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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.08.2003
Aktenzeichen: 16 W 96/03
Rechtsgebiete: ZPO, GKG
Vorschriften:
ZPO § 3 | |
ZPO § 485 | |
GKG § 12 I | |
GKG § 25 |
16 W 96/03
Beschluss
In dem selbständigen Beweisverfahren
wegen Streitwertes
hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 19. Juni 2003 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 05. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Chlosta, den Richter am Oberlandesgericht Meiner und den Richter am Oberlandesgericht Haack am 14. August 2003 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Streitwert für das selbstständige Beweisverfahren wird auf 46.125 € festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
Die nach § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde der Antragsstellerin hat teilweise Erfolg. Das Landgericht geht in dem angefochtenen Beschluss zum einen von unzutreffenden Mängelbeseitigungskosten aus. Zum anderen legt es in dem Nichtabhilfebeschluss vom 04. Juli 2003 Bemessungsgrundsätze dar, die der Senat nicht teilt.
1. Weitgehend unbestritten ist der rechtliche Ausgangspunkt, dass der Wert eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen ist (zweifelnd Wirges, JurBüro 1997, 565, 566; a.A. Cuypers NJW 1994, 1985, 1990, der § 6 ZPO heranzieht). Dabei kommt es gemäß § 15 GKG für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Anträge an.
Da der Antragsteller eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht die Verurteilung des Antragsgegners, sondern die Feststellung von Tatsachen und des Aufwandes für die Beseitigung noch festzustellender Schäden und Mängel betreibt, besteht Einigkeit darüber, dass mangels bezifferter Anträge auf das mit dem Beweisverfahren verfolgte wirtschaftliche Interesse zurückzugreifen ist. Der Antragsteller ist - abgesehen von § 23 GKG - sowohl bei einem Beweissicherungsantrag nach § 485 Abs. 1 ZPO als auch bei einem Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO gehalten, darzulegen, wozu er die begehrten Feststellungen benötigt, weil er anderenfalls das erforderliche rechtliche Interesse an seinem Antrag nicht darlegen kann. Im übrigen muss er schon wegen § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO Ausführungen zum Wert eines späteren Hauptsachverfahrens machen, wobei es dabei allerdings nur auf die Streitwertgrenze des § 23 Nr. 1 GKG ankommt.
In aller Regel wird der Antragsteller sich daher eines bestimmten materiell-rechtlichen Anspruchs berühmen, für dessen Durchsetzung er die begehrten Feststellungen benötige. Auf die Schlüssigkeit seiner Berühmung kommt es dabei nicht an. Sie ist ebenso wenig zu prüfen, wie die Erheblichkeit des beantragten Beweises für einen späteren Hauptprozess (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rdn. 4 m.w.N.).
Es liegt daher in der Natur der Sache, dass der Antragsteller zur Höhe einer etwaigen Forderung wegen der noch ausstehenden Ermittlung durch das beantragte Sachverständigengutachten nur ungefähre Angaben machen kann, es sei denn, er verfügt entweder aufgrund eigener Sachkunde oder wegen zuvor schon eingeholter Gutachten oder Kostenvoranschläge über genauere Kenntnisse. Diese Schwierigkeit, die auch in einem Hauptsacheprozess jedenfalls auf die Kostenentscheidung Auswirkungen haben kann, § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, hat den Senat dazu veranlasst, den Antragsteller nur in den genannten Ausnahmefällen an seinen in der Antragsschrift benannten Vorstellungen über den geltend gemachten Anspruch in entsprechender Anwendung des § 15 GKG festzuhalten, sein wirtschaftliches Interesse im übrigen aber im Ausgangspunkt nach dem Ergebnis der Begutachtung zu messen. Auch das führt allerdings nicht weiter, wenn Schäden oder Mängel entweder gar nicht oder nur zum Teil festgestellt werden. Auch für die behaupteten, aber nicht festgestellten Schäden oder Mängel muss vom Gericht ein wirtschaftliches Interesse geschätzt werden.
