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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: 14 U 57/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
BGB § 313
BGB § 1092
BGB § 1093
Übertragen Eheleute ihr Hausgrundstück auf ihre Kinder bei Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts, so hat der überlebende Ehegatte nach Auszug in ein Pflegeheim wegen Eintritts dauernder Pflegebedürftigkeit keinen Anspruch gegen die Übernehmer auf Zahlung einer Geldrente, wenn für diesen Fall eine Regelung im Überlassungsvertrag nicht getroffen worden ist und keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, welche Regelung die Vertragsparteien getroffen hätten, wenn sie die Regelungslücke erkannt hätten.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

14 U 57/07

verkündet am: 07. Dezember 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. März 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus nach § 93 SGB XII übergeleitetem Recht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Geldrente zu, weil deren Mutter bzw. Schwiegermutter ein ihr zustehendes Wohnungsrecht wegen dauerhafter Pflegebedürftigkeit und Aufenthaltes in einem Alten- und Pflegeheim nicht mehr ausüben kann.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht im Wege einer ergänzenden Auslegung des Überlassungsvertrages vom 01. Februar 1977 (§§ 157, 242 BGB).

Das Landgericht hat die Feststellung getroffen, dass die Beteiligten bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1977 keine Überlegungen darüber angestellt haben, was passieren solle, wenn die übertragenden Eltern, wie jetzt im Falle der Mutter A. eingetreten, in einem Pflegeheim untergebracht werden müssen. Diese von den Parteien nicht angegriffene Feststellung hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen.

Damit liegt eine nachträgliche, durch eine Änderung der bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnisse bedingte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Vertragswerkes vor. Da ein Schließen dieser Vertragslücke durch Heranziehung einschlägigen dispositiven Rechts mangels Anwendbarkeit des § 10 AGBGB Schleswig-Holstein ausscheidet, ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhaltes. Es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht aber auf den der Feststellung der Vertragslücke abzustellen. Im Übrigen sind die im Vertrag selbst enthaltenen Regelungen und Wertungen zum Ausgangspunkt der Vertragsergänzung zu nehmen (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 157 Rz. 7 m.w.Nachw.).

Dieses zugrunde gelegt vermag der Senat nicht festzustellen, dass die am Überlassungsvertrag Beteiligten, hätten sie eine spätere Heimunterbringung der Überlasser und eine dadurch bedingte Sozialhilfebedürftigkeit bedacht, für diesen Fall die Zahlung einer Geldrente durch die Übernehmer vereinbart hätten.

Für eine derartige Auslegung streitet im Wesentlichen die Tatsache, dass das Wohnungsrecht auf Lebenszeit eingeräumt wurde. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich unter dem Gesichtspunkt einer Sozialhilfebedürftigkeit kein zusätzlicher Standpunkt gewinnen. Weder würde sich eine vertragliche Regelung, die die Übernehmer im Falle der Heimunterbringung und dadurch bedingter Sozialhilfebedürftigkeit von Rentenleistungen freistellt, als unzulässiger Vertrag zu Lasten der öffentlichen Hand darstellen, noch wäre sie mangels konkret bevorstehender und erkannter Pflegebedürftigkeit sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB. Schließlich sind auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es den am Überlassungsvertrag Beteiligten gerade darum zu tun gewesen wäre, den Eintritt späterer Sozialhilfebedürftigkeit der Überlasser zu verhindern.

Gegen eine Auslegung im vorgenannten Sinne spricht, dass durch die Parteien des Überlassungsvertrages gerade kein umfassendes Nießbrauchsrecht vereinbart wurde und auch kein umfassender Pflege- und Versorgungsvertrag geschlossen wurde. Solches spricht dafür, dass es den Vertragsschließenden maßgeblich nicht um eine materielle Alterssicherung der Überlasser, sondern vielmehr um deren Verbleib in vertrauter Wohnumgebung, so lange als möglich, zu tun gewesen sein könnte. Dies gilt umso mehr, als die Überlasser weiterhin die Zins- und Tilgungslasten für das Haus zu tragen hatten. Letztgenannter Umstand deutet zudem auf einen Willen der Vertragsschließenden, die Übernehmer von laufenden Geldleistungen freizuhalten. Damit sprechen gewichtige Umstände dafür, dass die Vertragschließenden auch für den Fall, dass bei Vertragsschluss eine spätere Heimunterbringung der Überlasser und eine hinzutretende Sozialhilfebedürftigkeit bedacht worden wären, keine ersatzweise Rentenzahlung vereinbart und dem Gesichtspunkt einer Sozialhilfebedürftigkeit zum Beispiel lediglich im Wege der Übernahme der Zins- und Tilgungslasten durch die Übernehmer Rechnung getragen hätten.

