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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 2 AGH 9/05
Rechtsgebiete: FAO
Vorschriften:
FAO § 15 |
Schleswig-Holsteinischer Anwaltsgerichtshof Beschluss
II. Senat
In der Fachanwaltssache hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Anwaltsgerichtshofes am 14. Dezember 2005 beschlossen: Tenor:
1. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2005 wird aufgehoben. 2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Veröffentlichungen des Antragstellers in "Der Familien-Rechts-Berater" im Jahr 2004 als wissenschaftliche Publikationen im Sinne von § 15 FAO anzuerkennen. 3. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 201 Abs. 2, 13 a FGG). 4. Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt (§ 202 Abs. 2 BRAO, § 30 Abs. 2 KostO). 5. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss an den Bundesgerichtshof wird zugelassen (§ 223 Abs. 3 BRAO). Gründe: I. Der Antragsteller begehrt die Anerkennung seiner Veröffentlichungen in "Der Familien-Rechts-Berater" als wissenschaftliche Publikation im Sinne von § 15 FAO. Der Antragsteller wurde 1947 geboren. Er ist verheiratet. Am 11. April 1978 wurde er bei dem Amtsgericht und Landgericht Kiel zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Unter Aufhebung dieser Zulassung wurde ihm am 22. April 1982 die anderweitige Zulassung beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig erteilt. Am 18. Dezember 1996 wurde er zum nebenamtlichen Mitglied des Justizprüfungsamtes für die erste juristische Staatsprüfung bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig berufen. Am 13. Mai 1997 wurde er ferner zum nebenamtlichen Mitglied des Gemeinsamen Prüfungsamtes der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein als Prüfer für die große juristische Staatsprüfung berufen. Unter Aufrechterhaltung der Zulassung beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ist er mit Wirkung zum 1. Januar 2002 als Rechtsanwalt bei dem Landgericht Flensburg zugelassen worden. Unter dem 30. Oktober 2002 erteilte ihm der Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer die Berechtigung, die Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" zu führen. Der Antragsteller ist ständiger Mitarbeiter der Fachzeitschrift "Der Familien-Rechts-Berater", FamRB. Als solcher verfasst er regelmäßig kurze Beiträge zu obergerichtlichen und höchstrichterlichen Urteilen, die ihm von der Redaktion der FamRB zugeschickt werden. Bei jährlich ca. 9 bis 10 von ihm verfassten Beiträgen kann er unter 15 bis 17 ihm zugeschickten Entscheidungen auswählen. Die Bearbeitungsdauer für einen Beitrag liegt nach seinen Angaben bei mindestens 1 1/2 Stunden, kann aber auch deutlich höher liegen. Für die Bearbeitung zieht er - wo erforderlich - BGH-Rechtsprechung vergleichend heran sowie einschlägige Ausführungen in zwei bis drei Fachkommentaren. Zur mit Schreiben vom 11. März 2005 begehrten Anerkennung seiner Fortbildungsverpflichtung im Familienrecht nach § 15 FAO für das Kalenderjahr 2004 verwies der Antragsteller auf diese publizistische Tätigkeit, nämlich auf die im Jahr 2004 von ihm in der FamRB veröffentlichten Beiträge, FamRB 2004 Seite 14/15, Seite 118/119, Seite 186/187, Seite 221/222, Seite 256/257, Seite 293/294, Seite 327/328, Seite 358 und Seite 388/389. Diesen Antrag wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21. April 2005, auf dessen Inhalt im übrigen verwiesen wird, zurück mit der Begründung, bei den vom Antragsteller erwähnten Veröffentlichungen handele es sich um Urteilsanmerkungen, die nicht den Anforderungen an eine wissenschaftliche Publikation im Sinne von § 15 FAO genügten. Dieses Schreiben sieht der Antragsteller als förmlichen Bescheid an und hat dagegen mit am 26. April 2005 beim Schleswig-Holsteinischen Anwaltsgericht eingegangenen Schreiben vom 26. April 2005 - auf dessen Inhalt ebenfalls verwiesen wird - gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Antragsteller hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig und meint, der "FamRB" sei eine wissenschaftliche Fachzeitschrift, in der Urteile durchgehend auf hohem wissenschaftlichem Niveau besprochen würden, was auch für seine Besprechungen gelte. Der Antragsteller beantragt, den Bescheid des Antragsgegners vom 21. April 2005 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die Veröffentlichungen des Antragstellers in "Der Familien-Rechts-Berater" im Jahr 2004 als wissenschaftliche Publikationen im Sinne von § 15 FAO anzuerkennen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig (1.), insbesondere ist er fristgerecht eingegangen. Es handelt sich vorliegend um einen Antrag nach § 223 Abs. 1 Satz 1 BRAO, nicht hingegen um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Zulassungsverfahren gemäß §§ 36 a ff. BRAO. Der Antrag ist auch begründet (2.). 