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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 2 W 155/03
Rechtsgebiete: AuslG, FEVG
Vorschriften:
AuslG § 49 | |
AuslG § 57 II | |
AuslG § 61 | |
AuslG § 63 | |
FEVG § 10 |
2. Der Umstand, dass nicht mehr die Zurückschiebung des Betroffenen betrieben wird, sondern dieser nunmehr abgeschoben werden soll, ist kein Wegfall des Grundes im Sinne des § 10 Abs. 2 FEVG für die bereits angeordnete Sicherungshaft.
2 W 154/03 2 W 155/03 2 W 158/03
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluß
In dem Abschiebehaftverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Betroffenen vom 18.09.2003 und 19.09.2003 gegen die Beschlüsse des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 17.09.2003 (3 T 370+397/03 - 2 W 155/03), 17.09.2003 (3 T 397/03 - 2 W 158/03) und 19.09.2003 (3 T 404/03 - 2 W 154/03) sowie auf das Prozeßkostenhilfegesuch vom 19.09.2003 (zu 2 W 154/03) am 25.09.2003 beschlossen:
Tenor:
Unter Zurückweisung bzw. Verwerfung der sofortigen weiteren Beschwerden im übrigen werden der Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 18.09.2003 und der Beschluß des Landgerichts vom 19.09.2003 (3 T 404/03) aufgehoben. Insoweit wird das Verfahren an das Amtsgericht Oldenburg zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens - zurückverwiesen.
Dem Betroffenen wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde (2 W 154/03) Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Beteiligte zu 2. betrieb und betreibt gegen ihn die Abschiebung in die Türkei. Am 30.07.2003 wurde der Betroffene bei einer polizeilichen Kontrolle in der Nähe von Oldenburg in einem Linienbus angetroffen. Er gab an, über Dänemark nach Norwegen reisen zu wollen, wo er Asylbewerber sei. Er besaß türkische Papiere, von denen die Polizei annahm, daß sie gefälscht seien. Insoweit läuft gegen ihn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1., welche die Zurückschiebung des Betroffenen gemäß § 61 AuslG nach Norwegen beabsichtigte, hat das Amtsgericht Oldenburg angeordnet, den Betroffenen längstens bis zum 31.10.2003 in "Abschiebungshaft" zu nehmen mit der Maßgabe, daß die Entscheidung von der Beteiligten zu 1. vollzogen werde. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß eine Zurückschiebung des Betroffenen ausschied, weil ein Asylantrag in Deutschland abgelehnt worden war und zunächst die deutschen Behörden gehalten waren, das Verfahren durch seine Abschiebung in die Türkei abzuschließen, beantragte die Beteiligte zu 2. unter dem 20.08.2003 beim Amtsgericht Rendsburg, in dessen Bezirk sich der Betroffene zunächst in "Abschiebungshaft" befand, die Anordnung der Sicherungshaft zum Zwecke der Abschiebung. Das Amtsgericht Rendsburg lehnte diesen Antrag durch Beschluß vom 21.08.2003 ab, weil bereits die Sicherungshaft am 31.07.2003 gerichtlich angeordnet sei.
Am 26.08.2003 hat der Betroffene beim Amtsgericht Oldenburg sofortige Beschwerde gegen dessen Beschluß vom 31.07.2003 eingelegt und gleichzeitig unter Hinweis auf § 10 FEVG beantragt, seine sofortige Freilassung anzuordnen. Das Amtsgericht Oldenburg übersandte daraufhin die Akten "auf die sofortige Beschwerde" an das Landgericht. Mit Schriftsatz vom 15.09.2003 an das Landgericht hat der Betroffene erneut seine sofortige Freilassung beantragt und sofortige Beschwerde gegen die "als Ablehnung auszulegende Nichtbescheidung des Freilassungsantrags vom 26.08.2003 durch das Amtsgericht Oldenburg" erhoben. Mit Beschlüssen vom 17.09.2003 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 31.07.2003 als unzulässig verworfen, weil diese verspätet sei (3 T 370/03), den an ihn gerichteten Antrag auf Freilassung als unzulässig zurückgewiesen, weil es dafür nicht zuständig sei (3 T 370+397/03), und ebenfalls die sofortige Beschwerde gegen die "Ablehnung durch Nichtbescheidung" des Amtsgerichts Oldenburg als unzulässig verworfen, weil keine die Freiheitsentziehung betreffende Entscheidung des Amtsgerichts Oldenburg vorliege (3 T 397/03). Den Antrag des Betroffenen vom 17.09. 2003 an das Amtsgerichts Oldenburg auf Bescheidung seines Antrags vom 26.08.2003, hilfsweise auf seine sofortige Entlassung hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 18.09.2003 zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen der Sicherungshaft weiterhin vorlägen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht durch Beschluß vom 19.09.2003 mit im wesentlichen gleicher Begründung zurückgewiesen (7 T 404/03). Gegen die Entscheidungen des Landgerichts in 3 T 370+397/03, 3 T 397/03 und 3 T 404/03 richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden des Betroffenen. Die Beteiligten zu 1. und 2. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 17.09.2003 (3 T 397/03 - 2 W 158/03) ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Am Tage der Einlegung des Rechtsmittels am 18.09.2003 hat das Amtsgericht über den Antrag des Betroffenen vom 17.09.2003 auf Bescheidung des Antrags vom 26.08.2003 auf seine sofortige Entlassung entschieden. Dadurch wurde die vom Betroffenen als Ablehnung gewertete vorangegangene Nichtbescheidung seines Antrags vom 26.08.2003 durch das Amtsgericht Oldenburg, die im Beschwerdeverfahren beanstandet worden ist, gegenstandslos und hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rn. 85, 87 Stichwort: "verfahrensrechtliche Überholung"). Einen Antrag auf Beschränkung der sofortigen weiteren Beschwerde auf die Kostenentscheidung oder einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Entscheidungen hat der Betroffene nicht gestellt, wobei offenbleiben kann, ob vorliegend für den letztgenannten Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen ist.
2. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 17.09.2003 (3 T 370+397/03 - 2 W 155/03) ist nach §§ 3 Satz 2 FEVG, 27, 29 FGG zulässig. Sie ist jedoch aus den rechtsfehlerfreien Gründen der angefochtenen Entscheidung, die auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, unbegründet. Danach ist für die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 10 FEVG allein das Gericht zuständig, das in erster Instanz nach §§ 3 und 4 FEVG entschieden hat (Saage-Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2. Aufl., § 10 FEVG Rn. 15, § 12 FEVG Rn. 5; Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 10 FEVG Rn. 2). Das war hier das Amtsgericht Oldenburg.
3. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 19.09.2003 (3 T 404/03 - 2 W 154/03) ist nach §§ 3 Satz 2 FEVG, 27, 29 FGG zulässig und nach Maßgabe des Ausspruchs begründet.
a) Allerdings stimmt der Senat entgegen der Auffassung des Betroffenen mit dem Landgericht darin überein, daß der Umstand als solcher, daß nunmehr nicht mehr die Zurückschiebung des Betroffenen nach Norwegen durch die Beteiligte zu 1. gemäß § 61 AuslG betrieben wird, sondern seine Abschiebung in die Türkei durch die Beteiligte zu 2. nach § 49 AuslG, kein Wegfall des Grundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FEVG für die am 31.07.2003 vom Amtsgericht Oldenburg angeordnete Freiheitsentziehung nach § 57 Abs. 2 AuslG (Sicherungshaft) ist. Es handelt sich um dieselbe Angelegenheit, weil die wesentlichen Voraussetzungen der Sicherungshaft - Ausreisepflicht und Gefahr der Vereitelung der Abschiebung (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 57 Rn. 11) - gleich bleiben und demselben Zweck, nämlich der Durchsetzung der Ausreisepflicht des Betroffenen dienen. Zutreffend hat das Landgericht auch gewürdigt, daß der Wechsel der Zuständigkeit nach §§ 3 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 2 FEVG von der Beteiligten zu 1. (§ 63 Abs. 4 Nr. 1 AuslG) auf die Beteiligte zu 2. (§ 63 Abs. 1 AuslG) die Identität des Verfahrensgegenstandes - Sicherungshaft - nicht berührt. Sofern ein neuer Antrag im Sinne des § 3 Satz 1 FEVG für erforderlich gehalten wird, hat ihn die Beteiligte am 20.08.2003 jedenfalls gestellt. Die Rechte des Betroffenen werden gemäß § 3 FEVG gewahrt. Ausreisepflicht und Haftgründe sind von Amts- und Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht worden.
b) Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts beruhen jedoch insoweit auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO), als der Sachverhalt von Amts wegen der weiteren Aufklärung bedurfte (§§ 3 Satz 2 FEVG, 12 FGG). Im Hinblick auf die nunmehr beabsichtigte Abschiebung in die Türkei fehlen Angaben der Beteiligten zu 2. über die Durchführbarkeit der Abschiebung und die erforderliche Haftdauer (Marschner/Volckart, § 3 FEVG Rn. 6). Ohne diese Angaben läßt sich nicht überprüfen, ob aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 57 Abs. 2 Satz 3 AuslG) oder ob aus sonstigen Gründen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist. Ferner ist zu ermitteln, ob das Abschiebungshindernis des fehlenden Einverständnisses der zuständigen ermittelnden Staatsanwaltschaft nach § 64 Abs. 3 AuslG gegeben ist (Senatsbeschlüsse vom 6.04.2000 FGPrax 2000, 167; vom 28.07.2000 FGPrax 2000, 214). Zwar hat die Beteiligte zu 2. am 10.09.2003 mitgeteilt, daß die Staatsanwaltschaft Lübeck zu dem bei ihr geführten Ermittlungsverfahren 772 Js 33700/03 keine Bedenken gegen eine Abschiebung habe. Indessen hat der Betroffene vorgetragen, daß dieses Verfahren nunmehr von der Staatsanwaltschaft Bremen geführt werde, von der die erforderliche Stellungnahme nicht aktenkundig ist. Schon wegen der dargestellten ergänzenden Ermittlungen wird zu prüfen sein, ob eine erneute Anhörung des Betroffenen geboten ist (Marschner/Volckart § 10 FEVG Rn. 2: bei Ablehnung Regelfall).
Da die Sache nicht entscheidungsreif ist, war sie zurück zu verweisen, und zwar an das Amtsgericht, weil die weiteren Ermittlungen zweckmäßigerweise von dort geführt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 61).
Ende der Entscheidung
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