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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 28.09.2001
Aktenzeichen: 14 U 71/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 463 S. 2
Hat der Autoverkäufer den Käufer über einen Unfallschaden vollständig aufgeklärt, so muß er nicht auch noch darauf hiweisen, daß der Sachverständige von einem "wirtschaftlichen Totalschaden" ausgegangen ist.
Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von dem Beklagten Schadenersatz wegen unterlassener bzw. unzureichender Aufklärung über einen Unfallschaden aus einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug.

Mit schriftlichem Vertrag vom 12. Januar 2000 kaufte der Kläger von dem Beklagten einen Pkw Opel Vectra mit einer Gesamtfahrleistung von 37.000 km zu einem Kaufpreis in Höhe von 19.900,-- DM. In der Vertragsurkunde heißt es unter der Rubrik Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden:

"behobener Frontschaden Stoßstange, Nebelscheinwerfer".

Unstreitig hatte das verkaufte Fahrzeug vor der Veräußerung an den Kläger einen Unfallschaden erlitten. Nach dem Gutachten des Sachverständigen vom 02. November 1999 beliefen sich die Reparaturkosten auf insgesamt 20.238,90 DM, den Wiederbeschaffungswert schätzte der Sachverständige auf brutto 26.700,-- DM und den Restwert auf brutto 6.500,-- DM. Den Schadensumfang beschrieb der Sachverständige wie folgt:

"Bei dem Schadensereignis wurde der Vorderwagen, überwiegend im Achsbereich vorn links, sowie auch hinten links zum Teil stark beschädigt. Weiterhin wurde das komplette Fahrzeug, außer das Dach, zum Teil stark lackbeschädigt. Die Bodengruppe sowie dort angebrachte Anbauteile wurden ebenfalls beschädigt".

Dem Beklagten war der konkrete Umfang des Schadens zum Zeitpunkt der Veräußerung an den Kläger bekannt, weil er das Fahrzeug im unreparierten Zustand von einem Autohändler aus Kiel gekauft und anschließend selbst repariert hatte.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn arglistig getäuscht. Er sei verpflichtet gewesen, ihn über den wirtschaftlichen Totalschaden des verkauften Fahrzeugs aufzuklären. Im übrigen habe der Beklagte bereits nach der Vertragsurkunde den Eindruck erweckt, es handele sich nur um einen Bagatellschaden. Er habe den Schaden als "leichten Frontschaden" bezeichnet. Der Schaden an dem Fahrzeug sei jedoch so erheblich, dass die Bezeichnung als "leichter Frontschaden" nur als arglistige Täuschung angesehen werden könne.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.743,90 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, das Fahrzeug habe keinen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten. Im übrigen habe er den Umfang der Beschädigungen des Fahrzeugs (Frontschaden, bei dem auch der linke Kotflügel, der Stoßfänger sowie die Scheinwerfer beschädigt worden seien) dem Kläger gegenüber zusätzlich mündlich erklärt. Kurze Zeit nach dem Kauf habe der Kläger dem Beklagten um Rückkauf gebeten, da er "keinen Bock mehr auf das Fahrzeug habe".

Das Landgericht hat mit Urteil vom 26. März 2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Schadenersatzanspruch nach § 463 BGB nicht gegeben sei. Eine arglistige Täuschung läge nicht vor. Wegen des behaupteten wirtschaftlichen Totalschadens bestünde keine Aufklärungspflicht, weil das Fahrzeug zum einen keinen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten habe und im übrigen der Beklagte dem Kläger hinreichend konkret auf den Unfallvorschaden aufmerksam gemacht habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der zur Begründung u.a. folgendes ausführt:

