Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 2 W 252/07
Rechtsgebiete: BNotO, FGG


Vorschriften:

BNotO § 15 Abs. 2
FGG § 13a Abs. 1 Satz 1
1. Nach Rücknahme der Notarbeschwerde hat die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten gemäß § 15 Abs. 2 BNotO, 13a Abs. 1 Satz 1 FGG nach billigem Ermessen zu erfolgen. §§ 516 Abs. 3, 565 ZPO sind nicht entsprechend anwendbar.

2. Es entspricht grundsätzlich der Billigkeit, wenn derjenige, der ein Rechtsmittelverfahren in Gang gebracht und sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, die einem anderen dadurch entstandenen Kosen zu erstatten hat.

3. Als besondere Umstände, die ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung rechtfertigen, kommt u. a. in Betracht, in welchem Maße die Einlegung des Rechtsmittels bei objektiver Betrachtungsweise veranlasst war und/oder seine Rücknahme auf Grund eines gerichtlichen Hinweises bei schwieriger Rechtslage erfolgte.


2 W 252/07

In der Beschwerdesache nach § 15 Abs. 2 BNotO

betreffend die Amtsführung des Notars ______ in ____ ,

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 25.10.2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 12.10.2007 durch die Richter ______ am 30.01.2008 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Für die zweite Instanz (Landgericht) wird eine Kostenerstattung nicht angeordnet.

Die dritte Instanz (Oberlandesgericht) ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind darin ebenfalls nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert für die dritte Instanz wird auf 3.015,70 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Kaufvertrag vom 23.02.2007, der unter der eingangs erwähnen Bezeichnung vom betroffenen Notar beurkundet wurde, verkaufte die Beteiligte zu 2. ihr mit einem Mühlengebäude bebautes Grundstück an den Beteiligten zu 1. zum Kaufpreis von 1.140.000,00 Euro, der am 15.09.2007 auf das Anderkonto des Notars gezahlt werden sollte. Gemäß § 2 Abs. 3 des Vertrages wurde der Notar von den Vertragsparteien unwiderruflich angewiesen, den nicht zur Ablösung von Grundpfandrechten benötigten Teil des Kaufpreises an die Verkäuferin auf deren Konto auszuzahlen, sobald die vertragsgemäße Eigentumsumschreibung auf den Namen des Käufers im Grundbuch gewährleistet werden konnte und der Käufer oder der Makler dem Notar bestätigt haben, dass der Kaufgegenstand geräumt ist. Das Nichtvorliegen der grunderwerbssteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung sollte kein Auszahlungshindernis sein. Der Beteiligte zu 1. überwies den Kaufpreis bereits Ende März 2007 auf das Notaranderkonto und schenkte mit notariellem Vertrag vom 21.03./15.05.2007 das Mühlengrundstück an die Stadt W. Durch Beschluss vom 18.07.2007 bestellte das Amtsgericht Niebüll S zum Betreuer des Beteiligten zu 1. u. a. mit dem Aufgabenkreis Wahrnehmung der Vermögensinteressen einschließlich Immobilienangelegenheiten. Ferner ordnete es insoweit einen Einwilligungsvorbehalt an. Mit Schreiben vom 10.08.2007 teilten die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. dem Notar mit, dass der Kaufvertrag vom 23.02.2007 wegen Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten zu 1. nichtig sei, und forderten ihn auf, zu erklären, dass er sich jeder Verfügung über den hinterlegten Kaufpreis enthalte, und diesen auf ein bestimmtes Anderkonto zu überweisen. Mit Schreiben vom 30.08.2007 antwortete der Notar, dass ihm alle zur vertragsgemäßen Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorlägen. Er werde vertragsgemäß zugunsten der Verkäuferin über den Kaufpreis verfügen, wenn ihm nicht bis zum 17.09.2007 nachgewiesen werde, dass beim Landgericht eine Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO eingelegt worden sei. Den Antrag des Beteiligten zu 1. an das Landgericht, der Beteiligten zu 2. im Verfahren der einstweiligen Verfügung aufzugeben, vorläufig in den Verbleib des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto einzuwilligen, lehnte dieses durch Beschluss vom 12.09.2007 - 4 O 310/07 - ab. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1. am 1.10.2007 sofortige Beschwerde ein (1 W 52/07 Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht).

