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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 07.08.2009
Aktenzeichen: 17 U 23/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 305 c
BGB § 308
BGB § 308 Nr. 4
BGB § 435
BGB § 442
1. Formularklauseln, welche der Käuferin einer Versicherungsforderung einen Anspruch auf anteilige Rückzahlung des Kaufpreises gewähren, wenn der tatsächliche Rückkaufswert niedriger als der angenommene ist, bezwecken bei interessengerechter Auslegung den Schutz der Käuferin vor ihr unbekannt unrichtigen Angaben. Eine Abbedingung des aus § 442 BGB folgenden Gewährleistungsausschlusses bei Kenntnis der Unrichtigkeit und lediglich fehlerhafter Kalkulation des Kaufpreises kann derartigen Klauseln nicht entnommen werden.

2. Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Abbedingung des § 442 BGB.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

17 U 23/09

verkündet am: 07. August 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 17. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. März 2009 (4 O 289/08) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Klägerin die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Minderung des Kaufpreises für eine Forderung aus einem Lebensversicherungsvertrag; der Beklagte begehrt widerklagend über die bisher erfolgte Kaufpreiszahlung hinaus die Zahlung der restlichen Kaufpreissumme.

Der Beklagte schloss im Jahre 1999 mit der A. Lebensversicherung einen Lebensversicherungsvertrag ab.. Seine Ansprüche aus der Lebensversicherung trat er in der Folgezeit zur Sicherung von Darlehensverträgen an die Sparkasse B.. Ab November 2005 leistete er keine Beitragszahlungen mehr an die VGH. Mit Schreiben vom 26. Februar 2007 wies diese ihn auf bestehende Rückstände hin. Aufgrund der Beitragsrückstände vereinbarte der Beklagte sodann mit der Sparkasse B. eine Umfinanzierung, die einen Verkauf der Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag vorsah. In der Folgezeit bemühte sich der Beklagte darum, einen Käufer zu finden und trat u. a. auch an die Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH in D. heran und unterbreitete ihr ein Verkaufsangebot. Mit Email vom 29. Mai 2007 bekundete die Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH Interesse an dem Lebensversicherungsvertrag des Beklagten und kündigte an, sich wegen der genauen Daten - insbesondere des aktuellen Rückkaufswerts - nach einer entsprechenden Vollmachterteilung direkt mit dem Versicherer in Verbindung setzen zu wollen. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 teilte die A. der C. Versicherungsvermittlung GmbH u.a. einen Rückkaufswert für die Versicherung des Beklagten zum 1. Juli 2007 in Höhe von 179.221,-- Euro mit, bat jedoch sowohl in ihrem Anschreiben als auch im letzten Absatz der Berechnung zu beachten, dass in den genannten Werten der Beitragsrückstand nicht berücksichtigt worden sei. Ausweislich der dort angegebenen Daten bestand seit dem 1. November 2005 ein Beitragsrückstand, aktuelle Höhe 32.478,20 Euro (Bl. 42 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 8. Juni 2007 unterbreitete die Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH - ausdrücklich als Stellvertreterin der Klägerin - dem Beklagten ein Kaufpreisangebot der Klägerin über 172.700,-- Euro unter Berücksichtigung des mitgeteilten Rückkaufswerts, allerdings ohne Abzug der bestehenden Beitragsrückstände.

In dem Kaufvertragsangebot wird darauf hingewiesen,

"dass die Höhe des Kaufpreises auf einer aktuellen Mitteilung der Versicherungsgesellschaft über folgende Werte beruhe:

1. Rückkaufswert ihrer Kapitalversicherung zum oben genannten Stichtag: 179.221,-- €

2. Beitragshöhe/Zahlungsweise 1.623,76 €/monatlich

3. Prognostizierte Ablaufleistung 376.500,-- €.

Diese Werte sind Bestandteil des Angebots. Eine abschließende Überprüfung dieser Angaben ist uns nicht möglich. Sollte aus diesem Grund der in der Kaufpreisberechnung zugrunde gelegte Rückkaufswert tatsächlich unter dem 1. genannten Wert liegen, so verringert sich der Kaufpreis um den entsprechenden Differenzbetrag (vgl. § 9 Abs. 3 AGB)."

