Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 2 W 98/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281
ZPO § 485
ZPO § 486
ZPO § 506
1. Die streitwertabhängige sachliche Zuständigkeit in einem selbständigen Beweisverfahren, hinsichtlich dessen noch kein Rechtsstreit anhängig ist, richtet sich nach dem Wert bei Antragstellung

2. § 506 ZPO ist bei einer nachträglichen Erhöhung des Wertes im selbständigen Beweisverfahren nicht analog anzuwenden.

3. Wenn der aufgrund des Beweisbeschlusses beauftragte Sachverständige zu einer von den Angaben des Antragstellers abweichenden Kostenschätzung kommt, bleibt es daher bei der sachlichen Zuständigkeit des zuerst tätigen Gerichts.

4. Dies gilt auch, wenn der Antragsteller eine Ergänzung des Gutachtens im Hinblick auf weitere Mängel des betroffenen Bauvorhabens beantragt, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Antrages waren; auch in diesem Fall ist das Verfahren von dem zunächst angerufenen Gericht abzuschließen.


2 W 98/09

Beschluss

In dem selbständigen Beweisverfahren

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf den Vorlagebeschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 29. Juni 2009 am 12. August 2009 beschlossen:

Tenor:

Als sachlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Bad Schwartau bestimmt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin veräußerte an die Antragsteller insgesamt vier Grundstücke in S.. Diese hatte sie nach den mit den Antragstellern geschlossenen Verträgen mit jeweils einem Reihenhaus zu bebauen. Die Antragsteller behaupten, die im Jahre 2005 errichteten Reihenhäuser wiesen Mängel, insbesondere im Bereich der Dächer, auf.

Mit Schriftsatz vom 28. August 2006 haben die Antragsteller zur Mängelfeststellung bei dem Amtsgericht Bad Schwartau einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren gestellt und den Streitwert vorläufig auf 4.800,00 € beziffert (s. 8 der Antragsschrift, Bl. 8 d. A.). Sie haben sich dabei angelehnt an die Feststellungen des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen K., der hinsichtlich der von ihm begutachteten Mängel Beseitigungskosten in Höhe von 4.252,56 € ermittelt hat (Anlage ASt 3, Bl. 50 d. A.).

Durch Beschluss vom 11. September 2006 hat das Amtsgericht Bad Schwartau die beantragte Beweiserhebung angeordnet und den Sachverständigen S. bestellt (Bl. 84 ff. d. A.). Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht den Beweisbeschluss am 7. Dezember 2006 um einen weiteren behaupteten Mangel ergänzt (Wasserfleck in der Mitte einer Wand des Reihenhauses (...), Bl. 119 d. A.). Unter dem 9. Mai 2007 hat der Sachverständige S. sein Gutachten vorgelegt und Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 17.100,00 € für erforderlich gehalten (Sonderband I). Das Amtsgericht hat die Bevollmächtigten der Parteien daraufhin mit Schreiben vom 18. Juni 2007 darauf hingewiesen, dass der Streitwert auf 17.100,00 € festgesetzt werden solle (Bl. 172 d. A.). Zu einer Streitwertfestsetzung ist es in der Folgezeit zunächst jedoch nicht gekommen.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2007 haben die Antragsteller einen Antrag auf Einholung eines Ergänzungsgutachtens gestellt (Bl. 183 ff.). Sodann ist die Streithelferin dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten und hat ihrerseits mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2007 eine Ergänzung des Gutachtens beantragt (Bl. 194 f. d. A.). Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 22. Oktober 2007 die beantragte ergänzende Beweiserhebung angeordnet (Bl. 197 f. d. A.).

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2008 hat die Antragsgegnerin eine ergänzende Beweiserhebung im Hinblick auf mögliche Anteile der Streithelferin beantragt (Bl. 214 f. d. A.). Diesem Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 14. Februar 2008 entsprochen (Bl. 217 d. A.).

