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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 15 UF 187/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1601 | |
BGB § 1610 | |
BGB § 528 | |
BGB § 529 |
2. Ein Umzug in ein anderes Heim, nur um mit Eintritt in die Pflegestufe III Kosten zu sparen, ist einem Demenzkranken in der Regel nicht zuzumuten.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
verkündet am: 19. Januar 2009
In der Familiensache
hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 9. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht Ansprüche auf Zahlung von Elternunterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit von Mai 2004 bis einschließlich April 2007 geltend.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Ergänzend gilt Folgendes:
Der am 10.6.1939 geborene Beklagte, der als Oberstudiendirektor am Gymnasium in N tätig war, ist der älteste Sohn der Frau S. Nach dem Tod ihres Ehemannes und Vaters des Beklagten, J, im Sommer 1940 lebte sie mit ihrem späteren Ehemann S zusammen, den sie 1948/49 heiratete. Aus dieser Verbindung sind die Halbbrüder des Beklagten R (geboren 1943) und G (geboren 1947) hervorgegangen.
Das Verhältnis zwischen dem Beklagten und seiner Mutter sowie zwischen ihm und seinen Halbbrüdern war nach seiner Behauptung von Anfang an deswegen belastet, weil seine Mutter ihre Söhne aus zweiter Ehe vorgezogen und ihn als Belastung im neuen Familienverband empfunden habe. Nach dem Tod von S im Jahre 1987 gab es praktisch keine privaten Kontakte mehr zwischen dem Beklagten und seiner Mutter. Allerdings war er derjenige, dem Frau S die Verwaltung ihres Sparvermögens anvertraute. Der Grund dafür lag darin, dass R lange Zeit als Auslandslehrer berufstätig und G an Multipler Sklerose erkrankt war.
Im August 1993 begehrte Frau S die Auflösung ihres Wertpapierdepots mit einem Bestand von 41.846,00 DM bei der Commerzbank .... Über die Verwendung dieses Vermögens besteht Streit. Die Behauptung des Beklagten, seine Mutter habe den oben genannten Bestand auf ihre Söhne R und G übertragen, und zwar zum Teil dem Sohn G geschenkt, der mit diesem Geld ein Darlehen zurückgeführt habe, das zur Finanzierung seines Eigenheims gedient habe, und einen Anteil von 8.000,00 DM an R gegeben (Beweis: Zeugnis R und G), hat die Klägerin ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten. Sie hat behauptet, die Mutter des Beklagten habe den Erlös über die Jahre hinweg für sich verbraucht.
Unter dem 21.3.2003 erhielt R als Betreuer für seine Mutter einen Betreuerausweis des Amtsgerichts ... (Az. ...). Am 10.6.2003 vereinbarte er als gesetzlicher Betreuer seiner Mutter einen Kurzzeitpflegevertrag für vollstationäre Pflege mit Wirkung vom 6.6.2003 bis 19.6.2003. Am 7.7.2003 wurde der Heimvertrag (Bl. 13ff) für die dauerhafte Pflege abgeschlossen. Zu der Zeit bezog die Mutter des Beklagten ein monatliches Renteneinkommen in Höhe von insgesamt 925,40 € (Witwenrente 805,35 € zuzüglich Betriebsrente 120,06 €) sowie Leistungen der Pflegekasse für die Pflegestufe II in Höhe von 1.279,00 €. Die Kosten für das für sie ausgesuchte Heim "..." beliefen sich unter Berücksichtigung der Pflegestufe II auf insgesamt 2.563,19 €. Das ... Alten- und Pflegeheim "..." kostete zu der Zeit für Bewohner mit der Pflegestufe II 2.730,81 €. Wegen der Kosten vergleichbarer weiterer Heime wird auf die von der Klägerin eingereichten Anlagen K 23 und K 24 verwiesen (Bl. 526f). Die Klägerin erbrachte allein in der Zeit seit Mai 2004 für die Mutter des Beklagten Leistungen in Höhe von monatlich zunächst 884,45 €, seit November 2004 in Höhe von 1.172,24 € und seit Januar 2005 fortlaufend monatlich mehr als 1.300,00 €. Wegen der - unbestrittenen - Einzelheiten zur Leistungshöhe wird auf den Klägervortrag, insbesondere auf die Klageschrift und die Klageerhöhungsschriftsätze, verwiesen.
