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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 15 WF 323/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4
Ist eine bestehende Kapitallebensversicherung im Prozesskostenhilfeverfahren - auch ohne Mitteilung des Rückkaufwertes - angegeben worden, so steht dies einer nachträglichen Verwertung dieser Versicherung für die Prozesskosten nach § 120 Abs. 4 ZPO auch dann entgegen, wenn der Rückkaufswert sich zwischenzeitlich deutlich erhöht hat.
15 WF 323/06

Beschluss

In der Familiensache (Prozesskostenhilfeverfahren)

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 29. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 12. Juli 2006, durch den die Zahlung der Verfahrenskosten aus dem Vermögen der Antragstellerin angeordnet worden ist, aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht- Familiengericht - Neumünster zurückverwiesen.

Gründe:

Die 1942 geborene Antragstellerin hatte im Juli 2003 Prozesskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren beantragt. Als Vermögen hatte sie in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse u.a. eine "Kapitallebensversicherung zur Altersversorgung, Auszahlung 2010" angegeben.

Der Antragstellerin wurde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Im Prüfungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO hat die Antragstellerin im Juli 2006 den Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung mit 6.153,47 € angegeben. Im Übrigen bezieht sie eine Rente in Höhe von 873,51 € und verdient 340,00 € monatlich dazu.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - hat daraufhin durch den angefochtenen Beschluss angeordnet, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (insgesamt 1.261,57 €) aus dem Vermögen zu zahlen habe.

Im Beschwerdeverfahren hat sich ergeben, dass der Rückkaufswert im Juli 2003 3.142,99 € betragen hatte; Angaben dazu hatte die Antragstellerin seinerzeit nicht gemacht.

In dem - der Antragstellerin nicht zugestellten - Nichtabhilfebeschluss vom 27. Oktober 2006 führt die Rechtspflegerin aus, die Antragstellerin könne die Versicherung beleihen. Sie sei rechnerisch in der Lage, Prozesskostenhilferaten in Höhe von 45,00 € zu zahlen, so dass sie in dieser Höhe auch Abträge auf ein evtl. Darlehen zahlen könne, das spätestens mit der Fälligkeit der Versicherung zurückgezahlt werden könne.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Es ist fraglich, ob der Verwertung der Lebensversicherung der Antragstellerin entgegensteht, dass sie der Versorgung im Alter dienen soll. Insoweit wird zunehmend die Auffassung vertreten, dass auch solche Versicherungen verwertet werden müssen, bevor die Solidarität der Allgemeinheit durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird, es sei denn, der Antragsteller legt im einzelnen dar, dass die Versicherung für die Versorgung zwingend erforderlich ist (vgl. neuestens OLG Brandenburg, MDR 2006, 1174, mit zahlreichen weiteren Nachweisen sowie OLG Nürnberg, FamRZ 2006, 1284).

Die jetzt 64-jährige Antragstellerin hat insoweit geltend gemacht, sie werde ihr derzeitiges für die Aufstockung der Rente erzieltes geringfügiges Erwerbseinkommen mutmaßlich irgendwann wegen ihres Alters nicht mehr zur Verfügung haben und benötige dann die im Jahre 2010 fällige Versicherung. Die Antragstellerin hat allerdings keine besonderen Belastungen geltend gemacht, die es zwingend erforderlich erscheinen lassen, die bezogene Rente aufstocken zu müssen. Ferner fehlen Angaben dazu, in welcher Höhe die offenbar auf Rentenbasis abgeschlossene Versicherung ab 2010 Leistungen erbringen wird. Letztlich kann die Frage der Verwertbarkeit unter diesen Gesichtspunkten aber dahinstehen, denn der nachträglichen Verwertung der Lebensversicherung für die Prozesskosten gemäß § 120 Abs. 4 ZPO steht jedenfalls - wie auch von der Antragstellerin geltend gemacht - entgegen, dass die Versicherung bereits zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung bestand und angegeben worden ist.

Zwar liegt tatsächlich eine wesentliche Verbesserung des Vermögens der Antragstellerin darin, dass der Rückkaufswert der Versicherung sich seit 2003 nahezu verdoppelt hat. Dies ist allerdings keine (nachträgliche) Verbesserung, die den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert (zu dieser Voraussetzung für Nachzahlungsanordnungen im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO vgl. Zöller-Philippi, 26. Aufl. 2007, Rz. 21 zu § 120 ZPO m.w.N.), sondern zwangsläufige Folge dessen, dass die Versicherung aufrecht erhalten worden ist und regelmäßig Beiträge gezahlt worden sind. Über den Einsatz der Versicherung für die Prozesskosten ist in solchen Fällen schon im Bewilligungsverfahren zu entscheiden. Zwar sind dann nur die zu jenem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse maßgebend und in Aussicht stehende Verbesserungen außer Betracht zu lassen (Zöller-Philippi, a.a.O., Rz. 5), jedenfalls dann, wenn sie - wie bei aus unterschiedlichen Gründen auflösbaren Versicherungsverträgen - nicht zuverlässig feststehen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 385).

Führt die Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen nicht dazu, dass verlangt wird, die Versicherung für die Deckung der Verfahrenskosten heranzuziehen, soweit der Schonbetrag überstiegen wird, kann nicht das Aufrechterhalten der Lebensversicherung mit einer stetigen Steigerung des Rückkaufswertes zugunsten der Staatskasse und zulasten der Parteien im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs. 4 ZPO geltend gemacht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das die Prozesskostenhilfe bewilligende Gericht seinerzeit die Frage der Verwendung der Lebensversicherung durch Rückkauf oder Beleihung überhaupt geprüft hat - eine solche Prüfung ist hier unwahrscheinlich, da der damalige Rückkaufswert nicht angegeben worden war und keine ergänzenden Angaben verlangt worden sind -, denn die Partei muss und darf bei einer ohne weitere Nachfrage erfolgten ratenfreien Prozesskostenhilfebewilligung davon ausgehen, dass sie die angegebene Lebensversicherung nicht verwerten muss. Diese Situation ist mit derjenigen vergleichbar, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe fehlerhaft beurteilt worden sind. Eine fehlerhafte Beurteilung bei der Bewilligung ist nicht über die Nachprüfung im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO korrigierbar (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., Rz. 20).

Da das Amtsgericht - Familiengericht - in dem der Antragstellerin nicht bekannt gegeben Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat, sie sei zu Ratenzahlungen auf ein Darlehen in der Lage, wird, nachdem die Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat, zu entscheiden sein, ob die Zahlung von Raten aus dem Einkommen auf die Verfahrenskosten anzuordnen ist.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht- Familiengericht - Neumünster zurückzuverweisen (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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