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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 10.09.2002
Aktenzeichen: 3 U 10/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 154 Abs. 2
BGB § 157
BGB § 723 III
Zur Frage, wie "Praxisgemeinschaft"/"Gemeinschaftspraxis" gegeneinander abzugrenzen sind.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 10/01

Verkündet am: 10. September 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung in Neumünster zugelassene, selbständig niedergelassene Zahnärzte, die in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 ihren Beruf in Form einer Praxisgemeinschaft ausübten. Die Zusammenarbeit endete durch eine Kündigung des Beklagten. Er nahm seine Tätigkeit in neuer Kooperation ca. 300 m von der Praxis des Klägers entfernt als Privat- und Vertragszahnarzt wieder auf. Über die gegenseitigen Ansprüche haben die Parteien im Zuge der Auseinandersetzung mit Ausnahme der streitgegenständlichen Forderung des Klägers auf Zahlung einer Abfindung in Höhe der Klagforderung Einvernehmen erzielt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, allerdings mit folgenden Änderungen:

In der zweiten Instanz ist zwischen den Parteien wieder streitig, ob Rechtsanwalt S zur Ausarbeitung eines Vertrags von beiden Parteien beauftragt wurde. Insoweit trägt der Beklagte klarstellend vor, der Rechtsanwalt sei vom Kläger allein beauftragt worden, seine Rechnung sei aber von ihm, dem Beklagten, um des lieben Friedens willen mitbezahlt worden.

Die zeitliche Reihenfolge der verschiedenen Entwürfe ist ebenfalls zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte trägt vor, Rechtsanwalt S sei vom Kläger mit der Ausarbeitung eines Vertragsentwurfs erst dann betraut worden, nachdem er, der Beklagte, seinen eigenen Entwurf dem Kläger vorgelegt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Durch die Aufnahme ihrer Zusammenarbeit hätten die Parteien durch schlüssiges Verhalten ein Gesellschaftsrechtsverhältnis begründet, das als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in Form einer Innengesellschaft ohne Begründung eines gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens zu qualifizieren sei. Über die Frage einer Abfindung des Klägers im Falle des Ausscheidens des Beklagten sei entgegen der Ansicht des Klägers keine Einigung erzielt worden. Ein Anspruch auf die geltend gemachte Abfindung ergebe sich nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Zwar bestehe insoweit eine Vertragslücke in den Vereinbarungen der Parteien. Diese könne aber weder durch die Heranziehung des dispositiven Gesetzesrechts noch mit Hilfe des hypothetischen Parteiwillens geschlossen werden. Das dispositive Gesetzesrecht sehe keine Verpflichtung des Ausscheidenden vor, dem anderen Gesellschafter eine Abfindung zu zahlen. Ein darauf gerichteter hypothetischer Parteiwille könne nicht festgestellt werden. Denn die Parteien hätten hinsichtlich der Kosten einen dem Kläger günstigeren Honorarumsatzverteilungsschlüssel gewählt, als ursprünglich in Aussicht genommen. Der Kläger habe auch keine schwerwiegenden Nachteile darlegen können, die eine Abfindung zu seinen Gunsten rechtfertigten. Vielmehr habe sich die Scheinzahl seiner Praxis in der Zeit der Zusammenarbeit mit dem Beklagten erhöht. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger erstrebte Abfindung in Fällen der vorliegenden Art der Verkehrssitte entspreche. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der Beklagte vom sog. "Goodwill" der Praxis des Klägers profitiert haben solle, wo doch die Parteien die Patienten getrennt behandelt und die Honorare getrennt abgerechnet hätten. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass eigene Patienten ihn verlassen hätten und anschließend vom Beklagten behandelt worden seien. Ein Zahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung scheide aus, da der Kläger seine Leistungen im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses, also mit Rechtsgrund erbracht habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner in zulässiger Weise eingelegten Berufung. Er ist der Auffassung, nach dem unstreitigen Parteivorbringen ergebe sich eine vertragliche Vereinbarung zwischen ihm und dem Beklagten des Inhalts, dass der Beklagte an ihn die begehrte Abfindung zu zahlen habe. Diese Einigung sei bereits in dem Gespräch am 20. Oktober 1995 in den Räumen des Steuerberaters Kring zustande gekommen (dessen Zeugnis). Zwischen den Parteien sei klar gewesen, dass die Abfindungsregelung für den Kläger unabdingbare Voraussetzung für die in Aussicht genommene Kooperation mit dem Beklagten gewesen sei. Weil sich die Parteien über die Grundlagen ihrer Zusammenarbeit bereits einig gewesen seien, sei die Praxiserweiterung im Jahre 1996 in Angriff genommen worden (Zeugnis des Architekten W. Hain, Zeugnis des früheren Eigentümers des hinzuerworbenen Teileigentums, Beiziehung der Baugenehmigungsakte, Parteivernehmung des Beklagten). Der im beiderseitigen Einvernehmen eingeholte Vertragsentwurf des Rechtsanwalts S habe nicht die Vorstellungen beider Parteien getroffen. Danach habe der Beklagte einen selbst erarbeiteten Vertragsentwurf (Anlage K 5) vorgelegt. In ihm finde sich die Abfindungsvereinbarung wieder, ergänzt um die Bedingung, dass die Abfindung nur dann gezahlt werden solle, wenn sich der Beklagte im Planungsbereich Neumünster wieder niederlasse. Schon daran sei zu sehen, dass über die Abfindungsregelung selbst zwischen den Parteien Einigkeit bestanden habe. Dass die Parteien bei der Honorarumsatzverteilung von dem Vertragsentwurf des Beklagten einvernehmlich abgewichen seien und von Anfang an die 70 %-30 %-Teilung praktiziert hätten, sei in diesem Zusammenhang unschädlich. Diese Regelung sei im Übrigen nicht für ihn, den Kläger, sondern für den Beklagten günstiger gewesen (Zeugnis des Steuerberaters; Sachverständigengutachten). Dass sich der Beklagte an den von ihm erarbeiteten Entwurf selbst gebunden gefühlt habe, zeige der Umstand, dass er mit der dort festgelegten 6-monatigen Kündigungsfrist gekündigt habe.

