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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 16 U 55/05
Rechtsgebiete: AUB 95


Vorschriften:

AUB 95 § 7 Ziff. Abs. 3
AUB 95 § 8

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Zum Verhältnis von § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB 95 (Vorinvalidität) einerseits und § 8 AUB 95 (Mitwirkung eines Vorschadens) andererseits bei der Berechnung einer Invalidiätsentschädigung in der Unfallversicherung.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 16. Zivilsenat Beschluss

16 U 55/05

Schleswig, den 02. März 2006

in dem Rechtsstreit

Gründe:

I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und deshalb beabsichtigt ist, sie aus folgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen:

Die Berufung des Klägers kann keinen Erfolg haben, weil das Landgericht jedenfalls im Ergebnis richtig entschieden hat.

1. Die Parteien sind sich einig, dass jetzt, also als Ergebnis des Arbeitsunfalls vom 15. Februar 2001, beim Kläger eine unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines von 50 % vorliegt. Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass als Ausgangspunkt für die Berechnung der Invaliditätsentschädigung gemäß § 7 Ziff. I Abs. 2 lit. b AUB 95 (=Teilfunktionsbeeinträchtigung) der Prozentsatz 70 anzusetzen ist, somit im Ausgangspunkt von 35 % der Versicherungssumme auszugehen ist.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob hiervon ein Abzug in Höhe einer Vorinvalidität von 17,5 % gemäß § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB 95 vorzunehmen ist, oder aber, ob ein Fall von § 8 AUB 95 vorliegt, also von der zuvor errechneten, also auf 35 % aufbauenden Leistung ein Abzug von 50 % vorzunehmen ist.

2. Zu Unrecht leugnet der Kläger, dass bei ihm bei beiden Knien eine Vorinvalidität im Sinne von § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB 95 vorgelegen hat. Auch eine dauerhafte Vorschädigung eines Knies ist eine Vorinvalidität, weil diese Frage gemäß § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist, wie die jetzt festgestellte Teilfunktionsbeeinträchtigung des Beines gemäß § 7 Ziff. I Abs. 2 lit. b AUB 95. Richtigerweise hätte also beim Kläger der Grad der Vorinvalidität des linken Knies vor dem Unfall vom 15. Februar 2001 festgestellt werden müssen, statt ärztlicherseits nur einen Prozentsatz der Mitwirkung der Vorschädigung an dem jetzigen Zustand ausweisen zu lassen. Dass der Kläger bereits vor dem Unfall vom 15. Februar 2001 dauerhafte Schäden an beiden Knien hatte, steht auf Grund der Berichte des Chefarztes des Kreiskrankenhauses X. Dr. S. fest, ist aber im Übrigen auch auf Grund der Zusatzerklärung vom 17. Juli 1995 zum Versicherungsantrag des Klägers von ihm selbst deklariert worden. Dort hat er zur Frage nach erheblichen Krankheiten, Gebrechen oder Unfallfolgen angegeben, beide Knie seien mit 20 % berentet.

Richtig ist der Einwand des Klägers, dass die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung, die sich im Übrigen auf die Vorschädigungen in beiden Knien bezieht, nichts über den Grad der Vorinvalidität seines linken Knies besagt, auf das es nach § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB 95 allein ankommt.

Folglich hätte zunächst der Grad der Vorinvalidität des linken Knies vor dem Unfall vom 15. Februar 2001 festgestellt und dieser ermittelte Grad der Funktionsbeeinträchtigung des linken Knies vor dem Unfall i.S.v. § 7 Ziff. I Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 lit. b AUB 95 von dem jetzt ermittelten unstreitigen Beeinträchtigungsgrad von 50 % abgezogen werden müssen.

3. Zu Unrecht meint der Kläger, dieser Abzug sei nur als Mitwirkungsanteil i.S.v. § 8 AUB 95 von der zuvor ermittelten Gesamtleistung ohne diesen Umstand abzuziehen.

Damit verkennt der Kläger die Systematik der § 7 Ziff. I Abs. 3 und § 8 AUB 95. Die Voraussetzungen des § 7 Ziff. I Abs. 3 können nämlich mit denen des § 8 AUB 95 zusammentreffen. Sie sind dann kumulativ anzuwenden. Zunächst ist die Gesamtinvalidität unter Abzug einer vor dem Unfall bestehenden Invalidität gemäß § 7 Ziff. I Abs. 3 AUB 95 festzustellen. Danach ist zusätzlich ein Abzug nach § 8 AUB 95 vorzunehmen, wenn die Vorschädigung bei der durch das Unfallereignis vom 15. Februar 2001 hervorgerufenen Gesundheitsbeschädigung oder deren Folgen, also an dem jetzigen Zustand mitgewirkt haben (Grimm, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 8 Rn. 6).

Richtig ist, dass bislang nur ein Mitwirkungsgrad der Vorschädigung im Sinne von § 8 AUB 95 ärztlicherseits festgestellt ist. Insofern haben sowohl die Beklagte als auch das Landgericht die Anwendungsbereiche der §§ 7 Ziff. I Abs. 3 und 8 AUB 95 miteinander vermischt.

4. Aufgrund der bislang schon getroffenen ärztlichen Feststellungen kann ausgeschlossen werden, dass eine Nachholung der erforderlichen Feststellung des vor dem Unfall vom 15. Februar 2001 bestehenden Invaliditätsgrades des linken Knies für den Kläger zu einem günstigeren Entschädigungsanspruch führen wird, als bislang von der Beklagten anerkannt.

Entweder der behandelnde Arzt korrigiert sich und stellt statt der Mitwirkung der Vorschädigung des linken Beines von 50 % am jetzigen Zustand eine zuvor bestehende 25 %ige Beeinträchtigung des linken Beines fest. Dann ist das Ergebnis des Landgerichts auch dogmatisch richtig. Oder aber es bleibt bei der Mitwirkungsbeurteilung. Dann ist es aber ausgeschlossen, dass nicht wenigstens eine Vorschädigung des linken Beines von 15-20 % festgestellt wird. Das würde bei nur 15 % (70 x 15 = 10,5) Vorinvalidität zur Kürzung der Gesamtinvalidität auf 24,5 % (70 x 50 % - 10,5) führen. Die danach berechnete, nicht erhöhte Leistung wäre um 50 % zu kürzen (Mitwirkung zusätzlich!). Der Kläger stünde schlechter als jetzt.

Der Senat hält es hingegen für rein theoretisch, dass bei streitiger Durchführung des Verfahrens die nachzuholende Feststellung des Grades der Vorinvalidität einen so geringen Grad der Vorschädigung ergibt, dass der Kläger in die Progressionszone käme. Das wäre auch mit dem bereits festgestellten Mitwirkungsgrad der Vorschädigung am jetzigen Zustand schlechthin unvereinbar. Nur von nichts kommt nämlich nichts!

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen, wenn die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

Ende der Entscheidung

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