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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 3 W 69/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 199 Abs. 1
1. Für den Beginn des Laufes der Verjährungsfirst nach § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB kommt es bei Minderjährigkeit des Gläubigers auf die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters an.

2. Grobe Fahrlässigkeit iSd § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB liegt vor, wenn der gesetzliche Vertreter des Gläubigers einfache, sich aufdrängende Erkundigungen bei diesem und den ihm bekannten Augenzeugen unterlässt, die ihm ausreichende Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners verschafft hätten.


Beschluss

3 W 69/08

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 24. April 2009 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 13. August 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss vom 24. September 2008 gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässig. Insbesondere ist die Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO gewahrt. Für die Fristberechnung ist nämlich § 222 Abs. 2 ZPO zu beachten. Fällt danach das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Beschluss am 20. August 2008 zugestellt worden. Rechnerisch endet die Monatsfrist deshalb am 20. September 2008. Bei diesem Tag handelt es sich jedoch um einen Sonnabend. Die am Montag den 22. September 2008 per Fax eingegangene sofortige Beschwerde hat deshalb die Frist gewahrt.

In der Sache wendet sich der Antragsteller gegen den angefochtenen Beschluss nur insoweit, als ihm Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Klagantrag gegen die Antragsgegner zu 2. bis 5. verweigert worden ist, während er der Einschätzung des Landgerichts in dem Prozesskostenhilfebeschluss, ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 10.000,00 € sei unter Berücksichtigung aller Umstände (vorläufig) angemessen, ausdrücklich nicht entgegentritt.

Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe wegen der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegner zu 2. bis 5. jedoch zu Recht mit Rücksicht auf die von ihnen erhobene Einrede der Verjährung verweigert.