Selbst wenn man hinsichtlich der Abfindungsregelung eine Vertragslücke unterstelle, gelange man durch die ergänzende Vertragsauslegung zu dem geltend gemachten Anspruch. Eine solche Abfindung entspreche der Üblichkeit, jedenfalls unter den konkreten Umständen dieses Falles (Sachverständigengutachten). Der Wert der Einzelpraxis des Klägers sei vor und bei Beginn der Kooperation deutlich höher als im Zeitpunkt der Trennung gewesen. Auch die vom Kläger getätigten Umbauinvestitionen geböten redlicherweise eine Abfindung. Es sei wegen der sich abzeichnenden Zulassungsschranke für den Planungsbereich Neumünster abzusehen gewesen, dass im Falle einer Trennung der Kläger nicht ohne weiteres in der Lage sein werde, einen neuen Partner in die Praxis aufzunehmen und so für eine Amortisation seiner Investitionen zu sorgen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 237.994,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 2000 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die vom Kläger behauptete Abfindungsvereinbarung sei nach § 723 Abs. 3 BGB nichtig. Denn durch die vom Kläger begehrte Abfindung würde die unverzichtbare Austrittsfreiheit des Beklagten in unzulässiger Weise beschränkt. Die Abfindung sei in ihrer Höhe erdrosselnd, da sie das gesamte Roheinkommen des Beklagten in 1999 (vor Steuern und Abzug von Vorsorgeaufwendungen) übersteige. Bei einem Nettoeinkommen des Beklagten (zusammen mit seiner Ehefrau laut Steuerbescheid vom 22. August 2000) in Höhe von 77.388,99 DM wäre der Beklagte auf Jahre zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs hoch verschuldet gewesen. Deswegen wäre eine solche Abfindungsvereinbarung auch gem. § 138 BGB wegen Sittenverstoßes nichtig gewesen.