In den beigefügten AGB heißt es u. a.:

"§ 8 Garantieerklärungen/Mitwirkungspflichten

(1) Der Veräußerer versichert und garantiert, ...

d) dass alle fälligen Beiträge eingezahlt wurden. Sollte ein Beitragsrückstand/Beitragsstundung bestehen, so sind sich die Parteien einig, dass dieser inklusive eventuell angefallener Zinsen vom Kaufpreis abgezogen wird.

§ 9 Kaufpreis: ...

(3) Sollte der tatsächliche Rückkaufswert von dem im Angebot genannten Wert nach unten abweichen, so sind sich die Parteien einig, dass diese Differenz vom Verkäufer zu tragen ist und sich der Kaufpreis um den entsprechenden Differenzbetrag verringert."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Kaufvertrags und der beigefügten AGB wird auf das Angebot verwiesen.

Der Beklagte unterzeichnete das Angebot am 13. Juli 2007. Am 4. Oktober 2007 zahlte die Klägerin an die Sparkasse B., die der Beklagte als Zahlungsempfängerin angegeben hatte, einen Betrag in Höhe von 167.828,80 €. Ausweislich des Schreibens der C. Versicherungsvermittlung GmbH vom 20. Dezember 2007 hatte die Klägerin vom ursprünglich angebotenen Kaufpreis von 172.700,-- € einen Beitragsrückstand für die Monate April bis Juni 2007 in Höhe von 4.871,28 € in Abzug gebracht. Mit Schreiben vom 24. Juni 2008 begehrte die Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH im Namen der Klägerin unter Bezugnahme auf die bestehenden Beitragsrückstände für den Zeitraum von November 2005 bis einschließlich März 2007 eine Kaufpreisrückzahlung von 29.253,78 € (27.603,92 € Rückstände + 1.649,86 € Zinsen). Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 forderte der Beklagte seinerseits die Klägerin zur Zahlung der von der Kaufpreissumme abgezogenen 4.871,28 € bis zum 5. August 2008 auf. Mit Schreiben vom 6. August 2008 lehnte die Klägerin eine Zahlung ab.

Die Klägerin hat gemeint, sie habe sowohl aus Gesetz als auch aus Vertrag einen teilweisen Kaufpreisrückzahlungsanspruch und schulde - was die Widerklage angehe - dem Beklagten nichts mehr.

Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilten, an sie einen Betrag in Höhe von 27.603,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2007 zu zahlen.

Der Beklagte seinerseits hat beantragt, die Klage abzuweisen. Widerklagend hat er beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 4.871,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. August 2008 zu zahlen sowie ihn von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten auf Ausgleich von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € freizustellen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, der Klägerin stehe kein teilweiser Kaufpreisrückzahlungsanspruch zu, da sie bei Vertragsschluss Kenntnis von dem tatsächlich geringeren Rückkaufswert der Versicherung gehabt habe; vielmehr müsse - so die Widerklage - die Klägerin an ihn entsprechend des abgeschlossenen Kaufvertrags noch den restlichen Kaufpreis zahlen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen und der Widerklage vollen Umfangs stattgegeben.

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung in Höhe von 27.603,92 € nicht zu. Ein solcher Anspruch folge weder aus einem Minderungsanspruch gem. §§ 453 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323, 441 BGB noch aus den §§ 9 Abs. 3 und Abs. 5 AGB noch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Alt. BGB.

Die Widerklage hingegen sei begründet. Der Beklagte habe gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 4.871,28 € gemäß § 433 Abs. 2 BGB. Der Beklagte habe gegen die Klägerin darüber hinaus auch einen Anspruch auf Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gebührenstreitwert von 32.478,20 € in Höhe von 1.307,81 € aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 BGB.

