Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.10.1999
Aktenzeichen: 16 W 185/99
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 13
GVG § 17 a IV S. 2
ArbGG § 2 I Nr. 3 a
ArbGG § 5 I S. 1
ZPO § 91
ZPO § 96
Wer selbst Hilfskräfte beschäftigt, selbst alles kauft, Zeit und Dauer der Tätigkeit selbst bestimmt, eine Umsatzbeteiligung erhält und keinen Einzelanweisungen unterliegt, ist kein Arbeitnehmer.
16 W 185/99 9 O 337/98 LG

Beschluß

In dem

der,

- bevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

Herrn,

- bevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Rechtsweges

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 14. September 1999 gegen den Beschluß der der 9. des Landgerichts vom 01. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 14. Oktober 1999 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 20.251,- DM.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 565 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO. Das Rechtsmittel ist begründet, weil das Landgericht zu Unrecht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt hat, §§ 13 GVG, 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG.

1. Maßgebend für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist allein der Vortrag der Klägerin. Allerdings kommt es nicht auf deren Bewertungen an. Entscheidend ist, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Die behauptete Zuständigkeit muß sich mit anderen Worten aus dem Klagevortrag ergeben (BGH VersR 1996, 1563 mwN.). Hingegen ist streitiger Sachvortrag des Beklagten für die Entscheidung der Rechtswegfrage unerheblich.

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist dem Vortrag der Klägerin und dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu entnehmen, daß die Klägerin mit ihrer Klage Ansprüche gegen den Beklagten als ihren ehemaligen Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis geltend macht, § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG.

a) Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG (dazu BAG NJW 1999, 3069).

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG wäre der Beklagte Arbeitnehmer, wenn er bei der Verwaltung des Campingplatzes der Klägerin bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses der Parteien zum Jahresende 1997 als deren Arbeiter oder Angestellter tätig geworden wäre.

Nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ist Arbeiter oder Angestellter, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit für einen anderen, dem Arbeitgeber, leistet (Hauck, ArbGG, § 5 RdNr. 4).

Dabei kommt es für das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit des Dienstverpflichteten in entsprechender Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB darauf an, ob er seine Leistung innerhalb der vom Dienstberechtigten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat und hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit einem umfassenden Weisungsrecht des Dienstberechtigten unterliegt.

Allerdings ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung entscheidend, maßgeblich ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses. Ist indes danach eine eindeutige Zuordnung des Vertragsverhältnisses nicht möglich, ist der Wille der Parteien zu berücksichtigen (Hauck aaO.).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Vertrag vom 8. Oktober 1992 zwischen den Parteien ein Dienstvertragsverhältnis nach § 611 BGB begründet, das nicht als Arbeitsverhältnis im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG angesehen werden kann.

Da nach dem maßgeblichen Vortrag der Klägerin das Vertragsverhältnis auch in der Praxis so abgewickelt worden ist, wie im Vertrag vom 8. Oktober 1992 niedergelegt, hat das Landgericht im Ansatz zu Recht den Vertrag selbst daraufhin überprüft, ob durch ihn ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.

Diese Prüfung ist indes im Ergebnis fehlerhaft, weil sie ersichtlich nicht alle Merkmale des dargelegten arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs berücksichtigt hat. Zwar ist die Klägerin Betreiberin des Campingplatzes gewesen, sie legte die Gebühren fest und führte auch im Einzelfall rechtliche Auseinandersetzungen mit einzelnen Campingplatzbenutzern durch, wenn es zum Streit über deren Nutzungsrechte oder Entgelte kam. Deshalb war der Beklagte in die von der Klägerin vorgegebene Betriebsorganisation eingebunden. Gleichwohl hat der Beklagte die ihm aufgegebenen Dienstleistungen nicht in persönlicher Abhängigkeit erbracht. Ihm war ein eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich zugewiesen, bei dem er gerade nicht einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin unterlag. Dafür spricht entgegen der Ansicht des Landgerichts gerade § 5 des Vertrages. Danach hatte die Klägerin zwar das jederzeitige Recht zu prüfen, ob die vertraglichen Bedingungen vom Beklagten eingehalten wurden, mehr aber auch nicht. Die Klägerin war gerade nicht befugt, dem Beklagten Einzelanweisungen für den erforderlichen Ablauf der von ihm zu erledigenden Dienstleistungen zu geben. Folglich fehlte es an dem für ein Arbeitsverhältnis typischen umfassenden Weisungsrecht des Dienstberechtigten.

