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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.02.2005
Aktenzeichen: 2 W 202/04
Rechtsgebiete: PStG


Vorschriften:

PStG § 61 I 3
1. Der Nachlasspfleger darf als gesetzlicher Vertreter der von ihm zu ermittelnden Erben ein rechtliches Interesse im Sinne des § 61 I PStG geltend machen und zur Ausführung seiner Aufgabe Erbensucher ermächtigen. Diese sind zur Einholung von Auskünften berechtigt.

2. § 61 I PStG sieht eine Auskunft aus den sog. Sammelakten eines Standesamtes nicht vor und bietet deshalb insoweit keine Anspruchsgrundlage. § 48 DA ist ein Allgemeine Verwaltungsvorschrift, die den Standesbeamten in zulässiger Weise zu Auskünften aus den Sammelakten befugt, der jedoch grundsätzlich keine Außenwirkung zukommt. Der Standesbeamte muss allerdings die ihm zugebilligten Interpretations- und Handlungsspielräume sachgerecht ausfüllen. Im Ergebnis können sich nach dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgebot insoweit Auskünfte an dritte Personen im wesentlichen nicht auf andere Tatsachen erstrecken als aus den Personenstandsbücher hervorgehen.


2 W 202/04

Beschluss

In der Standesamtssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten vom 18.08.2004 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 2.08.2004 am 14.02.2005 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 27.05.2004 werden aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erteilung einer Auskunft vom 24.10.2003 wird abgelehnt.

Der Geschäftswert beträgt 3.000 Euro.

Gründe:

Der Rechtsanwalt A. wurde zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des eingangs genannten Erblassers bestellt. Sein Wirkungskreis umfasst u.a. die Ermittlung der Erben. Er bevollmächtigte schriftlich die als Genealogen tätigen Beteiligten zu 1., auf eigene Kosten und eigenes Risiko bei der Erbenermittlung mitzuwirken, insbesondere Auskünfte bei Standesämtern einzuholen, beglaubigte Ablichtungen von Einträgen in Personenstandsregistern zu verlangen und Verfahren nach § 45 PStG durchzuführen. Unter Berufung auf diese Vollmacht haben die Beteiligten zu 1. unter dem 24.10.2003 beim Standesamt B. beantragt, die "große Sterbeurkunde" (Fotokopie aus dem Sterberegister) für G. H, gestorben am XYZ. in C., zu erteilen, ferner aus den Sammelakten zu dem Sterbefall mitzuteilen,

1. wann und wo die Verstorbene die Ehe geschlossen hat,

2. wann und wo möglicherweise der Ehemann vorverstorben ist,

3. welche Hinweise über mögliche Abkömmlinge vorliegen.

Das Standesamt hat eine beglaubigte Fotokopie aus dem Sterbeeintrag vom 19.04.1990 erteilt (Bl. 32 d.A.). Er enthält den Hinweis: "Die Verstorbene war Witwe von C..D." Die beantragte Auskunft hat es abgelehnt mit der Begründung, die gewünschten Angaben ergäben sich aus den zu jedem Personenstandsfall geführten Sammelakten, die jedoch gem. § 48 der Dienstanweisung für Standesbeamte (DA) nur insoweit der Akteneinsicht und Auskunft unterlägen, als sie ausschließlich für Zwecke der Beurkundung erhoben worden seien. Dieser Rahmen würde mit der erbetenen Auskunft überschritten.

Mit Schreiben vom 8.01.2004 haben die Beteiligten zu 1. nach § 45 Abs. 1 PStG beim Amtsgericht beantragt, das Standesamt zur erbetenen Auskunft anzuhalten. Bei der verstorbenen G. H. könne es sich möglicherweise um eine Cousine des Erblassers handeln. Dessen Mutter stamme aus einem Ort, der heute in Polen liege, deshalb seien die Ermittlungen von Erben entsprechend schwierig. Zur Beurkundung eines Sterbefalles sei es notwendig, auch den Familienstand einzutragen, so dass auch das Heiratsdatum im weitesten Sinne Bestandteil einer Sterbeurkunde sei. Die Standesamtsaufsicht - Beteiligte zu 2. - ist dem entgegengetreten. Die erbetenen Angaben ergäben sich nicht aus dem eigentlichen Sterbeeintrag, worauf nur ein Anspruch auf Auskunft bestehe.

Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, den Beteiligten zu 1. auch Auskunft darüber zu erteilen, ob G. H. verheiratet war, wann und wo möglicherweise der Ehemann vorverstorben sei und ob Hinweise auf Abkömmlinge vorlägen. Die Auskunft könne auch durch Übersendung der entsprechenden Heirats- bzw. Sterbeurkunden erfolgen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen dessen Beschluss, auf den zur ergänzenden Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 34 bis 37 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., der die Beteiligten zu 1. entgegengetreten sind.

Die nach §§ 27, 29, 21, 22 FGG; 49 PStG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO). Das Landgericht hat im Hinblick auf das gestellte Begehren der Beteiligten zu 1. den Umfang des ihnen vom Gesetz zugebilligten Auskunftsrechts verkannt.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Auskunftsanspruch der Beteiligten zu 1. ergebe sich aus § 61 Abs. 1 Satz 3 PStG. Dieser umfasse die Vorlage der entsprechenden Heiratsurkunde und der entsprechenden Sterbeurkunde. Der Familienstand ergebe sich nicht abschließend aus der bereits übersandten Sterbeurkunde. Denkbar sei, dass Frau G. H. mehrere Ehen geführt habe. Ob sich diese Urkunden überhaupt beim Standesamt B. befänden, sei für die Frage der Auskunftsberechtigung als solche irrelevant. Gegebenenfalls existente Angaben auf dem unteren Rand der bereits übersandten Sterbeurkunde (vgl. zu deren Inhalt § 64 Nr. 2 PStG) seien den Beteiligten zu 1. ebenfalls nach §§ 61 Abs. 1 Satz 3 PStG; 48 DA mitzuteilen. Falls es an den vorgenannten Urkunden bzw. Angaben im Bereich des Standesamtes B.. fehle, seien den Beteiligten die begehrten Auskünfte gleichwohl zu erteilen. Letztlich ziele deren Begehren darauf ab, gegebenenfalls an anderer Stelle Einsicht in relevante Personenstandsurkunden zu nehmen, um Erben zu ermitteln. Dieser Weg wäre den Beteiligten zu 1. abgeschnitten oder erschwert, wenn ihnen dem Standesamt B.. vorliegende Angaben in Sammelakten, Urkunden o.ä., die zur Eintragung in das Personenstandsbuch erforderlich waren, vorenthalten würden. Es handle sich dabei nicht um sensible Daten, sondern nur um unbedenkliche Hinweise im Rahmen der Erbenermittlung. Dass sog. Hinweise § 61 PStG unterlägen, entspreche auch der vom Beteiligten zu 2. zitierten Auffassung des Fachausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamten (StAZ 2004, 138).

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Allerdings sind die Beteiligen zu 1. grundsätzlich im Sinne des § 61 Abs. 1 PStG zur Einholung von Auskünften berechtigt. Der Nachlasspfleger darf als gesetzlicher Vertreter der von ihm zu ermittelnden Erben (§§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1793 Abs. 1 BGB) ein rechtliches Interesse geltend machen und zur Ausführung seiner Aufgabe - wie vorliegend geschehen - Erbensucher ermächtigen (OLG Frankfurt FGPrax 2000, 67; OLG Celle StAZ 1998, 81; LG Bremen StAZ 1998, 83; Palandt/Edenhofer, BGB, 64 Aufl., § 1960 Rn. 17; Hepting/Gaaz § 61 PStG Rn. 60).

Soweit das Amtsgericht das Standesamt .B.. angewiesen hat, Auskunft darüber zu erteilen, ob G.H. verheiratet war, kann dies schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Beteiligten zu 1. diese Auskunft gar nicht verlangt haben und ihnen dieser Umstand bereits aus dem übersandten Eintrag im Personenstandsbuch bekannt war. Im übrigen kann bereits zweifelhaft sein, ob die Beteiligten zu 1. ein rechtliches Interesse an den erbetenen Auskünften schlüssig vorgetragen haben. Danach soll Grundlage der Nachforschungen sein, dass es sich bei G. H. (nur) möglicherweise um eine Cousine des Erblassers handeln könnte. Ein rechtliches Interesse setzt indessen voraus, dass die Kenntnis der Personenstandsdaten eines anderen zur Verfolgung von Rechten erforderlich ist (OLG Frankfurt a.a.O.; Hepting/Gaaz § 61 Rn 42) oder - anders gewendet - der Rechtsbereich davon berührt wird, dass eine Person einen bestimmten Personenstand hat (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 DA). Es kommt also für einen Nachlasspfleger darauf an, ein mögliches Verwandtschaftsverhältnis aufzudecken, das von dem Erblasser ausgeht und im Rahmen der gesetzlichen Erbordnung relevant ist (Hepting/Gaaz § 61 Rn. 57). Vorliegend ist aber ungeklärt, ob die erbetenen Personenstandsdaten für die Erbenermittlung erforderlich sind, weil nicht einmal feststeht, dass G.H. überhaupt mit dem Erblasser verwandt ist. Die Frage kann indessen offenbleiben, weil die Auskunftsbegehren aus anderen Gründen ungerechtfertigt sind.