Die Klägerin macht mit der Berufung geltend, das Familiengericht habe die unzutreffende Auffassung vertreten, es sei ihre Aufgabe gewesen, für eine kostengünstige Unterbringung der Hilfeempfängerin Sorge zu tragen. Dabei verkenne das Familiengericht ein Mehrfaches:
Die Klägerin sei nicht diejenige gewesen, die die Heimunterbringung veranlasst habe. Ihre Aufgabe sei es ausschließlich, ihre Verantwortung als (Teil-)Kostenträgerin wahrzunehmen. Die Entscheidung des gerichtlich bestellten Betreuers hätte sie zu akzeptieren gehabt; jedenfalls insoweit, wie es nicht offensichtlich auf der Hand gelegen habe, dass die Entscheidung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Insoweit sei die Bedürftigkeit der Hilfeempfängerin entgegen der Auffassung des Beklagten ausreichend dargetan.
Zu Unrecht meine das Familiengericht, sie sei verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, dass es keine kostengünstigere Alternative zu dem Heim, in dem die Unterhaltsberechtigte untergebracht ist, gegeben habe. Außerdem verkenne das Familiengericht, dass es eine Ermessensentscheidung sei, in welchem Heim die Unterbringung erfolge. Von Ermessensfehlgebrauch könne keine Rede sein. Außerdem habe sie mit Schriftsatz vom 17.10.07 ausführlich dargelegt, dass eine etwaige marginale Differenz sich nicht für den unterhaltsverpflichteten Beklagten, sondern allein entlastend für sie auswirken würde, da sie den überwiegenden Teil der ungedeckten Heimkosten wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten ohnehin trage.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Familiengerichts Neumünster den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin wie folgt zu zahlen:
a) 6.916,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf 6.010,00 € seit dem 1.10.2005,
b) sowie weitere 1.510,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.5.2006,
c) sowie weitere 3.020,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.3.2007,
d) sowie weitere 320,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.4.2007;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte erwidert, die Berufungsbegründung entspreche nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO und sei deshalb unzulässig.
Sie sei auch unbegründet. Der Betreuungsbedarf sei vor Ablauf der 10-Jahres-Frist aus § 528 Abs. 1 BGB aufgetreten. Die Pflegebedürftigkeit seiner Mutter habe sich schon 1996 herausgestellt. Seine Tochter habe bereits damals festgestellt, dass seine Mutter ihre drei Söhne vergessen hatte und sie als Enkelin auch nicht mehr erkannt hatte. R habe in seiner Eigenschaft als Betreuer bereits am 10.6.2003 einen Kurzzeitpflegevertrag geschlossen. Der Beklagte rügt erneut unter Bezugnahme auf diesen Kurzzeitpflegevertrag - wie im ersten Rechtszug -, dass es die Klägerin pflichtwidrig unterlassen habe, die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf hinsichtlich des Wertpapierdepots zu prüfen.
Mit dem Pflegeheim "..." hätte in nächster Umgebung der früheren Wohnung seiner Mutter ein angemessenes Heim zur Verfügung gestanden, das auch die besondere Betreuung von Demenzkranken anbiete. Tatsächlich sei aber niemand auf Seiten der Mutter auf die Idee verfallen, insoweit überhaupt nur eine kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeit zu suchen oder ihn zu kontaktieren. Der Vortrag der Klägerin zur Leistungs(un)fähigkeit seiner Halbbrüder sei unsubstantiiert. Die Klage sei unschlüssig mangels ausreichender Darlegung der Leistungsfähigkeit seiner Halbbrüder.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet.
1. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß insbesondere den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügend - begründet, worden.
Nach dieser Vorschrift muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt.
Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf. Die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm ist entbehrlich, soweit aus den mitgeteilten Rechtsansichten deutlich wird, worin der Rechtsfehler gesehen wird (BGH NJW 2003, 3345 ff.; Juris Rn. 17 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung. Bei Auslegung und Anwendung der formalen Voraussetzungen dürfen die Anforderungen "nicht überspannt werden" (Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 522 ZPO Rn. 2 a m.w.N.).
Als Obersatz benennt die Berufungsbegründung den Streit über die (Rechts)Frage, ob die vom Betreuer gewählte Unterbringung von dem Beklagten als dem Grunde nach unterhaltspflichtigem Sohn zumindest zum Teil mit zu finanzieren ist. Mit dem Satz "insoweit ist die Bedürftigkeit der Hilfeempfängerin entgegen der Auffassung des Beklagten ausreichend dargetan," macht sie deutlich, dass sie die gegenteilige, im angefochtenen Urteil genannte Ansicht angreift, und sie greift in diesem Zusammenhang die Auffassung des Familiengerichts an, sie sei verpflichtet darzulegen, dass es keine kostengünstigere Alternative zu dem Heim gebe. Das Familiengericht verkenne, dass es eine "Ermessensentscheidung" sei, in welchem Heim die Unterbringung erfolge. Von Ermessensfehlgebrauch könne keine Rede sein. Damit nennt die Klägerin zugleich ihre Rechtsauffassung.
Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt (BGH a.a.O., Juris Rn. 19). Der BGH hat die Berufungsbegründung in der zitierten Entscheidung "gerade noch" als genügend bezeichnet, und zwar hat es ihm im Rahmen der Entscheidungserheblichkeit ausgereicht, dass die vom Kläger für richtig gehaltene Rechtsauffassung dem landgerichtlichen Urteil "konträr" war (Juris Rn. 20). Vergleichbar verhält es sich mit der Berufungsbegründung hier.
Die Tatsache, dass die Klägerin dem Amtsgericht zum Teil eine Auffassung vorwirft, die es im Urteil nicht vertreten hat (so z.B. 3. Absatz der Berufungsbegründung), steht der Annahme einer formal ordnungsgemäßen Berufungsbegründung nicht entgegen. Das formale Begründungserfordernis setzt nicht die Schlüssigkeit der Berufungsgründe voraus (BGH a.a.O. Juris Rn. 19).
2. Die Berufung ist unbegründet, denn ein Anspruch der Mutter des Beklagten, Frau S, auf Elternunterhalt gemäß § 1601 BGB besteht gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Mai 2004 bis April 2007 nicht. Ein Unterhaltsanspruch scheitert an der dafür erforderlichen Bedürftigkeit der Mutter.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Amtsgerichts steht dem Elternunterhaltsanspruch nicht entgegen, dass nicht ein kostengünstigeres Heim ausgesucht wurde. Diese Frage betrifft den Bedarf. Der Bedarf für die Unterbringung in dem ausgesuchten Heim ist zu bejahen. Dabei ist die sich aus § 1601 BGB ergebende Unterhaltspflicht des Beklagten dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht streitig. Der Bedarf der Mutter als Heimbewohnerin wird durch ihre Unterbringung im Heim - d.h., durch die Heimkosten - bestimmt. Hinzu kommt die in Form der Hilfe zur Pflege gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen in Höhe eines angemessenen Barbetrags zur persönlichen Verfügung (so genanntes Taschengeld) für Kleinigkeiten des täglichen Lebens gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. §§ 21 Abs. 3, 27 Abs. 3 BSHG bzw. nach Einführung des SGB XII gem. §§ 35, 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (vgl. BGH FamRZ 2004, 1370 - 72, JurisDruck Rn. 13).
Der unterhaltsrechtliche Bedarf von Eltern allgemein richtet sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Die eigene Lebensstellung der Eltern bestimmt sich in erster Linie nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Sie passt sich auch nachteiligen Veränderungen, z.B. durch Eintritt in den Ruhestand, an. Entstehen für pflegebedürftige Eltern ungedeckte Heimkosten, handelt es sich um einen von dem unterhaltsverpflichteten Verwandten zu tragenden Unterhaltsbedarf. Soweit solche Kosten notwendigerweise entstehen, betreffen sie als existenzielle Bedürfnisse des Berechtigten dessen Bedarf, für den der Pflichtige im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit einstehen muss (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rn. 635 f. m.w.N.). Die Unterbringungskosten müssen im Verhältnis zur Lebensstellung des Elternteils angemessen sein (OLG Schleswig, Urteil vom 24.06.2003 - 8 UF 153/02 - OLGR 2003, 407f). Gehobene Heime können unterhaltsrechtlich zu kostenintensiv sein (Palandt/Diederichsen, 68. Aufl., § 1601 Rn. 6 mit Nachweis auf die oben genannte Entscheidung des OLG Schleswig NJW-RR 2004, 866).
