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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 2 W 66/02
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 22
FGG § 12
Die Eigentümergemeinschaft muß nicht bei jedem Einbau eines Dachflächenfensters zustimmen, es sei denn, daß der Gesamteindruck zu einer ästhetischen Verschlechterung führt.
2 W 66/02

Beschluß

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 9.04.2002 gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 22.03.2002 durch die Richter am 18.09.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde - an das Landgericht Itzehoe zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt 1.000 Euro.

Gründe:

Die Anlage besteht aus einem einstöckigen Block mit 3 Eingängen, die zu je vier Wohnungen führen. Am 27.07.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer durch unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluß die Erneuerung der Dacheindeckung einschließlich der Dachrinnen und Fallrohre. Im Zuge dieser Maßnahme erhielt das neue Dach eine 14 cm starke Klemmfilzdämmung mit Dampfsperrfolie und wurden die einfach verglasten Dachflächenfenster durch zweimal sechs nach Abstand und Höhe gleichmäßig angeordnete Isolierglasfenster vornehmlich zur Beleuchtung der Trockenräume ersetzt. Dabei traten in den 24 Bodenkammern, die durch Drahtgitter getrennt waren und jeweils ein Lichtpfannenpaar hatten, an die Stelle von jeweils zwei Lichtpfannenpaaren je ein Isolierglasfenster. Zum Bodenraum des Beteiligten zu 1. wurde das Dachflächenfenster etwas versetzt angebracht, so daß sich die Ausleuchtung durch Tageslicht verschlechterte. Zum Ausgleich wurden die alten Drahtgitterleuchten durch zusätzlich am Firstbalken angebrachte Leuchtstofflampen ergänzt. Auf die den äußeren Zustand des Daches vor und nach der Maßnahme wiedergebenden Fotos Bl. 6/7, 44/45 und 71 d.A. wird ergänzend Bezug genommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 1. stimmten die Wohnungseigentümer in der Versammlung am 30.07.2001 darüber ab, ob jeder Eigentümer zu eigenen Lasten ein weiteres Dachflächenfenster einbauen dürfe, wobei die künftige Instandhaltung und Erneuerung ebenfalls dem Eigentümer obliege und auch mit dem Verkauf der Wohnung auf den neuen Eigentümer übergehe sowie der Einbauort mit dem Verwaltungsbeirat und der Hausverwaltung abgestimmt werden müsse. Die Versammlung lehnte mehrheitlich die Zustimmung zum Einbau eines weiteren Dachflächenfensters ab.

Diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1. angefochten. Er hat geltend gemacht, der Dacherneuerung fehle die Rechtsgrundlage, weil die Wohnungseigentümer nur allstimmig darüber hätten beschließen können. Durch die bauliche Veränderung würden das äußere Erscheinungsbild der Anlage und ihre Funktionalität beträchtlich beeinflußt, auch würden die Eigentümer ungleich behandelt, weil zum Teil - wie bei ihm - die Ausleuchtung der Bodenräume nicht mehr gewährleistet sei. An sich könne er deshalb die Rückkgängigmachung der Maßnahme verlangen. Jedenfalls habe er das Recht, im Bereich seiner Dachkammer zur Wiederherstellung der Lichtverhältnisse ein Dachflächenfenster einzubauen. Eine bauliche Veränderung sei darin nicht zu sehen. Zumindest würden dadurch die Rechte der Eigentümer nicht beeinträchtigt, da das äußere Erscheinungsbild der Anlage und auch die Wärmedämmung nicht nachteilig verändert werde Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

1. den Beschluß der Eigentümerversammlung vom 30.07.2001 zu TOP 4 - soweit der Einbau eines weiteren Dachflächenfensters Gegenstand ist - für ungültig zu erklären,

2. festzustellen, daß er keines einstimmigen Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Einbau eines weiteren Dachflächenfensters gleicher Art wie die vorhandenen durch eine Fachfirma im Bereich des ihm zur Nutzung zugewiesenen Bodenraumes bedarf,

3. hilfsweise die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verpflichten, ihm die Zustimmung zum Einbau eines weiteren Dachflächenfensters gleicher Art durch eine Fachfirma im Bereich des ihm zur Nutzung zugewiesenen Bodenraumes zu erteilen.

