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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 2 W 4/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 181
BGB § 1795
BGB § 1896
BGB § 1899
BGB § 1908 i
1. Die Bestellung eines "Ergänzungsbetreuers" im Sinne des § 1899 IV BGB kommt nur in Betracht, sofern der bereits bestellte Betreuer im Bereich des ihm übertragenen Aufgabenkreises teilweise an der Besorgung der Angelegenheiten verhindert ist.

2. Ungeachtet der Möglichkeit der Bestellung eines Kontrollbetreuers im Sinne des § 1896 III BGB ist im Falle ersichtlicher Eigeninteressen eines Bevollmächtigten die Bestellung eines Betreuers jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn dem Bevollmächtigten sogar das Selbstkontrahieren gestattet worden ist.


2 W 4/03

Beschluss

In der Betreuungssache

betreffend die am 21.01.1921 geborene Frau ...

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 3.01.2003 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 16.12.2002 durch die Richter Waßmuth und Schupp sowie die Richterin Kollorz am 13.11.2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Unter Wiederherstellung des Beschlusses des Amtsgerichts Niebüll vom 5.08.2002 insoweit wird die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2. zurückgewiesen. Damit bleibt der Antrag der Beteiligten zu 2. auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers abgelehnt.

Die Beteiligte zu 2. hat der Betroffenen die im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

In notarieller Urkunde vom 30.09.1994 (Urk.-Ro. Nr. 159/1994 des Notars Dr. M. in T.) erteilte die Betroffene dem Beteiligten zu 1. die unbeschränkte Generalvollmacht, sie in sämtlichen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Darin wurde der Beteiligten zu 1. auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, was dahin erläutert wurde, dass die Betroffene ihm gestatte, in ihrem Namen mit sich in eigenem Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Die Vollmacht wurde über den Tod der Betroffenen hinaus erteilt. Durch Beschluss vom 18.07.2001 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1. zum Betreuer der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringungsmaßnahmen sowie Gesundheitsfürsorge einschließlich der Veranlassung notwendiger Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztlicher Eingriffe. Die Betroffene ist Alleineigentümerin dreier Grundstücke, von denen eines mit einem zur Zeit nicht bewohnten Wohnhaus bebaut ist, eingetragen im Grundbuch von L. Blatt 881, und zwar zum hälftigen Anteil als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes Heinz Ernst P. Zugunsten der Beteiligten zu 1. bis 3. ist die Nacherbfolge nach ihrem Vater Heinz Ernst . angeordnet. Ferner ist zugunsten des Beteiligten zu 1. auf jedem Grundstück ein vererbliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle im Grundbuch eingetragen. Das persönliche Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. ist zerrüttet. Unter den Geschwistern wurde erörtert, die Grundstücke möglicherweise zu veräußern.

Am 10.06.2002 hat die Beteiligte zu 2. beantragt, den Beteiligten zu 1. als Betreuer zu entlassen, hilfsweise einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen, da mit Rücksicht auf seine Stellung als Nacherbe und Vorkaufsberechtigter eine Interessenkollision bestehe. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 5.08.2002 für die bestehende Betreuung eine Überprüfungsfrist von 5 Jahren festgesetzt, angeordnet, dass der Beteiligte zu 1. weiterhin in seinem Amt als Betreuer bleibe und die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2. Beschwerde eingelegt, mit der sie die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers verfolgt hat. Das Landgericht hat unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses insoweit für die Betroffene für die Veräußerung des im Grundbuch von L. Blatt 881 verzeichneten Grundbesitzes eine Ergänzungsbetreuung angeordnet. Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 102 bis 104 d. A.), richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1., der die Beteiligte zu 2. entgegengetreten ist.

Die nach §§ 69 g, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt, hinsichtlich des beabsichtigten Verkaufs bestehe eine klassische Interessenkollision im Sinne der §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1795, 181 BGB. Die Notwendigkeit der Ergänzungsbetreuung ergebe sich insbesondere wegen der hier erforderlichen Erbauseinandersetzung zwischen den Beteiligten. Der Betroffene sei gemäß § 181 BGB daran gehindert, die erforderlichen Erklärungen wegen der bestehenden Vor- und Nacherbschaft einerseits als Vertreter der Betroffenen und andererseits zugleich im eigenen Namen vorzunehmen. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.

