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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 20.03.2000
Aktenzeichen: 2 W 140/99
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 16
WEG § 21
WEG § 22
Ein Wohnungseigentümer muß dulden, daß die rechtswidrigen baulichen Ver-änderungen seines Vorgängers auf Kosten der Eigentümergemeinschaft besei-tigt werden, es sei denn, daß die Beseitigungskosten unverhältnismäßig hoch wären.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluß vom 20. März 2000, - 2 W 140/99 -,

2 W 140/99 3 T 55/98 LG Kiel 105 II 3/94 AG Kiel


Beschluß

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage in Kiel

Beteiligte:

1. a) Herr

1. b) Frau

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Stähr pp., Sophienblatt 100, 24114 Kiel -

2. Frau

- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Strubel, Holtenauer Straße 9, 24103 Kiel -

3. Rechtsanwalt als Verwalter

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.) vom 29./30.7.1999 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 5./16.7.1999 durch die Richter

am 20.3.2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.

Der Geschäftswert der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 25.000,- DM festgesetzt.

Gründe

I.

Durch Erklärung vom 25.1.1973 teilte die damalige Eigentümerin das Grundstück in zwei gleichgroße Miteigentumsanteile dergestalt auf, daß mit dem einen das Sondereigentum an dem bereits vorhandenen Einfamilienhaus verbunden war, mit dem anderen das Sondereigentum an einem noch zu errichtenden Einfamilienhaus. Den unbebauten Teil des Grundstücks verkaufte sie am gleichen Tage an die heute noch dort wohnenden Beteiligten zu 1.). Diese ließen auf dem erworbenen Grundstück alsbald einen Flachdachbungalow errichten. Dieser wurde - von der aus gesehen - an der linken (westlichen) Seite des vorhandenen Einfamilienhauses nach hinten versetzt an dieses "angebaut" und zwar auf einer Länge von 4 Metern.

1989 war inzwischen Inhaber des rechten "älteren" Miteigentums ein S geworden, der den hinteren, gegenüber dem vorderen Wohnteil niedrigeren, Anbau, an den der Bungalow der Beteiligten zu 1.) grenzte, in diesem Jahr erhöhen ließ. Dabei wurde der Dachabschluß des Bungalows auf den genannten 4 Metern verändert. Die Folgen bilden seitdem den Hauptstreitpunkt zwischen den Miteigentümern. Die Beteiligten zu 1.) hatten der Baumaßnahme des damaligen Miteigentümers nicht zugestimmt. Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 15.11.1989 ließen sie dem damaligen Miteigentümer einzelne Beeinträchtigungen ihres Bungalows aus damaliger Sicht vortragen und um Vorschläge für Sanierungsmaßnahmen bitten. Als der Miteigentümer nicht wunschgemäß reagierte, ließen sie dem inzwischen beauftragten Rechtsanwalt des Miteigentümers mit Anwaltsschreiben vom 11.7.1990 nochmals die beiden Hauptbeeinträchtigungen (Schallbrücken und Dachentlüftungsverschluß) mit Lösungsvorschlägen vortragen und haben schließlich im Dezember 1990 Klage gegen den Miteigentümer auf Beseitigung sämtlicher fester Verbindungen zwischen den Häusern (die durch die baulichen Veränderungen entstanden waren) erhoben.

Während dieses ersten Verfahrens verkaufte S das Wohnungseigentum an die Beteiligte zu 2.) und deren damaligen Ehemann mit Vertrag vom 9.4.1991. Der Ehemann übertrug seinen Miteigentumsanteil am 22.4.1992 auf die Beteiligte zu 2.). In einer mündlichen Verhandlung vom 15.11.1993 wurde versucht, die richtigen Beteiligten an diesem Verfahren zu klären (die Beteiligten zu 1.) hatten ihre Anträge inzwischen auf die Beteiligte zu 2.) und ihren Ehemann erweitert), wobei die Beteiligten zu 1.) die Hauptsache im Verhältnis zum Voreigentümer für erledigt erklärt haben. Am 15.12.1993 fand dann auf Empfehlung des Amtsrichters eine Wohnungseigentümerversammlung statt, in der der Beteiligte zu 1.) für weitere 5 Jahre zum Verwalter gewählt wurde, während über die streitigen festen Verbindungen zwischen den Häusern der Miteigentümer (wie über die Dachflächenfenster in dem hochgebauten Anbaudach) keine Einigung (keine Mehrheit) gefunden wurde.