Auf einen weiteren Ergänzungsantrag der Antragsteller vom 6. März 2008 betreffend eine undichte Stelle am Haus 1a (Bl. 229 f. d. A.) hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 17. März 2008 auch insoweit die ergänzende Beweiserhebung angeordnet (Bl. 251 d. A.).

Am 13. August 2008 hat der Sachverständige S. sein Ergänzungsgutachten vorgelegt (Sonderband II), in dem er voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten von nunmehr 25.100,00 € ermittelt hat.

Mit Schriftsatz vom 10. November 2008 hat die Antragsgegnerin die Einholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens beantragt (Bl. 281 ff. d. A.). Diesen Schriftsatz hat das Amtsgericht mit Schreiben vom 27. November 2008 an den Sachverständigen weitergeleitet und um Beantwortung der Fragen gebeten (Bl. 285R d. A.). Dies ist durch ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 8. Dezember 2008 geschehen (Bl. 289 ff. d. A.).

Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009 erneut ergänzende Fragen gestellt (Bl. 305 ff. d. A.). Das Amtsgericht hat zunächst einen weiteren Kostenvorschuss in Höhe von 1.000,00 € von dem Antragstellervertreter angefordert (Bl. 308R d. A.). Auf den Hinweis der Antragsteller, dass sie die ergänzende Beweiserhebung nicht beantragt hätten, hat das Amtsgericht am 15. April 2009 einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.000,00 € von der Antragsgegnerin angefordert (Bl. 320 d. A.).

Sodann ist es auf Seiten der Antragsteller zu einem Wechsel des Verfahrensbevollmächtigten gekommen, so dass die bisherigen Antragstellervertreter am 5. Mai 2009 um Festsetzung des Gegenstandswertes gebeten haben (Bl. 326 d. A.). Das Amtsgericht hat den Streitwert durch Beschluss vom 8. Mai 2009 vorläufig auf 17.100,00 € festgesetzt und die Parteivertreter um Mitteilung gebeten, ob im Hinblick auf die Höhe der geschätzten Kosten Verweisung an das Landgericht Lübeck beantragt werde (Bl. 327 d. A.). Die Antragsteller haben daraufhin mit Schriftsatz vom 25. Mai 2009 Verweisung an das Landgericht Lübeck beantragt (Bl. 330 d. A.), und die Antragsgegnerin hat sich mit der Verweisung einverstanden erklärt (Bl. 331 d. A.).

Durch Beschluss vom 3. Juni 2006 hat das Amtsgericht sich für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Lübeck verwiesen (Bl. 332 f. d. A.). Der zuständige Einzelrichter der 9. Zivilkammer sieht das Amtsgericht als zuständig an, da für die sachliche Zuständigkeit im selbständigen Beweisverfahren der Streitwert im Zeitpunkt des Antragseingangs maßgeblich sei. Das Landgericht hat sich nach Anhörung der Parteien (Bl. 342 d. A.) durch Beschluss vom 29. Juni 2009 für unzuständig erklärt und die Sache zur Zuständigkeitsbestimmung dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt (Bl. 344 f. d. A.).

II.

Auf die Vorlage ist das Amtsgericht Bad Schwartau als zuständiges Gericht zu bestimmen.

1.

Die Vorlage ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässig.

Die Vorschriften über das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren sind auch auf das selbständige Beweisverfahren anwendbar (vgl. nur OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1998, S. 1610 f.; OLGR Celle 2005, S. 253 ff.; OLGR Brandenburg, S. 677 ff.; Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 27. Auflage, § 36 Rn. 2, m. w. N.).

Das Amtsgericht Bad Schwartau und das Landgericht Lübeck haben sich durch die Beschlüsse vom 3. Juni 2009 und vom 29. Juni 2009, die jeweils den Parteien zugeleitet worden sind, rechtskräftig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt.

Die Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ergibt sich aus § 36 Abs. 1 ZPO.

2.

Das Amtsgericht Bad Schwartau ist für die weitere Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zuständig.

a. Das Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Schwartau folgt aus § 486 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, ist der Antrag im selbständigen Beweisverfahren gemäß § 486 Abs. 2 S. 1 ZPO bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre.