2. Von der inzwischen ganz überwiegenden Meinung werden die Darlegungen des Antragstellers zu seinem rechtlichen Interesse und seine Vorstellungen über einen auf das erhoffte Ergebnis des Beweisverfahrens gestützten möglichen Anspruch unmittelbar zur Bestimmung des Streitwerts des selbstständigen Beweisverfahrens herangezogen, zum Teil in Abweichung von den Vorstellungen des Antragstellers auch ein vom Sachverständigen ermittelter höherer Mängelbeseitigungsaufwand (Zöller/Herget a.a.O., § 3 Rdn. 16 "selbstständiges Beweisverfahren" m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdn. 4024 a; umfassende Nachweise bei OLG Köln ZfBR 2000, 123; auch Schneider MDR 1998 252, 255).
Das hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung seiner abweichenden ständigen Rechtsprechung für im Ansatz verfehlt. Er hält mit einer Minderheit der Oberlandesgerichte an seiner bisherigen Auffassung fest, dass das selbstständige Beweisverfahren streitwertmäßig nur mit einem Bruchteil des verfolgten Hauptsacheinteresses bewertet werden kann (Senat, SchHAnz 1994, 184; 2000, 118; 2002, 292; im Ansatz, nicht immer im Ergebnis ebenso: OLG Düsseldorf, 9. ZS, ZMR 2001, 21, 22; OLG Hamm, 5. ZS BauR 1995, 430; OLG Celle, 4. ZS, MDR 1994, 415 ; OLG Bamberg, 4. ZS, BauR 1993, 371; OLG Celle, 7. ZS, MDR 1993, 914 ; OLG Karlsruhe, 17. ZS, MDR 1992, 615; OLG Bamberg, 8. ZS, JurBüro 1998, 95).
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Mindermeinung beginnt abzubröckeln (z.B. OLG Bamberg, 3.ZS, MDR 2003,835 ). Dies ersetzt, soweit der Meinungswandel nicht auf besserer Einsicht, sondern auf Resignation beruht, keine Argumente. Für ein Einschwenken auf eine für falsch gehaltene Rechtsprechung in dieser Frage nur aus Gründen der Einheitlichkeit sieht der Senat keine Veranlassung.
a) Es geht nicht darum, den Wert eines hypothetischen Hauptsacheprozesses festzusetzen, den es noch gar nicht gibt und von dem nicht abzusehen ist, ob und in welcher Höhe er vom Antragsteller überhaupt angestrengt wird (zu den daraus folgenden Schwierigkeiten der herrschenden Meinung: OLG Nürnberg BauR 1995, 134). Es geht um die Wertfestsetzung für das beantragte konkrete selbstständige Beweisverfahren, wobei der Antrag gerade nicht auf Verurteilung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, § 23 GKG, sondern auf Feststellung von Tatsachen und die Ermittlung von Grundlagen für einen möglichen künftigen Prozess gerichtet ist, wobei es ein legitimer Verfahrenszweck ist, abzuklären, ob überhaupt hinreichende Erfolgsaussicht für einen Prozess besteht (so zutreffend OLG Celle MDR 1994, 415).
Es liegt auf der Hand, dass dieses Verfahren keinen höheren Wert haben kann als eine statt des Beweisverfahrens angestrengte Feststellungsklage - ungeachtet ihrer Zulässigkeit - mit gleichem Ziel. Würde in deren Rahmen Beweis erhoben, bestünde kein Streit, dass sich die Beweisgebühr nach dem bei Feststellungsklagen um 20 % ermäßigten Hauptsachewert richtete, obwohl eine erfolgreiche Feststellungsklage wegen der mit dem Feststellungsurteil verbundenen Rechtskraftwirkungen ein ungleich höheres wirtschaftliches Gewicht hätte als eine im Sinne des Antragstellers erfolgreiche Beweisaufnahme im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens.
Die herrschende Meinung vernachlässigt nach Auffassung des Senats die Selbstständigkeit des in §§ 485 f. ZPO geregelten Beweisverfahrens. Dieses Verfahren ist noch kein Prozess, sondern dient seiner Vorbereitung ebenso wie seiner Vermeidung, löst eine eigenständige Gerichtsgebühr aus, Nr. 1610 KV zum GKG, und ist deshalb wie jedes andere gerichtliche Nebenverfahren aus sich heraus zu bewerten.
