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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 15 WF 90/05
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
ZPO § 92 Abs. 1
GKG § 22
GKG § 29
1. Verfolgt eine Partei, der für den Streitgegenstand nur teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ihr Recht im übrigen auf eigene Kosten, so schuldet sie Gerichtsgebühren nur in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Gebühren aus dem Gesamtstreitwert und den Gebühren aus dem Wert der Prozesskostenhilfebewilligung.

2. Fallen gerichtliche Auslagen an, kann es gerechtfertigt sein, die Partei daran im Verhältnis des Wertes der Prozesskostenhilfebewilligung zum Gesamtstreitwert zu beteiligen.

3. Unterliegt die Partei in dem Rechtsstreit teilweise, ist der auf sie entfallende Betrag der Gebühren und Auslagen erst nach Abzug des von der Prozesskostenhilfe erfassten Teils vom Gesamtbetrag der Gebühren und Auslagen zu ermitteln.


15 WF 90/05 13 UF 203/02

Beschluss

In der Familiensache (Kostenansatz)

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 11. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 25. Januar 2005 teilweise geändert.

Der Kostenansatz in der Kostenrechnung III des Amtsgerichts Meldorf vom 26. November 2004 wird dahin geändert, dass der Kläger Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 8.082,78 DM (= 4.132,66 €) zu zahlen hat.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Kläger und Landeskasse streiten um die Beteiligung des Klägers an den Gerichtskosten erster Instanz, nachdem diesem teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt worden war und er letztlich überwiegend obsiegt hat. Nachdem die Beklagte zur Auskunft über ihr Endvermögen verurteilt worden war, hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Mai 1999 Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 550.000 DM beantragt. Durch Beschluss vom 26. Januar 2000 war dem Kläger Prozesskostenhilfe für einen Zahlungsantrag in Höhe von 33.513,50 DM nebst Zinsen bewilligt worden. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde hat der 4. Senat für Familiensachen dem Kläger am 11. August 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Prozesskostenhilfegesuchs Prozesskostenhilfe im Umfang von 50.001 DM nebst Zinsen bewilligt und dazu ausgeführt, die zulässige Beschwerde des Klägers habe "in einem gewissen weiteren Umfang hinreichende Erfolgsaussicht. Ob Erfolgsaussicht für einen Zahlungsanspruch in Höhe von 550.000 DM besteht, braucht im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung nicht entschieden zu werden, weil die Vergütung aus der Staatskasse für Streitwerte über 50.000 DM unabhängig von der Höhe des Streitwertes im Einzelnen gleich ist (vgl. § 123 BRAGO)." In der Berufungsinstanz ist die Beklagte letztlich zur Zahlung von 136.627,47 € nebst Zinsen bei einer Kostenquote für die erste Instanz von 38 % zu 62 % zu Lasten der Beklagten verurteilt worden. Das Amtsgericht hat durch Kostenrechnung III vom 26. November 2004 auf der Grundlage des mit 641.944,50 DM festgesetzten Streitwertes Verfahrensgebühren und Auslagen mit insgesamt 24.427,95 DM errechnet, von denen entsprechend den Kostenquoten 9.282,62 DM auf den Kläger und 15.145,33 DM auf die Beklagte entfallen. Von dem auf den Kläger entfallenden Teil hat das Amtsgericht sodann entsprechend der Prozesskostenhilfebewilligung drei Verfahrensgebühren nach einem Streitwert von 50.001 DM = 2.145 DM abgezogen und die Kostenschuld des Klägers mit 7.137,62 DM = 3.649,41 € festgestellt. Gegen die Kostenrechnung haben sowohl der Kläger als auch die Bezirksrevisorin Erinnerung eingelegt. Der Kläger hat gemeint, die Auslagen des Verfahrens seien unabhängig vom Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung entstanden und voll von der Prozesskostenhilfe erfasst. Im übrigen schulde er nur 38 % der Gebühren in Höhe von (13.290 DM - 2.145 DM = 11.145 DM x 38 % =) 4.235,10 DM = 2.165,37 €. Demgegenüber hat die Bezirksrevisorin vor dem Hintergrund einer Dienstversammlung der Bezirksrevisoren des Landes am 1. Juni 2004 die Auffassung vertreten, bei der Ermittlung des prozesskostenhilfefreien Teils der Gebühr und der Verteilung der Auslagen sei der Berechnungsweise bei Oestreich/Winter/Hellstab (Kommentar zum GKG, Rz. 61 Vorbemerkung zu § 49 GKG a. F.) zu folgen: 1. Streitwert 641.944,50 DM abzgl. PKH-Bewilligung 50.001 DM dividiert durch 641.944,50 DM x Gebühren 13.290 DM = 12.254,84 DM PKH-frei.

Da die auf 13.290 DM entfallene Kostenquote des Klägers mit 38 % = 5.050,20 DM geringer sei, sei dies die Kostenschuld des Klägers.

