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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 27.01.2003
Aktenzeichen: 15 WF 271/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 126
ZPO § 106
BGB § 407
Ist auf Antrag des Rechtsanwalts für die von ihm nach PKH-Bewilligung vertretene Partei ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen, kann der Gegner bis zum Erlass eines auf den Anwalt lautenden Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 126 ZPO die Aufrechnung erklären. Eine nicht mitgeteilte Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs an den Anwalt schließt die Aufrechnungswirkung nach § 407 BGB nicht aus.
15 WF 271/02

Beschluss

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Richter am Oberlandesgericht am 27. Januar 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 29. Oktober 2002 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwartau vom 24. September 2002 aufgehoben.

Der Antrag der Beschwerdegegener vom 22. August 2002, eine Kostenfestsetzung gemäß § 126 ZPO zu ihren Gunsten vorzunehmen, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Verfahrenswert von 487,86 €.

Gründe:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist begründet.

Der Unterhaltsprozess der Parteien endete mit dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 22. März 2002. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 7. 5. 2002 beantragte der Beklagte die Kostenfestsetzung mit 1847,49 €. Auf diesen Antrag hin wurden für die Klägerin zum Kostenausgleich mit Schriftsatz vom 15. 7. 2002 deren Kosten mit 1929,27 € angemeldet. Das Amtsgericht - Familiengericht - errechnete gemäß dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. 8. 2002 von der Klägerin an den Beklagten zu erstattende Kosten in Höhe von 487,86 € nebst Zinsen.

Mit Schriftsatz vom 22. 8. 2002 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. 8. 2002 dahin abzuändern, dass die festgesetzten Kosten mit den Zinsen gemäß § 126 ZPO den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu erstatten sind. Dem Antragsschreiben beigefügt war die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. 8. 2002.

Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme dazu, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. 8. 2002 für kraftlos zu erklären und einen inhaltsgleichen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten gemäß § 126 ZPO zu erlassen. Mit Schriftsatz vom 6. 9. 2002 widersprach die Klägerin dem Antrag und wies darauf hin, dass gegenüber dem Kostenerstattungsanspruch mit rückständigen Unterhaltsbeträgen die Aufrechnung erklärt worden sei. Auf einen weiteren Hinweis des Amtsgerichts - Familiengericht - erwiderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. 9. 2002.

Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. 9. 2002 erklärte das Amtsgericht - Familiengericht - den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. 8. 2002 gemäß § 106 ZPO für kraftlos und setzte einen Kostenbetrag von 487,86 € nebst Zinsen zur Zahlung von der Klägerin an Rechtsanwalt Z fest.

Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Klägervertreter am 17. 10. 2002 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 29. 10. 2002 - am selben Tag bei Gericht eingehend - ist hiergegen Rechtsbehelf eingelegt worden. Die Klägerin rügt, dass durch die Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ihre Aufrechnungserklärung umgangen und getroffene Bestimmungen hinsichtlich der Art der Kostenfestsetzung nachträglich korrigiert würden.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluss vom 31. 10. 2002 der Erinnerung nicht abgeholfen.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist begründet.

Gemäß § 126 Abs. 1 ZPO sind die für die Partei bestellten Rechtsanwälte berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. Damit machen sie nicht ein kraft Gesetzes auf sie übergegangenes Recht ihrer Partei geltend, sondern vielmehr ist ihnen ein selbständiges Beitreibungsrecht eingeräumt. Dieses Beitreibungsrecht lässt das der vertretenen Partei allerdings unberührt. Beide Rechte stehen selbständig nebeneinander (vgl. BGHZ 5, 251, 253; OLG Schleswig, SchlHA 1979, 181; OLG Düsseldorf, AnwBl 1980, 376). Das eigene Beitreibungsrecht des Anwalts bleibt auch dann bestehen, wenn bereits eine Beitreibung durch die vertretene Partei durchgeführt wird und ein entsprechender Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen worden ist. Macht der Anwalt in diesem Falle von seinem Recht gemäß § 126 Abs. 1 ZPO Gebrauch, beantragt er insbesondere - wie im vorliegenden Fall - eine "Umschreibung" des im Namen der vertretenen Partei erwirkten Kostenfestsetzungsbeschlusses auf ihn, so handelt es sich nicht um eine Titelumschreibung im Rechtssinne, sondern es liegt ein neuer selbständiger Kostenfestsetzungsbeschluss auf den Namen des Rechtsanwalts vor. Durch diesen Beschluss wird erstmalig das selbständige Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts gemäß § 126 Abs. 1 ZPO festgestellt. Entsprechend hat die Klägerin die Möglichkeit gemäß § 104 Abs. 3 ZPO sofortige Beschwerde gegen den neu ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss einzulegen.

Gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verteidigungsmöglichkeiten des in die Prozesskosten verurteilten Prozessgegners gegenüber der Beitreibung durch den Rechtsanwalt nur in eingeschränktem Umfange möglich. Der Prozessgegner kann keine Einreden geltend machen, die ihm gegenüber der obsiegenden Partei unmittelbar zustehen würden. Zulässig ist insoweit nur eine Aufrechnung mit Kosten, die nach der in demselben Rechtsstreit erlassenen Kostenentscheidung von der Partei zu erstatten sind. Diese grundsätzliche Einschränkung tritt allerdings dann nicht ein, wenn zugunsten der Partei selbst ein die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes betreffender Kostenfestsetzungsbeschluss bereits ergangen und dem Gegner zugestellt worden ist. Hat der Anwalt selbst eine entsprechende Kostenfestsetzung zugunsten seiner Partei beantragt, so verzichtet er damit im Ergebnis auf seine Vorrechte aus § 126 ZPO. Ist ein solcher Beschluss ergangen, so ist der Gegner der Vollstreckung aus diesem Beschluss ausgesetzt. Er muss deshalb auch befreiend an die Partei selbst leisten und mit Gegenforderungen gegen den festgesetzten Vergütungsanspruch aufrechnen können. Insofern erfordert der Schutz des Gegners vor doppelter Inanspruchnahme, dass der beigeordnete Rechtsanwalt sich nicht auf die Bestimmungen des § 126 Abs. 2 ZPO berufen kann, soweit und solange ein auf den Namen der Parteien ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss vorhanden und nicht für unwirksam erklärt worden ist, bzw. nicht zurückgegeben wurde (vgl. Kammergericht, Rechtspfleger 1977, 451; OLG Schleswig, JurBüro 1990, 1195 f.; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 1672).

Deshalb ist die Verfahrensweise des Amtsgerichts grundsätzlich gerechtfertigt, wenn - wie hier - der zunächst auf den Namen der Partei ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgegeben wird, so dass eine Vollstreckung aus zwei Titeln über den gleichen Gegenstand (Kostenerstattung aus einem Rechtsstreit) nicht zu befürchten ist.

Das Kostenfestsetzungsverfahren und die damit eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit macht es zwar erforderlich, dass grundsätzlich nur diejenigen Einwendungen geltend gemacht werden können, die allgemein im Kostenfestsetzungsverfahren zulässig sind. Soweit Streit darüber besteht, sind entsprechende Forderungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1960, 1160). In eindeutigen, zweifelsfreien Fällen kann die materielle Rechtslage aber aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung bereits bei der Kostenfestsetzung gemäß § 126 ZPO unmittelbar berücksichtigt werden. Um zu verhindern, dass infolge der doppelten Gläubigerstellung (Partei und Anwalt) schützwürdige Interessen des Schuldners verletzt werden, ist deshalb bereits bei der Kostenfestsetzung in dem namens des Anwalts eingeleiteten neuen Verfahren die Tatsache zu berücksichtigen, dass die vertretene Partei, soweit sie dem Gegner als Kostenerstattungsgläubiger gegenüberstand, als Verfügungsberechtigte über den Anspruch auch mit Wirkung gegen die in § 126 ZPO genannten Personen zu behandeln ist.

Von Anfang an hat die Klägerin eingewandt, infolge Aufrechnung sei der Kostenausgleichsanspruch erloschen. Unstreitig ergibt sich aus den nunmehr eingereichten Erklärungen der Parteien, dass Unterhaltsansprüche in Höhe von rund 5000 € der Klägerin gegenüber dem Beklagten infolge der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 22. 3. 2002 ohne weitere Absicherung zustanden. Nach Erlass des ersten Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. 8. 2002 ist mit Schriftsatz vom 6. 9. 2002 die Aufrechnung gegenüber den zu erstattenden Kosten in Höhe von 487,86 € mit rückständigen Unterhaltsbeträgen erklärt worden. Durch diese Aufrechnungserklärung ist die Kostenforderung des Beklagten, die im ersten Kostenfestsetzungsbeschluss tituliert war, erloschen. Sie kann dann nicht mehr von den Beschwerdeführern gemäß § 126 ZPO beigetrieben werden (vgl. insgesamt Philippi in Zöller, ZPO 23. Aufl., § 126 Rdnr. 17, 18, 19 m. w. N.).

Diese Bewertung ändert sich nicht dadurch, dass nunmehr von den Beschwerdeführern geltend gemacht wird, der Beklagte habe sämtliche Kostenerstattungsansprüche vor der Aufrechnungserklärung abgetreten und die Abtretung sei von ihnen angenommen worden, so dass die Aufrechnungserklärung mangels Gegenseitigkeit der Forderungen ins Leere gegangen sei. Gemäß § 407 Abs. 1 BGB müssen die Beschwerdeführer die Aufrechnungserklärung gegenüber dem Beklagten gegen sich gelten lassen. Erstmals im Schriftsatz vom 2. 1. 2003 ist geltend gemacht worden, Kostenerstattungsansprüche seien abgetreten worden. Den Gesamtumständen nach ist nicht davon auszugehen, dass eine entsprechende Abtretungsanzeige gegenüber der Klägerin erfolgte. Die Aufrechnungserklärung ist unstreitig und den Gesamtumständen nach in Unkenntnis der Tatsache einer Abtretung erfolgt. Zu Rechtshandlungen, die von der Regelung in § 407 Abs. 1 BGB erfasst sind, zählen auch Aufrechnungserklärungen (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB 62. Aufl., § 407 Rdnr. 4). Demgemäß ist die Aufrechnungserklärung der Klägerin nicht ins Leere gegangen. Vielmehr ist der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten durch die Aufrechnungserklärung der Klägerin auch mit Wirkung gegenüber den Beschwerdeführern erloschen.

Eine erneute Kostenfestsetzung nach § 126 ZPO war damit nicht mehr möglich, so dass auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin hin der angegriffene Beschluss mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO aufzuheben und der Antrag der Beschwerdeführer nach § 126 ZPO zurückzuweisen war.

Ende der Entscheidung

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