Allerdings hat der Antragssteller mit der sofortigen Beschwerde zutreffend geltend gemacht, dass es im vorliegenden Fall hinsichtlich der Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB nicht auf die Person des seinerzeit nämlich noch minderjährigen Antragstellers, sondern vielmehr auf die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreterin, nämlich seiner Mutter A ankommt (vgl. dazu nur BGH NJW 1996, 2933 f und MüKo zum BGB/Grothe, 5. Aufl. 2006, § 199 Rn. 31). Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht aber in seinen ergänzenden Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 24. September 2008 berücksichtigt. Es hat zu Recht ausgeführt, dass die Verjährung hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche gegen die Antragsgegner zu 2. bis 5. auch dann Ende 2004 zu laufen begonnen hat, wenn es hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse auf die Mutter des Antragstellers ankommt und unterstellt wird, dass diese keine positiven Kenntnisse hatte. Denn nach der genannten Norm beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger - in unserem Fall mithin dessen gesetzliche Vertreterin - von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Grob fahrlässig handelt ein Gläubiger, wenn seine Unkenntnis iSd § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Grobe Fahrlässigkeit ist danach zu bejahen, wenn sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdrängen und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht nutzt. Grob fährlässige Unkenntnis gerade über die Person des Schuldners ist insbesondere dann gegeben, wenn dem Gläubiger zwar Name und Adresse unbekannt sind, er aber in der Lage ist, sich diese Informationen ohne Mühe und nennenswerten Kostenaufwand aufgrund sich aufdrängender Informationsquellen zu verschaffen (OLG Saarbrücken NZG 2008, 638 bei juris Rn. 49; MüKo zum BGB/Grothe, a.a.O., § 199 Rn. 29 mwN). Sind Name und Anschrift des Ersatzpflichtigen und die sonstigen den Anspruch begründenden Tatsachen auf einfache Art zu ermitteln, liegt grob fahrlässige Unkenntnisse in dem Zeitpunkt vor, in dem der Gläubiger auf die entsprechenden Erkundigungen hin diese Kenntnis erhalten hätte (BGH NJW 2004, 510 f, bei juris Rn. 9; MüKo zum BGB/Grothe, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist zu bedenken und ergibt sich aus der beigezogenen (dem Senat in Kopie vorliegenden) strafrechtlichen Ermittlungsakte ...., dass die Mutter des Antragstellers persönlich das Ende des den Antragsgegnern vorgeworfenen Angriffs auf den Antragsteller vom 29. Oktober 2004 mitbekommen hat. Die Mutter des Antragstellers war auch jedenfalls bei einem Vorgespräch anlässlich der Vernehmung des Antragstellers am 10. November 2004 in der Polizeizentralstation W. anwesend. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass sich für die Mutter im Übrigen aufdrängen musste, sich im Hinblick auf naheliegende Schmerzensgeldforderungen ihres ersichtlich erheblich verletzten Sohnes zunächst bei diesem nach den für den Übergriff verantwortlichen Personen und dem Sachverhalt zu erkundigen, soweit ihr diese Personen nicht ohnehin aus ihren Tatbeobachtungen bekannt waren. Der Antragsteller konnte bereits bei seiner Vernehmung am 10. November 2004 - wie vom Landgericht ausgeführt - die Beteiligten zu 4. und 5. konkret und sogar mit Wohnort und Straße sowie ihrer Tatbeteiligung benennen. Soweit eine Differenz hinsichtlich des Nachnamens bei dem Beteiligten zu 5. aufgetreten ist, hätte eine einfache Erkundigung bei den ermittelnden Polizeibeamten Klarheit verschafft.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers in dem Schriftsatz vom 8. Oktober 2008 hätte die Mutter des Antragstellers durch einfache Befragung zunächst des Antragstellers auch ohne weiteres ausreichende Kenntnis über den Ablauf des Geschehens und die Tatbeteiligten erhalten können. Denn der Antragsteller selbst konnte anlässlich seiner Vernehmung vom 10. November 2004 bei der Polizei W. nicht nur die Antragsgegner zu 4. und 5. konkret als Beteiligte bezeichnen sondern auch genauere Angaben zum Ablauf des Übergriffes machen und insbesondere aussagen, dass er seinerzeit, als er schließlich am Boden lag, von allen aus der ihn angreifenden Gruppe von mehr als 10 Leuten mit Füßen getreten worden sei. Zudem konnte der Antragsteller angeben, dass der gesamte Vorgang - wie der Polizei ohnehin bereits bekannt - von seiner guten Bekannten J und auch den Zeugen R beobachtet worden ist. Diese Personen muss die Mutter des Antragstellers selbst nach der polizeilichen Sachverhaltsschilderung auf Bl. 2 der genannten Ermittlungsakte (Strafanzeige mit Bericht über den polizeilichen Einsatz) bei dem Vorfall gesehen haben. Auch insoweit hätte sich für die Mutter des Antragstellers eine ergänzende Erkundigung insbesondere bei der in der gleichen Straße wohnenden guten Bekannten ihres Sohnes (teilweise auch als Freundin bezeichneten) J ersichtlich und nahe liegend aufdrängen müssen. J konnte aber ebenso wie der Zeuge R ausweislich deren zeugenschaftlicher Vernehmung bei der Polizei W. vom 24. November 2004 bzw. 11. November 2004 die Antragsgegner zu 2. und 3. konkret mit Namen und als Tatbeteiligte benennen, deren Anschrift der Polizei W. bekannt war. Für die Mutter des Antragstellers hätte es mithin unter Nutzung dieser sich in jeder Hinsicht aufdrängenden und leicht zugänglichen Informationsquellen bereits im November 2004 ohne weiteres möglich sein müssen, Kenntnis nicht nur von den Anspruch begründenden Umständen sondern auch den Personen der Schuldner zu erlangen. Dazu hätte es keinerlei Akteneinsicht in die Ermittlungsakte bedurft, vielmehr wären einfache Nachfragen bei dem Antragsteller, dessen in derselben Straße wohnenden Freundin und ggf. bei den der Mutter des Antragstellers bekannten, in diesem Sachverhalt ermittelnden Polizeibeamten ausreichend gewesen.

Das Landgericht ist mithin zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung wegen der nunmehr geltend gemachten Schadensersatzansprüche bereits Ende 2004 zu laufen begonnen hat und die Frist deshalb bereits abgelaufen war, als der Antragsteller am 20. Februar 2008 den hier fraglichen Prozesskostenhilfeantrag bei dem Landgericht eingereicht hat.



Ende der Entscheidung

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