2. a) Wert für die Zeugenauslagen 550.000 DM abzgl. PKH-Bewilligung 50.001 DM dividiert durch 550.000 DM x 169,02 DM Zeugenauslagen = 153,82 DM PKH-frei.

Da die auf 169,02 DM entfallende Kostenquote des Klägers mit 38 % = 64,23 DM geringer sei, schulde er diesen Betrag. b) Wert für die Sachverständigenauslagen 550.000 DM abzgl. PKH-Bewilligung 50.001 DM dividiert durch 550.000 DM x 10.968,73 DM Sachverständigenauslagen = 9.971,55 DM PKH-frei.

Da die auf 10.968,73 DM entfallende Kostenquote des Klägers mit 38 % = 4.168,12 DM geringer sei, hafte er insoweit. 3. Anteil des Klägers insgesamt 5.050,20 DM + 64,23 DM + 4.168,12 DM = 9.282,55 DM = 4.746,09 €.

Mit Beschluss vom 25. Januar 2005 hat das Amtsgericht unter Zurückweisung der Erinnerung der Landeskasse der Erinnerung des Klägers teilweise abgeholfen und wie folgt abgerechnet:

1. Gebühren 13.290 DM, davon 38 % = 5.050,20 DM - 3 Gebühren PKH-Bewilligung 2.145 DM = Gebührenschuld 2.905,20 DM. 2. a) Zeugenauslagen 169,20 DM, davon 38 % = 64,23 DM abzgl. 9,09 % (entspricht der PKH-Bewilligung für 50.001 DM im Verhältnis zum Gesamtstreitwert von 550.000 DM) 5,83 DM = Auslagenschuld 58,40 DM. b) Sachverständigenauslagen 10.968,73 DM , davon 38 % = 4.168,12 DM abzgl. 9,09 % = 378,93 DM = Auslagenschuld 3.789,19 DM. 3. Anteil des Klägers insgesamt 2.905,20 DM + 58,40 DM + 3.789,19 DM = 6.752,79 DM = 3.452,65 €. Ž

Mit der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde verfolgt die Bezirksrevisorin ihre Auffassung weiter. II. Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 GKG zulässig, aber nur im Ergebnis teilweise begründet. Ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt, schuldet die hilfsbedürftige Partei Gerichtsgebühren nur in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Gebühren aus dem Gesamtstreitwert und den Gebühren aus dem von der Prozesskostenhilfe umfassten Streitwertteil. Wird dem Gegner bei der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung ein Teil der Kosten des Rechtsstreits auferlegt, so ist dieser Teil erst nach der Berechnung der Gerichtsgebühren abzuziehen. Die Frage, wie im Falle einer nur teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe die von der Partein zu erhebenden Gebühren und Auslagen zu berechnen sind, war schon zur Zeit des Armenrechts umstritten. Das Reichsgericht hatte die Auffassung vertreten, die Partei habe die volle Gebühr aus dem nicht von der Prozesskostenhilfe erfassten Teil des Streitwerts zu zahlen (RGZ 146, 78). Diese Auffassung war in Rechtsprechung und Literatur schnell auf Kritik gestoßen, weil eine derartige Berechnungsweise die bedürftige Partei gegenüber einer nicht bedürftigen ungerechtfertigt schlechter stelle (vgl. die Übersicht in BGHZ 13, 373, 374 f.).

In seiner Entscheidung vom 2. Juni 1954 hat der BGH die Kritik aufgegriffen und ausgeführt, die arme Partei habe in jedem Falle einen Anspruch darauf, von der Zahlungspflicht der Gebühren in der Höhe einstweilen verschont zu bleiben, die sich für den Umfang der Armenrechtsbewilligung bei Berechnung der Gebühren ergebe. Daraus folge, dass der von der Armenrechtsbewilligung nicht gedeckte Teil der Rechtsverfolgung eine Gebührenpflicht nur in Höhe eines Ergänzungsbetrages auslösen könne, welcher in dem Unterschied der Gebühr nach dem Gesamtstreitwert und derjenigen nach seinem vom Armenrecht erfassten Teil bestehe (a. a. O., S. 377).

Diese Ansicht ist auch die bei der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe heute herrschende (vgl. Hans OLG Hamburg, OLGR 1997, 342, 343; KG, Rechtspfleger 1988, 204, 205; OLG Koblenz, Rechtspfleger 1990, 38, 39; OLG München, MDR 1997, 298; OLG Stuttgart, JurBüro 1984, 1196; MünchKomm-Wax, 2. Aufl., Rz. 8 zu § 122 ZPO; Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., Rz. 10 zu § 122 ZPO; Zöller-Philippi, 25. Aufl., Rz. 45 zu § 121 ZPO; Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 633; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., Rz. 2 zu § 14 GKG; Markl/Meyer, 4. Aufl., Rz 6 vor § 49 GKG a. F.) und nach Überzeugung des Senats diejenige, die allein der teilweisen Prozesskostenhilfebewilligung zur Wirkung verhilft.