Wegen der umfangreichen Vorschäden sei das Fahrzeug nur noch 10.000,-- DM wert gewesen. Das verkaufte Fahrzeug habe einen ganz erheblichen Unfallschaden erlitten. Es sei im Achsbereich vorn sowie hinten links stark beschädigt worden, auch die Bodengruppe und Anbauteile seien beschädigt worden, so dass das Fahrzeug nicht nur einen Frontschaden sondern weiterreichende Beschädigungen erlitten habe. Damit habe der Beklagte nicht hinreichend konkret auf den Unfallschaden aufmerksam gemacht, denn das Fahrzeug sei im ganzen beschädigt worden und habe eben nicht nur einen Frontschaden aufgewiesen. Der Beklagte habe den Kläger am 12. Januar 2000 erklärt, dass der Pkw "einen leichten Frontschaden mit Erneuerung des Nebelscheinwerfers sowie der Stoßstange" erlitten habe. Auf Nachfrage habe der Beklagte mitgeteilt, dass der Vorbesitzer "gegen einen Betonpoller gefahren und der Schaden nicht sehr groß gewesen sei." Damit sei der Unfallschaden tatsächlich bagatellisiert worden, so dass es nicht entscheidend auf die Frage ankomme, ob nicht schon der Umstand, dass ein "wirtschaftlicher Totalschaden" vorgelegen habe, aufklärungspflichtig gewesensei.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil hingegen mit folgender Begründung:

Der Sachverständige habe ausweislich seines Gutachtens den Wiederbeschaffungswert auf 26.700,-- DM brutto geschätzt. Dieser Wert sei von dem Kläger nicht bestritten worden. Damit liege weder ein technischer noch ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Die Aufklärungspflicht sei nicht verletzt. Der Unfallschaden sei in der Urkunde vom 12. Januar 2000 bezeichnet und vor Abschluss des Vertrages mündlich erläutert worden. Eine Bagatellisierung läge nicht vor. Es werde bestritten, dass der Beklagte dem Kläger auf Nachfrage mitgeteilt habe, es handele sich lediglich um einen leichten Frontschaden und dass der Vorbesitzer gegen einen Betonpoller gefahren und der Schaden nicht sehr groß gewesen sei. Im übrigen biete der Umstand, dass der Schaden durch den Aufprall auf einen Betonpoller entstanden sei, keinerlei Anhaltspunkte für einen lediglich sehr geringen Schadensumfang.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB liegen dem Grunde nach nicht vor.

Der Beklagte hat den Kläger nicht arglistig getäuscht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 123 Rn. 5) und diese Pflicht entweder durch Verschweigen oder durch unrichtige Behauptungen verletzt worden ist.

Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages - über die Beschreibung des Schadens hinaus - auf die Einstufung als sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden ausdrücklich hinzuweisen. Zum einen liegt hier - wie das Landgericht bereits zu Recht festgestellt hat - kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, da der Sachverständige den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 26.700,00 DM und die Reparaturkosten auf lediglich 20.238,90 DM (jeweils brutto) geschätzt hat. Aber selbst dann, wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen hätte, wäre der Verkäufer - ohne besondere Nachfrage zu diesem Punkt - nicht verpflichtet gewesen, den Käufer über diesen Umstand als solchen aufzuklären (OLG Celle NJW-RR 1988, 1136; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 1402; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rn. 1890). Die Einstufung durch den Sachverständigen als "wirtschaftlicher Totalschaden" stellt keine Tatsache dar, sondern nur eine Bewertung des Sachverständigen, die lediglich Bedeutung für die Frage hat, wie der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Schaden zu regulieren haben.

Entscheidend ist deshalb, ob hier eine unzulässige Bagatellisierung vorliegt, d. h. ob der Beklagte seine Aufklärungspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Dem Beklagten war der Umfang des Schadens - wie er sich aus dem Gutachten des Sachverständigen vom 02. November 1999 ergibt - bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen, denn er hat das Fahrzeug in unrepariertem Zustand von dem Autohändler aus Kiel aufgekauft und anschließend selbst repariert. Unstreitig war er deshalb verpflichtet, den Käufer über den Unfallschaden aufzuklären. Diese Angaben müssen vollständig und richtig sein und dürfen nicht geeignet sein, den Schaden zu bagatellisieren (BGH NJW 87, 436, 437; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 1402).

