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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: 2 W 78/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
WEG § 20 a Abs. 1 Satz 1
WEG § 47 Satz 1
1. Auch in Wohnungseigentumsverfahren bemisst sich der Beschwerdewert allein nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung.

2. Das zulässige Rechtsmittel in der Hauptsache führt ohne weiteres auch zur Überprüfung der Kostenentscheidung der angefochtenen Entscheidung. Der Beschwerdewert in der Hauptsache wird nicht dadurch erhöht, dass der Beschwerdeführer gleichzeitig die Kostenentscheidung anficht.

3. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittel beurteilt sich grundsätzlich nach dem Beschwerdewert zur Zeit seiner Einlegung. Die nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte Erweiterung des Antrags hat auf seine Höhe keinen Einfluss.

4. Es entspricht im Regelfall billigem Ermessen, dass der unterlegene Beteiligte die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat (vgl. BGHZ 111, 148, 153).


2 W 78/04

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 25.03.2004 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 8.03.2004 am 7.07.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde werden den Beteiligten zu 1. auferlegt. Sie haben insoweit auch die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2. zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer der aus zwei Einheiten bestehenden Anlage. Nach der Teilungserklärung ist von dem gemeinschaftlichen Gartengrundstück den Beteiligten zu 1. (Wohnung Nr. II im Dachgeschoss) die Sondernutzungsfläche II und der Beteiligten zu 2. (Wohnung Nr. I im Erdgeschoss) die Sondernutzungsfläche I zugewiesen. Die Sondernutzungsflächen sind in der in Bezug genommenen Anlage 3 zur Teilungserklärung (Bl. 5=48 d.A.) eingezeichnet. Die Beteiligten zu 1. errichteten 1996 einen 1,70 m hohen Lamellenzaun, der nach ihrer Darstellung in einem Abstand von einem Meter parallel zur Grenze der Sondernutzungsflächen auf der ihnen zugeteilten Sondernutzungsfläche verläuft. Die Beteiligte zu 2. ließ im Mai 2001 einen Lamellenzaun von gleichfalls 1,70 m Höhe bauen, der mit seinen letzten beiden Elementen fast den Zaun der Beteiligten zu 1. erreicht (Fotos Hülle Bl. 50 d.A.). Ferner unterhielt sie unmittelbar vor dem Zaun der Beteiligten zu 1. einen Komposthaufen. Die Beteiligten zu 1. haben beantragt,

1. festzustellen, dass die mit II gekennzeichnete Gartenfläche erst einen Meter hinter dem von ihnen errichteten Lamellenzaun endet,

2. die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, die von ihr auf der mit II gekennzeichneten Gartenfläche errichteten Zaunelemente zu entfernen,

3. die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, den von ihr errichteten Komposthaufen so umzusetzen, dass er mindestens drei Meter von ihrem - der Beteiligten zu 1. - Lamellenzaun entfernt ist.

Die Beteiligte zu 2. ist dem entgegengetreten. Nachdem das Gutachten des Katasteramtes ......................vom 5.12.2002 (Bl. 109 a ff. d.A.) ergeben hatte, dass der von den Beteiligten zu 1. errichtete Zaun in einem Abstand von 1,05m bis 1,45m von der tatsächlichen Grenze der Sondernutzungsflächen auf der Gartenfläche der Beteiligten zu 2. verläuft, hat diese beantragt, jenen aufzugeben, den Zaun zu beseitigen.