Kann die Regelungslücke aber in verschiedener Weise geschlossen werden und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 157 Rz. 10).

Ein entsprechender Anspruch ergibt sich auch nicht im Wege der Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB).

Voraussetzung einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB ist, dass sich die - nach den gemeinsamen oder dem anderen Vertragsteil erkennbaren und unwidersprochenen Vorstellungen einer Partei - zur Grundlage des Vertrages gewordenen Umstände nach Abschluss des Vertrages schwerwiegend geändert haben, die Parteien bei Kenntnis dessen den Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten und ein Festhalten am unveränderten Vertrag einer Partei nicht zumutbar ist. Dabei steht grundsätzlich die Vorhersehbarkeit späterer Entwicklungen einem Wegfall der Geschäftsgrundlage entgegen (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 313 Rz.23).

Bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts muss jeder Vertragsteil damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tode wird ausüben können. Tritt dieser Fall ein, so fehlt es an der für eine gerichtliche Vertragsanpassung notwendigen Voraussetzung der unvorhergesehenen Änderung der Umstände, die Geschäftsgrundlage geworden sind (BGH FamRZ 2007, 632). Bei zutreffender Betrachtung verwirklicht sich in diesem Falle lediglich das Vertragsrisiko des Wohnungsberechtigten.

Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Vertragsschließenden bei Vertragsabschluss positiv davon ausgegangen wären, dass weder eine Heimunterbringung noch eine Sozialhilfebedürftigkeit eintreten werde. Solches ist aber nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall gewesen.

Ebenso wenig ergibt sich ein Zahlungsanspruch aus §§ 1093 Abs. 1, 1092 Abs. 1 S. 2, 535 Abs. 2, 242 BGB.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin, dass der Beklagte zu 2. nach den Feststellungen des Landgerichts seit 1984 einvernehmlich in den vom Wohnungsrecht erfassten Räumlichkeiten wohnt, keine Abänderung des Überlassungsvertrages dahingehend, dass die Berechtigte A. ihr Wohnungsrecht nunmehr im Wege einer mietfreien Überlassung an den Beklagten zu 2. ausübe. Der einvernehmliche Umzug der Berechtigten A. in andere, nicht vom Wohnungsrecht erfasste Räumlichkeiten im Hause der Beklagten stellt sich vielmehr als schuldrechtliche Änderung des Wohnungsrechtes dahingehend dar, dass dieses nunmehr an den kleineren Räumlichkeiten ausgeübt wird.

Mangels einer Vereinbarung im vom Kläger behaupteten Sinn kann diese auch nicht aufgrund geänderter Umstände nunmehr dahingehend angepasst werden, dass der Beklagte zu 2. jetzt für die Nutzung Miete zu entrichten habe.

Schließlich ergeben sich Zahlungsansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB).

Der Beklagte zu 2. hat im Jahr 1984 im Zuge der einvernehmlichen Überlassung der vom Wohnrecht erfassten Räumlichkeiten nichts rechtsgrundlos erlangt. Vielmehr ist der Rechtsgrund in der Vereinbarung über den Austausch der zu gewährenden Räumlichkeiten zu sehen.

Auch der Rückfall der zuletzt im Austausch von der Berechtigten A. bewohnten Räumlichkeiten an die Beklagten hat keine rechtsgrundlose Bereicherung der Beklagten zur Folge. Diese Räumlichkeiten stehen seither unstreitig leer.

Die Berufung des Klägers war nach allem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft eine Einzelfallentscheidung, die ihre Grundlage in den tatsächlichen Feststellungen hat.

Ende der Entscheidung

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