Das Landgericht hat der Sache nach keine Ergänzungsbetreuung im Sinne des § 1899 Abs. 4 BGB angeordnet, sondern die Bestellung eines weiteren Betreuers im Sinne des 1899 Abs. 1 BGB. Eine Ergänzungsbetreuung wäre gegeben, wenn ein Betreuer im Bereich des ihm übertragenen Wirkungskreises teilweise an der Besorgung der Angelegenheiten verhindert ist (OLG Zweibrücken NJWE-FER 1999, 272; Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1899 Rn. 2). So liegt es hier nicht, weil der Beteiligte zu 1. nicht für die Vermögenssorge zum Betreuer bestellt ist, sondern lediglich für die Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge der Betroffenen. Die Bestellung eines weiteren Betreuers für die Veräußerung des Grundbesitzes der Betroffenen bedeutet die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung, die grundsätzlich die Einholung eines neuen Gutachtens und die erneute Anhörung der Betroffenen voraussetzt (§§ 69 i Abs. 5 und 1; 68 Abs. 1, 68 b FGG). Ob hier davon abgesehen werden konnte, weil nur eine unwesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises anzunehmen ist (§ 69 i Abs. 1 Satz 2 BGB), kann offen bleiben, weil das Landgericht verkannt hat, dass die Bestellung eines weiteren Betreuers nicht erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 BGB). Da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, kann der Senat darüber selbst entscheiden.

Nach § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist insbesondere nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Hier hat die Betroffene dem Beteiligten zu 1. in notarieller Form wirksam eine Generalvollmacht erteilt, sie in sämtlichen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass insbesondere hiervon Grundstücksgeschäfte ausgenommen sein sollen oder die Vollmacht dann nicht gelten soll, wenn für die Betroffenen die Voraussetzungen des § 1896 BGB vorliegen. Solche Umstände hat das Landgericht auch nicht aufgeführt. Soweit es meint, der Beteiligte zu 1. sei gemäß § 181 BGB daran gehindert, die zu einer Veräußerung des Grundbesitzes erforderlichen Erklärungen wegen der Vor- und Nacherbschaft einerseits als Vertreter der Betroffenen und andererseits zugleich im eigenen Namen vorzunehmen, hat es übersehen oder sich jedenfalls nicht damit auseinandergesetzt, dass die Betroffene ihm - gesetzlich zulässig - ausdrücklich das Selbstkontrahieren gestattet hat. Bereits die Betroffene hat den möglichen Interessenkonflikt dahin entschieden, dass der Beteiligte zu 1. gleichwohl als ihr Vertreter handelt, weil er offenbar bereits damals ihr volles Vertrauen genossen hat. Diese Entscheidung der Betroffenen kann nicht ohne weiteres dadurch unterlaufen werden, dass dem von ihr Bevollmächtigten durch die gerichtliche Bestellung eines Betreuers im Ergebnis die Vollmacht entzogen wird. Zwar ist zu erwägen, ob ein Kontrollbetreuer im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen ist. Dies setzt jedoch voraus, dass auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles ein konkretes Bedürfnis für eine Überwachung feststellbar ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Umfang oder die Schwierigkeit der zu besorgenden Geschäfte oder ein vorangegangenes Verhalten des Bevollmächtigten eine Überwachung angezeigt erscheinen lassen (Senatsbeschluss vom 27.11.2002 SchlHA 2003, 171). Diese Voraussetzungen sind hier bisher nicht gegeben. Das in Betracht kommende Grundstücksgeschäft stellt eine allenfalls durchschnittliche Angelegenheit dar. Die vom Beteiligen zu 1. insbesondere in seinem Schreiben vom 1.05.2002 an den Bevollmächtigten der Beteiligten zu 2. skizzierten Schritte im Zusammenhang mit einer eventuellen Veräußerung des Grundbesitzes sind sinnvoll und lassen keinerlei Parteilichkeit oder sonstige unsachliche Erwägungen erkennen.

Nach allem konnte der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.

Die Entscheidung über die Auslagen beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. In Betracht kommt die eventuelle Verpflichtung der Betroffenen gemäß §§ 137 Nr. 16, 93 Abs. 2 KostO; 67 Abs. 3 FGG; 1836 c BGB.

Ende der Entscheidung

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