1. Nach § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO kann die Erlaubnis zum Führen der Anwaltsbezeichnung widerrufen werden, wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird. Gegen eine Rücknahme- oder Widerrufsverfügung kann innerhalb eines Monats nach der Zustellung nach § 223 Abs. 1 BRAO Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (Feuerich-Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 43 c Rn. 37). Vorliegend geht es zwar noch nicht um den Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung nach § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO, jedoch hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Anerkennung angeblich geleisteter wissenschaftlicher Publikationen als im Sinne von § 15 FAO ausreichende Fortbildungsmaßnahme versagt. Dies ist eine der Entscheidung nach § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO vorangehende Entscheidung, die Bedeutung für einen späteren möglichen Widerruf hat. Daher ist sie wie der Widerruf selbst nach § 223 Abs. 1 Satz 2 BRAO anfechtbar. 2. Nach § 15 FAO muss der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, jährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen, wobei die Gesamtdauer der Fortbildung zehn Zeitstunden nicht unterschreiten darf. Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller für das Jahr 2004 durch die von ihm eingereichten Veröffentlichungen erfüllt. § 15 FAO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO setzt die Befugnis zur Regelung der Fortbildungspflicht des Fachanwaltes voraus, die sich aus § 59 b Abs. 2 Nr. 2 b BRAO herleiten lässt. § 15 konkretisiert für Fachanwälte die in § 43 a Abs. 6 BRAO für Rechtsanwälte allgemein vorgesehene Grundpflicht zur Fortbildung, deren Konkretisierung für Fachanwälte durch die Berufsordnung in § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO ausdrücklich vorgesehen wurde. Die Forbildungs- und Nachweispflicht des § 15 gilt uneingeschränkt für sämtliche Fachanwälte ohne Möglichkeit einer vollständigen Befreiung und unabhängig von persönlicher Leistung, Eignung, Verdiensten, Zeitpunkterteilung der Erlaubnis oder Alter (Feuerich-Weyland a.a.O., § 15 Rn. 1 FAO). Hier geht es daher nur um die Frage, ob die Veröffentlichungen des Antragstellers in der Zeitschrift "Der Familien-Rechts-Berater" den Anforderungen des § 15 FAO genügen. Was mit der Anforderung "auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren" im Detail gemeint ist, lässt sich § 15 FAO selbst nicht entnehmen. Mit Beschluss der 2. Satzungsversammlung in deren Sitzung am 25./26.4.2002 wurde bestimmt, dass der Fachanwalt seine Fortbildung nicht mehr ausschließlich durch die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung nachweisen muss, sondern dass er den erforderlichen jährlichen Fortbildungsnachweis auch durch eine oder mehrere wissenschaftliche Publikationen auf seinem Fachgebiet erbringen kann. Die in den BRAK-Mitt. veröffentlichten Beschlüsse der Satzungsversammlung (BRAK-Mitt. 2002, 122, 219, 220) enthalten eine Begründung für diese Satzungsänderung nicht. Subsumiert man unter den in erster Linie für die Auslegung dieser Vorschrift maßgeblichen Wortlaut des § 15 FAO, so ist bei den Beiträgen des Antragstellers als Publikationen in einer juristischen Fachzeitschrift allein fraglich, ob die Beiträge dem Prädikat "wissenschaftlich" gerecht werden. Das ist nach Auffassung des Senats der Fall. Mit wissenschaftlichen Publikationen sind nach dem Wortlaut des § 15 FAO nur solche auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften gemeint, für das der Rechtsanwalt die Fachanwaltsbezeichnung führt, d. h. hier auf dem Gebiet des Familienrechts. Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Familienrechts liegen zweifellos vor. Sie erfüllen auch den Begriff "wissenschaftlich" im Sinne von § 15 FAO. Zum Begriff der "wissenschaftlichen Publikationen" finden sich Definitionen im Internet bei "Wikipedia", einer dort allgemein zugänglichen Enzyklopädie. Danach ist eine wissenschaftliche Publikation eine schriftliche Arbeit von einem oder mehreren Wissenschaftlern. Eine solche Arbeit muss formalen und inhaltlichen Kriterien genügen, um zur Veröffentlichung akzeptiert zu werden. Wissenschaftliche Publikationen können danach auch als Artikel in Fachzeitschriften erscheinen, als - im Vergleich etwa zu Büchern - weniger umfangreiche Beiträge, die oft neue Resultate für ein Fachpublikum präsentieren.