Es sei mitnichten eine Einigung über die Abfindungsregelung erzielt worden. Insoweit weise er, der Beklagte, auf § 154 Abs. 1 Satz 2 BGB hin.

Auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Abfindung nicht zu begründen. Es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Vertragslücke vorliege. Dass die Parteien die Innengesellschaft ohne Unterschriftsleistung in Vollzug gesetzt hätten, zeige, dass sie den Willen gehabt hätten, ohne Kündigungsregelung auszukommen. Aber auch ein hypothetischer Parteiwille könne nicht in die Richtung einer Abfindung zu Gunsten des Klägers zielen. Eine solche verstoße gegen § 723 Abs. 3 BGB. Zudem habe der Beklagte in der Zeit der Zusammenarbeit einen eigenen Patientenstamm aufgebaut. Die Investitionen rechtfertigten keine Abfindung, da sie wertmäßig im Vermögen des Klägers verblieben. Auch der Kläger habe von der Zusammenarbeit profitiert, da es so der Ehefrau des Klägers, einer Bundeswehrzahnärztin, möglich gewesen sei, Bundeswehrangehörige an den Beklagten statt an ihren Ehemann zu überweisen, was den Ruch der "Vetternwirtschaft" gehabt hätte. Über die 70 %-30 %-Regelung habe der Kläger davon profitiert. Im Übrigen habe der Kläger nicht dargelegt, auch nur einen Patienten an den Beklagten verloren zu haben. Der Beklagte habe sich am 20. Oktober 1995 noch gar nicht mit dem Kläger verbindlich einigen können, da über seine Zulassung zu dem Zeitpunkt noch gar nicht entschieden gewesen sei. Der entsprechende Zulassungsbescheid sei erst im Dezember 1995 ergangen. Der Einhaltung der 6-monatigen Kündigungsfrist komme keine Indizwirkung zu, da sie sich eher zufällig ergeben habe. Der Beklagte habe das Gesellschaftverhältnis aus wichtigem Grunde gekündigt und im beiderseitigen Interesse das Verhältnis bis zum Ende des Jahres 1999 auslaufen lassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zu.

I. Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch nicht auf eine vertragliche Grundlage stützen. Denn es ist zwischen ihm und dem Beklagten keine wirksame vertragliche Vereinbarung dahingehend zustande gekommen, dass der Beklagte im Falle einer Kündigung dem Kläger eine Abfindung in Höhe von drei durchschnittlichen Monatshonorarumsätzen - bezogen auf die Praxis des Beklagten - zahlen muss, wenn er sich im Planungsbereich Neumünster wieder niederlässt.

Fest steht zunächst, dass von den Parteien mit der Aufnahme einer Praxisgemeinschaft die Gründung einer Innengesellschaft ohne gesamthänderisch gebundenes Vermögen beabsichtigt war. Die Abgrenzung einer Praxisgemeinschaft von einer Gemeinschaftspraxis wird parallel zu derjenigen bei Rechtsanwälten vorgenommen, dort lauten die Begriffe Bürogemeinschaft bzw. Sozietät. Während die Gemeinschaftspraxis bzw. Sozietät in der Kommentarliteratur weitgehend als echte BGB-Gesellschaft eingeordnet wird, sofern nicht eine Partnerschaft nach dem neuen Partnerschaftsgesetz vorliegt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., Rn. 40 zu § 705; MüKo-Ulmer, BGB, 3. Aufl., Rn. 27 vor § 705, Fußnote 66), stellt die Praxisgemeinschaft bzw. Bürogemeinschaft in der Regel eine bloße Innengesellschaft dar, bei der sich die Gesellschafter zwar im Innenverhältnis zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verpflichten, jedoch nach dem Inhalt ihrer Vereinbarung nicht nach außen "als Gesellschaft" am Rechtsverkehr teilnehmen, also die Rechtsmacht, mit Wirkung für die Gesellschaft und damit im Ergebnis für alle Gesellschafter nach außen rechtsgeschäftlich zu handeln, entgegen § 714 BGB ausgeschlossen sein soll (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 33 zu § 705). Häufig, wenn auch nicht zwingend, ist dann auch kein "der Gesellschaft" zugeordnetes Gesamthandsvermögen gewollt.

So liegen die Dinge hier. Die Parteien wollten sich zum Zwecke einer Zusammenarbeit und einer gemeinsamen Berufsausübung innerhalb einer Praxisgemeinschaft zusammenschließen. Sie wollten dabei aber jeweils aus eigener Tätigkeit und für sich selbst Honorarumsätze erwirtschaften. Die Praxen sollten rechnerisch und steuerlich getrennt bleiben. Lediglich sollten die Kosten für die Praxisorganisation, die rechtlich bei dem Kläger verbleiben sollte, nach einem bestimmten Schlüssel geteilt werden. Sowohl gegenüber den Patienten als auch gegenüber der KZV wollten beide Parteien jeweils für sich auftreten.

Ein solches Gesellschaftsverhältnis ist zwischen den Parteien durch die Aufnahme ihrer Zusammenarbeit per 01. Januar 1996 zustande gekommen, auch wenn sie die diskutierten Vertragsentwürfe nicht unterzeichnet haben. Der Umstand, dass durch die Parteien schriftliche Vertragsentwürfe erarbeitet wurden, lässt zwar den Schluss zu, dass sie eine Beurkundung des beabsichtigten Gesellschaftsvertrags verabredet hatten. Gem. § 154 Abs. 2 BGB ist in solch einem Fall im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist. Beurkundung im Sinne dieser Vorschrift ist auch die Schriftform gem. §§ 126, 127 BGB (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 4 zu § 154). Im Bereiche des Gesellschaftsrechts wird jedoch in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten, dass das Invollzugsetzen der Gesellschaft vor abschließender Klärung des Vertragsinhalts, sei es, dass noch nicht über sämtliche als regelungsbedürftig angesehene Punkte eine Verständigung erzielt worden ist, sei es, dass die beabsichtigte Beurkundung des Vertrags noch nicht vorgenommen worden ist, zu einer Umkehrung der Auslegungsregeln des § 154 BGB führe und dass es den Schluss auf den Willen der Parteien gestatte, zumindest einen vorläufigen (d. h. also im Zweifel jederzeit kündbaren) Vertrag abzuschließen (vgl. MüKo/Ulmer, a.a.O., Rn. 26 zu § 705). Dem ist zuzustimmen, soweit dem Vollzug die Dokumentation eines Bindungswillens der Beteiligten entnommen werden kann, was dann der Fall ist, wenn eine Einigung über zentrale Punkte wie den Gesellschaftszweck und die Förderungspflicht der Beteiligten vorliegt, damit eine u. U. nötige Vertragsergänzung überhaupt möglich ist (vgl. MüKo/Ulmer, a.a.O.).

