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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 2 W 107/00
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 55
FGG § 62
Kündigt der/die Rechtspfleger/in die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrages nicht durch einen Vorbescheid an, bleibt die gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingelegte Beschwerde zulässig.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluß vom 13. Juli 2000, - 2 W 107/00 -


Beschluß

2 W 107/00 7 T 266/00 LG Lübeck 2 XVII M 49 AG Reinbek

In der Betreuungssache

betreffend die am 24.09.1905 geborene Frau ...,

- Pfleger für das Verfahren: Rechtsanwalt Volker Liedtke, Klosterbergenstraße 67 b, 21465 Reinbek -

beteiligt:

Frau Annelore Machinia, Mühlenweg 2, 21039 Börnsen, als Betreuerin,

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 15.6.2000 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 23.5.2000 durch die Richter Lindemann, Schupp und Stapel am 13.7.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist zur Betreuerin der Betroffenen u. a. für den Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt worden. Die Betroffene war zu 3/20 an einer Erbengemeinschaft beteiligt, der ein Hausgrundstück in H... gehörte. Die Beteiligte hat diesbezüglich unter Vorlage eines Wertgutachtens die Genehmigung eines Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrages vom 23.11.1999 - Urkundenrolle Nr. ... des Notars T... in Hamburg (Bl. 119 ff d. A.) - beantragt. Abschnitt V dieses Vertrages lautet wie folgt:

"Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung

Der Vertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, er ist bis zu deren Erteilung schwebend unwirksam und im Falle der Nichterteilung der Genehmigung nichtig (§§ 1908 i, 1821 Nr. 1, 139 BGB).

Hinsichtlich der erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung wird sog. "Doppelvollmacht" erteilt: Die Beteiligten bevollmächtigen den Notar, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für sie in Empfang zu nehmen und sie den Vertragsbeteiligten mitzuteilen. Diese bevollmächtigen den Notar zur Empfangnahme der Mitteilung. Die Empfangnahme und die Mitteilung sollen durch die Einreichung einer Ausfertigung dieser Urkunde mit einer beglaubigten Abschrift des Genehmigungsbeschlusses als bewirkt gelten".

Der vom Amtsgericht bestellte Pfleger für das Verfahren hat in einer Stellungnahme vom 18.12.1999 (Bl. 143 - 145 d. A.) Bedenken gegen das Sachverständigengutachten erhoben. Der Sachverständige hat daraufhin sein Gutachten ergänzt/berichtigt (Bl. 152 - 160 d. A.). Auch dagegen hat der Pfleger für das Verfahren in einer Stellungnahme vom 18.3.2000 (Bl. 167 - 170 d. A.) Bedenken geltend gemacht.

Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - hat mit Beschluß vom 22.3.2000 (Bl. 171 d. A.) den Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrag genehmigt und mit Verfügung vom gleichen Tag (Bl. 171 R d. A.) die Zustellung einer Ausfertigung des Beschlusses an den Notar und an den Pfleger für das Verfahren angeordnet. Die für den Notar bestimmte Ausfertigung ist ausweislich des Akteninhalts noch am selben Tag an den Notar abgesandt worden, der daraufhin mit Schriftsatz vom 24.3.2000 unter Vorlage einer Ausfertigung des Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrages vom 23.11.1999 nebst beglaubigter Abschrift der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vom 22.3.2000 nach § 15 GBO die "Berichtigung des Grundbuches allein auf Herrn D..." beantragt hat. Dieser Antrag ist am 27.3.2000 beim Grundbuchamt eingegangen und am 30.3.2000 vollzogen worden. Ausweislich des Akteninhalts ist demgegenüber die für den Pfleger für das Verfahren bestimmte Ausfertigung des Genehmigungsbeschlusses erst am 29.3.2000 abgesandt worden und diesem ausweislich der Zustellungsurkunde am Sonnabend, dem 1.4.2000 zugestellt worden. Seine Beschwerde gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist am Montag, dem 3.4.2000 beim Amtsgericht eingegangen. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 17.4.2000 im Hinblick auf die erfolgte Eigentumsumschreibung beim Pfleger für das Verfahren angefragt, ob "die nunmehr unzulässige Beschwerde zurückgenommen werde". Dieser hat mit Schriftsatz vom 15.5.2000 angezeigt, daß die Beschwerde aufrechterhalten werde. Das Landgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluß, auf den wegen der weiteren Sachdarstellung und Begründung Bezug genommen wird (Bl. 186 - 189 d. A.), die Beschwerde als unzulässig verworfen. Es ist der Auffassung, daß nach § 55 Abs. 1 FGG die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht mehr abgeändert werden könne, weil die Genehmigung gegenüber dem Vertragsgegner durch Mitteilung des Amtsgerichts und durch Einreichung der Urkunden beim Grundbuchamt wirksam geworden sei; dies habe gemäß § 62 FGG zur Folge, daß auch das Beschwerdegericht zur Abänderung nicht mehr berechtigt sei. Dagegen wendet sich die Betroffene mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 Abs. 1 S. 1 FGG).