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich bei einem Hauptsachewert bis 5.000,00 € aus § 23 Nr. 1 GVG (Amtsgericht) und bei einem Wert über 5.000,00 € aus § 71 Abs. 1 GVG (Landgericht). Maßgeblich ist im selbständigen Beweisverfahren nach dem Grundsatz der perpetuatio fori der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. nur OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1998, S. 1610 f.; OLGR Celle 2005, S. 253 ff.; Musielak-Huber, Zivilprozessordnung, 6. Auflage, § 486 Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 67. Auflage, § 486 Rn. 7; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Auflage, § 486 Rn. 6; ausführlich zu Zuständigkeits- und Verweisungsfragen im selbständigen Beweisverfahren: Fischer, MDR 2001, S. 608 ff.).

Die Antragsteller haben bei Einleitung des Verfahrens den Wert anhand eines vorgerichtlichen Gutachtens auf 4.800,00 € geschätzt. Dieser Wert ist damit maßgeblich, obwohl das Gutachten des Sachverständigen S. vom 9. Mai 2007 geschätzte Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 17.100,00 € ausweist und das Gutachten vom 13. August 2008 sogar voraussichtliche Kosten in Höhe von 25.100,00 € ergeben hat.

Die sachliche Zuständigkeit hat sich auch nicht im Laufe des Verfahrens dadurch geändert, dass der Sachverständige höhere Mängelbeseitigungskosten beziffert hat, als von den Antragstellern ursprünglich angenommen.

Für das Klageverfahren ergibt sich eine Ausnahme vom Grundsatz der perpetuatio fori allerdings aus § 506 ZPO. Wenn durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages ein Anspruch erhoben wird, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, so hat das Amtsgericht, wenn eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, sich durch Beschluss für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht zu verweisen.

Im selbständigen Beweisverfahren gilt dies jedoch nicht. In dieser Verfahrensart werden keine Ansprüche erhoben, sondern Anträge auf Durchführung von Beweisaufnahmen gestellt. § 506 ZPO ist auch nicht analog auf das selbständige Beweisverfahren anzuwenden (OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1998, S. 1610 f.; OLGR Celle 2005, S. 253 ff.; Fischer, MDR 2001, S. 610 f.). Da die Vorschrift Ausnahmecharakter hat (BGH, NJW-RR 1996, S. 891), ist die Möglichkeit einer analogen Anwendung in jedem Fall kritisch zu hinterfragen. Insbesondere aber nach dem Sinn und Zweck des § 506 ZPO einerseits und der Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren andererseits kommt eine analoge Anwendung im selbständigen Beweisverfahren nicht in Betracht.

§ 506 ZPO will einer Erschleichung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit vorbeugen (BGH, NJW-RR 1996, S. 891). Die Gefahr einer Zuständigkeitserschleichung ist im selbständigen Beweisverfahren jedoch geringer als im Klageverfahren. Der Antragsgegner kann im späteren Hauptsacheverfahren die Unzuständigkeit des Gerichts im selbständigen Beweisverfahren rügen, da nur der Antragsteller an die getroffene Wahl nach § 486 Abs. 2 ZPO gebunden ist (so auch OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1998, S. 1610 f.; Fischer, MDR 2001, S. 610 f.). Wegen §§ 486 Abs. 4, 78 Abs. 5 ZPO droht des Weiteren nicht die Umgehung eines bestehenden Anwaltszwanges.

