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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 15.01.2001
Aktenzeichen: 15 UF 179/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 270 III
BGB § 1378 IV
Eine Zustellung i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO ist nicht mehr "demnächst", wenn sich die Zustellung durch eine fehlerhafte Adresse um mehr als 18 oder 19 Tagen verzögerte, obwohl Anlaß zu der Annahme bestand, daß die frühere Anschrift der Gegenpartei nicht mehr stimmte.

SchlHOLG, 5. FamS, Urteil vom 15. Januar 2001, - 15 UF 179/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 179/00 8 F 235/98AG Ahrensburg

Verkündet am: 15. Jan. 2001

Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Reiche, Berlage und Dr. Ahrens in Schleswig,

gegen

Beklagter und Berufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke in Schleswig,

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Gosch sowie die Richter am Oberlandesgericht Petersen und Martins auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Dezember 1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ahrensburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Klägerin fehlt für den geltend gemachten Auskunftsanspruch nach § 1379 Abs. 1 BGB das erforderliche Informationsinteresse, weil der Anspruch aus Zugewinnausgleich, dessen Durchsetzung der Auskunftsanspruch dient, verjährt ist (vgl. BGHZ 108, 399, BGH NJW 85, 384). Gemäß § 1378 Abs. 4 BGB verjährt der Anspruch auf Zugewinnausgleich in 3 Jahren; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ehegatte erfährt, dass der Güterstand beendet ist. Bei Beendigung des Güterstandes durch Scheidung - wie vorliegend - entscheidet also, wann der Ehegatte von der Scheidung als der die Beendigung des Güterstandes begründenden Tatsache einschließlich ihrer Rechtskraft erfahren hat (BGH NJW 97, 2049). Vorliegend ist das Scheidungsurteil der Parteien in der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Ahrensburg am 29.6.1995 verkündet und durch beiderseitigen Rechtsmittelverzicht auch rechtskräftig geworden. Der Senat geht davon aus, dass den Parteien die rechtliche Wirkung der Rechtskraft der Scheidung insofern bewusst war, als damit die Beendigung des Güterstandes verbunden war. Gegenteiliges haben die Parteien nicht vorgebracht.

Mithin ist der Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich am 29.6.1998 verjährt. Die Klägerin hat die Unterbrechung der Verjährung nicht dadurch erwirken können, dass sie am 26. Juni 1998 eine Klagschrift eingereicht hat, die dann am 7.8.1998 durch Niederlegung dem Beklagten zugestellt worden ist.

Da die Klägerin ihre Klage demnach durch Zustellung der Klagschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO) nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben hat, hätte die Unterbrechungswirkung nur eintreten können, wenn sie die Klage vor Ablauf der Frist beim Gericht eingereicht hätte und die Zustellung demnächst erfolgt wäre (§ 270 Abs. 3 ZPO). Zwar hat die Klägerin die Klageschrift rechtzeitig beim Amtsgericht Ahrensburg eingereicht, die Zustellung erfolgte jedoch nicht demnächst.

Die Zustellung der Klagschrift hat sich dadurch verzögert, dass die Klägerin in ihrer Klagschrift eine nicht mehr zutreffende Adresse des Beklagten angegeben hat, wodurch der erste Zustellungsversuch am 16.7.1998 gescheitert ist. Eine Zustellung erfolgt dann nicht mehr "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO, wenn eine Partei die Zustellungsadresse des Empfängers falsch bezeichnet hat und zwischen der fehlgeschlagenen Zustellung und der späteren erfolgreichen Zustellung ein Zeitraum von jedenfalls mehr als 18 oder 19 Tagen liegt (BGH FamRZ 1988, 1154). Soweit Zustellungsverzögerungen darauf beruhen, dass die Klägerin die Anschrift des Beklagten falsch angegeben hat, hat der Bundesgerichtshof die Zeitdauer der Verzögerung von der zunächst versuchten, fehlgeschlagenen Zustellung an gerechnet und die Frage, ob die spätere erfolgreiche Zustellung noch "demnächst" erfolgte, danach beantwortet, um welche Zeitspanne die Klagzustellung durch die Nachlässigkeit des Klägers hinausgeschoben wurde (BGH a.a.O., 1156). Zwischen erstem Zustellungsversuch und erfolgter Zustellung liegen hier 22 Tage. Diese nicht mehr geringfügige und damit nicht mehr hinnehmbare Zeitspanne fällt der Klägerin zur Last, wenn die Angabe der falschen Adresse des Beklagten als auch nur leichte Nachlässigkeit zu werten ist (BGH a.a.O., 1155, 1156).

