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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 08.09.2008
Aktenzeichen: 16 SchH 1/08
Rechtsgebiete: ZPO, Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel


Vorschriften:

ZPO § 1032
ZPO § 1043
ZPO § 1062
Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel § 20
Zur Auslegung des Begriffs der "freundschaftlichen Arbitrage".
16 SchH 1/08

Beschluss

In der Schiedsverfahrenssache

wegen Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 8. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Mai 2008 eingeleitete schiedsrichterliche Verfahren unzulässig ist, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Verfahrenswert beträgt 10.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Parteien verbindet ein Alleinvertriebsvertrag vom 25. Februar 2003, nach dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin den Alleinvertrieb für im Anhang angeführte Waren, ggf. mit Einschränkungen für einzelne Produkte, gewährt.

Ziff. 12. des Vertrages bestimmt:

"Das Vertragsverhältnis untersteht dem in der Bundesrepublik Deutschland geltendem Recht. Gerichtsstand ist Pinneberg. Im Falle von Unstimmigkeiten erfolgt eine Mediation. Sollte keine Einigung erzielt werden können, erfolgt eine freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammern, Paris."

Die Geheimhaltungsvereinbarung vom 23. Oktober 2002 enthält eine Schiedsvereinbarung mit demselben Wortlaut.

Nach einem Schriftwechsel vom 16. und 23. Mai 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Mai 2008 mit, sie beabsichtige nun, das zwischen den Parteien in den streitigen Vereinbarungen, insbesondere der Geheimhaltungsvereinbarung vom 23. Oktober 2002 sowie des Alleinvertriebsvertrages vom 25. Februar 2003 vereinbarte, nach den Regeln der Hamburger Arbitrage durchzuführende Schiedsverfahren in Gang zu setzen. Gegenstand des Verfahrens würden insbesondere die der Antragsgegnerin zustehenden Schadensersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche wegen der Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung und des Alleinvertriebsvertrages infolge des unzulässigen Vertriebs von Erythrulose durch die Antragstellerin sein. Die Antragsgegnerin benannte gem. § 20 Ziff. 2 der Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel einen Schiedsrichter und forderte die Antragstellerin auf, ihrerseits bis zum 06. Juni 2008 einen Schiedsrichter zu benennen.

Am 09. Juni 2008 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO gestellt. Sie meint, nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung sei freundschaftliche Arbitrage nur eine Qualitätsarbitrage im Sinne eines Schiedsgutachtens. Da es um Vertragsfragen gehe, sei nur ein Schiedsgericht nach ICC-Regeln zulässig.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Mai 2008 eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie meint, nach der Schiedsvereinbarung habe eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage nach § 20 der Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel stattzufinden, auf das nur ergänzend die ICC-Regeln Anwendung fänden.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die in Ziff. 12 des Vertrages vorgesehene Mediation gescheitert ist.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Gem. § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Ein Schiedsgericht ist noch nicht gebildet, da die Antragsgegnerin nach Benennung eines eigenen Schiedsrichters die Antragstellerin ohne Ergebnis dazu aufgefordert hat, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist das Oberlandesgericht, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, zuständig für Entscheidungen über Anträge betreffend die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens i. S. von § 1062 ZPO. In der Schiedsvereinbarung ist ein Oberlandesgericht nicht bezeichnet. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens kann sich aus einer Vereinbarung der Parteien oder einer Bestimmung des Schiedsgerichts ergeben (§ 1043 Abs. 1 ZPO). Da ein Schiedsgericht sich noch nicht konstituiert hat und es deshalb noch keine Bestimmung eines Schiedsorts durch ein Schiedsgericht gibt, ist die Vereinbarung des Gerichtsstands Pinneberg im Vertrag vom 25. Februar 2003 zusammen mit der wechselseitigen Antragstellung der Parteien beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht als Bestimmung über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens anzusehen. Die Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht aus §§ 1025 Abs. 3, 1062 Abs. 3 ZPO; denn die Feststellung gem. § 1032 ZPO gehört nicht zu den in § 1025 Abs. 3 ZPO genannten in den §§ 1034, 1035, 1037 und 1038 bezeichneten gerichtlichen Aufgaben.

2. Der Antrag ist nicht begründet. Die Schiedsvereinbarung der Parteien ist dahin auszulegen, dass eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage gem. § 20 der Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel (im Folgenden: Platzusancen, abgedruckt bei Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Anh. B 5) vereinbart ist, auf die nur ergänzend die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC), Paris (abgedruckt bei Schwab/Walter, a.a.O., Anh. B 1) Anwendung findet. Entsprechend hat die Antragsgegnerin gem. § 20 Ziff. 2 der Platzusancen unter Namhaftmachung des von ihr gewählten Schiedsrichters die Antragstellerin schriftlich aufgefordert, binnen einer angemessenen Frist ihrerseits den Schiedsrichter zu benennen.