Gegen dieses der Klägerin am 16. März 2009 zugestellte Urteil hat diese am 23. März 2009 Berufung eingelegt und diese nachfolgend form- und fristgemäß vor allem damit begründet, dass das Landgericht die Ansprüche der Klägerin bzw. ihre Verteidigung gegen die Widerklage falsch gewertet habe. Der Kaufvertrag mit dem Beklagten enthalte eindeutige Regelungen, die es der Klägerin erlaubten, bei einer falschen Berechnung des Rückkaufswerts auch bei eigener Kenntnis den Rückkaufswert und damit den Kaufpreis zu korrigieren. Darüber hinaus habe der Beklagte eine Garantieerklärung abgegeben, dass er seine Beiträge vollständig gezahlt habe, was ebenfalls zu einer Reduzierung des Kaufpreises führe. § 442 BGB sei abbedungen. Im Übrigen fehle es an einer positiven Kenntnis der Klägerin über die bestehenden Beitragsrückstände. Außergerichtliche Rechtsverteidigungskosten für die Abwehr des Zahlungsanspruchs der Klägerin stünden dem Beklagten ebenfalls nicht zu, da jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr das Recht zustehe, sich in subjektiv redlicher Weise eines Anspruchs zu berühmen und sich dabei zu irren.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. März 2009 (Az. 4 O 289/08) aufzuheben und

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 27.603,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2007 zu zahlen als auch die Widerklage des Beklagten abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Hierbei weist er im Hinblick auf die Berufungsbegründung insbesondere darauf hin, dass die vertraglichen Regelungen über eine Teil-Reduzierung des Kaufpreises jedenfalls schon deswegen nicht griffen, weil die Klägerin frühzeitig Kenntnis von dem korrekten Rückkaufswert erlangt habe und ihre Berechnung des Kaufpreises von Anfang an darauf hätte stützen können. Eine wirksame Abbedingung der Vorschrift des § 442 BGB sei nicht erfolgt und zudem in AGB auch unwirksam. Eine Garantieerklärung in Bezug auf den Wert seiner Lebensversicherung habe er - der Beklagte - nicht abgegeben. Auf fehlende Kenntnis könne sich die Klägerin nicht berufen. Das Schreiben der A. an die C. .vom 5. Juni 2007 zeige, dass das Unternehmen von dem Beitragsrückstand noch vor der Unterbreitung des Angebots an den Beklagten informiert gewesen sei. Diese Kenntnis müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Verpflichtung zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergebe sich aus dem Umstand, dass die Klägerin den Beklagten im Rahmen eines zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses zu Unrecht auf Zahlung der Klageforderung in Anspruch genommen habe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die jeweils beigefügten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17. Juli 2009.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Klägerin aus keinem rechtlichen Grund einen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises hat, sondern umgekehrt noch den von ihr einbehaltenen Teil des Kaufpreises im Rahmen der Widerklage an den Beklagten auszahlen sowie diesen von entstandenen Rechtsanwaltskosten freistellen muss.

1. Ein Rückzahlungsanspruch ergibt sich zunächst nicht aus Vertrag. Zwar geben die §§ 8, 9 AGB sowie der Passus auf der Vorderseite des Kaufvertragsangebots, der sich mit der Frage des falschen Rückkaufswerts beschäftigt, ihrem Wortlaut nach der Klägerin einen ausdrücklichen Rückzahlungsanspruch des Kaufpreises, wenn der tatsächliche Rückkaufswert von dem zunächst genommenen angenommenen abweicht. Allerdings greifen diese Regelungen bei richtiger Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB nicht, wenn - wie hier - die Klägerin bereits vor Kaufvertragsabschluss von den Beitragsrückständen, die den Rückkaufswert reduzieren, Kenntnis hat. Dann nämlich hindert § 442 BGB die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen.

a) Zu Recht ist das Landgericht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Firma C.. Versicherungsvermittlung GmbH - die als Stellvertreterin der Klägerin die Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten geführt und auch den Vertrag mit ihm abgeschlossen hat - aufgrund des Schreibens der A. vom 5. Juni 2007 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses positive Kenntnis von den bestehenden Beitragsrückständen des Beklagten hatte, auch wenn die Klägerin letzteres - unsubstantiiert - bestreitet.

