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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 2 W 20/02
Rechtsgebiete: BVormVG, AGBtG Schl.-H.


Vorschriften:

BVormVG § 2
AGBtG Schl.-H. § 4
Der in einem anderen Bundesland gesetzlich nicht anerkannte Abschluss eines Studiengangs zur Nachqualifikation von Berufsbetreuern, giltgrundsätzlich nicht als Prüfungsnachweis nach § 4 AGBtG Schleswig-Holstein.
2 W 20/02

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 14.1.2002 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 7.1.2002 durch die Richter und die Richterin am 26.2.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 13.11.2001 gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Eutin vom 26.10.2001 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird für beide Beschwerdeinstanzen auf je 91,06 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. ist seit 1996 Betreuer des Betroffenen, der an einer Oligophrenie 3. Grades leidet und seit 1999 in einem Heim des Vereins zur Förderung der Behindertenselbsthilfe in Schleswig-Holstein e. V. in Mönchnerversdorf geschlossen untergebracht ist. Der Betroffene ist mittellos. Bis zum 31.3.2001 einschließlich hat der Beteiligte zu 1. seine Vergütung stets auf der Basis eines Stundensatzes von 50 DM abgerechnet und bewilligt bekommen. Nachdem er Anfang Juli 2001 den Kontaktstudiengang Betreuerqualifikation an der Fachhochschule Hamburg erfolgreich abgeschlossen hat, hatte er am 21.9.2001 für die Zeit vom 1.4. bis 20.9.2001 unter Berufung auf § 4 des Gesetzes zur Ausführung des Betreuungsgesetzes (AGBtG; eingefügt durch Gesetz vom 17.7.2001 GVBl. S.-H. S. 96) 60 DM pro Stunde in Rechnung gestellt. Nach Anhörung des Bezirksrevisors, der Bedenken gegen die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AG BtG geltend gemacht hat, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.10.2001 die Erhöhung des Stundensatzes auf 60 DM abgelehnt und die Vergütung wie zuvor mit 50 DM pro Stunde berechnet. Die sofortige Beschwerde hat es zugelassen, der Beteiligte zu 1. hat sie eingelegt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Festsetzungsbeschluss antragsgemäß geändert. Zwar seien weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, noch die des § 4 AG BtG, der verlangte Stundensatz sei jedoch aus einer analogen Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG abzuleiten. Dazu hat das Landgericht sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2000 (FamRZ 2000, 1277 = BtPrax 2000, 212) berufen und gemeint, dass eine Kompensation durch verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 BVormVG nicht nur dann vorzunehmen sei, wenn ein Landesgesetzgeber durch Untätigkeit die Anerkennung von Nachqualifikationen verhindere, sondern auch dann, wenn durch Ausgestaltung des jeweiligen Ausführungsgesetzes gem. § 2 BVormVG eine Nachqualifikation unverhältnismäßig erschwert werde. Das sei in Schleswig-Holstein der Fall, da das Ausführungsgesetz lediglich eine Anerkennung auswärtiger Prüfungen vorsehe, für Schleswig-Holsteiner praktisch nur der Hamburger Kontaktstudiengang erreichbar sei, dieser aber mangels gesetzlicher Regelung nicht anerkannt werden könne. Inhaltlich biete der Kontaktstudiengang Betreuerqualifikation Kenntnisse und einen Abschluss, die mit denen einer abgeschlossenen Hochschulausbildung gleichgestellt werden könnten. Hiergegen richtet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors.

II.

