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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 15 WF 319/05
Rechtsgebiete: BRAGO, RVG, ZPO
Vorschriften:
BRAGO § 31 | |
RVG § 15 | |
RVG § 16 | |
RVG § 61 | |
ZPO § 623 | |
ZPO § 628 |
2. Wurde der Rechtsanwalt mit der Durchführung von Scheidung und Folgesachen vor dem 1. Juli 2004 beauftragt, so findet die BRAGO auch auf die Erweiterung um den Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein Kind Anwendung.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss
In der Familiensache
hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 17. November 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 19. Oktober 2005 wird der angefochtene Beschluss geändert.
Die Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 23. September 2005 wird teilweise dahin geändert, dass die dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung für die Verfahren 51 F 115/03 und 54 F 72/05 insgesamt 1.504,52 € beträgt und abzüglich bereits erstatteter 908,28 € ein Anspruch von 596,24 € verbleibt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 und 2 BRAGO zulässige Beschwerde ist zum größten Teil begründet.
Dem im Wege der Prozesskostenhilfe dem Antragsteller beigeordneten Rechtsanwalt steht die mit dem Festsetzungsantrag vom 24. Mai 2005 zum Aktenzeichen 54 F 72/05 geltend gemachten Gebühren im Umfang von noch 596,24 € zu.
Im Scheidungsverbund der Parteien ist der Prozessbevollmächtigte dem Antragsteller beigeordnet worden. Nachdem zunächst nur die Scheidung und die Regelung des Versorgungsausgleichs Gegenstand des Verfahrens waren, ist ab September 2004 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn der Parteien im Streit gewesen. Mit Beschluss vom 5. Januar 2005 ist das Verfahren zur elterlichen Sorge auf Antrag des Antragstellers gemäß § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom Scheidungsverfahren abgetrennt worden. Das Sorgerechtsverfahren ist mit eigener Akte im isolierten Verfahren gemäß richterlicher Verfügung vom 10. Januar 2005 zum Aktenzeichen 54 F 72/05 geführt worden. Zum früheren Aktenzeichen 51 F 115/03 ist mit Urteil vom 5. Januar 2005 die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt worden.
Das isolierte Sorgerechtsverfahren ist durch den Vergleich der Parteien in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 18. Mai 2005 beendet worden.
Auf entsprechenden Kostenvorschussantrag hin ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zum Aktenzeichen 51 F 115/03 zunächst ein Gebührenvorschuss von 209,96 € gewährt worden. Auf den Kostenerstattungsantrag vom 11. Januar 2005 sind die Kosten zum Verfahren 51 F 115/03 weiter gehend mit einem Anweisungsbetrag von 529,00 € abgerechnet worden. Antragsgemäß ist der Betrag von 529,00 € angewiesen worden. Auf die Berechnung im Festsetzungsantrag vom 11. Januar 2005 (Bl. 26 d.A.) wird verwiesen. Darin befindet sich ein offensichtlicher Rechenfehler, in dem von der Gebührenberechnung der Mehrwertsteuerwert von 84,64 € in Abzug gebracht worden ist, anstatt ihn hinzuzurechnen.
In der Folgezeit hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit zwei Kostenanträgen vom 24. Mai 2005 zu den Aktenzeichen 51 F 115/03 und 54 F 72/05 Kosten geltend gemacht. Auf die Anträge wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2005 ist der Erstattungsantrag vom 24. Mai 2005 zum Verfahren 51 F 115/03 zurückgenommen worden. Der Kostenantrag zum isolierten Sorgerechtsverfahren ist nicht zurückgenommen worden.
Seitens des Amtsgerichts ist eine Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Kiel eingeholt worden. Auf dessen Mitteilung vom 19.5.2005 und 25.8.2005 wird Bezug genommen. Mit der angegriffenen Kostenfestsetzung vom 23. September 2005 sind weitere 169,32 € zum Aktenzeichen 54 F 72/05 zur Auszahlung aus der Landeskasse an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers festgesetzt worden. Darin sind Kosten nach einem Gesamtstreitwert zum Verfahren 51 F 115/03 berechnet worden. Auf den Inhalt der Kostenfestsetzung und der darin enthaltenen Berechnung wird verwiesen.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Erinnerung eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2005 ist die Erinnerung durch die Richterin zurückgewiesen worden.
Gegen den am 24. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers fristgemäß am 7. November 2005 eingehend Beschwerde eingelegt.
Dieser Verfahrensablauf führt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Bezirksrevisors dazu, dass dem beigeordneten Prozessbevollmächtigten für das abgetrennte Verfahren gesonderte Gebühren zu vergüten sind.