Unstreitig lag das genannte Schreiben der A. der Sachbearbeiterin der Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH vor, als sie das Kaufvertragsangebot an den Beklagten verfasste. In dem Schreiben ist zum Stichtag 1. Juli 2007 ein Rückkaufswert der Versicherung in Höhe von 179.221,-- € genannt. Diesen Wert hat die Sachbearbeiterin unverändert in ihr Angebot an den Beklagten übernommen, ohne die Beitragsrückstände - die jetzt mit der Klage zurückgefordert werden - abzuziehen. Dabei heißt es sowohl im Anschreiben der A. als auch im letzten Absatz des Berechnungsblatts (S. 3 d. Schreibens), dass "in dem genannten Wert der Beitragsrückstand nicht berücksichtigt wurde". Auf diesen Beitragsrückstand hat die Versicherung in ihrem Schreiben auch nicht etwa nur abstrakt hingewiesen, sondern er wird auf dem Blatt mit den Grunddaten des Vertrags (S. 2 d. Schreibens) konkret benannt: "Beitragsrückstand seit 1.11.2005 Höhe 32.478,20 €"

Dies genügt zur Annahme positiver Kenntnis der Sachbearbeiterin von dem Mangel. Zwar reicht nicht allein die Kenntnis der den Rechtsmangel begründenden tatsächlichen Verhältnisse aus, um Kenntnis vom Rechtsmangel anzunehmen. Vielmehr muss der Käufer auch die rechtlichen Folgen der ihm bekannten Tatsachen kennen. Andererseits ist eine genaue rechtliche Kenntnis nicht erforderlich; vielmehr genügt es, wenn der Käufer im Kern erkannt hat, welche Ansprüche seitens eines Dritten hinsichtlich des Kaufgegenstandes in Betracht kommen (vgl. Staudinger/Matusche/Beckmann, 2004, § 442 BGB Rn. 55). Bei einer Sachbearbeiterin, deren Tätigkeitsfeld gerade in der Erstellung von Kaufvertragsangeboten für Versicherungsforderungen besteht, ist davon auszugehen, dass sie zum einen weiß, dass sie zur Ermittlung des Kaufpreises die Beitragsrückstände vom Rückkaufswert abziehen muss und dass ihr zum anderen auch die rechtliche Bedeutung eines falsch berechneten Rückkaufswerts bekannt ist.

Die aus diesem Grund zu bejahende positive Kenntnis der Sachbearbeiterin der C. Versicherungsvermittlung GmbH hat sich die Klägerin gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen (vgl. Palandt/Weidenkaff, 68. Aufl. 2009, § 442 BGB Rn. 7).

Unbeachtlich ist dem gegenüber ein hier möglicherweise vorliegender Irrtum der Sachbearbeiterin bei Erstellung des Kaufvertragsangebots. Ein solcher Irrtum wäre nur ein gemäß § 119 BGB unbeachtlicher einseitiger Kalkulationsirrtum. Die Berechnung selbst ist nicht offen gelegt und es war auch sonst für den Beklagten - dem das Schreiben der A. vom 5. Juni 2007 nicht zur Verfügung stand - nicht erkennbar, dass der Rückkaufswert falsch berechnet worden war. Aus der Höhe des angesetzten Rückkaufswerts lässt sich nicht ersehen, ob Beitragsrückstände berücksichtigt sind oder nicht. Eine eigene Pflicht zur Nachforschung oder eine - von der Klägerin eingeforderte - Pflicht zur (nochmaligen) Mitteilung der Beitragsrückstände oblag dem Beklagten angesichts der Tatsache, dass die Klägerin von ihm eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften der Versicherung erfordert und erhalten hatte, nicht.

b) Eine eventuelle Garantie des Beklagten als Verkäufer für den Bestand/die Höhe der dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Versicherungsforderung oder auch ein von der Klägerin behauptetes arglistiges Verschweigen des Mangels - wobei fraglich ist, ob eine solche dem Beklagten überhaupt im Rahmen von AGB aufgebürdet werden kann - spielen im Fall der hier bejahten positiven Kenntnis der Klägerin keine Rolle. § 442 BGB, der einen Haftungsausschluss bei Kenntnis oder grobfahrlässiger Unkenntnis des Käufers von einem Mangel vorsieht, lässt diesen Haftungsausschluss gem. seinem Absatz 1 Satz 2 lediglich bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel und gleichzeitiger Garantie des Verkäufers für die Beschaffenheit der Sache oder arglistigem Verschweigen des Mangels entfallen, nicht aber bei positiver Kenntnis des Käufers.

c) § 442 BGB wurde auch nicht im Kaufvertrag, insbesondere nicht in den AGB der Klägerin, wirksam abgedungen.