Unter dem Begriff "Wissenschaft" findet man a. a. O. "den Bestand des Wissens einer Zeit" sowie "den Erwerb neuen Wissens mit wissenschaftlichen Methoden". "Wissenschaftler erwerben neues Wissen durch Forschung, dokumentieren es in Veröffentlichungen und vermitteln es in der Lehre weiter". Dem entspricht die Definition der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid: "... dass sich der betroffene Fachanwalt auf dem Fachgebiet mit rechtswissenschaftlichen Methoden dem Bestand und Erwerb neuen Wissens in dem Rechtsgebiet widmet".
Diese Ausführungen decken sich auch mit der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts (Bd. 35, Seite 79 ff., 113), dass Wissenschaft alles ist, "was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist", wobei dazu auch die Weitergabe des Ermittelten in Form der Lehre gehört, da der Begriff der Wissenschaft den Oberbegriff für die Begriffe von Forschung und Lehre bildet (Maunz-Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 5 Rn. 85). Im verfassungsrechtlichen Sinne ist laut Maunz-Dürig (a.a.O., Art. 5 Rn. 101) der Begriff der Wissenschaft wie folgt zusammenzufassen: "Wissenschaft heißt der autonome geistige Prozess planmäßiger, methodischer und eigenverantwortlicher Suche nach Erkenntnissen sachbezogen-objektiver Wahrheit sowie kommunikativer Vermittlung solcher Erkenntnisse." Mit Lehre ist nicht nur die akademische Lehre gemeint, vielmehr ist jede Form eigenverantwortlich publizierender, pädagogisch-didaktischer Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse geschützt. Die Lehrfreiheit schließt die Freiheit der didaktischen und medialen Methoden mit ein. Auch die außeruniversitäre Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die "Schriftlehre" in Gestalt eines Lehrbuchs u. ä. fallen unter den Tatbestand der Lehrfreiheit (Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 5 Rn. 108). Lehrfreiheit ist zusammengefasst die freie Wahl von Gegenstand, Form, Methode, Inhalt, Zeit und ggf. auch Ort (Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 5 Rn. 111).
Der Senat ist der Auffassung, dass die Beiträge des Antragstellers ("Urteilsanmerkungen") diesen Anforderungen an den Begriff der Wissenschaftlichkeit genügen. Zwar findet sich anderes in der einschlägigen Fachliteratur zu § 15 FAO bei Feuerich-Weyland, a.a.O.. Dort heißt es: "Er (der Rechtsanwalt) hat die Wahl, welche Nachweisart er wählt. Aus der Gleichstellung mit dem bisher allein möglichen Fortbildungsnachweis durch Teilnahme an einer mindestens 10stündigen Fortbildungsveranstaltung ergibt sich, dass die Publikationen, die als Fortbildungsnachweis anerkannt werden sollen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen müssen. Mit der Anerkennung wissenschaftlicher Publikationen als Fortbildungsnachweis sollte der Nachweis der Fortbildung erleichtert, nicht aber die Qualität der erforderlichen Fortbildung gemindert werden. Leserbriefe, Urteils- und Buchbesprechungen u. ä. können daher grundsätzlich nicht akzeptiert werden, es muss sich schon mindestens um Aufsätze in Fachzeitschriften, Monografien und Vergleichbares handeln. Für den jährlichen Nachweis kommt es bei Publikationen auf das Publikationsjahr an und nicht darauf, wann der Fachanwalt die Publikation verfasst hat" (Feuerich-Weyland, a.a.O., § 15 Rn. 2 FAO).