Die Auswahl des Heimes "...." in H, durch R als Betreuer ist nicht zu beanstanden. Jedenfalls zur entscheidungserheblichen Zeit der Auswahl und des Vertragsabschlusses im Juni/Juli 2003 waren die Kosten dieser Einrichtung angemessen. Im Ansatz stimmt der Senat der Klägerin zu, dass der Unterhaltsberechtigte bzw. sein Betreuer oder Vertreter bei der Auswahl eines Heimes bis zu einer gewissen Grenze frei ist. Diese Grenze liegt dort, wo angemessene Kosten überschritten werden. Falsch und im Übrigen widersprüchlich ist allerdings die Auffassung der Klägerin, die Hilfeempfängerin habe unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde einen Anspruch auf bestmögliche Betreuung. Das würde mehr als eine angemessene Betreuung bedeuten. Zu vergleichbaren Heimkosten im ehemaligen Wohnumfeld der Mutter, die im ... Stadtteil ... lebte, hat die Klägerin vorgetragen. Zur Zeit der Notwendigkeit der Heimunterbringung hätten im unmittelbaren Umfeld der bisherigen Wohnung die aus der Anlage K23 ersichtlichen Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestanden, wobei von diesen 10 Einrichtungen nur 2 (das ausgesuchte und das Pflegeheim A) ein - medizinisch gebotenes - Demenzprogramm angeboten hätten. Das Pflegeheim A kostete unstreitig insgesamt monatlich 2.551,94 € und das tatsächlich ausgesuchte 2.563,19 €, und zwar jeweils bei Pflegestufe II nach dem Stand laut Tabelle der Klägerin vom 1.07.2003. Zu dieser Zeit traf der Sohn R als Betreuer die Heimentscheidung. Angesichts dieses für die Umgebung zum ehemaligen Wohnumfeld der Mutter im Rahmen liegenden Preises ist die Angemessenheit der Kosten zu bejahen. Unter den zehn genannten Heimen war es - zu der Zeit - sogar das zweitgünstigste. Für die Zeit nach dem Stand des 10.08.2007, und zwar jetzt unter Berücksichtigung der Pflegestufe III, die die Mutter des Beklagten seit Oktober 2004 hatte, sieht der Preisvergleich anders aus. Jetzt betragen die Gesamtkosten in dem Heim "...." 3.968,59 €. Dieses Heim ist damit das teuerste im Vergleich zu den anderen in der Anlage K24 genannten. Das günstigste kostet 3.382,39 € und das nächst günstige 3.497,08 €.
Entscheidend für die Angemessenheit in Hinblick auf die Lebensstellung ist zunächst die Zeit, zu der die Heimaufnahme anstand. Zu dieser Zeit war das ausgesuchte Heim jedenfalls im Wohnumfeld eines der günstigen. Die Nähe zur ehemaligen Wohnung der Mutter ist - anders als der Beklagte und das Amtsgericht meinen - ein wichtiges Kriterium, denn auch wenn die demente Frau S das Heim nicht mehr verlassen konnte, so bestand bei räumlicher Nähe eher die Möglichkeit, Besuche von Nachbarn zu bekommen und durch vertraute Ärzte behandelt zu werden. Im nördlichen Teil von .... - wohnte und wohnt außerdem der Sohn R.
Das vom Beklagten als angemessen angesehene Heim "..." in ... war in der Pflegestufe II ausweislich der unbestrittenen Angaben der Klägerin mit rund 2.730 € sogar teurer. Das änderte sich erst, als ab Oktober 2004 mit Pflegestufe III zu rechnen war. Danach kostete dieses Heim nach dem Stand 1.09.2004 nur rund 3139,00 € .
Ein Umzug in ein anderes Heim, nur um mit Eintritt in die Pflegestufe III Kosten zu sparen, war der Mutter des Beklagten nicht zuzumuten. Dem Umzug steht nach der Auffassung des Senats entgegen, dass gerade für alte Menschen, die an Demenz leiden, Gewohntes positiv wirkt und Veränderungen möglichst zu vermeiden sind, um die ohnehin durch die Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens bestehende Unsicherheit nicht zu verstärken. Die Kosten sind deswegen auch seit Beginn der neuen Pflegestufe als angemessen anzusehen. Der Senat ist nicht der Ansicht, dass von Anfang an die Entwicklung hin zur Pflegestufe III hätte prognostiziert werden müssen; jedenfalls war nicht schon vor Einzug ins Heim ein Kostenvergleich auch für die Pflegestufe III anzustellen.
b) Der Senat kann allerdings nicht von einer Bedürftigkeit der Mutter ausgehen.
Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsbedürftig nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. An Unterhaltsbedürftigkeit fehlt es, soweit Einkünfte oder verwertbares Vermögen vorhanden sind (Wendl/Pauling, a.a.O., § 2 Rn. 630).