Eine solche Abbedingung ist zwar grundsätzlich möglich (vgl. Palandt, a. a. O., § 442 BGB, Rn. 4). Es stellt sich aber schon die Frage, ob "wegen des hohen Gerechtigkeitsgehalts" der Vorschrift eine solche Abbedingung nur in Individualvereinbarungen, nicht aber - wie hier - in AGB möglich ist (vgl. Münchener Kommentar/Westermann, 5. Aufl., § 442 BGB, Rn. 22; Erman/Grunewald, 12. Aufl., § 442 BGB Rn. 25). Dies kann vorliegend offen bleiben. Zwar handelt es sich bei sämtlichen Vertragsklauseln, die sich mit der Frage der Reduzierung des Kaufpreises beschäftigen, um AGB. Bei Auslegung der AGB gemäß den §§ 133, 157 BGB ist jedoch nicht davon auszugehen, dass eine Abbedingung tatsächlich gewollt ist.

Bei den §§ 8 Abs. 1 d), 9 Abs. 3 AGB, die eine Kaufpreisreduzierung bei Beitragsrückständen vorsehen, handelt es sich schon der Überschrift nach und nach den Eingangsvoraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB um AGB. Aber auch der Passus auf der Vorderseite des Kaufvertragsangebots, der sich mit der Frage des falschen Rückkaufswerts beschäftigt, stellt keine Individualvereinbarung dar. Es ist davon auszugehen, dass die computerschriftlich vorgedruckte - nicht etwa handschriftlich ausgefüllte - und im Fließtext enthaltene Regelung sich in einer Vielzahl von Verträgen der Klägerin wieder findet. Unwidersprochen hat der Beklagte auch vorgetragen, dass der Text nicht etwa frei ausgehandelt, sondern seine Einbeziehung in den Vertrag zwingend verlangt worden war.

Nach den §§ 133, 157 BGB ist der wirkliche Wille des Verwenders der AGB zu erforschen, wie er in den Regelungen zum Ausdruck kommt (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 133 BGB Rn. 7). Insoweit kommt es maßgeblich auch auf diese erkennbare Interessenlage an (BGH NJW 2000, 2099; BGHZ 137, 69, 72, jeweils m. w. Nchn.). Das Ziel der Klägerin für die Formulierung der §§ 8, 9 AGB sowie des Passus im Anschreiben, die der Klägerin bei tatsächlich niedriger liegendem Rückkaufswert eine Verringerung des Kaufpreises erlauben, liegt erkennbar darin, sich davor zu schützen, aufgrund eines von der Versicherung mitgeteilten, falschen Rückkaufswerts einen zu hohen Kaufpreis an den Verkäufer auszahlen zu müssen. Nachvollziehbar weist die Klägerin darauf hin, dass der tatsächliche Rückkaufswert die Basis für die Berechnung des Kaufpreises für die angebotene Versicherungsforderung sei. Teilweise würden aber von den Versicherern oft nur vorläufige Werte mitgeteilt oder die Versicherungen würden nachträgliche Korrekturen vornehmen, weil die der Auskunft zugrunde liegenden Daten in den Verwaltungssystemen aktualisiert oder bestimmte wertverändernde Umstände in der Datenverarbeitung der Versicherer würden zum Auskunftszeitpunkt nicht vollständig angezeigt. Oft würden zu angefragten Stichtagen auch Rückkaufswerte mitgeteilt, die voraussetzten, dass die Versicherungsbeiträge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gezahlt seien, tatsächlich dies aber doch nicht der Fall sei, oder Rückkaufswerte ohne Abzug eines von dem Versicherungsnehmer bezogenen Policendarlehens angegeben werden. Nicht selten sei auch, dass einfach versehentlich oder aufgrund von Bearbeitungsfehlern des Versicherers falsche Werte mitgeteilt würden. Da die Marge für den Policenkäufer sehr knapp sei, er andererseits dem Verkäufer aber einen attraktiven Kaufpreis anbieten wolle, sei der Käufer zwingend darauf angewiesen, dass die Versicherung auch tatsächlich den Wert aufweise, wie er dem Vertrag zugrunde gelegt werde. Würde man nun allein auf den vom Versicherungsunternehmen vor Kaufabschluss mitgeteilten Rückkaufswert abstellen, würde allein die Klägerin das Risiko einer fehlerhaften Mitteilung tragen, ohne beim Versicherer Rückgriff nehmen zu können.

