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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: 16 W 122/07
Rechtsgebiete: GVG, BauGB
Vorschriften:
GVG § 17a | |
BauGB § 124 |
16 W 122/07
Beschluss
In dem Rechtsstreit
wegen Rechtsweges (Verwaltungsgericht)
hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 04. Dezember 2007 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 26. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht am 28. Februar 2008 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 16.600,00 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin schloss mit dem Insolvenzschuldner am 07. Mai 1998 einen als "städtebaulicher Vertrag" bezeichneten notariellen Vertrag (Urk.-Nr. ... des Notars Dr. J mit dem Amtssitz in A).
In § 2 des Vertrages ist bestimmt:
Aufgrund des § 124 i. V. m. § 123 und §§ 125 ff. BauGB wird vereinbart, dass die Erschließung nicht durch die Gemeinde, sondern durch den Erschließungsträger zu erfolgen hat.
In § 8 des Vertrages ist bestimmt:
Die Flächen der Erschließungsanlagen sowie die im Bebauungsplan Nr. ... und der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. ... vorgesehenen öffentlichen Flächen ... werden der Gemeinde R vor Beginn der Erschließungsmaßnahme unentgeltlich und kostenfrei übertragen. Die Übertragung erfolgt frei von grundbuchlichen Lasten mit Ausnahme solcher Grunddienstbarkeiten, die der Erschließungsträger selbst zur Duldung übernommen hat.
Der Erschließungsträger ist berechtigt, zur Durchführung der Erschließungsarbeiten die übertragenen Grundstücksflächen zu nutzen.
In § 14 des Vertrages ist bestimmt:
Schuldrechtlich gilt dieser Vertrag vorbehaltlich der rechtwirksamen Kaufvertragabschlüsse zwischen dem Erschließungsträger und den Voreigentümern für die in § 8 erwähnten Flächen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde in einer Urkunde vom 28. Februar 2006 (Urk.-Nr. ...) desselben Notars die Auflassung durch eine der in der Urkunde vom 07. Mai 1968 Bevollmächtigten erklärt. Die Klägerin beantragt nunmehr die Verurteilung des Beklagten zur Abgabe einer Zustimmungserklärung in der Form des § 29 GBO, hilfsweise die Auflassung der Grundstücke an die Klägerin und die Bewilligung der Eintragung im Grundbuch.
Nach einem Hinweis des Landgerichts auf die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten hat die Klägerin die Verweisung angeregt.
Mit Beschluss vom 26. November 2007 hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das für den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zuständige Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen.
Der am 04. Dezember 2007 erhobenen sofortigen Beschwerde des Beklagten hat das Landgericht nicht abgeholfen. Der Beklagte meint, dass der Vertrag in einen öffentlich-rechtlichen und einen privatrechtlichen Teil zu trennen und deshalb angesichts des ausschließlich zivilrechtlichen Anspruchs auf Erwerb des Eigentums die Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck gegeben sei. Aber selbst wenn der Vertrag früher seinen Schwerpunkt im öffentlichen Recht gehabt haben sollte, sei dies angesichts der weitgehenden Abwicklung des Vertrages heute nicht mehr maßgebend. Da ausschließlich Fragen des Zivilrechts abzuhandeln seien, sei kein sachlicher Grund für eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht erkennbar.
Die gem. § 568 S. 1 ZPO zur Entscheidung berufene Einzelrichterin hat das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen, weil die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise, § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gem. §§ 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Maßgebend für die Frage, ob ein Rechtsstreit gem. § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats allein der Vortrag des Klägers einschließlich des unstreitigen Vorbringens. Es kommt nur darauf an, ob die tatsächlichen Behauptungen des Klägers, ihre Richtigkeit unterstellt, und der unstreitige Sachverhalt Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergeben, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht (Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 13 GVG Rdnr. 11).