Anders als das Amtsgericht unter Bezugnahme auf Gerold/Schmidt/Madert, 15. Aufl., § 7 BRAGO Rn. 5 meint, liegt nicht der dort behandelte Fall einer Vorabentscheidung über den Scheidungsantrag gemäß § 628 ZPO vor. Im Fall des § 628 ZPO behält die abgetrennte Folgesache in der Tat ihren Charakter als Folgesache und ist daher gebührenrechtlich mit der vorab entschiedenen Scheidungssache und den zugleich entschiedenen Folgesachen dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BRAGO. Hier hat das Amtsgericht jedoch auf Antrag des Antragstellers hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Weg des § 623 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO beschritten und eine "echte" Verfahrenstrennung mit der Folge vorgenommen, dass zwei selbständige Familiensachen entstanden sind. (Nach außen ist dies bereits durch das neu vergebene Aktenzeichen für das isolierte Sorgerechtsverfahren dokumentiert worden.) Bei dieser Fallgestaltung kann der Rechtsanwalt wählen, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung oder aus den zwei Verfahren nach der Trennung verlangt, allerdings unter Anrechnung der vor der Trennung bereits entstandenen Gebühren (OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 136 f.; OLG Karlsruhe JurBüro 1999, 383 f.; OLG Schleswig Beschluss vom 23.12.2004, Az. 15 WF 347/04; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert BRAGO, 15. Aufl., § 31 BRAGO Rz. 52; Keske in Gerhard/von Heintschel-Heineck/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., Kapitel 17, Rn. 262 ff.).
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat den zweiten Weg - Gebühren aus den zwei Verfahren nach der Trennung - gewählt. Für die Abrechnung zum isolierten Sorgerechtsverfahren ergibt sich gemäß § 30 KostO ein Gegenstandswert von 3.000,00 €. Auf die im Scheidungsverbundverfahren getroffene Wertfestsetzung von 900,00 € kann die Abrechnung zum isolierten Sorgerechtsverfahren nicht gestützt werden.
Die Berechnung der Gebühren für das Scheidungsverbundverfahren und das isolierte Sorgerechtsverfahren richten sich aber entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers insgesamt nach der BRAGO. Gemäß § 61 RVG findet die BRAGO Anwendung, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist.
Die Parteien streiten zwar erst seit September 2004 um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, gemäß § 15 i.V.m. § 16 Nr. 4 RVG sind eine Scheidungssache und die Folgesachen als dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 anzusehen. Das Scheidungsverbundverfahren mit dem Antrag auf Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs ist vor dem 1. Juli 2004 rechtshängig geworden. Die Erweiterung des Scheidungsverbundes um den Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn der Parteien stellt insofern eine Fortführung derselben Angelegenheit dar. Mithin ist hier die BRAGO für die Gebührenberechnung maßgeblich.
Zwar erfolgt die Berechnung des Gegenstandswerts gemäß § 7 Abs. 3 BRAGO in der Weise, dass die Scheidungssache und die Folgesachen als eine Angelegenheit angesehen werden, doch auf Grund der Regelung in § 623 ZPO ergibt sich die Trennung aus dem Scheidungsverbund. Die Sorgerechtsstreitigkeit der Parteien ist als isoliertes Sorgerechtsverfahren losgelöst vom Scheidungsverbund zu sehen (s.o.). Es fallen alle Gebühren nach der Abtrennung des Verfahrens noch einmal an (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 623 Rn. 32 k).
Insgesamt ergibt sich die nachfolgende Gebührenberechnung:
51 F 115/03 | |
Prozessgebühr aus 6.608,00 €, § 31 I 1 BRAGO | 230,00 € |
Verhandlungsgebühr aus 6.608,00 €, § 31 I 2 BRAGO | 230,00 € |
Beweisgebühr aus 6.108,00 €, § 31 I 3 BRAGO | 230,00 € |
Postpauschale, § 26 BRAGO | 20,00 € |
Summe der Gebühren und Auslagen | 710,00 € |
16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO | 113,60 € |
Gesamtsumme | 823,60 € |
54 F 72/05 | |
Prozessgebühr aus 3.000,00 € | 189,00 € |
Verhandlungsgebühr aus 3.000,00 € | 189,00 € |
Vergleichsgebühr aus 3.000,00 € | 189,00 € |
Postpauschale, § 26 BRAGO | 20,00 € |
Summe der Gebühren und Auslagen | 587,00 € |
16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO | 93,92 € |
Gesamtsumme | 680,92 € |
Damit ergibt sich für beide Verfahren eine Gesamtvergütung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aus der Landeskasse mit 1.504,52 €.
Auf Grund des Kostenvorschusses von 209,96 € und der festgesetzten Auszahlungsbeträge von 529,00 € und 169,32 € in der angefochtenen Kostenfestsetzung vom 23. September 2005 ( letztere ist zur Auszahlung gelangt ) ist ein abschließender Kostenbetrag von 596,24 € noch zur Zahlung offen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 128 Abs. 5 BRAGO).
Ende der Entscheidung
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