Dafür, dass die Klägerin eine solche Auslegung ihrer Preisänderungs/-reduzierungsklauseln beabsichtigte, spricht auch die erste Seite des Angebots:

"... Eine abschließende Überprüfung dieser Angaben ist uns nicht möglich. Sollte aus diesem Grund der der Kaufpreisberechnung zugrunde gelegte Rückkaufswert tatsächlich unter dem unter 1. genannten Wert liegen, so verringert sich der Kaufpreis um den entsprechenden Differenzbetrag (vgl. § 9 Abs. 3 AGB)."

Die Klägerin ging also bei Formulierung ihrer AGB offensichtlich selbst davon aus, dass diese (nur) greifen sollten, wenn und soweit eine Überprüfung des von der Versicherung mitgeteilten Rückkaufswerts durch die Klägerin im Angebotszeitpunkt nicht möglich sein sollte. Bei einer solchen und nach Auffassung des Senats vorzugswürdigen Auslegung der Regelungen ist eine Abbedingung des § 442 BGB weder notwendig noch gewollt.

Daher weist der Senat nur vorsorglich darauf hin, dass eine formularmäßige Abbedingung des § 442 BGB - anders als oben - gegen die AGB-Vorschriften des BGB, insbesondere gegen die §§ 308 Nr. 4, 307, 305 c BGB verstoßen würde und daher unwirksam wäre.

Zu messen wären die Klauseln in erster Linie an § 308 Nr. 4 BGB, der besagt, dass in AGB insbesondere die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam ist, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Zumutbarkeit setzt voraus, dass für die Änderung der Leistung ein triftiger Grund vorliegt (vgl. BGH NJW 2005, 3420 f.; NJW-RR 2008, 134). An einem triftigen Grund für eine Preisanpassung würde es aber fehlen, wenn eine Preisanpassung auch dann möglich wäre - und das wäre dann gleichzeitig eine Abbedingung des § 442 BGB -, wenn die Klägerin wie hier Kenntnis vom richtigen Rückkaufswert hat und nur irrtümlich ihrer Berechnung des Kaufpreises einen falschen zugrunde legt. Ein solch einseitiges Interesse der Klägerin, in jedem Fall - unabhängig davon, ob die fehlerhafte Angabe zur Höhe des Rückkaufswerts aus ihrer oder der Sphäre der Versicherung herrührt - bei falscher Berechnung den Kaufpreis noch nachträglich zu reduzieren, reicht nicht aus, um die Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB zu erfüllen. Die Klägerin wäre dann ohne Grund besser gestellt, als ein anderer Käufer einer beliebigen Ware, der auch nicht ohne weiteres den Kaufpreis abändert könnte, sofern ihm nicht die Rechte der Anfechtung oder Minderung zustünden. Dieselbe Wertung folgt gerade für Preisanpassungsklauseln auch aus dem Gedanken des § 309 Nr. 1 BGB, wonach Preiserhöhungen (durch den Verkäufer) für Waren oder Leistungen, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen, in AGB generell unwirksam sind.