Allein aus dem Umstand, dass eine Klage unter der darin angegebenen Anschrift dem Beklagten nicht zugestellt werden kann, weil dieser dort nicht mehr wohnt und die Klägerin die neue Anschrift noch ermitteln muss, ergibt sich noch nicht, dass sich die Klägerin in Bezug auf der Angabe der Anschrift des Beklagten nachlässig verhalten hat. Das ist nur dann der Fall, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel hatte; ohne jedes konkrete Anzeichen eines Wohnungswechselns des Anspruchsgegners besteht für einen Kläger keine Verpflichtung, vor Einreichung einer Klage beim zuständigen Einwohnermeldeamt die ihm bekannte Anschrift des Anspruchsgegners überprüfen zu lassen (BGH NJW 1993, 2614, 2615). Vorliegend hat der Beklagte indes bewiesen, dass für die Klägerin konkrete Anhaltspunkte vorgelegen haben, die es geboten hätten, vor Klageeinreichung die aktuelle Anschrift des Beklagten zu ermitteln. Anhand der Vernehmung der Zeugin St, der Lebensgefährtin des Beklagten, und der Anhörung der Parteien hat der Senat die Überzeugung gewinnen können, dass der Beklagte der Klägerin schon im Scheidungstermin am 29.6.1995 mitteilte, dass er, insbesondere wegen seiner nachoperativen Pflegebedürftigkeit, zur Zeugin St ziehen werde. Die Zeugin St hat in ihrer Vernehmung unbefangen und widerspruchsfrei bekundet, dass sie und die Parteien nach der Scheidungsverhandlung noch beisammen gestanden und - auch - über den künftigen Wohnort des Beklagten gesprochen hätten. Zwar fiel bei der Vernehmung auf, dass die Zeugin gerade diesen Gesprächsinhalt noch wiedergeben konnte, während sie sich an anderes nicht mehr erinnern konnte. Das spricht dafür, dass der Zeugin gegenwärtig war, worauf es bei ihrer Aussage, sollte sie dem Beklagten nützten, ankam. Allein dieser Umstand spricht aber nicht zwingend dafür, dass diese Bekundungen falsch gewesen sind. Spricht schon die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass langjährig verheiratete Eheleute auch nach einer längeren Trennungszeit und einer gerade ausgesprochenen Scheidung sich im Hinblick auf die weiteren Notwendigkeiten über einen Wechsel des Wohnortes informieren, so konnte der Beklagte dem Senat plausibel erklären, in welchem Kontext er den Wohnortwechsel mitteilte und warum er gleichwohl noch zwei Jahre seine alte Wohnung in Ammersbek behielt. Er hatte nämlich gerade einen Krankenhausaufenthalt von einem 3/4 Jahr hinter sich, war deshalb körperlich noch sehr gebrechlich und musste sich in die Obhut der Zeugin St begeben. Dies war auch der Grund dafür, dass er sich längere Zeit weder körperlich noch mental damit befassen wollte, seine alte Wohnung in Ammersbek aufzugeben; seine beiläufige Bemerkung, es sei ihnen soweit egal gewesen, zwei Jahre für eine leerstehende Wohnung Miete zu zahlen, nimmt der Senat ihm ab. Die Klägerin, die nach eigenem Bekunden schon längere Zeit die Zeugin St kannte und wusste, dass sie in Bargteheide wohnte, gab lediglich an, sich an entsprechende Gesprächsinhalte nach der Scheidungsverhandlung nicht mehr erinnern zu können, weil sie wegen anderer terminlicher Verpflichtungen nur noch kurz mit dem Beklagten und der Zeugin St habe sprechen können. Sofern die Zeugin St angegeben hat, man habe noch 10 bis 15 Minuten beieinander gestanden, veranlasst dies den Senat nicht, die Angaben über den Gesprächsinhalt in Zweifel zu ziehen. Erfahrungsgemäß gehen Bekundungen von Zeugen über zeitliche oder räumliche Gegebenheiten häufig fehl.

Mithin beruhte die 22-tägige Verzögerung der Zustellung auf einer Nachlässigkeit der Klägerin. Der Umstand, dass die Klägerin jedenfalls Ende Mai durch ihren Prozessbevollmächtigten ein Schreiben an den Beklagten gerichtet hatte, das nicht als unzustellbar zurück kam, räumt diesen Nachlässigkeitsvorwurf nicht aus. Allein dass ein abgesandter Brief nicht an den Absender zurückgelangt, spricht nicht zwingend dafür, dass die Empfängeradresse zutrifft. Auch die Nachschau in einem Telefonbuch stellt bei Anhaltspunkten für eine Adressenänderung keine hinreichende Nachforschung dar.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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