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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 2 W 87/02
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 5
GmbHG § 7
GmbHG § 8
Die gesetzlichen GmbH-Gründungsvorschriften auf eine Mantelverwendung beschränken sich auf die Regeln über das Mindeststammkapital, die Mindeststammeinlagen und deren registerliche Kontrolle.
2 W 87/02

Beschluss

In der Handelsregistersache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der betroffenen GmbH vom 02./03. Mai 2002 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg - Kammer für Handelssachen - vom 27. Februar 2002 durch die Richter am 27. Juni 2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 19. November 2001 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, von seinen mit Zwischenverfügung vom 7. September 2001 und Beschluss vom 19. November 2001 geäußerten Bedenken gegen die Eintragung der vom Geschäftsführer der betroffenen GmbH unter dem 2. Juli 2001 angemeldeten Änderungen Abstand zu nehmen.

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die betroffene GmbH ist seit dem 28. November 2000 im Handelsregister eingetragen. Sie wurde durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 17. Juli 2000 gegründet. In dem Gesellschaftsvertrag ist das Stammkapital mit 25.000 Euro beziffert. Als Sitz der Gesellschaft ist Flensburg angegeben und als Gegenstand des Unternehmens die Beteiligung an anderen Gesellschaften aller Art, die Übernahme der Geschäftsführung und die Übernahme der unbeschränkten Haftung, die Verwaltung von Vermögenswerten, die Beteiligung an anderen Gesellschaften aller Art als Treuhänder sowie die treuhänderische Übernahme von Rechten, Vermögensgegenständen aller Art und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. Juli 2001 (Urkundenrolle Nr. 385/2001 des Notars Dr. S) erwarb der Kaufmann H den Geschäftsanteil der betroffenen Gesellschaft in Höhe von 25.000 Euro. Durch Gesellschafterbeschluss vom selben Tag wurde das Stammkapital der Gesellschaft um weitere 25.000 Euro auf 50.000 Euro erhöht. Gleichzeitig wurde die bisherige Geschäftsführerin abberufen und ein neuer Geschäftsführer bestellt. Außerdem wurden die Firma in "B GmbH" sowie der Gegenstand des Unternehmens geändert. Der neue Geschäftsführer hat die Änderungen mit notariell beglaubigter Erklärung vom 2.Juli 2001 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Er hat versichert, dass die übernommene neue Stammeinlage von 25.000 Euro in voller Höhe in bar eingezahlt worden sei und dass sich die eingezahlten Beträge endgültig in seiner freien Verfügung befänden und nicht mit Verbindlichkeiten belastet seien. Der Anmeldung beigefügt war ein Kontoauszug der Flensburger Sparkasse, aus dem sich ergibt, dass am 16. Juli 2001 50.953,90 DM (26.052,32 Euro) bar auf das Konto der Gesellschaft eingezahlt worden sind. Der Kontostand betrug nach dieser Einzahlung 98.541,31 DM (50.383,37 Euro). Das Amtsgericht - Registergericht - hat der betroffenen GmbH mit Zwischenverfügung vom 7. September 2001 aufgegeben nachzuweisen, dass ihr gesamtes Stammkapital aktuell noch vorhanden sei und zur freien Verfügung der Geschäftsführung stehe. Die betroffene GmbH hat sich geweigert, den geforderten Nachweis zu erbringen. Daraufhin hat das Amtsgericht die Eintragung der angemeldeten Änderungen abgelehnt. Es hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei der betroffenen GmbH handele es sich um eine Mantelgesellschaft. Bei der Verwendung einer solchen Mantelgesellschaft seien die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes entsprechend anwendbar, um eine Umgehung dieser Normen zu verhindern. Deshalb sei entsprechend §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG in Verbindung mit § 12 FGG der Nachweis zu verlangen, dass das Stammkapital nicht nur zum Zeitpunkt der Anmeldung der Mantelgesellschaft eingezahlt gewesen sei und zur freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden habe, sondern dass es zum Zeitpunkt der Anmeldung der wirtschaftlichen Neugründung auch noch vorhanden gewesen sei oder zumindest eine wertgleiche Deckung bestanden habe. Die Versicherung des neuen Geschäftsführers reiche im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund des Insolvenzverfahrens betreffend das Vermögen des neuen Gesellschafters H nicht aus, um verbleibende Zweifel auszuräumen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der betroffenen GmbH hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Februar 2002 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen des Amts- und Landgerichts wird auf die Beschlüsse vom 19. November 2001 und 27. Februar 2002 Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat die betroffene GmbH formgerecht weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. weil die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Amts- und Landgericht haben zu Unrecht angenommen, die betroffene GmbH müsse nachweisen, dass sich ihr gesamtes Stammkapital noch endgültig in der freien Verfügung ihres Geschäftsführers befinde. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der betroffenen GmbH um eine Mantelgesellschaft handelt und ob die gesetzlichen Gründungsvorschriften bei einer Mantelverwendung überhaupt entsprechend anwendbar sind. Denn eine entsprechende Anwendung der Gründungsvorschriften wäre jedenfalls auf die Regeln über das Mindeststammkapital, die Mindeststammeinlagen und deren registerliche Kontrolle (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG) beschränkt (so auch Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 76; Priester DB 1983, 2291, 2295) und deren Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Eine entsprechende Anwendung der Kapitalschutzregelungen auf Mantelverwendungen ließe sich allenfalls aus Gründen des Umgehungsschutzes rechtfertigen. Dieser Gesichtspunkt erfordert aber jedenfalls nicht eine völlig Gleichstellung der Mantelverwendung mit einer rechtlichen Neugründung. Sinn und Zweck des Gründungsrechts ist es in erster Linie, eine Mindestausstattung des Haftungsfonds der GmbH sicher zu stellen, der im Gläubigerinteresse als Ausgleich für die beschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter zu bilden ist (vgl. Priester aaO.). Diesem Zweck dienen die Einlageleistungspflichten und die Kontrolle ihrer Einhaltung durch das Registergericht. Außerdem sollen die Gründer der GmbH durch die von ihnen zu erbringenden Einlagen an dem Risiko ihres in Gestalt einer GmbH betriebenen Unternehmens zumindest in gewissem Umfang beteiligt sein (vgl. Priester aaO.). Nach § 5 Abs. 1 GmbHG ist eine rechtliche Neugründung indessen schon mit einem Mindeststammkapital von 25.000 Euro möglich. Wer möglichst wenig Kapital einsetzen will, wird daher allenfalls eine GmbH mit entsprechendem Stammkapital gründen. Wenn er ein solches Kapital auch bei der Verwendung eines Mantels einsetzen müsste, bestünde grundsätzlich nicht die Gefahr, dass er zur Umgehung des zwingenden Mindestkapitaleinsatzes anstelle einer Neugründung lieber eine Mantelverwendung wählt. Dem Umgehungsschutzgedanken wäre daher schon mit einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über das Mindeststammkapital und die Mindeststammeinlagen ausreichend Rechnung getragen (so auch Schmidt aaO. und Priester aaO.). Eine noch weitergehende entsprechende Anwendung der Kapitalschutzregelungen bei Gründung auf Mantelverwendungen ließe sich allenfalls mit Vertrauensgesichtspunkten rechtfertigen. Die Vertragspartner einer GmbH können jedoch grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass eine bereits bestehende GmbH - noch - über ein unversehrtes Stammkapital verfügt (so auch Priester aaO.).