Die Beteiligten zu 1. beanspruchen ihre Auskunft ausdrücklich anhand der Sammelakten zum Sterbefall G. H. vom 18.04.1990. Eine solche Auskunft sieht § 61 Abs. 1 PStG nicht vor. Diese Vorschrift behandelt nur die Einsicht in Personenstandsbücher (§ 1 Abs. 2 PStG), deren Durchsicht und die Erteilung von Personenstandsurkunden (§ 61 a PStG) sowie in erweiternder Auslegung die Erteilung von Auskünften, die sich aus Personenstandsbüchern und Personenstandsurkunden ergeben (vgl. Fachausschuss des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamten StAZ 2004, 138). Sammelakten enthalten hingegen Schriftstücke, die einzelne Personenstandseinträge betreffen und in besonderen Akten aufzubewahren sind (§ 44 Abs. 3 DA). § 61 Abs. 1 PStG ist für den Bereich des Personenstandsrechts abschließend und lex specialis (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG; § 3 Abs. 3 LDSG S-H; BayObLG StAZ 2004, 362; Hepting/Gaaz § 61 Rn. 5), so dass es an sich an einer Anspruchsgrundlage für Auskünfte aus Sammelakten überhaupt fehlt (OLG Düsseldorf StAZ 1989, 10, 11). Allerdings bestimmt § 48 DA, dass der Standesbeamte nach Maßgabe des § 86 DA Auskünfte aus den Sammelakten erteilen darf, aber nur hinsichtlich solcher Angaben und Unterlagen, die ausschließlich für Zwecke der Beurkundung des Personenstandsfalls erhoben worden sind. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift keinen Anspruch von Betroffenen oder Dritten, sondern nur eine Befugnis für den Standesbeamten formuliert, handelt es sich lediglich um eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift, die nach § 70 PStG vom Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden ist und grundsätzlich keine Außenwirkung entfaltet. Sie wendet sich in erster Linie an die Verwaltung, die jedoch gehalten ist, nach außen Interpretations- und Handlungspielräume sachgerecht auszufüllen (mittelbare Außenwirkung - vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. I, 11. Aufl., 24 IV 2). Diese Regelung ist rechtlich unbedenklich. Hinsichtlich der Erweiterung auf die Sammelakten trägt die Einschränkung auf bestimmte Angaben und Unterlagen hinreichend dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgebot Rechnung. Die Einschränkungen im Verhältnis zu den Datenschutzgesetzen ist hinzunehmen, weil diese (auch) nur Befugnisnormen enthalten (Hepting/Gaaz § 61 PStG Rn. 80). Demnach dürfen insbesondere Auskünfte ohne Einwilligung der Betroffenen nicht erteilt werden, die dem Standesamt nur aus Anlass der Beurkundung des Personenstandsfalles bekannt geworden sind, namentlich ist es grundsätzlich ausgeschlossen, Namen und Anschriften naher Angehöriger eines Verstorbenen mitzuteilen. Im Ergebnis können sich die Auskünfte im wesentlichen nicht auf andere Tatsachen erstrecken als aus den Personenstandsbüchern selbst hervorgehen (OLG Düsseldorf StAZ 1989, 10, 11; LG Mainz StAZ 1988, 106, 107; Hepting/Gaaz a.a.O.; Fachausschuss des Bundesverbandes der deutschen Standesbeamten StAZ 1986, 254). Maßgeblich ist hier der Inhalt des Sterbebuchs (§ 37 PStG) und der Sterbeurkunde (§ 64 PStG). Beide sehen im Hinblick auf die hier begehrten Auskünfte nur die Aufnahme des Vornamens und des Familiennamens des Ehegatten vor oder einen Vermerk, dass der Verstorbene nicht verheiratet war. Demnach hat das Standesamt B. es zu Recht abgelehnt, Auskünfte darüber zu erteilen, wann und wo die Ehe geschlossen worden ist, wann und wo der Ehegatte möglicherweise vorverstorben ist und welche Hinweise über mögliche Abkömmlinge vorliegen.

Ende der Entscheidung

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