Die übrigen Beteiligten sind dem entgegengetreten. Das Amtsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß, auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 80 - 83 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1., deren Zurückweisung die übrigen Beteiligten beantragen.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist im eingangs genannten Umfang erfolgreich. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt: Der vom Beteiligten zu 1. beabsichtigte Einbau des Dachflächenfensters stelle eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG dar, weil damit in die Substanz des im Gemeinschaftseigentum stehenden Daches eingegriffen werde. Die danach grundsätzlich erforderliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer wäre nur dann entbehrlich, wenn der Einbau keinen Nachteil verursachen würde, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe. Ein derartiger Nachteil liege jedoch vor. es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung und sei gerichtsbekannt, daß die Gefahr von Undichtigkeiten und entsprechender Feuchtigkeitseinwirkung im Bereich von Randanschlüssen an Dachfenster größer sei als im Bereich von geschlossenen Dachflächen. Diese erhöhte Reparaturanfälligkeit des Daches mit der damit verbundenen Kostenlast müßten die übrigen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen. Ferner stelle der Einbau eine Dachflächenfensters immer einen so erheblichen Eingriff in die optische Gestaltung der Wohnanlage dar, daß hierzu die Zustimmung aller Sondereigentümer erforderlich sei. Auf die Frage, ob diese Fenster sich ästhetisch in die Wohnanlage einpaßten und architektonisch nicht zu beanstanden seien, komme es nicht an, da kein Wohnungseigentümer eine deutliche Umgestaltung des Hauses hinnehmen müsse. Diese Ausführungen unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zutreffend hat allerdings das Landgericht den begehrten Einbau des Dachflächenfensters als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG gewürdigt. Eine solche bauliche Veränderung liegt bei jeder auf Dauer angelegten Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums durch eine Baumaßnahme vor (BayObLG WuM 2002,443; Weitnauer-Lüke, WEG, 8. Aufl., § 22 Rn. 6). Das ist hier gegeben, weil Dachfläche und Wärmedämmung unterbrochen und durch ein Fenster ersetzt werden soll. Der Einbau stellt ersichtlich auch keine Maßnahme der Instandhaltung oder - setzung dar. Die Auffassung des Beteiligten zu 1., ihm stehe wegen der Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses vom 27.07.2000 ein Anspruch auf Wiederherstellung der früheren Lichtverhältnisse zu, ist verfehlt. Dieser Beschluß war unter dem Gesichtspunkt modernisierender Instandsetzung des gesamten Daches nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 3 WEG als Mehrheitsbeschluß wirksam (vgl. Weitnauer-Lüke, § 21 Rn. 34), denn - abgesehen von der Erneuerung des Daches selbst - wurde durch den Einbau der Wärmedämmung und isolierverglaster Dachflächenfenster sowie den Wegfall der Lichtpfannen die Wämeisolierung verbessert. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Beteiligten zu 1. durch den verminderten Lichteinfall ist zu verneinen, denn es ist nicht ersichtlich, daß er einen Anspruch auf Beleuchtung der Bodenkammer hat, die derjenigen von Wohnräumen entspricht. Die Bodenkammern erfüllen - anders als die Trockenräume - lediglich den Zweck von Abstellräumen. Wofür zum Abstellen von Gegenständen in den durch Maschendraht voneinander getrennnten Bodenkammern die Beleuchtung durch jeweils ein eigenes Dachflächenfenster erforderlich ist, hat der Beteiligte zu 1. an keiner Stelle deutlich gemacht.

Zu beanstanden sind jedoch die Ausführungen des Landgerichts zum Zustimmungserfordernis der Wohnungseigentümer zum beabsichtigten Einbau des Dachflächenfensters, weil ihre Rechte über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Unter Nachteil im Sinne dieser Vorschriften wird verstanden jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, wobei darauf abzustellen ist, ob nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständigerweise beeinträchtigt fühlen kann (Weitnauer-Lüke, § 22 Rn. 12 m.w.Nw.).

