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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 16 W 20/09
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 269 Abs. 3 | |
ZPO § 494 a Abs. 2 |
(Abgrenzung zu BGH BauR 2005,133; vgl. OLG Oldenburg MDR 1998,242)
Beschluss
In dem selbständigen Beweisverfahren
wegen Kosten im selbständigen Beweisverfahren
hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 23. März 2009 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3. Februar 2009 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 14. Januar 2009, durch den der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt worden sind, aufgehoben.
Gründe:
I. Die Antragstellerin hat die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zur Feststellung von behaupteten Mängeln an ihrem Wohn- und Geschäftshaus durch die Gründungs- und Bauarbeiten auf dem der Antragsgegnerin gehörenden Nachbargrundstück beantragt. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragstellerin im Hinblick auf das vorangeschrittene Bauvorhaben der Antragsgegnerin im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 05. August 2005 (Bl. 127 f.) ihre Beweisfragen umgestellt und ergänzt. Mit Beschlüssen vom 10. Dezember 2005 (Bl. 174) und 05. September 2006 (Bl. 204) hat das Landgericht die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der insoweit beauftragte Sachverständige S hat sein Gutachten indes, weil die Antragstellerin Terminsvorschläge für einen weiteren Ortstermin nicht gemacht habe, nicht erstattet.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 (Bl. 209) hat die Antragstellerin auf eine gerichtliche Sachstandsanfrage mitgeteilt, dass sich die Fortsetzung des Beweisverfahrens möglicherweise erübrigen werde, weil - abgesehen von der Gründungsfrage - die meisten der von dem Bauvorhaben der Antragsgegnerin herrührenden Schäden inzwischen behoben oder schwerlich noch feststellbar seien. Mit Schriftsätzen vom 08. August 2008 (Bl. 216) und 05. September 2008 (Bl. 220) hat die Antragstellerin zunächst ohne die Gründungsthematik und sodann insgesamt das Verfahren für erledigt erklärt. Die Beschädigungen des Hauses am Mauerwerk und der Dacheindeckung hätten vor langer Zeit behoben werden müssen. Die Bewohnbarkeit der vermieteten Wohnungen und die Nutzbarkeit der vermieteten Gewerbeflächen hätten nach diesen Sanierungsmaßnahmen verlangt. Von den früheren Schäden sei nichts mehr zu sehen, jedenfalls nicht ohne Zerstörung der vorhandenen Sanierungssubstanz. Was die Gründung anbelange, hätten anderweitige Ermittlungen der Antragstellerin ergeben, dass wegen der Abhilfemaßnahmen der Antragsgegnerin keinerlei Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Hauses durch die Baumaßnahmen der Antragsgegnerin mehr festzustellen sei und entsprechende Gründungsprobleme als Konsequenz der Nachbarbebauung auch nicht mehr zu besorgen seien.
Weiter hat die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 05. September 2008 (Bl. 221) und 06. November 2008 (Bl. 232) auf jegliche Ansprüche gegen die Antragsgegnerin aus Anlass des Neubauvorhabens verzichtet.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 06. November 2008 (Bl. 233) in erster Linie beantragt, der Antragstellerin gem. § 269 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Hilfsweise hat sie beantragt, der Antragstellerin gem. § 494 a Abs. 1 ZPO eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt.
II. Die in entsprechender Anwendung der §§ 269 Abs. 5, 494 a Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen gem. den §§ 567 f. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Die Antragstellerin hat mit ihren schriftsätzlichen Erklärungen vom 08. August 2008 und 05. September 2008 ihre Anträge nicht etwa zurückgenommen, sondern ausdrücklich das Beweisverfahren für erledigt erklärt. Eine Auslegung ihrer Erledigungserklärung dahingehend, dass sie damit ihren Antrag habe zurücknehmen wollen, ist gegen dem ausdrücklich erklärten Wortlaut der Prozesserklärung nicht möglich, zumal die Klägerin auch noch mit Schriftsatz vom 06. November 2008 (Bl. 232) ausdrücklich klargestellt hat, dass ihre Erledigungserklärung keinesfalls als Antragsrücknahme aufzufassen sei.
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles ist die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin auch nicht aus Rechtsgründen wie eine Antragsrücknahme zu werten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine - einseitig gebliebene - Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren als Antragsrücknahme gewertet werden, wenn mit dieser Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Beweiserhebung durch das Gericht endgültig nicht mehr gewünscht wird (BGH BauR 2005, 133 Rn 10, zitiert nach juris). Dies gilt aber nur dann, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat (Rn 14), wenn die als Rücknahme gewertete Erklärung nicht auf einem Ereignis beruht, dass das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen lässt. Was für den Fall des Interessewegfalls gilt, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen (a. a. O.; vgl. OLG Hamburg, MDR 1998, 242). Wenn der Antragsteller die Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens nicht aus freien Stücken aufgibt, sondern aufgeben muss, weil sich das Verfahren "erledigt" hat, kommt nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (a. a. O.) die Umdeutung einer Erledigungserklärung in eine Antragsrücknahme nicht in Betracht. Wer - gezwungen durch die Ereignisse - die Erledigung eines Verfahrens erklärt, will sich eben gerade nicht in die Position des Unterlegenen mit der entsprechenden Kostenfolge begeben. In einem solchen Fall bleibt es - ebenso wie bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen (BGH BauR 2007,1446) - bei dem Grundsatz, dass es eine Anspruchsgrundlage für eine isolierte Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren nicht gibt.
Die Antragstellerin hat mit ihren Erklärungen vom 08. August 2008 und 05. September 2008 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie - jedenfalls teilweise - durch sachliche Zwänge (Baufortschritt und Renovierungszwang) und nicht ausschließlich aus freien Stücken auf die Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens verzichtet hat. Damit scheidet eine Bewertung ihrer - einseitig gebliebenen - Erledigungserklärung als Antragsrücknahme nach Auffassung des Senats aus.
2. Auch § 494 a Abs. 2 ZPO kann weder direkt noch entsprechend zur Begründung der Kostenentscheidung herangezogen werden. Im Falle der jedenfalls teilweisen Erledigung des Beweisinteresses durch äußere Umstände, wie vorliegend, liegt eine Umgehung der Vorschriften des § 494 a Abs. 1 und 2 ZPO nicht vor, die allein eine analoge Anwendung der Kostenvorschrift rechtfertigen könnte.
Mangels Rechtsgrundlage war der angefochtene Beschluss daher aufzuheben. Der Antragsgegnerin bleibt der Rückgriff auf einen möglichen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (OLGR Schleswig 2005, 593).
Ende der Entscheidung
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