a) Der Wortlaut der Schiedsvereinbarung ist nicht eindeutig. Der Begriff der "freundschaftlichen Arbitrage" spricht für die Vereinbarung einer Hamburger freundschaftlichen Arbitrage. Diese soll nach § 20 Ziff. 2 der Platzusancen bei Verwendung der Begriffe "freundschaftliche Arbitrage", "Privatarbitrage" oder "Hamburger Arbitrage" vereinbart sein. Dem steht angesichts des Sitzes der Parteien in U bzw. E nicht entgegen, dass es auch eine Bremer Arbitrage gibt. Die Formulierung "Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammer, Paris" spricht für ein Schiedsverfahren nach der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC), Paris. Die bloße Aufzählung dieser beiden Schiedsgerichte ohne Bezug zu einer bestimmten Fallgruppe zwischen den Parteien zu klärender Fragen, steht einer Bestimmung des zuständigen Schiedsgerichts allein nach dem Wortlaut entgegen.

b) Eine ergänzende Auslegung führt dazu, dass eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage gem. § 20 der Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel als vereinbart anzusehen ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt es keine historisch gewachsene Beschränkung des Anwendungsbereichs der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage auf Qualitätsarbitragen. Gem. § 20 Ziff. 1 der Platzusancen ist unter Arbitrage die Entscheidung von Streitigkeiten im Schiedswege unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte nicht nur über Qualitätsfragen, sondern auch über alle anderen aus dem Geschäft entstehenden Streitpunkte, insbesondere auch über Rechtsfragen zu verstehen, es sei denn, dass in dem Vertrage ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Eine entsprechende Formulierung war schon in der Fassung der Platzusancen im Jahre 1904 enthalten (vgl. den von der Antragstellerin vorgelegten Aufsatz Korte, SchiedsVZ 2004, 240). Danach ist also die Beschränkung der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage auf Qualitätsfragen die ausdrücklich zu vereinbarende Ausnahme. Nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung ist keine Ausnahme in dem Sinne vereinbart, dass bei Qualitätsfragen eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage und bei Vertragsauslegungsfragen, wie sie hier in Rede stehen, ein Schiedsverfahren nach der Schiedsgerichtsordnung der ICC durchzuführen ist. Denn die beiden Möglichkeiten werden durch das Wort "und" ohne Bezug zu unterschiedlichen Fallgruppen verbunden.

Durchgreifend für die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens nach § 20 der Platzusancen spricht, dass die Unvollständigkeit der Regelungen in § 20 Platzusancen als Nachteil empfunden wird (Korte, a. a. O., S. 244) und § 20 Ziff. 6 der Platzusancen eine ausdrückliche Regelung dafür enthält, wie mit Verweisen auf andere Geschäftsbedingungen und dergleichen zu verfahren ist. Danach gelten, wenn im Zusammenhang mit der Abrede "freundschaftliche Arbitrage", "Privatarbitrage" oder "Hamburger Arbitrage" auf andere Geschäftsbedingungen, Kontrakte oder dergleichen mit oder ohne Beifügung eines Zusatzes wie "im Übrigen", "nach", "auf Basis", "im Anschluss an" oder dergleichen verwiesen wird, die in Bezug genommenen Bestimmungen nur insoweit, als sie nicht zu Vorschriften des § 20 Platzusancen in Widerspruch stehen. In der Schiedsvereinbarung wird mit Beifügung des Zusatzes "gemäß" auf eine andere Schiedsgerichtsordnung verwiesen.

Da die Hamburger freundschaftliche Arbitrage nicht voraussetzt, dass die Schiedsparteien in Hamburg ansässig sind, ergibt sich aus dem Sitz der Parteien in Schleswig-Holstein kein Argument gegen diese. Dass die Parteien ausdrücklich Pinneberg als Gerichtsstand vereinbart haben, während § 20 Ziff. 5 der Platzusancen Hamburg als Gerichtsstand vorsieht, ist als Argument für die Bestimmung des Schiedsgerichts zu vernachlässigen, da es auf Unkenntnis der insoweit in den Platzusancen getroffenen Regelung beruhen kann.

Es verbleibt nach alledem nur die sprachlich unglückliche Verbindung der beiden Satzteile durch "und". Diese führt schon deshalb nicht zu der von der Antragstellerin gewünschten Auslegung, weil es sich um eine historisch gewachsene Formulierung zu handeln scheint. Eine entsprechende Formulierung, nämlich "Meinungsverschiedenheiten sind durch Verkäufers Wahl entweder durch Hamburger freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht oder durch die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung zu bringen" ist bereits Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 03. März 1955 - II ZR 323/53 -, BB 1955, 552) gewesen, in dem die Vorinstanz - für den Bundesgerichtshof bindend - eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage als vereinbart angesehen hat. Das Landgericht Hamburg hat in der von beiden Parteien angeführten Entscheidung vom 27. Juli 1990 - 70 O 56/89 - RIW 1991, 419 für eine sprachlich vergleichbare Schiedsabrede ("Hamburger freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht in accordance with rules and conditions of the Waren-Verein der Hamburger Börse e. V. - Hamburg") entschieden, dass man aus dieser Klausel keinesfalls folgern könne, dass das Schiedsgericht des Waren-Vereins vereinbart sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 709 Nr. 11 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung berücksichtigt der Senat, dass Gegenstand des durchzuführenden schiedsrichterlichen Verfahrens Schadensersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche der Antragsgegnerin sind und es sich bei der Frage der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens nur um eine Vorfrage handelt.

Ende der Entscheidung

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