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. haben am 17.09.2007 Notarbeschwerde erhoben mit dem Antrag, dem Notar aufzugeben, die Auszahlung des Kaufpreises bis zu rechtskräftigen Entscheidung der Frage, ob der Beteiligte zu 1. zum Zeitpunkt der Abgabe der maßgeblichen Willenserklärungen geschäftsfähig war und der Kaufvertrag wirksam ist, zu unterlassen. Mit Schreiben vom 18.09.2007 hat das Landgericht den Beteiligten zu 1. darauf hingewiesen, dass die Notarbeschwerde nach der Rechtsprechung der Kammer keinen Erfolg habe dürfte, weil die Voraussetzungen der Eigentumsumschreibung gegeben seien und die Verkäuferin auf der Erfüllung des Vertrages bestehe. Gleichzeitig hat es eine Abschrift seines Hinweises und der Beschwerde der Beteiligten zu 2. zur Stellungnahme zugeleitet. Am 20.09.2007 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag am 24.09.2007 näher begründet. Am 4.10.2007 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. die Beschwerde zurückgenommen. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss dem Beteiligten zu 1. die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Ferner hat es angeordnet, dass der Beteiligte zu 1. der Beteiligten zu 2. deren darin erwachsenen außergerichtlichen Kosten nach § 13a FGG zu erstatten habe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dies entspreche der Billigkeit, weil sich der Beteiligte zu 1. durch die Rücknahme des Rechtsmittels freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben habe. Besondere Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Gegen die Entscheidung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1., welcher die Beteilige zu 2. entgegengetreten ist. Durch Beschluss vom 24.10.2007 hat im Verfahren der einstweiligen Verfügung der Einzelrichter des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts den Beschluss des Landgerichts vom 12.09.2007 geändert und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

II.

Die nach §§ 15 Abs. 2 BNotO; 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

1. Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten nach Rücknahme der Notarbeschwerde gemäß §§ 15 Abs. 2 BNotO, 13a Abs. 1 Satz 1 FGG nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (BGH NJW 1958, 1493; Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 13a Rn. 42, 42b m.w.Nw.). §§ 516 Abs. 3, 565 ZPO sind entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. nicht entsprechend anwendbar. Es trifft ferner zu, dass auch die Beteiligte zu 2. im Sinne des § 13a Abs. 1 FGG "an der Angelegenheit beteiligt" ist, denn sowohl Käufer als auch Verkäufer sind materiell am Hinterlegungsverhältnis beteiligt, wenn - wie hier - bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages die Einrichtung des Notaranderkontos der gegenseitigen Sicherung der beiderseitigen Vertragserfüllung dient (OLG Hamm DNotZ 2000, 379). Nicht zu beanstanden ist auch der allgemein anerkannte Grundsatz, dass es grundsätzlich der Billigkeit entspricht, wenn derjenige, der ein Rechtsmittelverfahren in Gang gebracht hat, die einem anderen dadurch entstandenen Kosten zu erstatten hat, wenn er das Rechtsmittel zurücknimmt (BGH a.a.O.; Keidel/Zimmermann a.a.O: m.w.Nw.).