Es ist folglich, wie bei jeder Schätzung nach § 3 ZPO, auf das konkrete, gegenwärtige Interesse des Antragstellers an der Durchführung des beantragten Verfahrens abzustellen. Dieses Verfahren ist gerade nicht auf Bescheidung eines konkreten Zahlungsverlangens gerichtet. Die Vorstellungen darüber sind bloß ein Nebenaspekt des Antrages auf Tatsachenfeststellung und dienen lediglich zur Begründung des rechtlichen Interesses für den Antrag. Schon der Umstand, dass es auf die Schlüssigkeit der diesbezüglichen Darlegungen grundsätzlich nicht ankommt, sollte es verbieten, umstandslos die Vorstellungen über die künftige Verwendung des erhofften Beweisergebnisses mit dem Interesse des Antragstellers an seinem Antrag im selbstständigen Beweisverfahren gleichzusetzen, von den Schwierigkeiten der Ermittlung der hypothetischen Klageanträge des möglichen, aber keineswegs zwangsläufig folgenden Hauptprozesses ganz abgesehen.
b) Für die Bewertung des konkreten, gegenwärtigen Interesses des Antragstellers an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens sind die von der herrschenden Meinung ins Feld geführten Gesichtspunkte sämtlich von Bedeutung. Selbstverständlich ist für das Interesse des Antragstellers von Bedeutung, dass ihm das selbstständige Beweisverfahren einen späteren Prozess erleichtert, schon wegen § 493 ZPO. Auch kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber das selbstständige Beweisverfahren mit dem Ziel umgestaltet und damit aufgewertet hat, einen Streit zwischen den Parteien schon im Vorfeld eines normalen Prozesses beizulegen und eine außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern. Um das Interesse der Anwaltschaft an diesem neuen rechtlichen Weg der Prozessvermeidung zu fördern, ist deshalb auch die Gebührenerhöhung des § 48 BRAGO eingeführt worden. Zu einer Änderung der für §§ 12 Abs. 1, 3 ZPO maßgeblichen Grundsätze, dass es bei jedem gerichtlichen Verfahren bei der Streitwertfestsetzung auf das konkrete gegenwärtige wirtschaftliche Interesse des Antragstellers ankommt, hat dies indes nicht geführt. Eine dem § 57 Abs. 2 BRAGO vergleichbare gesonderte Vorschrift zum Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens gibt es nicht. Folglich ist es insoweit bei der Geltung der allgemeinen Grundsätze der Streitwertfestsetzung geblieben.
c) Daraus folgt, dass das Beweisverfahren selbstständig und ohne direkten Rückgriff auf künftig als möglich erscheinende, aber noch nicht in Anträge gefasste Zahlungsansprüche zu bewerten ist. Entscheidend sind die Anträge im Beweisverfahren selbst, die im weitesten Sinne Feststellungsanträge zu Tatsachen sind.
Allerdings gebietet deren wirtschaftliche Bewertung die Berücksichtigung der hinter dem selbstständigen Verfahren stehenden wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers. Das rechtfertigt, insoweit mit der herrschenden Meinung, die Ermittlung eines voraussichtlichen späteren Hauptsachestreits als Ausgangspunkt, der nach § 3 ZPO vorzunehmenden Schätzung. Aus den dargelegten Gründen hält der Senat einen Bruchteil von 4/5 eines hypothetischen künftigen Hauptsachewertes für die absolute Obergrenze des realistischen wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens. Alles andere wäre mit den hergebrachten Grundsätzen des Streitwertrechts schlechterdings unvereinbar und verstieße gegen die Dispositionsmaxime des Zivilprozesses. Ein Antragsteller, der Tatsachen festgestellt haben will, kann nicht wie ein Kläger behandelt werden, der bereits Zahlungsansprüche rechtshängig gemacht und damit einen konkreten Streitgegenstand umrissen hat.