Daraufhin hat der Beteiligte zu 1.) als Verwalter mit Schriftsatz vom 20.1.1994 gegen die Beteiligte zu 2.) erneut Antrag auf Beseitigung der festen Verbindungen eingereicht. Dieser Antrag ist mit seinen späteren Veränderungen Gegenstand dieses Verfahrens. Das Amtsgericht hat gemäß Beschluß vom 25.7.1994 ein Sachverständigengutachten über Mörtelbrücken, Störung der Luftzirkulation im Flachdach und über die Ursachen für inzwischen festgestellte Durchfeuchtungen in den an das Eigentum der Beteiligten zu 2.) angrenzenden Räumen der Beteiligten zu 1.) eingeholt. Hierüber liegt das Gutachten des Dipl.-Ing. P vom 20.12.1994 vor. Mit Schriftsatz vom 8.3.1995 hat der Beteiligte zu 1.) seine Anträge "angepaßt" (Ermächtigung des Verwalters zu einer Reihe von Sanierungsmaßnahmen, Duldungspflicht der Beteiligten zu 2.) und Kostentragungspflicht der Beteiligten zu 2.)). Mit Beschluß in der mündlichen Verhandlung vom 19.6.1995 erhielt der Sachverständige P den Auftrag, Vorschläge für die Dachrandsanierung zu erarbeiten. Hierüber liegt das zweite Gutachten P vom 2.10.1995 vor. In der mündlichen Verhandlung vom 22.1.1996 wurde der Sachverständigenauftrag erneut konkretisiert und das darauf vorgelegte Gutachten vom 21.8.1996 mit drei Varianten sowie seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 14.4.1997 waren dann Grundlage für den amtsgerichtlichen mit dem Tenor zu Protokoll erklärten Beschluß vom selben Tage, mit dem die Beteiligte zu 2.) zur Zustimmung zur Rückbaumaßnahme 3 (teilweiser Anbaudachumbau für ca. 20 - 25.000 DM), alle Wohnungseigentümer zur Duldung dieser Rückbaumaßnahme und die Beteiligte zu 2.) zur Erstattung der dadurch verursachten Kosten an die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet worden sind.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2.) hat das Landgericht zunächst den Sachverständigen P erneut angehört. Dieser hat sich wie am 31.3.1998 protokolliert geäußert und dabei eine vierte Sanierungsmöglichkeit ins Gespräch gebracht. Die daraufhin beschlossenen Erkundigungen bei der Firma R teilte der Sachverständige P mit Schreiben vom 17.6.1998 nebst Anlagen mit. Nachdem Vergleichsverhandlungen der Beteiligten über die 4. Sanierungsmöglichkeit (Umbau des Bungalowdaches in ein Warmdach) gescheitert waren, hat der Beteiligte zu 1.) noch zwei private Gutachten zu den verschiedenen Sanierungsmaßnahmen vom 10.8.1998 (T) und vom 18.12.1998 (S) vorgelegt. Nach erneuter mündlicher Verhandlung und Erörterung des Sach- und Streitstandes am 1.6.1999, in der auch festgestellt wurde, daß statt des Beteiligten zu 1.) der Beteiligte zu 3.) zum Verwalter gewählt worden war, und in der der Beteiligte zu 1.) entsprechend nunmehr als Wohnungseigentümer - auch für die Beteiligte zu 1.) - auftrat, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß den Beschluß des Amtsgerichts teilweise geändert und die Beteiligte zu 2.) verpflichtet, in das Flachdach der Beteiligten zu 1.) 10 Dachentlüfter einzubauen, die Undichtigkeit am Regenwasserablauf beseitigen zu lassen und die Kosten dieser Maßnahmen (mit einer Ausnahme) zu tragen. Die weitergehenden Anträge der Beteiligten zu 1.) hat es zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1.) mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Auf Hinweis des Senats vom 20.1.2000 haben sie deutlich gemacht, daß sie den Rückbau des Anbaus zur Beseitigung der veränderungsbedingten festen Verbindungen zwischen den Häusern weiter anstreben.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet, weil das Landgericht mit seiner Entscheidung die Rechtsnormen für rechtswidrige bauliche Veränderungen von Wohnungseigentum nicht richtig angewendet hat (§ 27 FGG, 550 ZPO).

Zutreffend hat das Landgericht allerdings die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2.) für zulässig gehalten. Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde begann erst mit der Zustellung nach § 16 Abs. 2 FGG am 16.12.1997. Die Bekanntmachung zu Protokoll nach § 16 Abs. 3 FGG am 14.4.1997 hätte die vollständige Eröffnung des Beschlusses mit Gründen vorausgesetzt, wenn sie die Frist hätte in Lauf setzen sollen (Keidel/Schmidt RdNr. 25 ff zu § 16 FGG; Staudinger/Wenzel RdNr. 57 ff zu § 44 WEG). Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 516 ZPO fehlt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine ausreichende Grundlage (Keidel-Kahl RdNr. 11 zu § 22 FGG).