Im Übrigen ist es im Interesse der mit dem selbständigen Beweisverfahren bezweckten schnellen Klärung sinnvoll, die Beweisaufnahme möglichst durch das ursprünglich damit befasste Gericht zu Ende durchzuführen. Allein die mögliche Sachnähe des später zuständigen Hauptsachegerichts tritt demgegenüber zurück. Selbst wenn während eines laufenden selbständigen Beweisverfahrens Klage in der Hauptsache bei einem anderen Gericht erhoben wird, geht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Zuständigkeit nur über, wenn und soweit das Gericht der Hauptsache eine Beweisaufnahme für erforderlich hält und deshalb die Akten des selbständigen Beweisverfahrens beizieht (BGH, MDR 2005, S. 45). Dies gilt, obwohl der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung für eine sofortige Übernahme des selbständigen Beweisverfahrens sprechen könnte und das Hauptsachegericht nach der gesetzlichen Regelung in § 486 Abs. 1 ZPO auch für ein neu eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren zuständig wäre. Das selbständige Beweisverfahren soll vor allem die Vermeidung oder rasche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten fördern und damit der Prozesswirtschaftlichkeit dienen. Diesem Zweck entspricht es, das Verfahren möglichst bei dem zunächst angerufenen Gericht abzuschließen (BGH, a. a. O.).

Dementsprechend ist auch das Amtsgericht über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren zutreffend von seiner fortbestehenden Zuständigkeit ausgegangen. Nachdem sich durch das Gutachten vom 9. Mai 2007 die tatsächliche Größenordnung der möglichen Mängelbeseitigungskosten ergeben hat und das Amtsgericht bereits im Juni 2007 eine entsprechende Wertfestsetzung hat vornehmen wollen, hat das Amtsgericht dennoch - zu Recht - mehrfach die Einholung ergänzender Stellungnahmen des Sachverständigen angeordnet und zuletzt noch am 15. April 2009 von der Antragsgegnerin einen Kostenvorschuss für die vorgesehene weitere Tätigkeit des Sachverständigen angefordert.

b.

Das Landgericht Lübeck ist auch nicht deshalb zuständig geworden, weil die Verweisung durch das Amtsgericht bindende Wirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO hat.

Zweifelhaft ist bereits, ob § 281 ZPO im selbständigen Beweisverfahren überhaupt insoweit entsprechende Anwendung findet, als der Verweisung danach Bindungswirkung zukommt (dafür: OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1998, S. 1610 f.; OLGR Brandenburg 2006, S. 677 ff.; Fischer, MDR 2001, S. 611; dagegen: OLG Zweibrücken, BauR 1997, S. 885; OLGR Celle 2005, S. 253 ff.; Musielak-Huber, Zivilprozessordnung, 6. Auflage, § 486 Rn. 3 - anders offenbar Musielak-Foerste, § 281 Rn. 2). Allein das formale Argument, dass im selbständigen Beweisverfahren keine Rechtshängigkeit eintrete, während eine bindende Verweisung erst nach Rechtshängigkeit möglich sei (so OLG Zweibrücken, BauR 1997, S. 885), spricht noch nicht zwingend gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auch im selbständigen Beweisverfahren. Vielmehr spricht einiges dafür, der Verweisung auch im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich Bindungswirkung beizumessen. Sinn und Zweck des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO und der dort angeordneten Bindungswirkung ist es, zur Vermeidung unnötiger Zuständigkeitsstreitigkeiten selbst sachlich unrichtige Verweisungsbeschlüsse hinzunehmen (BGHR ZPO § 281 Abs. 2 - Begründungszwang 1; BGH, NJW-RR 1992, 902; BGH, NJW 1993, 1273; BGH, NJW 2006, S. 699 f.). Dieser Zweck ist im selbständigen Beweisverfahren genauso bedeutsam wie im Klageverfahren, zumal es gerade im selbständigen Beweisverfahren um schnelle Feststellungen zur Vorbereitung oder Vermeidung eines Rechtsstreits geht.