Unter bloßer Berücksichtigung des Einkommens der Mutter, das sie in der fraglichen Zeit seit Mai 2004 in Form einer - um den Taschengeldanspruch bereinigten - Witwenrente i.H.v. zunächst monatlich 722,18 € (seit Juli 2005 geringfügig weniger) sowie einer Betriebsrente in Höhe von 120,06 € und einer Pflegekassenleistung in Höhe von 1.279,00 € bezog, lag Bedürftigkeit vor.
Nach dem Vortrag des Beklagten zur Verwendung des Wertpapierbestandes in Höhe von 41.846,00 DM im August 1993 ist aber von ausreichendem verwertbarem Vermögen in Form eines Schenkungsrückgewähranspruchs der Mutter aus § 528 Abs. 1 BGB gegenüber den Söhnen G und R auszugehen. Dieser Anspruch gehört zum einzusetzenden Vermögen (vgl. Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rn. 631 f. m.w.N.).
Der Senat geht von der als unstreitig anzusehenden Behauptung des Beklagten aus, seine Mutter habe den in der Erklärung vom 24.8.1993 erwähnten Vermögensbetrag von 41.846,00 DM auf ihre Söhne R und G übertragen. Der pauschale Vortrag der Klägerin - sie bestreite dies mit Nichtwissen, die Mutter des Beklagten habe den Erlös über die Jahre hinweg für sich verbraucht - stellt kein erhebliches Bestreiten dar. Darauf ist die Klägerin vor dem Termin durch gerichtliches Schreiben vom 18.12.2008 ausdrücklich hingewiesen worden. Die Klägerin als Neugläubigerin des geltend gemachten Elternunterhaltsanspruchs hätte zu der detaillierten Behauptung des Beklagten zur Verwendung des ursprünglichen Vermögens substantiiert vortragen müssen. Das hat sie auch durch den - im Wesentlichen wiederholenden - Vortrag im Schriftsatz vom 19.12.2008 nicht getan. Unzutreffend ist im Übrigen insbesondere der dortige Vortrag, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen, wem die Schenkungen zugewandt worden sein sollen, denn die beiden Söhne R und G sind ausdrücklich benannt. Die Tatsache, dass die Klägerin als Neugläubigerin diesbezüglich nicht über originär eigenes Wissen verfügt, entbindet sie nicht von ihrer Darlegungslast. Das ist ihr Prozessrisiko. Die vom Beklagten als Beschenkte Benannten waren und sind für die Klägerin erreichbar, und sie haben ihr sogar jeweils u. a. im Januar 2004 Auskunft über ihre Einkommen erteilt, woraus die Klägerin unbereinigte Nettoeinkommen in Höhe von 2.701,41 € (G) und 3.694,25 € (R) errechnete. Die Klägerin hätte von beiden Erklärungen zu den Behauptungen des Beklagten betreffend die Verwendung der 41.846,00 DM einholen und diese vortragen können.
Nach der Aktenlage ist von einem Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gegen die jeweils beschenkten Söhne gemäß § 528 Abs. 1 BGB auszugehen. Mit dieser Vorschrift kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes fordern, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung z.B. außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. In diesem Sinne war Frau S jedenfalls in dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum von Mai 2004 bis April 2007 außer Stande, denn ihre Renten und die Leistungen der Pflegekasse reichten zur Deckung ihres Bedarfs, insbesondere der Heimkosten, nicht aus.
Auf § 529 Abs. 1 BGB (10-Jahres-Frist) kommt es hier nicht an. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Wann genau die Bedürftigkeit der Frau S eintrat, ist nicht vorgetragen; unter dem 9.12.2002 beantragte sie jedenfalls bei der Klägerin Sozialhilfe, und R gab in Vertretung für sie dazu eine Erklärung ab, worauf verwiesen wird (Anlagenkonvolut K 15; Bl. 409ff). Der genaue Zeitpunkt der Bedürftigkeit kann dahinstehen, denn § 529 BGB enthält eine rechtshemmende Einrede, so dass es dem Beschenkten überlassen ist, sie geltend zu machen (Palandt/Weidenkaff, 68. Aufl., § 529 Rn 1). Es ist nicht ersichtlich, dass Schenkungsrückgewähransprüche der Mutter gegenüber R und G geltend gemacht wurden. Ein solcher Anspruch des Schenkers kann vom Sozialhilfeträger gemäß § 93 SGB XII bis zur Höhe der Aufwendungen für den Schenker übergeleitet werden (Wendl/Pauling aaO, § 2 Rn 633).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es geht um eine tatsächliche Einzelfallentscheidung.
Ende der Entscheidung
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