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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.04.2003
Aktenzeichen: 2 W 200/02
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 2
Die Vermutung für die Nutzbarkeit vergütungssteigender Kenntnisse in der konkreten Betreuung entfällt nur, wenn das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Betreuers etwas anderes bestimmt hat
2 W 200/02

Beschluß

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die zugelassene sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 1.11.2002 und die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 11.11.2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 29.10.2002 durch die Richter Lindemann und Schupp und die Richterin Kollorz am 28.4.2003 beschlossen: Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerden wird auf 268 € festgesetzt. Gründe:

I.

Der 1950 geborene Betroffene wurde 1976 wegen Geistesschwäche entmündigt, weil er im Alter von 3 1/2 Jahren an Tuberkulose erkrankt war und dadurch einen Gehirnschaden davongetragen hatte, der eine erhebliche Unterfunktion des Gehirns und eine halbseitige Lähmung bewirkt hatte.

1994 - der Betroffene lebte schon seit Jahren im Psychiatrischen Krankenhaus in Rickling - bestellte ihm das zuständige Vormundschaftsgericht Bad Segeberg einen Vereinsbetreuer für die Aufgabenkreise "Bestimmung des Aufenthalts, Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen und Vertretung der Interessen gegenüber dem psychiatrischen Krankenhaus Rickling, auch im Zusammenhang mit der Kontrolle, ob und wie der Betroffene von den Freifahrtberechtigungen Gebrauch machen kann und Gebrauch macht".

Bei der Überprüfung zur Verlängerung der Betreuung ergab sich, dass der Betroffene inzwischen in ein Wohnheim der Lebenshilfe e.V. in Kaltenkirchen umgezogen war und in einer Werkstatt für Behinderte derselben Einrichtung arbeitete. Die Betreuung wurde verlängert und der dritte Aufgabenkreis wie folgt beschrieben: "Wahrnehmung der Interessen gegenüber der Pflegeeinrichtung, in der der Betroffene lebt oder sich aufhält". Vermögen war nicht zu verwalten, das geringe Arbeitseinkommen sowie die Sozialhilfeleistungen wurden von den betreuenden Einrichtungen verrechnet und ausgezahlt.

Bereits Anfang 2000 hatte der Vereinsbetreuer aus Bad Segeberg die Abgabe der Betreuung an eine fachlich kompetente Person vor Ort angeregt. Nach Abgabe der Sache an das zuständige Amtsgericht Norderstedt und erneuter Bitte des Betreuers um einen Wechsel im Zusammenhang mit seinem Vergütungsantrag bestellte das Amtsgericht Norderstedt am 9.10.2001 den Beteiligten zu 1. zum neuen Betreuer mit denselben Aufgabenkreisen. Der Beteiligte zu 1. war dem Amtsgericht von der Betreuungsbehörde des Kreises Segeberg als Berufsbetreuer ohne besonderen Hinweis auf dessen Fachkenntnisse vorgeschlagen worden. Mit der Vorlage des Vermögensverzeichnisses ("0,00 DM") bestätigte der Beteiligte zu 1. die bisherige finanzielle Situation: "... die Heimkosten und der Barbetrag von DM 165 zahlt das Kreissozialamt Plön. Von den Einkünften der WfB erhöht sich der Barbetrag um DM 108, das Geld verwaltet das Heim. ..." (Bl. 197 d.A.).

Gegen die erste Festsetzung seiner Vergütung für die Zeit vom 9.10.2001 bis 31.12.2001 mit einem Stundensatz von 60 DM durch Beschluss vom 19.3.2002 hat der Beteiligte zu 2. sofortige Beschwerde eingelegt, weil der Beteiligte zu 1. zwar die Fachqualifikation als Diplombetriebswirt habe, diese Fachkenntnisse aber für den Aufgabenkreis der vorliegenden Betreuung nicht nutzbar seien. Das Landgericht hat die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

II.

Die ohne weitere Begründung eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist unzulässig, weil der Beteiligte zu 1. durch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen die den Beteiligten zu 1. begünstigende Vergütungsfestsetzung vom 19.3.2002 nicht in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§§ 29 Abs. 4, 20 FGG).

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, weil der Senat bei der Auslegung des § 1 Abs. 2 BvormVG von den Entscheidungen des OLG Dresden vom 14.3.2000 (FamRZ 2000, 847) und vom 10.7.2000 (FamRZ 2000, 1306) abweichen will.

Wie die mündlichen Erläuterungen des Vorsitzenden des bisher in Dresden zuständigen 15. Zivilsenates (s. Schreiben vom 25.3.2003, Bl. 234 d.A.) und die schriftliche Auskunft des Vorsitzenden des nunmehr zuständigen 3. Zivilsenates vom 25.4.2003 (Bl. 237 d.A.) ausweisen, beruhen die genannten Entscheidungen des OLG Dresden auf der Auffassung, dass die Vermutung des § 1 Abs. 2 BvormVG nur greift, wenn "die Ausbildung des Betreuers zum Kreis seiner Aufgaben passt". An dieser Auffassung hält das OLG Dresden auch fest.

Der Senat möchte sich jedoch der Auffassung des Landgerichts zur Auslegung des § 1 Abs. 2 BvormVG in Übereinstimmung mit dem OLG Zweibrücken (FamRZ 2000, 551 = BtPrax 2000, 89) und mit einem Teil der Kommentarliteratur (Damrau/Zimmermann, 3.Aufl., Rdn. 60 f. zu § 1836 a BGB; Knittel, Kommentar zum Betreuungsgesetz, Stand 1.10.2002, Anm. B 1 (6) zu § 1 BvormVG) anschließen. Danach entfällt die in § 1 Abs. 2 S. 1 BVormVG enthaltene Vermutung für die Nutzbarkeit der besonderen (vergütungssteigernden) Kenntnisse in der konkreten Betreuung nur dann, wenn das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Betreuers etwas anderes bestimmt hat. Das ist hier nicht geschehen. Für diese Auslegung der Vorschrift spricht nach Auffassung des Senats insbesondere die Begründung zum Regierungsentwurf eines Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 11.3.1997 (BtDrucks. 13/7158), wonach diese Regelung (damals noch als § 1836 a Abs.4 BGB konzipiert) sowohl auf eine sachgerechte Risikoverteilung zielte, indem die Staatskasse mit dem Risiko belastet werden sollte, dass ein vom Vormundschaftsgericht falsch ausgewählter, weil überqualifizierter Betreuer eine überhöhte Vergütung erhält, als auch die Notwendigkeit entfallen lassen sollte, dem Gericht zur Begründung der vom Berufsbetreuer beanspruchten Vergütung die Schwierigkeiten der einzelnen Betreuung konkret nachzuweisen. Der bestellte Betreuer sollte sich, falls das Gericht nicht bei der Bestellung etwas anderes bestimmt, grundsätzlich darauf verlassen können, eine der von ihm eingebrachten Qualifikation entsprechende Vergütung zu erhalten (aaO. S.15; s.a. S. 28 zu § 1836 a BGB-E).

Diese Auslegung ist im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, denn der Aufgabenkreis des Beteiligten zu 1. fordert betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse nicht, noch sind diese auch nur abstrakt geeignet, die Tätigkeit des Beteiligten zu 1. für den Betroffenen zu erleichtern.

Ende der Entscheidung

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