Die von Oestreich/Winkel/Hellstab vertretene Berechnungsweise, auf die sich die Landeskasse stützt, geht im Ansatz davon aus, dass es ein Prioritätsverhältnis zwischen den beiden Teilen des Streitgegenstandes weder zugunsten des prozesskostenhilfefreien Teils - so die Konsequenz des Reichsgerichts - noch zugunsten des von der Prozesskostenhilfe erfassten Teils - so die Konsequenz der Ansicht des BGH - gebe. Sie will deshalb den Teil des Streitgegenstandes, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, und den darüber hinausgehenden Teil "gleichermaßen an der Degression der Gebührentabelle teilhaben" lassen. Damit wird allerdings die Folge der Prozesskostenhilfebewilligung verkannt, wonach die Staatskasse gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO im Umfang der Bewilligung Gerichtskosten nicht geltend machen kann, und über eine gebührenrechtliche Argumentation zugunsten der Staatskasse eingeschränkt. Das ist nicht zulässig (so OLG München, a. a. O., das damit seine frühere Rechtsauffassung ausdrücklich aufgegeben hat, auf die sich allerdings Oestreich/Winkel/Hellstab beziehen; vgl. ferner MünchKomm-Wax, a. a. O.). Vielmehr hat die Partei einen Anspruch darauf, dass Begünstigungen durch die Gebührendegression sie und nicht die Staatskasse treffen (OLG Stuttgart, a. a. O.). Solange der Sachverhalt nicht gesetzlich geregelt ist, ist bei einer notwendigerweise schematischen Betrachtungsweise den Wirkungen der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerecht zu werden und nicht fiskalischen Interessen auf Kosten der Partei. Diese Rechtsauffassung rechtfertigt es allerdings nicht, die auf den von der Prozesskostenhilfe gedeckten Teil des Streitgegenstandes entfallenden Gebühren erst von der Haftungsquote des Klägers abzuziehen. Der Kläger erhält dadurch nämlich quasi auf Grund der Prozesskostenhilfe eine zusätzliche Begünstigung im Umfange seines Obsiegens. Die Berechnung darf nicht dazu führen, dass der tatsächliche Umfang der Bewilligung beim Kostenansatz völlig außer acht gelassen wird. Deshalb ist die Haftungsquote erst aus der um die der Prozesskostenhilfebewilligung unterfallenden Gebühren geminderten Kostenschuld zu bilden (vgl. dazu Hans OLG Hamburg, a. a. O. unter Ziffer 2) und wie folgt zu rechnen: Gebühren 13.290 DM, davon durch Prozesskostenhilfe gedeckt 2.145 DM, Rest 11.145 DM, davon 38 % = 4.235,10 DM = 2.165,37 €.

Entsprechend ist auch bei den Auslagen zu rechnen.

Das Amtsgericht hat - insoweit in Übereinstimmung mit der Landeskasse - eine Aufteilung nach den Teilgegenständen mit und ohne Prozesskostenhilfebewilligung vorgenommen. Ob eine solche Zuordnung der Auslagen hier den Gegebenheiten entspricht oder ob die Auslagen mangels Zuordnungsmöglichkeit insgesamt unter die Prozesskostenhilfe fallen müssen (vgl. dazu MünchKomm/Wax, a. a. O.; Markl/Meyer, a. a. O., Rz. 7), kann dahinstehen, da der Kläger gegen den Beschluss des Amtsgerichts keine Beschwerde eingelegt hat. Die Berechnung der Landeskasse, mit der sie nur eine geringfügige Änderung erstrebt (Zeugenauslagen 64,23 DM statt 58,40 DM; Sachverständigenauslagen 4.168,12 DM statt 3.789,19 DM) berücksichtigt wie bei den Gebühren nicht die Wirkung der teilweisen Prozesskostenhilfebewilligung, weil der Kläger auch ohne diese dieselben Beträge (38 % der Auslagen) zu tragen gehabt hätte. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss aber auch hinsichtlich der Auslagen die Wirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO haben, da die Entschädigungen für Zeugen und Sachverständige zu den Gerichtskosten gehören (KV Nr. 9005; vgl. Zöller-Philippi, a. a. O., Rz. 3 zu § 122 ZPO).

Das ergibt folgende Rechenweise:

Zeugenauslagen 169, 20 DM abzgl. 9,09 % (= 15,38 DM) = 153,82 DM, davon 38 % = 58,45 DM;

Sachverständigenauslagen 10.968,73 DM abzgl. 9,09 % (=997,06 DM) = 9.971,67 DM, davon 38 % = 3.789,23 DM. Damit ergibt sich insgesamt ein von der Prozesskostenhilfebewilligung nicht umfasster Teil der Gerichtskosten in Höhe von Gebühren 4.235,10 DM, Zeugenauslagen 58,45 DM, Sachverständigenauslagen 3.789,23 DM, insgesamt 8.082,78 DM = 4.132,66 €.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Ende der Entscheidung

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