Da somit § 442 BGB im Kaufvertrag zwischen den Parteien in keinem Fall wirksam abbedungen wurde, die Klägerin in Gestalt der Sachbearbeiterin der Firma C. Versicherungsvermittlung GmbH aber bereits bei Verfassen des Kaufvertragsangebots an den Beklagten positive Kenntnis davon hatte, dass der angesetzte Rückkaufswert falsch war, ergibt sich aus dem Vertrag selbst kein Rückzahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich des geltend gemachten Teils des Kaufpreises.

2. Aus denselben Gründen scheidet auch ein gesetzlicher Anspruch aus Sachmängelgewährleistungsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 453, 435, 441, 323 Abs. 1 und 5 BGB aus.

Der Kaufgegenstand weist zwar bei Gefahrübergang einen Mangel auf; es gibt einen Rechtsmangel im Sinne von § 435 BGB. Der Begriff "Rechte in Bezug auf die Forderung" ist weit auszulegen. Er umfasst alle Arten von Einwendungen, Einreden und Gegenrechten, die der Debitor - hier die Versicherung - rechtlich der Forderung entgegensetzen kann, um dem Zahlungsanspruch ganz, teilweise oder zeitlich befristet zu entgehen. Hierzu gehören auch Einwendungen zur Höhe. Vorliegend ist der tatsächliche Rückkaufswert der Versicherung zum Stichtag 1. Juli 2007 wegen der Beitragsrückstände des Beklagten niedriger, als der von der Klägerin ihrem Angebot zugrunde gelegt. Die Versicherung wird sich bei Fälligkeit darauf berufen und ihre Ablaufleistung entsprechend verringern.

Ein Anspruch auf Minderung ist allerdings - ebenso wie der Anspruch aus Vertrag direkt - gemäß § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der positiven Kenntnis der Klägerin von dem Mangel ausgeschlossen.

3. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. BGB scheitert schon daran, dass der Beklagte den nunmehr zurückgeforderten Betrag nicht rechtsgrundlos, sondern aufgrund eines wirksamen Kaufvertrags erhalten hat.

4. Demgegenüber ist die Widerklage - so ebenfalls das Landgericht zu Recht - begründet.

a) Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 4.871,28 € aus § 433 Abs. 2 BGB.

Aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrags war die Klägerin zu Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 172.000,-- € verpflichtet. Erfüllung ist nur in Höhe von 167.828,72 € eingetreten, da die Klägerin vor Auszahlung Beitragsrückstände in Höhe von 4.871,28 € für den Versicherungszeitraum April bis Juni 2007 von der Kaufpreissumme abgezogen hat. Diese abgezogenen Beträge hat die Klägerin nunmehr nachzuzahlen. Da die Rückstände aus dem Zeitraum der Klägerin bereits bei Kaufvertragsschluss bekannt waren - die von der A. übersandte Berechnung erfolgte unter Nennung der vollständigen Rückstände zum Stichtag 1. Juli 2007 - ist eine Minderung aus Gesetz oder aus Vertrag auch für diese Beträge gemäß § 442 BGB ausgeschlossen.

b) Der Beklagte hat gegen die Klägerin darüber hinaus einen Anspruch auf Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gebührenstreitwert von 32.478,20 € in Höhe von 1.307,81 € aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 BGB.

Zwar ist der Klägerin insoweit zu folgen, dass nicht jede Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung ohne weiteres einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten begründet (vgl. BGH NJW 2007, 1458). Vielmehr müssen die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sein. Ein Kostenerstattungsanspruch aus positiver Vertragsverletzung setzt voraus, dass der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer vertraglichen Beziehung der Parteien geltend gemacht wurde. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beklagte mit unberechtigten Forderungen aus dem zwischen ihnen bestehenden Kaufvertrag überzogen hat, zu deren Abwehr die Beklagte sich anwaltlicher Hilfe bedienen musste. Anders als die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz zur Frage des Verschuldens ausführt, kommt es auf eine "offensichtlich unbegründete" Klageforderung nicht an. Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungs- bzw. Rechtsverteidigungskosten in Höhe von 1.307,81 € stellen einen zu ersetzenden kausalen Schaden des Beklagten dar.

Damit ist auch die Widerklage begründet.

5. Der Verzugszinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil dem Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Rechtsfortbildung oder Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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