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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 2 W 192/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 1836 ff.
BVormVG § 1
FGG § 12
FGG § 15
ZPO § 287
1.)

Eine Abrechnung sämtlicher Telefongespräche eines Betreuungszeitraumes mit der gleichen Zeitdauer (15 Minuten) ist nicht plausibel, eine Auf- und Abrundung auf ganze Minuten dagegen zulässig.

2.)

Wieweit Auf- und Abrundungen bei anderen Tätigkeiten plausibel sind, ist in erster Linie Tatfrage.


Tatbestand:

Der Beteiligte zu 1. ist mit Beschluss vom 18.5.2001 zum Berufsbetreuer für den Betroffenen mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt worden. Am 7.1.2002 hat der Beteiligte zu 1. einen ersten Bericht über seine Tätigkeit bis zum 31.12.2001, ein Vermögensverzeichnis sowie eine Abrechnung seiner Aufwendungen und Vergütung für diese Zeit über 2422,34 € eingereicht. Diese Abrechnung bestand aus einer sechsseitigen tabellenmäßigen Aufstellung seiner Tätigkeiten nach Datum, Art, Dauer (Kilometern, Telefoneinheiten), Stundensatz (Kilometerpauschale) und jeweiliger Summe gegliedert. Für die insgesamt 54 Telefongespräche war jeweils eine Viertelstunde Dauer (und eine unterschiedliche Zahl von Einheiten) eingesetzt. Mit Beschluss vom 30.1.2002 hat das Amtsgericht Vergütung und Aufwendungsersatz antragsgemäß zur Zahlung aus der Staatskasse festgesetzt. Zugestellt hat diesen Beschluss nur der Beteiligte zu 1. erhalten.

Der Beteiligte zu 2. hat gegen ihn am 19./22.8.2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat die pauschalierte Angabe von Zeiteinheiten (15 Minuten oder ein Mehrfaches davon), insbesondere die gleiche Länge aller Telefongespräche gerügt und bei insgesamt 7 Telefongesprächen darauf hingewiesen, dass eines keinerlei Erklärung und 6 lediglich die Erklärung "Terminabsprache" hätten. Diese seien um 10 Minuten zu kürzen und der restliche Zeitaufwand um 10 %.

Nachdem der Beteiligte zu 1. in seiner Stellungnahme zu den konkret beanstandeten Telefonaten zusätzliche Erklärungen abgegeben hatte, hat der Beteiligte zu 2. seine Beschwerde "diesbezüglich zurückgenommen", auf der pauschalen Kürzung aller Positionen aber bestanden.

Das Landgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde zurückgewiesen. Wegen der konkreten Beanstandungen habe der Beteiligte zu 2. seine Beschwerde zurückgenommen und eine pauschale Kürzung komme aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, auch wenn die Abrechnung im "15-Minuten-Takt" erkennbar unrichtig sei. Der Beteiligte zu 2. habe jedoch nicht die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und Zurückverweisung beantragt. Die zugelassene sofortige weitere Beschwerde, mit der der Beteiligte zu 2. sein Anliegen einer pauschalen Kürzung weiter verfolgte, führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Gründe:

Die auch im übrigen zulässige Beschwerde hat im ausgesprochenen Umfang Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung, §§ 27 FGG, 546 ZPO.