Das Amtsgericht hat die Anträge der Beteiligten zu 1. abgewiesen und dem Gegenantrag der Beteiligten zu 2. stattgegeben. Ferner hat es angeordnet, dass die Beteiligen zu 1. die gerichtlichen Kosten tragen und der Beteiligten zu 2. die außergerichtlichen Kosten erstatten. Gegen den ihnen am 10.06.2003 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts haben die Beteiligen zu 1. am 23.06.2003 sofortige Beschwerde eingelegt mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluss dahin zu ändern, dass sie - die Beteiligten zu 1. - erst nach Ablauf des 30.09.2003 verpflichtet sind, ihren Zaun zu beseitigen, und die Kostenentscheidung dahin zu ändern, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Mit am 9.09.2003 eingegangenen Schriftsatz haben sie weitergehend beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Gegenantrag der Beteiligten zu 2. zurückzuweisen. Sie haben dazu erstmals ausgeführt, dass der Zaun im Naturschutzgebiet gelegen sei und mit seinem Bewuchs, in dem zahlreiche Vögel nisteten, ein geschütztes Biotop darstelle. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen, weil das innerhalb der Beschwerdefrist eingelegte Rechtsmittel den Beschwerdewert von 750 Euro nicht erreiche. Das im Beschwerdeantrag ausgedrückte Begehren sei nur mit 250 Euro - einem Viertel des vom Amtsgericht für den Widerantrag festgesetzten Wert von 1000 Euro - zu bewerten. Die nach Ablauf der Frist erfolgte Antragserweiterung könne nicht zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führen. Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 176/177 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1., welcher die Beteiligte zu 2. entgegengetreten ist.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1 WEG; 27, 29, 21, 22 FGG). Dieses Rechtsmittel ist in Wohnungseigentumssachen unabhängig vom Beschwerdewert stets zulässig, wenn die sofortige Beschwerde - wie hier - verworfen wurde (BGH NJW 1992, 3305). Die sofortige weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Die Auffassung des Landgerichts, dass der Beschwerdewert im Zeitpunkt der Einlegung der sofortigen Beschwerde 750 Euro nicht überstieg (§§ 45 Abs. 1 WEG), ist zutreffend. Der Beschwerdewert bemisst sich allein nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (BGH NJW 1992, 3505; BayObLG ZMR 2002, 535). Damit ist er vom Beschwerdeantrag abhängig (Keidel/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 511 Rn. 12 und 13). Der Antrag war hier in der Hauptsache eindeutig darauf beschränkt, dass die Beteiligten zu 1. den Zaun erst nach Ablauf des 30.09.2003 zu beseitigen hatten. Die nur zeitliche Begrenzung rechtfertigt zweifelsfrei die Annahme eines Beschwerdewerts von nicht mehr als 250 Euro. Entgegen der Meinung der Beteiligten zu 1. erhöht sich der Beschwerdewert nicht dadurch, dass sie gleichzeitig beantragt haben, die Kostenentscheidung des Amtsgerichts dahin zu ändern, dass sie die außergerichtlichen Kosten (583,48 Euro) der Beteiligten zu 2. nicht zu erstatten haben. Ist der Beschwerdeführer in der Hauptsache mit nicht mehr als 750 Euro beschwert, so ist die Beschwerde auch dann unzulässig, wenn die Berücksichtigung der Kostenbelastung zu einer 750 Euro überschreitenden Summe führen würde. Die Kosten bleiben bei der Berechnung des Beschwerdewertes außer Ansatz (BayObLG WuM 2003, 533; Palandt-Bassenge, WEG, 63. Aufl., § 45 Rn. 3). Andernfalls hätte es der Beschwerdeführer entgegen der Absicht des Gesetzgebers in der Hand, durch Einbeziehung seiner Kostenbelastung in den Antrag die Überprüfung einer Entscheidung in der Hauptsache zu erreichen, die der Überprüfung kraft Gesetzes entzogen sein soll. Das Beschwerdegericht überprüft die Kostenentscheidung - unabhängig von einem hierauf gerichteten Antrag - schon von Amts wegen. Ausschlaggebend ist, dass gegen die in der Hauptsache ergangene Entscheidung ein Rechtsmittel statthaft ist, denn dann erfasst deren Anfechtung auch den Kostenpunkt (insoweit gleichliegend in Bezug auf § 99 Abs. 1 ZPO BGH ZIP 1991, 42). Das von den Beteiligten zu 1. zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15.01.1992 NJW 1992, 1513 steht dem nicht entgegen. Diese Entscheidung behandelt die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels, wenn der Rechtsmittelführer die an sich hinreichende Beschwer in der Hauptsache ausnutzt, um sein eigentliches wirtschaftliches Ziel zu erreichen, dass die ihn belastende Kostenentscheidung abgeändert wird (vgl. auch BGHZ 57, 224, 225; BGH ZIP 1991, 42; Zöller/Gummer/Heßler, § 511 Rn. 15). Anderes lässt sich auch nicht § 20 a Abs. 1 Satz 1 FGG entnehmen, wonach die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Diese Vorschrift setzt im Umkehrschluss voraus, dass das Rechtsmittel zulässig ist, mithin auch der Beschwerdewert in der Hauptsache gegeben ist (BayObLG JB 1989, 1962; Palandt-Bassenge § 47 Rn. 5). Die Frage, ob die Beschränkung des Beschwerdeantrags auch nur eine entsprechend beschränkte Überprüfung der Kostenentscheidung zur Folge hat, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Weiter trifft die Auffassung des Landgerichts zu, dass die nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte Erweiterung des Antrags keinen Einfluss auf die Höhe des Beschwerdewertes hat (BFH NJW 1965, 2424). Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels beurteilt sich grundsätzlich nach dem Beschwerdewert zur Zeit seiner Einlegung. Insoweit gleichliegend ist auch die nachträgliche Klageerweiterung im Zivilprozess für die Berechnung der Beschwer unbeachtlich (Zöller/Gummer/Heßler § 511 Rn. 14 m.w.Nw.). Die Frage, inwieweit bei einer Teilanfechtung die angefochtene Entscheidung in Rechtskraft erwächst, ist für die Bestimmung des Beschwerdewertes ohne Bedeutung. Jedenfalls führt auch das von den Beteiligten zu 1. in diesem Zusammenhang angezogene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4.07.1988 NJW 1989, 170 aus, dass die Erweiterung des Rechtsmittels auf den vollen Umfang der Beschwer ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt, woran es vorliegend - wie dargelegt - fehlte.

Im übrigen wäre die Rechtsbeschwerde im Ergebnis auch sachlich ohne Erfolg geblieben. Der Senat hätte ohne Zurückverweisung in der Sache selbst entscheiden können, da diese hinreichend aufgeklärt ist. Der Bewuchs des Zaunes führt nicht zu einer Duldungsverpflichtung der Beteiligten zu 1. im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB. Nach dem Schreiben der Stadt Neumünster vom 14.11.2003 liegt das Grundstück nicht im Landschaftsschutzgebiet, gehört auch keinem geschützten Landschaftsbestandteil an oder besitzt keinen sonstigen Naturschutzstatus. Dem Umstand, dass darin angeblich Vögel nisten, ist durch die Beachtung der Frist bis zum 30.09. Rechnung getragen. Auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten ist ermessensfehlerfrei. Die Beteiligten zu 1. hätten - bevor sie die Beteiligte zu 2. "auf blauen Dunst" mit einem kostenträchtigen Gerichtsverfahren überziehen - die Abgrenzung zwischen den Sondernutzungsflächen an Hand der Anlage 3 zur Teilungserkärung überprüfen können und müssen.

Es entspricht als Regelfall billigem Ermessen, dass die Beteiligten zu 1. als Unterlegene die gerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen (§ 47 Satz 1 WEG; BGHZ 111, 148, 153). Desgleichen haben sie ausnahmsweise die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2. zu erstatten, weil ihr Rechtsmittel - jedenfalls im Ergebnis - von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg war (§ 47 Satz 2 WEG).

Ende der Entscheidung

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