Eine Streitwertfestsetzung, die nicht an gegenwärtige konkrete Anträge und deren Wert anknüpft, sondern an Prognosen über ein künftiges Prozessverhalten, das wegen der freien Dispositionsbefugnis des späteren Klägers überhaupt noch nicht spruchreif ist, verfehlt das gegenwärtige Feststellungsinteresse des Antragstellers und behandelt ihn mit dem Argument von der vorweggenommenen Beweisaufnahme, als hätte er schon Klage erhoben. Damit bekommt § 493 ZPO zu Lasten des Antragstellers einen streitwertrelevanten Gehalt, den er nicht hat. Aus einer Funktion im zukünftigen Prozess auf das gegenwärtige Interesse des Antragstellers an der sachkundigen Begutachtung (darauf kommt es an: Schneider/Herget, a.a.O., Rdn. 4024 a) unmittelbar zurückzuschließen, bedeutet nichts anderes als die Leugnung der prozessualen Selbstständigkeit des Verfahrens nach § 485 ff. ZPO. Dieser Verwechselung von zukünftig möglichen mit gegenwärtig tatsächlich verfolgten Interessen benachteiligt den Antragsteller in rechtspolitisch nicht nachvollziehbarer Weise. Aus einer gesetzgeberischen Wohltat entsteht ein deutlicher Kostennachteil für die beteiligten Parteien. Das kann jenseits aller dogmatischen Ungereimtheiten nicht richtig sein. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, möglichst viele potentielle Antragsteller von diesem Verfahren abzuschrecken.
d) Aus dem Grundsatz, dass dann, wenn es zu einem nachfolgenden Prozess kommt, die im selbständigen Beweisverfahren gezahlten Gerichtskosten einschließlich der Kosten eines Sachverständigen zu den Gerichtskosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens zählen ( BGH BGHR 2003, 643 ), folgt nichts für die Frage des zutreffenden Streitwertes für das selbständige Beweisverfahren. Zwar zeigt sich darin die enge Zusammengehörigkeit beider Verfahren, w e n n es zu einem nachfolgenden Hauptsacheprozess kommt. Der genannte Grundsatz beseitigt aber nicht nachträglich die Selbständigkeit des Verfahrens nach §§ 485 ff. ZPO. Da dessen Streitwert ohne Rücksicht darauf, ob es überhaupt zu einem späteren Hauptsacheprozess kommt, sofort festzusetzen ist, kann es für seine Bemessung nur auf das gegenwärtige Interesse an der Verfolgung der Beweisanträge ankommen.
Auch zwingen weder § 48 noch § 37 Nr. 3 BRAGO zu einer bestimmten Streitwertfestsetzung für das selbständige Beweisverfahren. Es wird bei jeder Streitwertfestsetzung, welcher Ansicht man auch folgt, eher zufällig sein, wenn der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens mit dem des nachfolgenden Prozesses identisch ist.
Ist der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens höher festgesetzt worden, führt § 493 ZPO i.V.m. § 37 Nr. 3 BRAGO dazu, dass die Anwaltsgebühren des selbständigen Beweisverfahrens die Beweisgebühr des § 31 Nr. 3 BRAGO ersetzen, dem Anwalt also die nach § 48 BRAGO verdienten höheren Gebühren aus dem höheren Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens verbleiben ( Riedel / Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 37 Rdn. 19 ).
Ist der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens niedriger festgesetzt worden als der Streitwert der beweisbedürftigen späteren Klageforderung, bleibt bei Beweisverwertung nach § 493 ZPO bei Identität von Parteien und Streitgegenstand der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens maßgeblich für die Beweisgebühr. Es kommt also nicht zu einer nachträglichen Erhöhung der Beweisgebühr auf Grund des höher festgesetzten Streitwertes des Hauptsacheverfahrens, sofern nicht erneut der volle Gebührentatbestand erfüllt wird, was im Falle des § 493 ZPO ausgeschlossen ist ( Riedel / Sußbauer aaO. ).
Diese kostenrechtlichen Besonderheiten sind Folge der Trennung von vorgezogener Beweisaufnahme in einem selbständigen Verfahren und späterem Hauptsacheprozess mit gleichzeitiger gebührenrechtlicher Verknüpfung durch die §§ 48, 37 Nr.3 BRAGO. Auch daraus folgt für die jeweilige Streitwertfestsetzung im selbständigen Beweisverfahren einerseits und im Hauptsacheprozess andererseits nichts. Ein Grundsatz, dass eine Schätzung eines konkreten Antragsinteresses nach § 3 ZPO eine spätere gebührenrechtliche Auswirkung in einem Folgeverfahren zu berücksichtigen habe, ist dem geltenden Recht der Streitwertfestsetzung fremd.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass ein nachfolgender Hauptsacheprozess weder die Regel noch das Ziel des Verfahrens nach §§ 485 ff. ZPO ist. Das gesetzgeberische Ziel der Prozessvermeidung wird durch die einseitige Fixierung auf einen noch gar nicht in seinen Einzelheiten absehbaren Hauptsacheprozess, in dem erst § 493 ZPO Bedeutung erlangen kann, verkürzt. Der zutreffende Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist ohne Rücksicht auf künftige Entwicklungen nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der Streitwertbemessung festzusetzen. Dieser Streitwert bestimmt die Gebühren, nicht umgekehrt ein bestimmtes Gebühreninteresse den Streitwert.
e) Ein Abschlag von 20 % wie bei Feststellungsklagen (so OLG Karlsruhe, 17. ZS, MDR 1992, 615) ist indes im Regelfall nach Auffassung des Senats immer noch zu gering. Das vorherrschende Interesse des Antragstellers geht auf Sicherung von Beweispositionen, die ihm die außerprozessuale Durchsetzung seines vermeintlichen, oft noch mit vielen anderen Risikofaktoren belasteten Anspruchs erleichtern soll. Insofern liegt die Parallele zum einstweiligen Verfügungsverfahren nahe. Das Befriedigungsinteresse steht in jenem Verfahren genauso wenig wie im selbstständigen Beweisverfahren zur Entscheidung. Folglich hält der Senat für den Regelfall eine Bewertung mit 50 % eines möglichen späteren Hauptsachewertes für angemessen, weil nur durch diesen Abschlag alle Unwägbarkeiten der künftigen Entwicklung in sachgerechter Weise aufgefangen werden können.
Ob bei einem Beweissicherungsverfahren neben einem bereits anhängigen Hauptsacheprozess oder bei einer Terminsanberaumung nach § 492 Abs. 3 ZPO für die mündliche Verhandlung der volle Wert maßgeblich wäre, hat der Senat bisher nicht entschieden. Dafür dürfte in solchen Fällen die dann gegebene konkrete Interessenlage des Antragstellers sprechen.
f) Der Senat hält die von ihm vertretenen Streitwertbemessungsgrundsätze für das selbstständige Beweisverfahren auch nach dessen Sinn und Zweck für zutreffend.
Alle Gründe, die nach herrschender Meinung angeblich für die Maßgeblichkeit des im Hintergrund des Verfahrens stehenden materiell-rechtlichen Anspruchs stehen, streiten in Wahrheit für eine streitwertmäßige Privilegierung des selbständigen Beweisverfahrens. Gerade weil den Parteien ein gesondertes Verfahren zur Verfügung gestellt wird, das im günstigen Falle zu einer außerprozessualen Erledigung ihres Streits führen kann, ist es naheliegend, dieses Verfahren auch wertmäßig günstiger zu gestalten, als den normalen Hauptsachprozess. Hingegen ist der Gesichtspunkt, Anwälten einen Gebührenanreiz zu verschaffen, an diesem Verfahren mitzuwirken, bereits mit § 48 BRAGO berücksichtigt. Für die gerichtliche Festsetzung des Streitwertes ist dies ein untauglicher Gesichtspunkt (anders aber wohl etliche Vertreter der herrschenden Meinung: OLG Köln, 7.ZS, ZfBR 2000, 123 (?); Ulbrich und Luz in Anmerkung zu OLG Bamberg, BauR 1993, 371).
3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes:
Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag die voraussichtlichen Kosten für die Mängelbeseitigung an den zwei Reinwasserbehältern in der Hugo-Junkers-Kaserne in Krummenort und für den weiteren Reinwasserbehälter auf dem Nato-Flugplatz Hohn mit 70.000 DM geschätzt. Grundlage hierfür war ersichtlich der Kostenvoranschlag der Antragsgegnerin vom 11. April 2000 (Bl. 47 f. = ASt 7). Eigene Gutachten oder Kostenvoranschläge Dritter hat die Antragstellerin nicht eingeholt. Deshalb ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass dieser von der Antragstellerin ausdrücklich als vorläufig bezeichnete Wert nicht der zutreffende Ausgangspunkt für die Streitwertfestsetzung dieses Verfahrens ist, sondern das tatsächliche Ergebnis der durchgeführten Begutachtung. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr.- Ing. Haase vom 08. November 2002 ist zur Sanierung der drei Reinbehälter ein Betrag von 92.250 € erforderlich (64.250 € Krummenort sowie weitere 28.000 € Hohn).
Der zutreffende Streitwert war deshalb auf 46.125 € festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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