Völlig untypisch für ein Arbeitsverhältnis ist die in § 8 des Vertrages geregelte Verpflichtung des Beklagten, selbst Hilfskräfte zu beschäftigen und auf eigene Kosten die notwendigen Arbeitsgeräte anzuschaffen.

Der Beklagte war auch nicht umfassend in eine von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation eingebunden. Dies folgt aus § 2 und aus § 3 des Vertrages. Innerhalb der dort geregelten Grenzen stand es ihm frei, seine eigene Dienstleistung nach Zeit und Dauer selbst zu bestimmen und sich auch vertreten zu lassen. Auch das ist für ein Arbeitsverhältnis untypisch.

Schließlich spricht auch die Entgeltregelung des § 6 des Vertrages gegen eine Tätigkeit des Beklagten nach Maßgabe eines umfassenden Weisungsrechts der Klägerin. Wenn danach die Verwaltung des Campingplatzes im Wege der Umsatzbeteiligung erfolgen sollte, so spricht dies für die Absicht der Vertragsparteien, dem Beklagten eigenverantwortlich, also gerade einzelweisungsfrei die Erledigung aller von ihm übernommenen Dienstleistungen zu übertragen, so daß ihm der Erfolg der Platzverwaltung unmittelbar zugute kommen sollte.

Jedenfalls läßt sich angesichts all dieser Regelungen nicht feststellen, daß der geschlossene Dienstvertrag eindeutig ein Arbeitsverhältnis begründet hat. In einem solchen Falle ist der Wille der Parteien maßgeblich. Diese haben in § 1 Abs. 2 des Vertrages ausdrücklich geregelt, daß durch den Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründet werden solle.

3. Auf die rechtlichen Erwägungen des Beklagten zu § 7 Abs. 4 SGB IV kommt es nicht an. Diese zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vorschrift ist für das bereits zum Jahresende 1997 beendete Vertragsverhältnis der Parteien unmaßgeblich.

4. Der Beklagte war auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gelten auch Personen, die zwar keine Arbeitnehmer im Sinne des dargelegten allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs sind, aber wirtschaftlich abhängig und einen Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind (Hauck, aaO., RdNr. 11).

Es kann unterstellt werden, daß der Beklagte von der Klägerin wirtschaftlich abhängig gewesen ist, weil die Campingplatzverwaltertätigkeit seine entscheidende Existenzgrundlage dargestellt hat. Angesichts der unstreitigen Umsatzbeteiligung des Beklagten im Umfang von über 120.000,- DM im Jahre 1997 liegt eine einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit nicht vor, auch wenn man die vom Beklagten zu tragenden Aufwendungen berücksichtigt.

5. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit des Beklagten als diejenige einen Handelsvertreters im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB zu qualifizieren ist, wie die Klägerin meint. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergäbe sich dann nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 92 a HGB. Jedenfalls fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal, daß der Beklagte in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt weniger als 2.000,- DM monatlich an Vergütungen bezogen haben müßte.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Beklagte ist als Beschwerdegegner anzusehen, weil er sich zu Unrecht auf die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte beruft. Eine Kostenentscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil ein Verfahren nach § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG Teil des Hauptsacheverfahrens wäre und die Kosten somit der Kostenverteilung in der Hauptsacheentscheidung folgten. Das Gesetz sieht in der Rechtswegfrage ein gesondertes Beschwerdeverfahren vor. Deshalb gilt der Grundsatz, daß jede Beschwerdeentscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu befinden hat, soweit erstattungsfähige außergerichtliche Kosten angefallen sein können (Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 567 RdNr. 53, 54). Das Verfahren nach § 17 a Abs. 4 GVG gebietet keine Ausnahme von dieser Regel (dazu Zöller/Gummer aaO., § 17 b GVG RdNr. 4). Es ist nämlich auch sachlich gerechtfertigt, daß der Beklagte unabhängig von Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Beschwerdekosten trägt. Wären diese Teil der Hauptsachekosten, wären sie nämlich nach § 96 ZPO auszusondern.

Den Beschwerdewert hat der Senat auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes geschätzt, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück