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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 14.08.2001
Aktenzeichen: 3 U 142/00
Rechtsgebiete: BGB, HöfeO


Vorschriften:

BGB § 2329 I S. 1
HöfeO § 7 I S. 1
HöfeO § 16
HöfeO § 17
Zur Frage, wie der Pflichtteil eines Hoferben unter Berücksichtigung eines Übergabevertrags zu berechnen ist.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 142/00

Verkündet am: 14. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brand, den Richter am Oberlandesgericht Stapel und die Richterin am Landgericht Dr. Leischner-Rickerts für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Juni 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, wegen einer Forderung der Klägerin in Höhe von 21.092,45 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. April 2000 die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch von D eingetragene Grundstück zu ihren Gunsten zu dulden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer liegt unter 60.000 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch entgegen der Auffassung des Landgerichts zu.

Nach § 2329 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrages nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Bei Sachgeschenken - wie hier - ist die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den geschenkten Gegenstand zu richten (Staudinger/Olshausen BGB 13. Bearb. § 2329 Rn. 22). Die Haftung des Beschenkten ist subsidiär (Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2329 Rn. 2). Der Beschenkte ist nur ausnahmsweise (subsidiär) Schuldner des Ergänzungsanspruchs, soweit er nicht der Erbe ist, sei es, dass der Nachlaß überschuldet oder nicht aktiv ist, sei es, dass der Erbe die Einrede aus § 2328 BGB erhoben hat (Erman/Schlüter BGB 10. Aufl. § 2329 Rn. 1). Die zu 1/2 testamentarisch als Erbin eingesetzte Frau O. wäre im Falle gesetzlicher Erbfolge als Tochter der Erblasserin - diese hatte fünf Kinder - selber pflichtteilsberechtigt. Sie könnte, wenn ihr nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen worden wäre, als Pflichtteilsberechtigte nach § 2326 S. 1 BGB Ergänzung des Pflichtteils verlangen. Ist der Erbe - wie hier Frau O. - selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er gem. § 2328 BGB die Ergänzung des Pflichtteils soweit verweigern, dass ihm sein eigener Pflichtteil mit Einschluß dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichtteils gebühren würde. Gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsanspruch gewährt § 2328 BGB dem selbst (in abstrakto) Pflichtteilsberechtigten ein Leistungsverweigerungsrecht insoweit, als er diesen Anspruch nur mit denjenigen Beträgen befriedigen muß, welche ihm vom Nachlaß und etwa selbst erhaltenen Schenkungen verbleiben, nachdem a. sein eigener ordentlicher Pflichtteil und b. darüber hinaus auch der Betrag, den er etwa selbst als Ergänzung des Pflichtteils nach §§ 2325 - 2327 BGB zu fordern berechtigt wäre, vollständig gedeckt ist. Dieses Leistungsverweigerungsrecht besteht nur gegenüber dem Ergänzungsanspruch und nicht gegenüber dem Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil (Staudinger/Olshausen a.a.O. § 2328 Rn. 9). Die Einrede des § 2328 BGB führt dazu, dass der plichtteilsberechtigte Erbe als beatus possidens gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten bevorzugt wird. Er erhält den Pflichtteil einschließlich der Ergänzung vorweg aus dem Nachlaß und verweist die übrigen Ergänzungsberechtigten, zu deren Befriedigung der verbleibende Rest des Nachlasses nicht ausreicht, an den Beschenkten (M.-K./Frank BGB 3. Aufl. § 2328 Rn. 2).

Unstreitig hatte der Nachlaß zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin - 20. März 1999 - einen Wert von 75.911,37 DM, sodass der ordentliche Pflichtteil der Klägerin - (1/10) davon - 7.591,14 DM beträgt.

Unstreitig sind weiterhin Schenkungen der Erblasserin im Werte von 257.285,-- DM (an Enkel S. 7.000,-- DM + Enkelin A. 6.000,-- DM + Frau O. 39.500,-- DM + Schenkungsanteil an Grundstück D. 204.785 DM). Davon würde sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (1/10) auf 25.728,50 DM errechnen, sodass der Klägerin unstreitig Pflichtteilsansprüche in Höhe von 33.319,64 DM (7.591,14 DM ordentlicher Pflichtteil + 25.728,50 DM Ergänzungspflichtteil) zustehen würden.

Das Landgericht meint nun, Frau O. müsse sich gem. § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB ihr Eigengeschenk in Höhe von 39.500,-- DM anrechnen lassen und weist deshalb die Klage gegen den nur subsidiär haftenden Beklagten ab. Die Berufung beanstandet dies zu Recht.

§ 2328 BGB bestimmt - wie schon ausgeführt -, dass der selbst pflichtteilsberechtigte Erbe die Ergänzung des Pflichtteils soweit verweigern kann, dass ihm sein eigener Pflichtteil mit Einschluß dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichtteils gebühren würde. Daraus ist zu folgern, dass Frau O. der Betrag in Höhe von 33.319,64 DM auf alle Fälle zustehen soll. Ihr Eigengeschenk in Höhe von 39.500,-- DM ist dabei schon berücksichtigt. Nur wenn Frau O. ihrerseits Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325 ff. BGB verlangen würde, muß sie sich - und das verkennt der Beklagte - ihr Eigengeschenk nach § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB ("... und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen.") anrechnen lassen. Auf das oben (S. 3 f) dazu Gesagte wird verwiesen. Frau O. verlangt aber ersichtlich keine Pflichtteilsergänzung.

Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Beklagten, die Klägerin müsse sich den ihr in den Jahren 1958/1959 unstreitig überlassenen Hof in K. gem. § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB mit einem Schenkungswert anrechnen lassen. Er macht geltend, der Hof habe bei Übergabe einen Verkehrswert von annähernd 270.000,-- DM (genau: 268.592,-- DM = 110.541,-- DM Grund und Boden + Gebäude 81.251,-- DM + Inventar etc. 76.800,-- DM. gehabt.

Die am 26. Januar 1906 geborene Erblasserin hatte im Alter von 52 Jahren mit Überlassungsvertrag vom 18. November 1958 (Blatt 61 - 64) in der Fassung des Änderungsvertrages vom 1. Juli 1959 (Blatt 32) - vom Höfegericht K. mit Beschluß vom 26. August 1959 Az. 3 LwH 25/59 (Blatt 29 - 33) genehmigt - der Klägerin den 16,6242 ha großen Hof mit in den Jahren 1951 - 1955 errichteten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden überlassen. Der Hof war unstreitig mit 70.000,-- DM belastet. § 7 des Überlassungsvertrages sah eine Abfindungszahlung von insgesamt 20.000,-- DM an die vier weiteren Kinder der Erblasserin und Geschwister der Frau O. vor. Der Wert des in § 5 des Überlassungsvertrages geregelten Altenteils ist mit jährlich 1.000,-- DM (kapitalisiert nach Anlage 9 zu § 14 BewG ergibt dies: 13.920,-- DM) ausgewiesen. Der Einheitswert des übernommenen Grundbesitzes ist in § 10 des Überlassungsvertrages mit 23.400,-- DM angegeben.

Die Berufung des Beklagten auf § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB läßt sich nicht schon mit einem Hinweis auf die 10-Jahres-Zeitschranke des § 2325 Abs. 3 BGB abtun. Denn für die Berücksichtigung eines Eigengeschenkes spielt der Zeitpunkt der Schenkung keine Rolle. Es ist also gleichgültig, ob die Schenkung innerhalb der Frist von 10 Jahren vor dem Erbfall oder früher erfolgte (Staudinger/Olshausen a.a.O. § 2327 Rn. 8 ff; M.-K./Frank a.a.O. § 2327 Rn. 2 f; Soergel/Dieckmann BGB 12. Aufl. § 2327 Rn. 5; Erman/Schlüter a.a.O. § 2327 Rn. 2; PalandtEdenhofer a.a.O. § 2327 Rn. 1; Jauernig/Stürner BGB, 8. Aufl. § 2327 Rn. 1).

Sollte die in den Jahren 1958/ 1959 erfolgte Hofüberlassung ganz oder teilweise eine Schenkung darstellen, so wäre auch der o. a. angeführte Pflichtteilsbetrag in Höhe von 33.319,64 DM (7.591,14 DM ordentlicher Pflichtteil + 25.728,50 DM ergänzter Pflichtteil), von dem beide Parteien einvernehmlich ausgehen, unrichtig. Der ordentliche Pflichtteil in Höhe von 7.591,14 DM hätte zwar weiterhin Bestand. Bei der Ermittlung des Ergänzungspflichtteils - bisher nach oben Gesagtem 25.728,50 DM, - müßte aber noch ein Schenkungsanteil betreffend den Hof hinzukommen. Bei der Bildung des fiktiven Ergänzungsnachlasses durch Hinzurechnung der Schenkungen - bei der alle Schenkungen zu berücksichtigen sind (vgl. Staudinger/Olshausen a.a.O. § 2325 Rn. 87) - wären die unstreitigen Geldgeschenke in Höhe von 52.500,-- DM (S. 7.000,-- DM + A. 6.000,-- DM + Frau O. 39.500,-- DM) + unstreitiger Schenkungsanteil Grundstück D. 204.785,-- DM + - zusätzlich - ein Schenkungsanteil "Hof" zusammenzurechnen.

Das alles kann aber dahinstehen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HöfeO kann der Eigentümer den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen oder ihm den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (Übergabevertrag) übergeben. Übergibt der Eigentümer den Hofanteil an einen - wie hier - hoferbenberechtigten Abkömmling, so gilt gem. § 17 Abs. 2 HöfeO zu Gunsten der anderen Abkömmlinge der Erbfall hinsichtlich des Hofes mit dem Zeitpunkt der Übertragung als eingetreten. Bei der Übergabe des Hofes an den Hoferben im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge finden die Vorschriften des § 16 HöfeO entsprechende Anwendung, § 17 Abs. 1 HöfeO. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 HöfeO ist für die Berechnung des Pflichtteils des Hoferben der nach dem allgemeinen Recht, für die Berechnung des Pflichtteils der übrigen Erben der nach diesem Gesetz zu ermittelnde gesetzliche Erbteil maßgebend. Dabei ist der Hof nach § 16 Abs. 2 Satz 2 HöfeO in jedem Fall nach dem in § 12 Abs. 2 HöfeO bestimmten Wert anzusetzen (= 1 1/2 Einheitswert i. H. v. 234,00 DM).

Bei dem Überlassungsvertrag vom 18. November 1958 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 1. Juli 1959 handelt es sich um einen Übergabevertrag i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1, 17 HöfeO (zum Höfeübergabevertrag s. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery HöfeO 10. Aufl. § 17 Rn. 5 ff). Dass die Klägerin den Hof in den Jahren 1958/59 in vorweggenommener Erbfolge erhalten hat, ergibt sich auch aus dem Testament der Erblasserin vom 10. September 1980, in dem es u. a. heißt: "Meine Tochter H. soll ebenfalls nichts mehr erben. Denn sie hat in dem in K. gelegenen Hof bereits ihr Erbteil erhalten."

Es wird aber schon in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Hofübertragung aufgrund Überlassungsvertrag in der Regel weder eine Schenkung unter einer Auflage noch eine gemischte Schenkung darstellt (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery a.a.O. Rn. 62; Wöhrmann/Stöcker Das Landwirtschaftserbrecht 7. Aufl. § 17 Rn. 42). Die §§ 2287, 2325 BGB sollen auf eine Hofübergabe auch dann nicht angewendet werden können, wenn man den Übergabevertrag als teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft auffaßt, weil im Verhältnis zwischen dem Übergeber und seinen pflichtteilsberechtigten Erben die Übergabe zum Zwecke vorweggenommener Hoferbfolge keine lebzeitige Schenkung, wie in den §§ 2287, 2325 BGB vorausgesetzt, darstellen soll (Wöhrmann/Stöcker a.a.O. Rn. 45; Hessler, AgrarR 1976, 259, 260). Das alles ist indes nicht ganz zweifelsfrei. So formuliert etwa Wöhrmann/Stöcker a.a.O. Rn. 43), eine andere Frage sei es, ob einzelnen Vorschriften des Schenkungsrechts zumindest analog auf den die Hofübergabe bezweckenden Übergabevertrag anzuwenden sind. Der BGH hat in einem Urteil vom 2. Oktober 1951 (NJW 52, 20 f) einen Übergabevertrag als eine - in der Regel wenigstens teilweise - unentgeltliche Zuwendung angesehen und den Übergeber im Falle groben Undanks des Übernehmers in Widerruf nach §§ 530 ff BGB gestattet (s. etwa auch BGH RdL 1959, 188 ff; 1965, 179 ff - allerdings nicht die HöfeO betreffend -; vgl. Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo HöfeO 2. Aufl. § 17 Rn. 9). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann aber ebenfalls dahinstehen, weil vorliegend jedenfalls keine - auch keine gemischte - Schenkung vorliegt.

Da die Klägerin sich in dem Übergabevertrag vom 18. November 1958 zu Gegenleistungen verpflichtet hat, liegt auf alle Fälle kein insgesamt unentgeltliches Geschäft vor. Es könnte sich daher allenfalls um eine gemischte Schenkung handeln. Ob und inwieweit das der Fall ist, hängt in erster Linie von der Bewertung der beiderseitigen Leistung im Zeitpunkt der Übertragung des Anwesens ab (BGH NJW 1964, 1323). Für die Bewertung der beiderseitigen Leistungen hat der BGH in der zitierten Entscheidung - übergeben worden war dort ein Landgut i.S.d. §§ 2049, 2312 Abs. 1 BGB und kein Hof im Sinne der HöfeO - den Ertragswert und nicht den Verkehrswert für maßgeblich erachtet. Im vorliegenden Fall ist deshalb, da - wie oben bereits ausgeführt - die HöfeO einschlägig ist, auf den Höfewert i. S. d. § 12 Abs. 2 HöfeO abzustellen (vgl. Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo a.a.O. § 17 Rn. 9). Auch für die Berechnung des Pflichtteils des Hoferben am hoffreien Vermögen ist der Hof nur mit dem Hofwert - nicht aber mit dem Verkehrswert - zu veranschlagen (Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo a.a.O. § 16 Rn. 39; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery a.a.O. § 16 Rn. 64; a. A. Wöhrmann/Stöcker a.a.O. § 16 Rn. 50).

Im maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe des Anwesens (BGH NJW 1964, 1323) betrug der Einheitswert des übernommenen Grundbesitzes 23.400,-- DM. Der Hofwert i. S. d. § 12 Abs. 2 HöfeO - das eineinhalbfache des Einheitswertes - betrug 34.100,-- DM. Belastet war der Hof seinerzeit unstreitig mit 103.925,-- DM, sodass eine Schenkung - auch eine gemischte - nicht vorliegt. Die Klägerin muß sich daher die Hofübertragung in den Jahren 1958/59 nicht als Eigengeschenk gem. § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB anrechnen lassen. Die Berechnung des ergänzenden Pflichtteils ist nicht zu beanstanden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 291 BGB, 91, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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