Der BGH hat wiederholt ausgesprochen, dass selbst bei Vorliegen einer konstitutiven Schriftformverabredung die gesetzliche Regel des § 154 Abs. 2 BGB dann nicht zum Zuge kommt, wenn die Parteien den nur mündlich geschlossenen Vertrag einverständlich durchführen und so "stillschweigend" die Schriftformabrede wieder aufheben (vgl. BGH NJW-RR 1997, 669, 670; BGH NJW 2000, 354, 357). Entsprechendes gilt, wenn die Parteien mit der tatsächlichen Durchführung des Vertrages beginnen, obwohl sie sich in einem Punkt noch nicht geeinigt haben (vgl. BGH NJW 1983, 1727, 1728). Denn gerade bei auf Dauer angelegten Schuldverhältnissen entspricht es der Lebenserfahrung, dass die Parteien ihre Beziehungen als vertragliche Beziehungen betrachten und nicht in einem vertragslosen Zustand handeln wollen. Eine Ausnahme wird davon nur insofern gemacht, als trotz Bindungswillens der Parteien das wirksame Zustandekommen eines Vertrages an der Lückenhaftigkeit seiner Regelungen scheitern kann, wenn diese unausfüllbar sind (vgl. BGH NJW 1990, 1234, 1235; BGH NJW 1997, 2671, 2672). Im Bereiche des Gesellschaftsrechts müssten dann die Grundsätze über die in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung kommen, nach denen die Unwirksamkeitsfolgen aus den Gründen des Verkehrsschutzes für Dritte und des Bestandsschutzes für die Gesellschafter auf die Geltendmachung des Mangels ex nunc beschränkt werden (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 17 und 18 zu § 705).

Letzteres trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Parteien waren sich vielmehr bei der Aufnahme ihrer Zusammenarbeit im Januar 1996 sowohl über den Zweck ihrer Zusammenarbeit (Praxisgemeinschaft) als auch über die gegenseitigen Förderungspflichten im Klaren und einig, insbesondere was die Kostenverteilung durch die Teilung des Honorarumsatzes aus der Praxis des Beklagten anging. Die Regelung einer Abfindung war für die Aufnahme der Zusammenarbeit nicht erforderlich, da sie erst zum Ende der Zusammenarbeit Bedeutung erlangen konnte. Außerdem hält das dispositive Gesetzesrecht Regelungen bereit, die zur Ausfüllung einer diesbezüglichen Vertragslücke herangezogen werden können.

In dem durch die Aufnahme ihrer Zusammenarbeit zustande gekommenen Gesellschaftsverhältnis ist nicht eine wirksame Vereinbarung darüber zu finden, dass der Kläger von dem Beklagten bei dessen Ausscheiden eine Abfindung in der geltend gemachten Höhe verlangen kann. Dabei kann der Senat es offen lassen, ob die Parteien sich tatsächlich bereits vor oder bei Aufnahme der Zusammenarbeit darüber geeinigt hatten. Denn eine solche Vereinbarung wäre für den hier in Rede stehenden Fall, dass der Beklagte aufgrund einer eigenen Kündigung ausscheidet, nach § 723 Abs. 3 BGB nichtig. Deswegen lässt sich eine im Falle der Nichteinigung offen gebliebene Regelungslücke auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung nicht im Sinne des Klägers schließen.