Allerdings bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung über die grundsätzliche Bindungswirkung einer Verweisung im selbständigen Beweisverfahren, da jedenfalls der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 3. Juni 2009 ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet. Dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluss jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher objektiv willkürlich ist (vgl. nur BGH, NJW 1993, S. 1273; Senat, OLGR Schleswig 2000, S. 281 f.; Senat, SchlHA 2007, S. 96). Willkür in diesem Sinne fehlt dann, wenn das verweisende Gerichts sich für seine - wenn auch unrichtige - Auffassung auf jedenfalls vertretbare Argumente beruft (vgl. BGH, NJW-RR 2002, S. 1498 f.); selbst wenn ein Verweisungsbeschluss von einer "ganz überwiegenden" oder "fast einhelligen" Rechtsauffassung abweicht, muss er nicht willkürlich sein (BGH, a. a. O.). Eine solche Verweisung ist dann nicht willkürlich, wenn das unzuständige Gericht tatsächlich einen Abwägungs- und Entscheidungsprozess vorgenommen hat und die Entscheidung für die Minderansicht bewusst erfolgt ist (Senat, SchlHA 2007, S. 96). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

Auch wenn den oben genannten Zitaten aus Rechstprechung und Literatur zu entnehmen ist, dass der Wert bei Antragstellung maßgeblich ist und § 506 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar gehalten wird (wobei Gegenstimmen bisher nicht ersichtlich sind), hätte das Amtsgericht das Verfahren möglicherweise mit bindender Wirkung an das Landgericht verweisen können, wenn eine Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur erfolgt wäre und dennoch eine bewusste Entscheidung für die analoge Anwendung des § 506 ZPO getroffen worden wäre. Immerhin ist hier kein Fall gegeben, in dem allein eine andere Bewertung der Mängelbeseitigungskosten ohne jede Änderung des Antrages vorliegt, so dass schon aus diesem Grund die analoge Anwendung des § 506 ZPO vollständig unvertretbar erscheinen muss (zu einem solchen Fall OLGR Celle 2005, S. 253 ff.). Vielmehr ist in den Ergänzungsanträgen (S. 3 des Schriftsatzes vom 12. Juli 2007, Bl. 185 d. A.; S. 1 des Schriftsatzes vom 6. März 2008, Bl. 229 d. A.) auch in geringem Umfang die Begutachtung weiterer Mängel beantragt worden. Aus den genannten Gründen ist § 506 ZPO zwar auch in einem solchen Fall nicht analog anwendbar (siehe oben II.2.a.). Gleichwohl hätte die Verweisung bei ausreichender Auseinandersetzung und Begründung nicht als objektiv willkürlich erscheinen müssen, wenn sie sogleich nach dem Ergänzungsantrag vom 12. Juli 2007 erfolgt wäre.

Auf derartige Überlegungen hat das Amtsgericht seine Entscheidung aber gerade nicht gestützt. Das Amtsgericht selbst ist über einen langen Zeitraum von seiner fortbestehenden Zuständigkeit ausgegangen und hat - der üblichen Praxis entsprechend - die beantragten Ergänzungsgutachten eingeholt. Selbst für die zuletzt vorgesehene Ergänzung auf die Fragen im Schriftsatz vom 10. Februar 2009 hat das Amtsgericht bereits einen Kostenvorschuss angefordert und erst Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert, nachdem aufgrund eines Wechsels der Antragstellervertreter eine Wertfestsetzung zu erfolgen hatte.

Die Verweisung hat schließlich auch nicht deshalb bindende Wirkung, weil die Antragsteller selbst die Verweisung beantragt haben und die Antragsgegnerin ausdrücklich keine Bedenken geäußert hat. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar unter Umständen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Verweisungsbeschluss als nicht willkürlich erscheinen zu lassen (BGH, FamRZ 1988, S. 943; OLGR Koblenz 1997, S. 74 f.). Dies kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn das zuständige Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist. Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr einverstanden erklären, ist anzunehmen, dass sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlasst worden sind (BGH, NJW 2002, S. 3634 ff.; OLGR Celle 2005, S. 253 ff.). Da die Parteien sich erst auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 8. Mai 2009 zu einer möglichen Verweisung geäußert haben, ist durch die Erklärungen der Parteien, die sich übereinstimmend für eine Verweisung ausgesprochen haben, keine Bindungswirkung begründet worden.

Ende der Entscheidung

Zurück