Die Voraussetzungen der demnach allenfalls entsprechend anwendbaren §§ 5 Abs. 1 , 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der alleinige Gesellschafter der betroffenen GmbH hat aus Anlass der vom Amts- und Landgericht angenommenen Mantelverwendung eine Einlage in Höhe von 25.000 Euro übernommen. Der Geschäftsführer der GmbH hat in der Anmeldung versichert, dass die übernommene neue Stammeinlage in voller Höhe in bar eingezahlt worden sei und dass sich der eingezahlte Betrag endgültig in seiner freien Verfügung befinde.

Diese Versicherung ist in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich ausreichend. Aus den genannten Gründen bedarf es insbesondere keiner Versicherung des Geschäftsführers, dass sich das gesamte Stammkapital (50.000 Euro) noch endgültig in seiner freien Verfügung befindet. Die betroffene GmbH muss auch nicht abweichend von § 8 Abs. 2 GmbHG ausnahmsweise den Nachweis erbringen, dass die Leistung auf die neue Stammeinlage (25.000 Euro) noch zur freien Verfügung ihres Geschäftsführers steht. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche Nachweispflicht allenfalls dann besteht, wenn im konkreten Fall besondere Umstände Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 2 GmbHG geben. Es hat indessen rechtsfehlerhaft angenommen, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Deshalb ist der Senat nicht an die tatsächliche Würdigung des Landgerichts gebunden (vgl. dazu grundsätzlich Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 27 Rn. 42 ff). Das Landgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht berücksichtigt, dass sich die Versicherung des Geschäftsführers nur auf die Leistung auf die neue Einlage in Höhe von 25.000 Euro zu erstrecken hatte. Diesem Umstand kommt bei der tatsächlichen Würdigung jedoch entscheidende Bedeutung zu. Der mit der Anmeldung vorgelegte Kontoauszug weist für den 16. Juli 2001 ein Guthaben der betroffenen GmbH in Höhe von 50.383,37 Euro aus. Demnach verfügte die betroffene GmbH am 16. Juli 2001 über das gesamte Stammkapital in Höhe von 50.000 Euro und nicht nur über den Betrag der neuen Einlage in Höhe von 25.000 Euro. Eines solchen Beleges hätte es nicht bedurft, um die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen. Die betroffene GmbH hat ihre Vermögensverhältnisse daher - freiwillig - überobligationsmäßig dargelegt und belegt. Das spricht gegen ein unredliches Verhalten des Geschäftsführers und des Alleingesellschafters der betroffenen GmbH, zumal der vorgelegte Kontoauszug bereits für den Zeitpunkt der Einzahlung des Betrags der neuen Einlage ein Guthaben in Höhe von immerhin 47.587,41 DM (24.331,06 Euro) ausweist. Das wäre kaum zu erwarten gewesen, wenn der neue Alleingesellschafter infolge Insolvenz tatsächlich nicht in der Lage gewesen wäre, seine Einlageleistungspflicht zu erfüllen, und er deshalb - gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer - nur hätte vorspiegeln wollen, die Leistung auf die Einlage ordnungsgemäß erbracht zu haben. In diesem Falle hätte es vielmehr näher gelegen, das schon vorhandene Guthaben zur Vorspiegelung einer Zahlung auf die neue Einlage zu verwenden - etwa durch Einzahlung auf ein anderes Konto nach geringfügiger Erhöhung um 668,94 Euro oder durch vorherige Abhebung eines wesentlichen Teils des Guthabens und anschließende Neueinzahlung des auf 25.000 Euro aufgestockten Betrages. Das ist jedoch gerade nicht geschehen. Bei dieser Sachlage gibt auch das Insolvenzverfahren gegen den Alleingesellschafter der betroffenen GmbH keinen Anlass zu begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung des Geschäftsführers der betroffenen GmbH.

Ende der Entscheidung

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