Der Senat folgt dem Landgericht in der Kritik der Abrechnung sämtlicher Telefongespräche mit 15 Minuten. Dabei handelt es sich nach der eigenen Darstellung des Beteiligten zu 1. um eine Pauschale für diese Tätigkeit. Dafür liefern die Vergütungsregeln keine Grundlage. Nach § 1836 b S. 1 Nr. 2 BGB kann das Vormundschaftsgericht lediglich die gesamte für die Führung einer Betreuung erforderliche Zeit begrenzen (pauschalieren), nicht die für einzelne Tätigkeiten. Wenn das Amtsgericht die entsprechenden Behauptungen des Beteiligten zu 1. für "plausibel" erklärt hat, überschritt es sein Schätzungsermessen im Rahmen des § 287 ZPO, es durfte diesen Zeitaufwand nicht als ausreichend wahrscheinlich feststellen. Rechtsfehlerhaft hat sich das Landgericht in diesem Punkt an einen Antrag des Beteiligten zu 2. gebunden gesehen. Die Beschwerde war und blieb erkennbar gegen die gesamte Abrechnung gerichtet. Dass sie ein rechtlich nicht vertretbares Ziel, die zehnminütige oder 10 %ige Kürzung der Abrechnung, verfolgte, konnte das Landgericht nicht hindern, den erkannten Fehler in der erstinstanzlichen Entscheidung (hier: die Festsetzung einer gleichen Vergütung für alle Telefongespräche) zu korrigieren oder durch Aufhebung und Zurückverweisung dem Amtsgericht zur Korrektur aufzugeben.

Der Beteiligte zu 1. wird also die Telefongespräche nach tatsächlichem Zeitaufwand abrechnen müssen, wobei sicher Auf- und Abrundungen auf ganze Minuten zulässig sind. Ob solche Auf- und Abrundungen auch im "5-Minuten-Takt" anerkannt werden können, überlässt der Senat zunächst den Tatsacheninstanzen, die in erster Linie dazu berufen sind, die angegebene Dauer von abgerechneten Tätigkeiten anhand der angegebenen Begründungen und der sonst bekannten Umstände nach § 287 ZPO auf ihre Wahrscheinlichkeit zu prüfen.

Der Senat hat bei dieser Entscheidung nicht übersehen, dass das OLG Zweibrücken in einem Beschluss vom 21.6.2000 (BtPrax 2000, 220) in einem äußerlich ähnlich gelagerten Fall die positiven Feststellungen des Landgerichts zur Plausibilität der entsprechenden Betreuerabrechnung ("Zeitaufwand für verschiedene Schreiben und Telefonate ...jeweils pauschal mit 15 Minuten in Ansatz gebracht ...") aus Rechtsgründen nicht beanstandet hat. Darin sieht der Senat jedoch keine Abweichung bei der Auslegung einer verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorschrift (§ 28 FGG), sondern eine im anderen Sachverhalt begründete Abweichung, die nicht zur Vorlage an den BGH nötigt.

Unabhängig von der unzulässigen pauschalen Kürzung um 10 % wird das Amtsgericht auch die übrigen Positionen der Abrechnung vom 7.1.2002 nochmals zu überprüfen haben. Mit der Begründung allein, diese Positionen der Dokumentation seien schon deshalb "unrichtig", also nicht plausibel, unwahrscheinlich, weil ihre Dauer stets mit einer Viertelstunde oder einem Vielfachen davon angegeben sei, lässt sich die Abrechnung allerdings nicht als unzulässig oder unbegründet zurückweisen. Auch insoweit handelt es sich bei ganz unterschiedlichen Tätigkeiten mit unterschiedlicher Dauer offenbar um Auf- oder Abrundungen wie bei Zeitangaben für Telefonate in Minuten- oder 5-Minuteneinheiten (s.o.). Zweifel an deren Plausibilität müssen aus der Beschreibung der Tätigkeit oder anderen Umständen herzuleiten sein. In welchem Umfang das der Fall ist, wird das Amtsgericht anhand der angegebenen Begründungen und der sonst bekannten Umstände nach § 287 ZPO zu prüfen haben. Dabei hat es den auch vom Senat anerkannten Grundsatz zu beachten, dass das Festsetzungsverfahren nicht der minutiösen Überprüfung sämtlicher vom Betreuer entfalteten Tätigkeiten dient, sondern dem Ausschluss missbräuchlicher, überzogener und sachlich völlig ungerechtfertigter Forderungen (OLG Zweibrücken aaO. m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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