Rechtsfehlerhaft ist zunächst die Auffassung, der Einbau eines Dachflächenfensters stelle immer einen so erheblichen Eingriff in die optische Gestaltung der Wohnanlage dar, daß hierzu die Zustimmung aller Sondereigentümer erforderlich sei. Kein Wohnungseigentümer brauche eine deutliche Umgestaltung seines Hauses hinzunehmen. Der Senat vertritt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1979, 817,819; 1992,978,979) und insbesondere des BayObL (WuM 2002,443; ZMR 1999,837,838; 1997,152,153; WuM 1994,564,565) die Auffassung, daß optische und architektonische Veränderungen des Gemeinschaftseigentums die Rechte anderer Wohnungseigentümer nur beeinträchtigen, wenn sie eine Verschlechterung des Gesamteindrucks darstellen (NJW-RR 1999,666, 667; vgl weiter OLG Zweibrücken ZMR 1999,855,856 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung m.w.Nw.). Von einem "Nachteil" im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG oder einer "Beeinträchtigung" im Sinne der eingangs genannten Definition kann nur gesprochen werden, wenn der optische Eindruck verschlechtert wird. Eine abweichende Auffassung würde die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer überflüssigerweise und unzumutbar einschränken. Das zur Beurteilung ein ästhetisches Werturteil erforderlich wird, das im Rahmen der Rechtsbeschwerde nur sehr eingeschränkt nachprüfbar ist, ist dabei hinzunehmen. Nach allem ist aufzuklären, ob das geplante Dachflächenfenster den architektonischen Gesamteindruck des Gebäudes nachteilig verändern wird. Zur Beurteilung dieser Frage reichen die vorliegenden Fotos schon deshalb nicht aus, weil nicht bekannt ist, an welcher Stelle das Fenster eingebaut werden soll. Wie regelmäßig in solchen Fällen, ist dazu die Einnahme eines Augenscheins erforderlich (Senat a.a.O.).

Rechtsfehlerhaft ist weiter die Auffassung, es stelle eine nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar, daß - entsprechend allgemeiner Lebenserfahrung und Kenntnis - die Gefahr von Undichtigkeiten und entsprechender Feuchtigkeitseinwirkung im Bereich von Randanschlüssen an Dachfenster größer sei, als im Bereich von geschlossenen Dachflächen (erhöhte Reparaturanfällgikeit und damit verbundene Kostenlast). Soweit die Kosten selbst betroffen sind, stellen diese von vornherein keinen Nachteil für die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer dar, da sie nach § 16 Abs. 3 Hs. 2 WEG nicht verpflichtet sind, die durch eine solche Maßnahme verursachten Kosten zu tragen (BayObLG WuM 1988,319,320; BGH NJW 1992,978,979). Allerdings trifft es zu, daß eine erhöhte Reparaturanfälligkeit des Gemeinschaftseigentums, unabhängig davon, wer die durch sie verursachen Kosten zu tragen hat, einen Nachteil darstellen kann (BayObLG a.a.O.). Jedoch ist der vom Landgericht ohne nähere Begründung angenommene allgemeine Erfahrungssatz zweifelhaft. Gegen diese Annahme spricht bereits der Umstand, daß im Hause - wie in vielen andern Häusern auch mit offenbar tragbarem Risiko - zahlreiche Dachflächenfenster eingebaut sind (vgl. OLG Karlsruhe ZMR 1985,209). Eine eigene Sachkunde zur Beurteilung der Frage, ob Abdichtung und Wärmedämmung bei Einbau des geplanten Dachflächenfensters technisch, bauphysikalisch und von der Haltbarkeit her dem ursprünglichen Dachzustand gleichzustellen ist, hat das Landgericht nicht dargelegt. Dieses könnte u.a. vom Stand der heutigen Technik, von den verwendeten Materialien und auch davon abhängen, ob die Dachfläche wetterseitig ist, wobei zu unterstellen ist, daß der Einbau entsprechend den Regeln der Technik erfolgt. Die Frage wird deshalb nur unter Zuziehung eines Sachverständigen zu beantworten sind (vgl. BayObLG ZMR 1999,837,839).

Klarzustellen ist, daß die Feststellung bereits eines nicht hinzunehmenden Nachteils (optische Beeinträchtigung oder erhöhte Reparaturanfälligkeit) zur Abweisung der Anträge des Beteiligten zu 1. führt.

Ende der Entscheidung

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