Diese Auffassung von Feuerich-Weyland, dass Urteils- und Buchbesprechungen grundsätzlich nicht (als wissenschaftliche Publikationen) akzeptiert werden können, ist mit der obigen Definition des Wissenschaftsbegriffs unvereinbar. Auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft kann der "Erwerb neuen Wissens" und der "Bestand des Wissens" anders als z. B. Naturwissenschaften begrifflich nur durch Gesetzeslektüre und -auslegung, durch die Auseinandersetzung mit anderen Publikationen und schließlich vor allem durch die Lektüre, Auswertung und Analyse gerichtlicher Entscheidung stattfinden, wobei die Wiedergabe und Analyse höchstrichterlicher Entscheidungen sowohl für die Gewinnung der Eigenerkenntnisse als auch zur Belehrung Dritter zu den wichtigsten Bestandteilen gehört. Dabei ist es prinzipiell gleichgültig, ob ein Einzelurteil besprochen wird oder etwa in einem größeren Fachaufsatz mehrere oder gar viele Urteile besprochen oder als Belegstellen zitiert werden. Die Besprechung von Urteilen gehört deshalb auch zu den klassischen Formen der rechtswissenschaftlichen Betätigung.
Nach dem allgemeinen Wissenschaftsbegriff stellt die Verfassung der Beiträge des Antragstellers in der FamRB "wissenschaftliches Publizieren" dar. Wissenschaftliche Tätigkeit ist schon die Prüfung und danach die Auswahl der zu veröffentlichenden und zu besprechenden Urteile aus den dem Antragsteller von der Redaktion zur Verfügung gestellten Entscheidungen sowie die Wiedergabe des Inhalts in der notwendig gestrafften Form und Herausstellung des "Problems", sowie sodann die Analyse mit Zustimmung oder Ablehnung, mit dem Vergleich mit anderen Entscheidungen bis hin zu den daraus zu ziehenden "Konsequenzen für die Praxis" und dem "Beraterhinweis". Dass die Arbeiten des Verfassers formalen und inhaltlichen Kriterien an eine wissenschaftliche Arbeit genügen, um zur Veröffentlichung akzeptiert zu werden, folgt schon daraus, dass sie von ihm als ständigem Mitarbeiter in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift - dem "Familien-Rechts-Berater" - veröffentlicht werden. Was die Anwendung rechtswissenschaftlicher Methoden anbelangt, so lassen sich diese aus den eher kurzen Beiträgen - naturgemäß - nicht ohne weiteres entnehmen; der Senat geht aber davon aus, dass sich ein Volljurist einer Urteilsbesprechung nur unter Anwendung der wissenschaftlichen Methodik annimmt, mag dies auch nicht deutlich oder explizit ausgeführt werden.
Den Veröffentlichungen des Antragstellers ließe sich die Eigenschaft als wissenschaftlich nach Auffassung des Senates allenfalls dann absprechen, wenn man entweder deren Qualität und/oder Quantität als dafür maßgebend (und nicht ausreichend) ansähe oder für den Begriff "wissenschaftlich" im Sinne von § 15 FAO höhere Anforderungen stellte als nach der allgemeinen sprachlichen Definition. Beides ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Qualität und auch die Quantität eines Beitrages können kein brauchbares Abgrenzungskriterium für die Einordnung als wissenschaftlich sein. Es kommt daher nicht auf die Meinung des Antragstellers an, dass der FamRB eine wissenschaftliche Fachzeitschrift sei, in der Urteile des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte durchgehend auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau besprochen würden. Andererseits kann den Beiträgen die Wissenschaftlichkeit nicht schon deswegen abgesprochen werden, weil ihnen eine vertiefende, ausführliche und abschließende Auseinandersetzung mit den angesprochenen Problemen fehlen mag. Abgrenzungskriterium kann insoweit nach Auffassung des Senates nur sein, ob ein Beitrag die Definition des Bundesverfassungsgerichts erfüllt, dass er sich "nach Form und Inhalt als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit" oder der Belehrung darstellt. Daran bestehen jedoch durchgreifende Zweifel nicht.