Nach § 723 Abs. 3 BGB ist eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 1 und 2 BGB ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, nichtig. § 723 Abs. 3 BGB gilt auch für die Innengesellschaft (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 34 zu § 705). Die Vorschrift schützt die Unverzichtbarkeit des Kündigungsrechts und ist damit Ausfluss der sog. negativen Vereinigungsfreiheit. Dabei werden von der Rechtsprechung zeitliche Beschränkungen des ordentlichen Kündigungsrechts in gewissem Rahmen für zulässig erachtet. Darum geht es hier aber nicht. Deswegen kann es offen bleiben, ob der Beklagte, wie er geltend macht, aus wichtigem Grund gekündigt oder eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Denn auch für die ordentliche Kündigung ist es einhellige Meinung, dass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der Kündigung als unzulässige Beschränkung anzusehen ist (vgl. MüKo/Ulmer, a.a.O., Rn. 53 zu § 723; Staudinger/Keßler, BGB, 12. Aufl., Rn. 44 zu § 723; Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl., Rn. 29 zu § 723; Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 7 zu § 723). Dabei spielt es keine Rolle, ob der vom Kündigenden zu zahlende Geldbetrag als Austritts- oder Abfindungsgeld oder direkt als Vertragsstrafe bezeichnet wird. Schon das Reichsgericht hat ein solches Abfindungsgeld als unzulässig und eine darauf gerichtete Vereinbarung als unwirksam erachtet (RGZ 61, 328, 329/330). Eine solche Zahlung lässt sich auch nicht auf den Gesichtspunkt eines im Voraus festgestellten Schadensersatzes stützen, da § 723 BGB allenfalls eine Verpflichtung zum Schadenersatz bei einer unzeitigen Kündigung zulässt (Reichsgericht a.a.O.). Um eine unzeitige Kündigung handelt es sich im vorliegenden Fall aber nicht. Auf die Höhe der Vertragsstrafe kommt es ebenfalls nicht an (vgl. MüKo/Ulmer, a.a.O.). Aber selbst wenn man die Zulässigkeit einer solchen Zahlungsverpflichtung von der Höhe abhängig machen wollte, kann die vom Kläger behauptete Vereinbarung hier keinen Bestand haben. Nach ihr soll der Beklagte zur Zahlung von 3 monatlichen Durchschnittshonorarumsätzen aus seiner Praxis in Höhe von jeweils 79.331,50 DM, also zusammen 237.994,50 DM (Klageforderung) verpflichtet sein. Nach den Zahlen des Klägers in der Berufungsbegründung (Bl. 119) betrug das Roheinkommen des Beklagten im Jahre 1999 292.689 DM. Die Klageforderung beläuft sich auf 81,31 % dieses Roheinkommens. Schon dieses Verhältnis nach den Zahlen des Klägers ergibt, dass dies eine unzulässige Beschränkung des freien Kündigungsrechts des Beklagten darstellt. Noch gravierender wird das Missverhältnis, wenn man der Klagforderung die Zahlen des Beklagten über sein Nettoeinkommen aus dem Steuerbescheid vom 22. August 2000 gegenüberstellt.

Soweit der Kläger geltend macht, vorrangiger Zweck der beanstandeten Abfindungsregelung sei sein Schutz vor Konkurrenz durch den Beklagten und diese deswegen angemessen, ist sein Einwand nicht zielführend. Im Ausgangspunkt ist gegenseitige Konkurrenz die zwangsläufige und vom Gesetz auch gewollte Folge, wenn sich zwei freiberuflich tätige Personen nach einer Zeit der Zusammenarbeit wieder trennen. Soweit ein besonderes Bedürfnis nach Verhinderung eines solchen Wettbewerbs besteht, welches immer nur vorübergehend sein kann, kann ein solches Interesse jedenfalls nicht dadurch befriedigt werden, dass der kündigende Gesellschafter einen Geldbetrag zu zahlen hat, und zwar auch nicht für den Fall, dass er sich in dem konkurrenzträchtigen Betätigungsumfeld des bleibenden Gesellschafters niederlässt. Rechtliche Anerkennung können insoweit nur Regelungen finden, die für die Zeit nach der Auflösung der Gesellschaft es dem zu schützenden Gesellschafter vorübergehend ermöglichen, am Markt tätig zu sein, ohne schon sich gegen den Wettbewerb des ausscheidenden Gesellschafters behaupten zu müssen, um so eine höhere Chance zu haben, eigene "Marktanteile" wenigstens für eine Übergangszeit zu halten. Eine solche Regelung wäre zum Beispiel ein zeitlich befristetes und örtlich begrenztes Wettbewerbsverbot mit angemessener Karenzentschädigung. Die vom Kläger behauptete Abfindung zu seinen Gunsten stellt jedoch nicht eine solche Regelung dar. Sie ist schon durch ihre Höhe vielmehr darauf gerichtet, den Beklagten von vornherein davon abzuhalten, sich nach einer Kündigung im Planungsbereich Neumünster niederzulassen und in Wettbewerb zum Kläger zu treten. Dabei lässt sie das anzuerkennende Interesse des Beklagten außer acht, seinen eigenen Praxisbetrieb nach der Trennung fortführen zu können und nicht neu aufbauen zu müssen. Das aber ist nur innerhalb des Planungsbereichs Neumünster möglich. Indem die vom Kläger behauptete Regelung dem Beklagten die Niederlassung in Neumünster erschweren will, beschränkt sie in unzulässiger Weise sein Kündigungsrecht. Dies aber verstößt gegen § 723 Abs. 3 BGB.