Daran ändert nichts, daß das Landgericht die Erstbeschwerde verworfen hat, weil es die Voraussetzungen der §§ 55, 62 FGG für gegeben gehalten hat; denn mit der weiteren Beschwerde kann die Betroffene durch das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfen lassen, ob das Landgericht die Erstbeschwerde zu Recht für unzulässig erachtet hat; dies prüft das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Begründetheit der weiteren Beschwerde.

Das Rechtsmittel ist auch begründet, weil nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgericht vom 18.1.2000 - Az.: 321/96 - (NJW 2000, 1709 ff. = FamRZ 2000, 731 ff. = FGPrax 2000, 103 ff. = DNotZ 2000, 387 ff. = Rpfleger 2000, 205 ff. = MDR 2000, 655) die Vorschriften der §§ 62 und 55 FGG mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar sind, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen Diese Entscheidung hat gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft (BGBI I 2000, 444). Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet - so das Bundesverfassungsgericht (NJW 2000, 1709, 1710) - einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt. Der Bürger hat danach einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Akte des Rechtspflegers gehören zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Regelung. Soweit sie in Rechte des Bürgers eingreifen, müssen auch diese Akte vollständig, d. h. in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, der richterlichen Prüfung unterstellt werden können. Die Möglichkeit gegen Entscheidungen des Rechtspflegers den Richter anzurufen, ist zwar regelmäßig durch § 11 RPflG eröffnet. Im Anwendungsbereich des § 55 FGG ist diese Möglichkeit aber ab dem Zeitpunkt, in dem die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist, abgeschnitten. Das kann zur Folge haben, daß eine richterliche Überprüfung der Rechtspflegerentscheidung faktisch nicht möglich ist. Dies wird im Falle einer Doppelbevollmächtigung des Notars besonders deutlich. Hier kommt es nicht einmal zu einem nennenswerten "Schwebezustand", währenddessen die Genehmigung zwar erteilt, aber noch nicht wirksam ist. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb ausgesprochen (aaO. S. 1711), daß bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber der zuständige Rechtspfleger in Verfahren der vorliegenden Art von Verfassungswegen verpflichtet ist, vor Erlaß einer in den Anwendungsbereich der §§ 62, 55 FGG fallenden Verfügung diese durch einen beschwerdefähigen Vorbescheid anzukündigen, wenn erkennbar ist, daß die beabsichtigte Entscheidung Rechte Dritter berührt, denen sonst der Rechtsweg gegen die Entscheidung selbst - jedenfalls faktisch - verwehrt wäre.

Daß dies vorliegend - wie schon der Verfahrensgang zeigt - der Fall ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Die Betroffene hat faktisch keine Möglichkeit gehabt, eine richterliche Überprüfung der Rechtspflegerentscheidung herbeizuführen. Zu Recht weist sie zudem darauf hin, daß ihr - entgegen der Annahme im angefochtenen Beschluß - die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht gleichzeitig wie dem beurkundenden Notar zugesandt, ihr vielmehr erst zugestellt worden ist, als das Grundbuchamt schon die Umschreibung vorgenommen hatte. Unter solchen Umständen kann die Verwerfung der Beschwerde angesichts der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr auf §§ 62, 55 FGG gestützt werden. Hat das Beschwerdegericht - wie hier - die Beschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen, so ist die angefochtene Entscheidung in der Regel aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzugeben (Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 66). Eine Sachentscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist vorliegend schon deshalb ausgeschlossen, weil die Sache nicht entscheidungsreif ist, da im Hinblick auf die vom Pfleger für das Verfahren erhobenen Beanstandungen weitere Ermittlungen erforderlich sind (Bodenrichtwert ? Ertragswert ? Reparaturstau ? etc.).

Dem steht schließlich nicht entgegen, daß das Grundbuchamt zwischenzeitlich die Eigentumsumschreibung vorgenommen hat. Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, daß die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu versagen ist, so würde der bislang schwebend unwirksame Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrag vom 23.11.1999 unwirksam werden. Das Grundbuch würde in einem solchen Falle unrichtig sein und müßte berichtigt werden. Der Pfleger für das Verfahren wird zu prüfen haben, ob vorsorglich die Eintragung eines Widerspruchs in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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