Eine solche Bagatellisierung lässt sich hier nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen. Wenn im schriftlichen Kaufvertrag auf Unfallschäden hingewiesen wurde, dann ist es Sache des Käufers darzulegen und nachzuweisen, dass der Verkäufer den Unfallschaden bagatellisiert habe (KG Berlin, 12. Zivilsenat vom 11. Januar 1996, Az. 12 U 174/95). In der Vertragsurkunde steht "behobener Frontschaden Stoßstange, Nebelscheinwerfer". Diese Urkunde hat im Sinne von § 416 ZPO die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Der Frontschaden ist unstreitig fachgerecht beseitigt worden, möglicherweise verbliebene Restmängel oder ein Minderwert sind von dem Kläger nicht dargelegt.

Hinsichtlich seiner Behauptungen, der Beklagte habe den Frontschaden vor Vertragsabschluss als "leicht" bezeichnet und er habe auf Nachfrage erklärt, dass der Schaden "nicht sehr groß gewesen sei", ist der Kläger beweisfällig geblieben. Entsprechende Äußerungen des Verkäufers würden zwar - im Hinblick auf den tatsächlichen Schadensumfang - eindeutig eine unzulässige Bagatellisierung des Unfallschadens darstellen, der Beklagte hat jedoch solche Äußerungen bestritten und der Kläger hat hierfür keinen entsprechenden Beweis angeboten.

Allein die Kurzbezeichnung "Frontschaden" stellt auch im Hinblick auf den von dem Sachverständigen festgestellten Schadensumfang keine unzulässige Bagatellisierung dar. Die wesentlichen Unfallschäden am Fahrzeug liegen nämlich im Achsbereich vorn sowie in der Bodengruppe. Ausweislich der Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen sind - im Hinblick auf die Ersatzteile - die kostenintensivsten Punkte der Austausch des Servolenkbetriebes und der Antriebswelle links sowie des Vorderachskörpers. Der Schwerpunkt des Schadens lag damit eindeutig im Frontbereich, die darüber hinausgehenden Schäden im hinteren linken Bereich sowie die Lackschäden im übrigen Fahrzeugbereich - mit Ausnahme des Daches - fielen hingegen nicht besonders ins Gewicht. Der Begriff "Frontschaden" schließt auch die Möglichkeit schwerster Schäden ein. Wer ein Fahrzeug mit dem Hinweis auf einen "behobenen Frontschaden" kauft, ohne nach Einzelheiten des Schadens zu fragen, gibt damit konkludent zu verstehen, dass es ihm auf Art und Umfang des Schadens bzw. der Instandsetzung nicht entscheidend ankommt. Eine unzulässige Verharmlosung würde auch nicht bereits in dem Umstand liegen, wenn der Beklagte tatsächlich auf Nachfrage zu der Unfallursache erklärt hätte, der Vorbesitzer wäre gegen "einen Betonpoller" gefahren. Bei der Fahrt eines Fahrzeugs gegen einen Betonpoller können ebenfalls schwerste Schäden entstehen, so dass auch diese Behauptung - für sich genommen - keine Bagatellisierung des Unfallgeschehens dargestellt hätte.

Der Zusatz "Stoßstange und Nebelscheinwerfer" verbunden mit dem Hinweis auf den "behobenen Frontschaden" lässt ebenfalls nicht zweifelsfrei den Schluss auf eine unzulässige Bagatellisierung zu. Unstreitig hat der Beklagte im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen von dem Frontschaden berichtet und der Wortlaut der Kaufvertragsurkunde besagt nicht, dass durch den Unfall nur verhältnismäßig unerhebliche Anbauteile wie z. B. Nebelscheinwerfer und Stoßstange beschädigt wurden. Der Kläger hätte es in der Hand gehabt, nach den Einzelheiten des Frontschadens vor Abschluss des Kaufvertrages zu fragen. Allein der Inhalt der Vertragsurkunde rechtfertigt nicht das Vertrauen des Käufers darauf, dass es sich hier nur um einen harmlosen Bagatellschaden gehandelt hat.

Es dem Kläger im Ergebnis nicht gelungen, ein arglistiges Verhalten des Beklagten darzulegen oder nachzuweisen, so dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch schon dem Grunde nach nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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