Dass an den Begriff "wissenschaftlich" im Rahmen des § 15 FAO etwa höhere Anforderungen gestellt werden müssen als normalerweise, kommt nicht in Betracht. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, insbesondere auch nicht in den oben benannten Beschlüssen der Satzungsversammlung. Sicher ist der Begriff nicht einschränkend zu verstehen, weil er ein "erleichterter Fortbildungsnachweis" ist, wie insoweit zutreffend bei Feuerich-Weyland (a.a.O.) ausgeführt wird. Daraus aber kann andererseits nicht gefolgert werden, dass der Satzungsgeber den Begriff "wissenschaftlich" gewählt hat, um dem "heimischen Fortbildungsersatz" besonderes inhaltliches Gewicht zu geben. Zwar handelt es sich bei der Fortbildung des Fachanwaltes um qualifizierte, intensive, ins Detail auch nicht gängiger oder alltäglicher Fragen gehende Ausbildung von Volljuristen auf Spezialgebieten. Das folgt aus § 2 Abs. 1 und 2 FAO, wonach die bei dem Fachanwalt vorausgesetzten besonderen Kenntnisse vorliegen, wenn diese auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Dem entsprechen in der Regel - oder sollten es jedenfalls - die Fortbildungsveranstaltungen für Fachanwälte. Es geht dabei um den Erwerb und die stetige Fortentwicklung besonderer Qualifikationen in Veranstaltungen, auf denen sich der Fachanwalt auf gehobenem (wissenschaftlichem) Niveau (auch) mit fachübergreifenden Spezialfragen (z. B. an den Schnittstellen von Erb-, Steuer- und Familienrecht) und denen des § 2 Abs. 3 FAO, auseinander setzt. Die Frage, ob die Abfassung der Beiträge des Antragstellers einen vollwertigen Ersatz für solche Veranstaltungen bieten, stellt sich nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht. Zwar überschreitet die Erstellung der Beiträge in zeitlicher Hinsicht zweifellos das erforderliche Zeitkontingent für Fortbildungsveranstaltungen von 10 Stunden deutlich. Worauf ob und in welchem Umfang die Beiträge des Antragstellers inhaltlich, sowohl qualitativ als auch quantitativ, dem Niveau von Fortbildungsveranstaltungen entsprechen, kommt es hingegen nicht an. An den Begriff "wissenschaftlich" im Sinne von § 15 FAO können höhere Anforderungen als allgemein üblich nicht gestellt werden. Das wissenschaftliche Publizieren im Sinne der ersten Alternative von § 15 Satz 1 FAO ist kein "Ersatz" für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung nach der zweiten Alternative, so dass sich die Frage der "Vollwertigkeit" dieses Ersatzes nicht ergibt. Nach dem Satzungstext kann nicht davon die Rede sein, dass die wissenschaftliche Publikation ein Ersatz für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen sein soll. Vielmehr sind wissenschaftliches Publizieren und Besuch von Fortbildungsveranstaltungen als zwei gleichwertige Alternativen nebeneinander aufgeführt, von denen das Publizieren sogar an die erste Stelle gesetzt ist. Wenn der Satzungsgeber aber zwei Alternativen zum Nachweis der Fortbildung aufgeführt hat, so hat er bereits die Entscheidung getroffen, dass diese Alternativen als gleichwertig anzusehen sind, so dass sich die Prüfung von deren Gleichwertigkeit oder auch nur Werthaltigkeit durch die Antragsgegnerin und damit auch durch den Senat verbietet. Das wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass im Rahmen der Alternative Fortbildungsveranstaltungen das "Dozieren" und das "hörend" Teilnehmen gleichgestellt wird, ohne dass man etwa über Umfang und Qualität der Beiträge eines Dozenten auf derartigen Fortbildungsveranstaltungen urteilen kann.
Nach alledem war dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung in dem gestellten Umfang gemäß §§ 223 Abs. 4, 41 Abs. 3 Satz 2 BRAO mit der Kostenfolge aus §§ 201 Abs. 2, 13 a FGG stattzugeben.
Ende der Entscheidung
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