den Entzug einer im persönlichen Gebrauch befindlichen Terrasse nicht ausgeschlossen, in der Entscheidung ging es aber um einen wesentlichen Teil einer Eigentumswohnung, nämlich die zu einer Dachterrassenwohnung gehörende Terrasse (vgl. BayObLG a.a.O., S. 53). Hier dürfte die Nutzung von Terrasse und Garten für die Kläger zwar auch wichtig gewesen sein, es handelte sich jedoch im Gegensatz zu einem ganzen Wohnhaus nicht um Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung, was allein schon die Verneinung eines ersatzfähigen Schadens rechtfertigt. Im übrigen dürfte der Garten im Winter ohnehin zu Freizeitzwecken nicht nutzbar gewesen sein. Soweit eine Nutzungsentschädigung für den Zeitraum der Durchführung der Reparaturmaßnahmen (06/97 - 10/97) beansprucht wird, handelt es sich zudem allenfalls um eine kurzfristige, entschädigungslos hinzunehmende Gebrauchsbeeinträchtigung. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass sich Wohnung und Garten im ländlichen Raum befinden, so dass auch außerhalb des Gartens Spiel- und Freizeitraum im Freien für die Kinder vorhanden gewesen sein dürfte, so dass bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtung die Beeinträchtigung durch zumutbare Umdisposition hätte aufgefangen werden können.

Zu Recht rügen die Kläger jedoch die vom Landgericht zuerkannte Hilfsaufrechnung wegen der bereits gezahlten Nutzungsentschädigung für Garten und Keller in Höhe von insgesamt 11.265,-- DM (6.598,36 DM + 4.666,64 DM). Insoweit steht der Beklagten ein Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB nicht zu. Zwar liegt ein Kondiktionsausschluss nach § 814 BGB nicht vor, da jeder Rechtsirrtum oder Tatsachenirrtum seine Anwendung ausschließt (BFHE 182, 489). Darüber hinaus kann ein Rückforderungsrecht nach § 242 jedoch auch dann ausgeschlossen sein, wenn das Verhalten des Leistenden nach dem allgemeinen im Rechtsverkehr geltenden Grundsatz von Treu und Glauben als Verzicht auf das Recht zu werten ist (OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1304, 1305). Bloße Zweifel an der Rechtslage genügen dann zum Ausschluss des Rückforderungsrechts, wenn die Leistung in der für den Empfänger erkennbaren Absicht erfolgt ist, sie auch für den Fall zu bewirken, dass keine Verpflichtung besteht (OLG Hamm, a.a.O.). Ein solcher Ausschluss des Rückforderungsrechts ist dann gegeben, wenn der Leistende dem Empfänger zu erkennen gegeben hat, dass diesem das Geleistete selbst im Fall des Nichtbestehens der Verpflichtung verbleiben soll; abzustellen ist dabei auf den nach außen zum Ausdruck kommenden Willen des Leistenden (OLG Koblenz, NJW 1984, S. 134, 135). So liegen die Dinge auch hier. Die Kläger durften die Erklärungen der Beklagten aus den anwaltlichen Schriftsätzen vom 2. Juni 1998 und 19. Juni 1998 so verstehen, dass ihnen das Geleistete auf jeden Fall verbleiben sollte. In dem Schreiben vom 19. Juni 1998 hat die Beklagte die hälftige Nutzungsausfallentschädigung "ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage .... für unstreitig erklärt". Nur hinsichtlich der daneben geforderten Kosten für das selbständige Beweisverfahren (29.874,79 DM) hat die Beklagte in dem gleichen Schreiben einen ausdrücklichen Vorbehalt für die Zahlung erklärt. Die Kläger durften deshalb davon ausgehen, dass sie trotz der bestehenden Zweifel der Beklagten an der Ersatzfähigkeit des geltend gemachten Nutzungsausfallschadens die Zahlung auf jeden Fall behalten durften. Dies wird schließlich auch noch durch den Nachsatz aus dem Schreiben vom 19. Juni 1998 bekräftigt: "Darüber hinausgehend müssten angebliche Ansprüche ihrer Auftraggeber dann ausprozessiert werden ....".

Neben den in erster Instanz bereits ausgeurteilten 8.882,04 DM steht den Klägern wegen der unbegründeten Hilfsaufrechnung mithin ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 11.265,-- DM zu, so dass sich die den Klägern zustehende Gesamtforderung auf 20.147,04 DM errechnet.

Der Zinsanspruch der Kläger ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Das anwaltliche Schreiben der Beklagten vom 2. Juni 1998 stellt allerdings noch keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar. Eine solche Verweigerung ist vielmehr erst in dem anwaltlichen Schreiben vom 19. Juni 1998 zu sehen, wo es unter Ziff. VI des Schreibens heißt, "dass angebliche Ansprüche ihrer Auftraggeber ausprozessiert werden müssten". Verzug im Sinne von § 284 BGB ist mithin frühestens ab den 23. Juni 1998 eingetreten. Die Höhe der Zinsen beruht auf dem Gesetz (§ 288 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 229 Abs. 1 S. 3 EGBGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Über die Kosten des Nebenintervenienten F. hat das Landgericht keine Entscheidung getroffen. Die Kläger sind deshalb auch mit den außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten nicht belastet, so dass auf ihre Berufung insoweit eine Ergänzung des Urteils nicht erforderlich ist..

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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