Auch das Vorbringen des Klägers, die Abfindung sei ein Ausgleich dafür, dass die ordentliche Kündigung des Beklagten nicht für die gesamte ins Auge gefasste Laufzeit der Zusammenarbeit von fünf Jahren, sondern nur für drei Jahre ausgeschlossen worden sei, und solle daher nur für den Fall einer früheren Kündigung die Amortisation der vom Kläger getätigten Investitionen sicherstellen, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Dagegen spricht schon, dass die vom Kläger behauptete Regelung die Zahlungspflicht für jedes Ausscheiden des Beklagten vorsah, gleichgültig, auf wessen Kündigung dieses beruht und ob es sich um eine ordentliche Kündigung oder um eine solche aus wichtigem Grunde gehandelt hätte. Abgesehen davon, dass für eine Kündigung aus wichtigem Grunde die Abfindungsregelung in jedem Falle unwirksam wäre, spricht gegen diesen vom Kläger ins Feld geführten Zweck der von ihm beanspruchten Abfindung, dass ihre Höhe nicht umgekehrt proportional zur fortschreitenden Laufzeit der Zusammenarbeit abnehmen sollte. Je länger aber die Zusammenarbeit zwischen den Parteien bestand, desto weiter waren die Investitionen des Klägers amortisiert.

Das zur Lückenfüllung heranzuziehende dispositive Gesetzesrecht sieht für die Auflösung einer Innengesellschaft mangels Gesamthandvermögens keine Auseinandersetzung im Sinne der §§ 730 ff BGB vor, sondern räumt dem ausscheidenden Innengesellschafter einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abrechnung und Zahlung des sich daraus ergebenden Abfindungsguthabens ein (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., Rn. 35 zu § 705 m.w.N.). Von diesem gesetzlichen Regelfall geht auch das vom Kläger in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23. August 2002 zitierte OLG Bamberg in seinem Urteil vom 15. April 1998, abgedruckt in NZG 1998, 897 ff, aus. Deswegen kann der Kläger aus diesem Urteil für sich nichts herleiten. Dass eine entsprechende Abrechnung mit dem Beklagten ein sog. negatives Guthaben, also einen noch verbleibenden Zahlungsanspruch des Klägers ergeben habe, hat der Kläger nicht vorgetragen; außerdem stützt er darauf nicht seinen geltend gemachten Zahlungsanspruch.

II. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der von ihm verlangten Abfindung in Höhe der Klagforderung ergibt sich auch nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgehoben, dass die Leistungen des Klägers im Rahmen des begründeten Gesellschaftsverhältnisses, also mit Rechtsgrund erfolgten. Zum Anderen fehlt es - ohne dass es für die Entscheidung des Senats allerdings darauf ankäme - an substantiiertem Vortrag dazu, welchen "Goodwill" der Beklagte erlangt haben soll, den er auszugleichen habe. Der Kläger hat nicht konkret vorgetragen, ob und gegebenenfalls wieviel Patienten der Beklagte aus dem Patientenstamm des Klägers in die neue Praxis mitgenommen habe. Soweit der Kläger in der ersten Instanz die Auswertung der EDV-Anlage hinsichtlich der "Wanderung" der Patienten von ihm zu dem Beklagten hin unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, handelt es sich um eine unzulässige Ausforschung.

III. Für eine Zulassung der Revision hat der Senat keinen Anlass gesehen, da es sich weder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich ist.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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