2. Jedoch ist die pauschale Auffassung des Landgerichts, besondere Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigten, seien nicht ersichtlich, ermessensfehlerhaft, weil es damit wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1405). Als besondere Umstände, die ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung rechtfertigen, kommt u. a. in Betracht, in welchem Maße die Einlegung des Rechtsmittels bei objektiver Betrachtungsweise veranlaßt war und/oder seine Rücknahme auf Grund eines gerichtlichen Hinweises bei schwieriger Rechtslage erfolgte (vgl. KG NJW-RR 1993, 831; BayObLG FamRZ 1998, 436). So liegt es hier zur Überzeugung des Senats. Der Notar hat den Antrag des Beteiligten zu 1. auf Unterlassung der Auszahlung nicht schlechthin abgelehnt, sondern die Auszahlung angekündigt, wenn nicht der Beteiligte bis zum 17.09.2007 Notarbeschwerde einlege. Mithin war der Beteiligte zu 1. - wollte er die Auszahlung verhindern - gehalten, diesen Weg zu beschreiten. Der vom Notar gewiesene Weg war zwar grundsätzlich möglich (vgl. § 54 c Abs. 5 BeurkG), jedoch an sich von vornherein ungeeignet, weil die Beteiligten nicht darüber stritten, ob der Notar sich hinsichtlich der Frage der Auszahlung pflichtgemäß oder pflichtwidrig verhielt, sondern ob der Vertrag nichtig war oder nicht (vgl. Brambring DNotZ 1990, 615, 641; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 23 Rn. 139). Eher hätte sich für den Notar angeboten, entsprechend § 54c Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BeurkG zu verfahren, das heißt die Beteiligten darauf zu verweisen, vor einer Auszahlung das rechtskräftige Ergebnis des bereits seit dem 31.08.2007 anhängigen Verfahrens der einstweiligen Verfügung abzuwarten. Dieses endete durch Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24.10.2007 mit dem Ergebnis, dass die Beteiligte zu 2. vorläufig verpflichtet wurde, in den Verbleib des hinterlegten Kaufpreises auf dem Anderkonto des Notars bis zur Entscheidung in der Hauptsache einzuwilligen. Ein Verfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO hätte sich dadurch erübrigt.

Ferner erschien die vom Notar selbst angeregte Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg. Zwar mag die aus dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar ableitbare Auffassung des Landgerichts in seinem Hinweis vom 18.09.2007 grundsätzlich Einiges für sich haben, § 54c Abs. 3 BeurkG sei nach Vorliegen der Auszahlungsreife nicht mehr anwendbar, weil nur noch eine einseitige Verwahrung zugunsten des Verkäufers vorliege. Andererseits ist zu erwägen, dass vorliegend möglicherweise die Folgen der vorgetragenen Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten zu 1. nach §§ 104 Nr. 2, 105 BGB nicht nur die materiellrechtlichen Willenserklärungen des Kaufvertrages, sondern auch die darin erteilten verfahrensrechtlichen Verwahrungsanweisungen erfassen. Das Verwahrungsverhältnis dauert bis zu Auszahlung an und solange greift auch die Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO (vgl. Brambring a.a.O. S. 640; Arndt/Lerch/Sandkühler a.a.O. § 15 Rn. 89; Schippel/Bracker/Reithmann, BNotO, 8. Aufl., § 23 Rn. 29). Ob § 54d BeurkG vorliegend zum Schutze eines (unterstellt) Geschäftsunfähigen ausreicht, ist zweifelhaft, zumal der Beteiligte zu 1. die Gegenleistung des Kaufpreises - das Grundstück - an die Gemeinde W verschenkt hatte. Sein Vorbringen zu seiner Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 23.02.2007 war auch "plausibel" (vgl. zu dieser Anforderung Arndt/Lerch/Sandkühler a.a.O. § 23 Rn. 132), wie zutreffend das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in seinem schon erwähnten Beschluss vom 27.10.2007, den die Beteiligten kennen, im Einzelnen aufgeführt hat. Auf Grund der von ihm eingereichten ärztlichen Unterlagen sprechen gute Gründe dafür, dass der Beteiligte zu 1. sich im maßgeblichen Zeitraum in einer akuten manischen Phase einer medikamentenindizierten psychischen Erkrankung befand. Die von ihm getätigten Rechtsgeschäfte erscheinen demgemäß situationsunangemessen und nicht nachvollziehbar.

Ein Anlass, einen der Beteiligten mit der Erstattung außergerichtlicher Kosten zu belasten, ist nicht ersichtlich (§§ 15 Abs. 2, 13a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Ende der Entscheidung

Zurück