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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.04.2004
Aktenzeichen: 16 W 7/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 485 II |
16 W 7/04
Beschluss
In dem selbstständigen Beweisverfahren
wegen Zulässigkeit des Antrages
hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 12. Dezember 2003 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. November 2003 am 13. April 2004 beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Antragsteller nach einem Beschwerdewert von 25.000,-- € zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 490 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht ein rechtliches Interesse im Sine von § 485 Abs. 2 ZPO an der Durchführung des beantragten selbstständigen Beweisverfahrens verneint. Dabei durfte es darauf abstellen, dass eine Anspruchsgrundlage für den behaupteten Schadenersatzanspruch zwar theoretisch denkbar, aber offensichtlich nicht gegeben sei. Dem tritt der Senat bei.
2. a) Allerdings entspricht es herrschender Ansicht, dass im selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich weder die Erheblichkeit des Beweismittels für einen späteren Hauptprozess noch die Schlüssigkeit des behaupteten Anspruchs zu prüfen ist ( Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 485 Rdn. 4 und 7 a). Indes ist ausnahmsweise ein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO zu verneinen, wenn weder ein Anspruchsgegner noch ein Anspruch ersichtlich sind. Der Senat hat dabei in seiner ständigen Rechtsprechung zu diesem Ausnahmefall darauf abgehoben, dass überhaupt kein Anspruch denkbar sein darf, um zu verhindern, dass die mit dem Antrag befassten Gerichte in die grundsätzlich unzulässige Schlüssigkeitsprüfung im Einzelfall eintreten.
b) Daran hält der Senat für Fälle, in denen ein Anspruch zwar theoretisch gegeben sein könnte, nach dem Vortrag des Antragstellers aber ganz offensichtlich nicht gegeben sein kann, nicht fest. Hierfür maßgebend ist das schützenswerte Interesse des Antragsgegners, nicht mit einem Verfahren überzogen zu werden, das für den Antragsteller auch bei weitester Auslegung seines rechtlichen Interesses nicht von anerkennenswertem Nutzen sein kann. Zwar wird das selbstständige Beweisverfahren ausschließlich auf Kosten des Antragstellers durchgeführt und dem Antragsgegner erwachsen bei einem von vornherein nutzlosen Verfahren auch keine Rechtsnachteile, insbesondere kann zu seinen Lasten keine Kostenentscheidung ergehen. Gleichwohl ist die Durchführung des Beweisverfahrens auch für den Antragsgegner mit Belastungen verbunden, schon weil er sich in aller Regel rechtlichen Rates wird bedienen müssen, um die Tragweite und Folgen des Verfahrens abzuschätzen. Ist das Verfahren schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers für diesen nicht geeignet, irgendeine Rechtsposition zu verbessern, ist auch im Interesse des Antragsgegners der Antrag als unzulässig abzuweisen.
3. So liegt es hier. Die Anspruchsteller berühmen sich eines Anspruchs gegen den Antragsgegner, weil dieser als gerichtlich bestellter Sachverständiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren grob fahrlässig ein Wertgutachten falsch erstellt habe. Es seien gröbste Mängel des Hauses übersehen worden, so dass ein Wert von 248.000,-- €, statt richtigerweise von allenfalls 190.000,-- € ermittelt worden sei. Das Amtsgericht habe den Verkehrswert auf der Basis des falschen Gutachtens mit 248.000,-- € festgesetzt, woraufhin sie, die Antragsteller, das Grundstück für 195.500,-- € ersteigert hätten. Wäre der Verkehrswert aufgrund eines zutreffenden Wertgutachtens mit etwa 190.000,-- € festgesetzt worden, hätten sie, die Antragsteller, das Grundstück für einen beträchtlich niedrigeren Betrag als 195.000,-- € ersteigert. Auf der Grundlage diese Vortrages der Antragsteller ist ein Anspruch aus Sachverständigenhaftung gegen den Antragsgegner ganz offensichtlich nicht gegeben.
a) Ein auf § 826 BGB gestützter Anspruch scheidet aus, weil die Antragsteller nicht so weit gehen wollen, dem Antragsgegner eine gewissenlose Verletzung von Berufspflichten vorzuwerfen. Einen vertraglichen Anspruch gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen gibt es nicht. Den Ausführungen in dem Hinweis des Berichterstatters vom 9. Februar 2004 sind die Antragsteller insoweit nicht mehr entgegengetreten.
b) Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt auch eine Haftung des Antragsgegners nach § 839 a BGB nicht in Betracht, weil der geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzbereich dieser Norm erfasst wird.
Zwar ist den Antragstellern einzuräumen, dass eine Anwendbarkeit dieser Norm nach Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nicht aus Gründen ihrer zeitlichen Geltung ausgeschlossen ist. Der Schaden der Antragsteller war in der Tat erst mit dem Zuschlag vom 30. August 2002 eingetreten, also nach dem für das schädigende Ereignis maßgeblichen Stichtag vom 1. August 2002 im Sinne der Übergangsregelung in Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
Auch trifft zu, dass die vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20. Mai 2003 (abgedruckt: VersR 2003, 1049) so verstanden werden könnte, als hielte der Bundesgerichtshof § 839 a BGB für Fälle der vorliegenden Art für einschlägig. Indes ist § 839 a BGB nicht einschlägig, womit sich der Bundesgerichtshof nicht befassen musste und auch nicht befasst hat.
Eine Haftung der Antragsgegner wegen des behaupteten Fehlers nach § 839 a BGB scheidet nämlich nach richtiger Ansicht schon deshalb aus, weil die gerichtliche Entscheidung, nämlich der Zuschlag vom 30. August 2002, nicht auf dem angeblich falschen Wertgutachten des Antragsgegners beruht. Das Wertfestsetzungsverfahren nach dem ZVG ist als selbstständiges Nebenverfahren ausgestaltet. Der Zuschlagsbeschluss wird nicht dadurch materiell unrichtig, dass zuvor der Wert des Grundstücks falsch festgesetzt worden ist. § 74 a Abs. 5 Satz 4 ZVG schließt eine Anfechtung des Zuschlags wegen einer unrichtigen, aber rechtskräftigen Wertfestsetzung ausdrücklich aus. Folglich beruht lediglich der rechtskräftige Wertfestsetzungsbeschluss, nicht aber der Zuschlagsbeschluss auf dem angeblich falschen Wertgutachten des Antragsgegners. Erst der Zuschlagsbeschluss kann aber zu einem Schaden der Antragsteller geführt haben. Folglich richtet sich im Verhältnis zwischen Ersteigerer und gerichtlich bestelltem privaten Sachverständigen dessen Haftung weiterhin allein nach der allgemeinen Deliktsnorm des § 826 BGB (zu allem eingehend Wagner und Thole, VersR 2004, 275 ff.). Dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB gegeben sein könnten, behaupten aber auch die Antragsteller nicht.
4. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
b) Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Streitwert des erstrebten selbstständigen Beweisverfahrens. Diesen bemisst der Senat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt SchlHAnz 2003, 257) - abweichend von der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum - grundsätzlich mit der Hälfte des mutmaßlichen Hauptsachewertes eines eventuellen späteren Rechtsstreits, hier also mit der Hälfte des in der Antragsschrift angegebenen Mindestwertes des Grundstücks von 50.000,-- €, also mit 25.000,-- €.
c) Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO zu verneinen ist, wenn der behauptete Anspruch des Antragstellers nach eigenem Vortrag ganz offensichtlich nicht gegeben sein kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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