Die nach §§ 56 g Abs. 5, 27, 29 Abs. 2 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors ist begründet. Die vom Landgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG stellt nach Auffassung des Senats eine Rechtsverletzung dar (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Voraussetzung für diese vom Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) nahegelegte Einzelfallrechtsprechung der Fachgerichte ist nach dem Inhalt der Beschlussbegründung am Ende der Entscheidung (a. a. O. S. 1280), dass der betreffende Berufsbetreuer in einem Bundesland tätig ist, das weder eine eigene Nachqualifikation noch eine Anerkennung anderer Nachqualifikationen vorsieht, und dass er außerdem Prüfungsnachweise aus einem anderen Bundesland gem. § 2 Abs. 2 u. 3 BVormVG, also aus einer landesgesetzlich geregelten Nachqualifikation beibringt. Nur die Verweigerung der "Anerkennung" einer solchen Nachqualifikation in diesem Fall könnte nämlich als verfassungsrechtlich bedenkliche Verdrängung des betroffenen Berufsbetreuers vom Markt oder als Teilsperrung seiner beruflichen Tätigkeit (im Fall geringerer Vergütung gleich guter Leistung) gewertet werden (Bundesverfassungsgericht a. a. O. S. 1280). So hat das Bundesverfassungsgericht die beiden Beschwerdeführerinnen auch zunächst auf die Qualifikationsangebote anderer Bundesländer verwiesen. Hamburger Berufsbetreuer, die Prüfungsnachweise einer gesetzlich geregelten Nachqualifikation eines anderen Bundeslandes beibrächten und denen die höhere Einstufung versagt würde, weil es in Hamburg bislang keine gesetzliche Übergangsregelung gibt, könnten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für sich reklamieren. Diese Konstellation kann auf die gesetzlich nicht geregelte landeseigene Nachqualifikation eines Hamburger Berufsbetreuers an der Fachhochschule Hamburg - ihre inhaltlich hinreichende Qualität unterstellt - eben sowenig wie auf den vorliegenden Fall eines Schleswig-Holsteiner Berufsbetreuers mit dieser hamburgischen Nachqualifikation übertragen werden. Erschwerungen, die durch die Notwendigkeit von ortsferner Fortbildung und/oder Prüfung entstehen, sieht angesichts der damaligen Konstellation aus Nordrhein-Westfalen offenbar weder das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrige Marktverdrängung oder Teilsperrung an, noch vermag der Senat derartiges darin zu erblicken. Vergegenwärtigt man sich verschiedene örtliche Konstellationen innerhalb eines Bundeslandes (z. B. gesetzlich anerkannte Fortbildungseinrichtung in Flensburg, Berufsbetreuer aus Pinneberg) wird deutlich, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot des Vertrauensschutzes (Bundesverfassungsgericht a. a. O. S. 1279) nicht soweit geht, dass der Pinneberger Berufsbetreuer Anspruch darauf hätte, seine Nachqualifikation im ortsnäheren Hamburg (qualifizierter Studiengang, Prüfung und gesetzliche Regelung vorausgesetzt) zu erwerben. Dass es den Kontaktstudiengang an der Fachhochschule Hamburg gibt, ist im Kontext dieser Argumentation reiner Zufall, gäbe es ihn nicht, müssten die Schleswig-Holsteiner Berufsbetreuer nach § 4 AG BtG ebenfalls von den Qualifizierungsangeboten anderer Bundesländer Gebrauch machen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass z. B. nach der Berliner Regelung (AG BVormVG vom 5.10.1999 und BVormPrüfVO vom 8.12.1999 GVBl. für Berlin S. 539 und 673) die Zulassung zur entscheidenden (nach § 4 AG BtG für Schleswig-Holstein anerkannten) Prüfung nicht davon abhängt, wo der Kandidat seine Fortbildung erworben hat.

Sind die Voraussetzungen für den höchsten Stundensatz mit der vom Landgericht gegebenen Begründung nicht zu schaffen, stellt sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Weder kann der dreisemestrige Kontaktstudiengang mit seinen Leistungsnachweisen als "vergleichbare abgeschlossene Ausbildung" im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG angesehen werden (so auch OLG Celle Nds.Rpfl. 2001, 228) noch erfüllen seine Zeugnisse die Voraussetzungen von § 4 AG BtG, weil sie nicht auf der Grundlage von Ausführungsregelungen zum BVormVG erteilt worden sind. Das hat das Landgericht auch nicht verkannt und sieht der Beteiligte zu 1. selbst so.

Ende der Entscheidung

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