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auf der Grundlage des Klagevorbringens keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i. S. von § 13 GVG, sondern eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. von § 40 VwGO vorliegt. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Die Rechtsnatur eines Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (GmS OGB BGHZ 97, 312). Über Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen haben nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der betroffenen vertraglichen Regelungen ist dabei der Schwerpunkt der Vereinbarung (BGH MDR 2000, 1270; OLG Schleswig NJW 2004, 1052). Auf diesen stellt der Bundesgerichtshof auch in der vom Beklagten in der Beschwerdebegründung herangezogenen Entscheidung (NJW 1998, 909) ab.
Die Vertragsparteien haben einen Vertrag geschlossen, mit dem der als Erschließungsträger bezeichnete Insolvenzschuldner sich verpflichtete, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und ohne Gegenleistung auf die Gemeinde zu übertragen (§§ 2, 8 des Vertrages). Gemäß § 123 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde. Sie kann die Erschließung gemäß § 124 Abs. 1 BauGB durch Vertrag auf einen Dritten übertragen. Der Erschließungsvertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (BGH MDR 2000, 1270; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt NJW-RR 2002, 791; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand 2007, § 124 Rdnr. 9, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 54 Rdnr. 56; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 54 Rdnr. 80, 146; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes DÖV 1989, 861). Die Aufspaltung des Vertrages in einen öffentlich-rechtlichen und einen zivilrechtlichen Teil kommt allenfalls dann in Betracht, wenn einzelne Vereinbarungen ein jeweils voneinander unabhängiges Schicksal haben können, also teilbar sind, und auch sonst nicht aufeinander bezogen sind (Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 54 Rdnr. 30; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 54 Rdnr. 78). Dies kann für die Pflicht zur Grundstücksübertragung in einem Erschließungsvertrag nicht angenommen werden. Die Verbindung von Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung des Unternehmers mit der Übertragung der fertig gestellten Anlage ohne unmittelbare (weitere) Gegenleistung der Gemeinde ist gerade Kennzeichen des "echten" Erschließungsvertrages (Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 54 Rdnr. 146 f.; vgl. auch BGH MDR 2000, 1270). Vorliegend steht die unentgeltliche und kostenfreie Übertragung der Flächen der Erschließungsanlagen und der öffentlichen Flächen nach dem Gesamtzusammenhang des städtebaulichen Vertrages in untrennbarem Zusammenhang mit der Übertragung der Erschließung auf den Insolvenzschuldner. Dies folgt ergänzend daraus, dass der Vertrag in § 14 unter den Vorbehalt rechtswirksamer Kaufverträge zwischen dem Erschließungsträger und den Voreigentümern der zu übertragenden Flächen gestellt wird.
Aus der vom Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 1994, 1012) folgt nichts Gegenteiliges, weil sie eine andere Fallgestaltung betrifft. Dort wird ausgeführt, dass sich in ein und demselben Vertrag öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Bestandteile mischen können und sich die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Teil den privatrechtlichen in das öffentliche Recht hinüberzieht, allenfalls dann stellt, wenn die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Elemente so ineinander verwoben sind, dass sie sich nicht voneinander trennen lassen. Ob das eine oder das andere zutreffe, sei eine Frage der Würdigung des Einzelfalls und insoweit einer Klärung mit Anspruch auf Verallgemeinerungsfähigkeit nicht zugänglich. Dies vorausgesetzt hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Vertrag der zwischen einer Gemeinde und zwei Privatrechtsträgern geschlossen worden ist, die Zuordnung der (nur) zwischen den beteiligten Privatrechtsträgern vereinbarten Bindungen zum Privatrecht nicht beanstandet.
Auf den Stand der Vertragsabwicklung und die Frage, ob und inwieweit bei der Entscheidung auf Normen des Privatrechts abzustellen ist, kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Den Beschwerdewert hat der Senat auf ein Drittel des Hauptsachewertes festgesetzt, §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an den Bundesgerichtshof gem. § 17 a Abs. 4 S. 4 GVG sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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