In der Sache steht fest und ist praktisch außer Streit, daß die Beteiligten zu 1.) den durch die Veränderung des Anbaus 1989 geschaffenen Zustand nicht dulden müssen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Landgericht jedoch an, daß die Beteiligte zu 2.) zur Beseitigung der dadurch bedingten Störungen verpflichtet ist. Der Senat folgt der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (Staudinger/Bub RdNr. 234 ff zu § 22 WEG; KG WuM 1991, 516; BayObLG WuM 1998, 117), nach der die Sonderrechtsnachfolgerin des Störers, hier die Beteiligte zu 2.), nur zur Duldung der Beseitigungs- und Wiederherstellungsmaßnahme verpflichtet ist. Diese Duldungsverpflichtung gegenüber den Miteigentümern folgt aus § 21 WEG, der gegenseitigen Verpflichtung aller Wohnungseigentümer zu einer der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung. Zu einer solchen sind die Beseitigung von baulichen Störungen und die Wiederherstellung eines störungsfreien baulichen Zustandes ohne weiteres zu zählen. Dadurch bedingte spezielle Einwirkungen auf das Sondereigentum sind von den davon betroffenen Miteigentümern nach § 14 Nr. 4 WEG zu gestatten.

Der Senat vermag dem Landgericht ferner nicht in der Auffassung zu folgen, die von den Beteiligten zu 1.) favorisierten Maßnahmen wären angesichts der Baukosten "treuwidrig". Der Anspruch auf Beseitigung von baulichen Veränderungen hat in der Tat grundsätzlich seine Grenze in der Zumutbarkeit. Das setzt aber voraus, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft die Beseitigung der durch den Umbau verursachten Störungen nur unter unverhältnismäßig großen Kosten erreichen könnte. Davon kann bei der bisher in Rede stehenden Summe (25.000 DM) nach Auffassung des Senats überhaupt nicht die Rede sein (vgl. BayObLG WE 1991, 256 - 258). Andererseits geht es im Rahmen der von den Beteiligten zu 1.) gestellten Anträge auch nicht um einen vollständigen Rückbau des Anbaus, so daß dessen Zumutbarkeit nicht erörtert werden muß.

Schließlich ist rechtlich auch die schon vom Amtsgericht jedenfalls dem Grunde nach ausgesprochene Pflicht der Beteiligten zu 2.), die Kosten des Umbaus zu tragen, nach Auffassung des Senats nicht zu halten. Die vom Amtsgericht herangezogene Regel in § 5 Abs. 1 der Teilungserklärung ist ganz ersichtlich nicht für diesen Fall des Rückbaus rechtswidriger baulicher Veränderungen gedacht. Das Landgericht hat eine Begründung für seine entsprechende Verurteilung nicht gegeben. Die Duldungsverpflichtung der Beteiligten zu 2.) und der entsprechende Wiederherstellungsanspruch der Beteiligten zu 1.) führen zur gemeinschaftlichen Kostenbelastung, die mangels abweichender Vereinbarung für diesen Fall gemäß § 16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis der Anteile zu tragen ist. Wie weit der Voreigentümer, der durch seine rechtswidrigen baulichen Veränderungen die Rückbaunotwendigkeit verursacht hat, gesetzlich und/oder vertraglich zur Erstattung der Kosten verpflichtet ist, kann im Rahmen dieses Verfahrens nicht entschieden werden.

Die Zurückverweisung des Verfahrens ist erforderlich, weil das Landgericht - von seinem Standpunkt über die Unzumutbarkeit der als Variante 3 diskutierten Rückbaumaßnahme aus konsequent - die hierüber bestehenden Meinungsverschiedenheiten der Sachverständigen nicht weiter aufgeklärt hat. Lediglich den vom Privatsachverständigen S angestellten Kostenvergleich mit der Dachentlüfterlösung hat es erörtert. Auf die kostengünstigste Variante kommt es aber bis zur Grenze des Zumutbaren zunächst nicht an. So wird unter Einsatz der bisher bereits beteiligten Sachverständigen, auch soweit sie als Privatgutachter "nur" als sachverständige Zeugen in Betracht kommen, oder auch durch Einsatz weiteren Sachverstandes vollständig zu ermitteln sein, durch welche bautechnisch vertretbare Rückbaumaßnahme der auch vom gerichtlichen Sachverständigen P als optimal einschätzte ursprüngliche Lüftungszustand des Flachdaches (Protokoll vom 31.5.1998) wieder hergestellt werden kann. Dabei wird sich auch herausstellen, wie weit die behauptete Verschlechterung des Schallschutzes mangels Feststellbarkeit des ursprünglichen Zustandes weiterhin auf sich beruhen muß oder mitgeklärt werden kann.

Ende der Entscheidung

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