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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 3 WLw 109/06
Rechtsgebiete: LwVG


Vorschriften:

LwVG § 10
In Landpachtsachen richtet sich die örtliche Zuständigkeit (§ 10 LwVG) nach der Belegenheit der Hofstelle des Verpächters.
3 WLw 109/06

Beschluss

In der Landwirtschaftssache

hat der 3. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 28. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Bad Segeberg.

Gründe:

I.

Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das beiden am Zuständigkeitsstreit beteiligten Landwirtschaftsgerichten gemeinsam übergeordnete nächst höhere Gericht, das Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, zu entscheiden.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach dieser Vorschrift liegen vor. Das Amtsgericht Bad Segeberg hat sich durch den nach §§ 1 Nr.1 a, 48 Abs. 1 S. 1 LwVG i.V.m. § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 7. Juni 2006 im Sinne dieser Vorschrift rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Bad Schwartau hat die Sache an das Amtsgericht Bad Segeberg zurückgegeben, weil es sich seinerseits nicht als zuständig angesehen hat und in seiner Übersendungsverfügung vom 20. Juni 2006 in einer den Anforderungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO noch genügenden Weise hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Sache dem Senat zur Entscheidung über den Kompetenzstreit vorgelegt werden muss, wenn das Amtsgericht Bad Segeberg an seinem Beschluss festhält.

II.

Zuständig ist das Landwirtschaftsgericht Bad Segeberg.

1.

Die Klage auf Herausgabe der Pachtflächen nach Kündigung eines Landpachtvertrages ist eine Landpachtsache im Sinne des § 1 Nr. 1 a LwVG, für die nach § 48 Abs. 1 S. 1 LwVG die Zivilprozessordnung Anwendung findet. Dies gilt jedoch nicht für die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit. Insoweit tritt gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LwVG an die Stelle der entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung die Bestimmung des § 10 LwVG. Da es sich insoweit um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt (Barnstedt/Steffen, LwVG, 7. Aufl., § 10 Rn. 30 und § 48 Rn. 35), sind damit entgegen der Auffassung des Beklagten zugleich auch die Bestimmungen über den allgemeinen Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO ausgeschlossen. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass zwischen den Parteien andere Räumungsklagen wegen anderer Pachtflächen aus anderen Pachtverträgen schon bei den Amtsgerichten Bad Oldesloe und Bad Schwartau anhängig sind oder waren, weil die Klägerin sämtliche Pachtverhältnisse wegen Zahlungsverzuges gleichzeitig gekündigt hat. Eine örtliche Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs kennt das Gesetz über die gerichtlichen Verfahren in Landwirtschaftssachen nicht. Entscheidend ist, dass es sich um selbständige, nicht mit einander verbundene Pachtverträge über verschiedene Pachtobjekte handelt. Die örtliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts entscheidet sich für jede dieser Landpachtsachen ausschließlich nach § 10 LwVG.

Nach § 10 LwVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach der Belegenheit der Hofstelle. In Landpachtsachen nach § 1 Nr. 1 und Nr. 1 a LwVG ist die Hofstelle des Verpächters, nicht die des Pächters maßgebend. Das entspricht - soweit ersichtlich - heute allgemeiner Auffassung (Barnstedt/Steffen, LwVG, 7. Aufl., § 10 Rn. 3; Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 8 LPachtVG Rn. 6). Denn die Hofstelle, zu der ein Grundstück gehört, ist die Hofstelle, die in wirtschaftlicher Beziehung zum Verfahrensgegenstand steht. Das ist die Hofstelle, von der aus das Grundstück regelmäßig bewirtschaftet wird, § 2 HöfeO (Barnstedt/Steffen, 7. Aufl., § 10 LwVG Rn. 2). Regelmäßig wird das Grundstück aber von der Hofstelle des Hofeigentümers bewirtschaftet. § 2 lit. a) 2. Hs. HöfeO bestimmt ausdrücklich, dass eine zeitweilige Verpachtung die Zugehörigkeit zum Hof nicht ausschließt.

Im Einklang mit diesem Auslegungsergebnis stehen die Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit in sämtlichen sonstigen Gesetzen in Landwirtschaftssachen. So bestimmt § 6 LPachtVG für Landpachtsachen (§ 1 Nr. 1 und 1 a LwVG) für den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen (Landpachtverkehrsgesetz - LPachtVG -) ausdrücklich, dass örtlich zuständig die Behörde ist, in deren Bezirk die Hofstelle des Verpächters liegt. Es ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen ein Vertragsteil den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt (§ 8 Abs. 1 LPachtVG), nach § 10 S. 1 LwVG örtlich das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Hofstelle des Verpächters liegt (Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 8 Rn. 6). Denn es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber nicht gewollt hat, dass im Gerichtsverfahren eine andere Hofstelle maßgeblich sein soll als im vorausgegangenen behördlichen Verfahren.

Auch bei den in § 1 Nr. 4 LwVG genannten Pachtverhältnissen ist maßgebend die Hofstelle des Verpächters, beispielsweise in den Vertriebenensachen bei Aufhebung eines Pachtverhältnisses (§§ 58, 59 BVFG) oder im Verfahren nach § 7 Reichssiedlungsergänzungsgesetz, was aus der Verweisung aus § 22 GrdstVG folgt (vgl. zum Ganzen Barnstedt/Steffen, a. a. O., § 10 Rn. 7.).

Auch in Verfahren, die nicht Pachtverhältnisse zum Gegenstand haben, ist gemäß § 18 Gundstückverkehrsgesetz für die örtliche Zuständigkeit der Behörde maßgebend die Hofstelle, zu der das Grundstück gehört. Mit Hofstelle ist auch dort der Betrieb des Veräußerers gemeint (Netz, Grundstückverkehrsgesetz, 2. Aufl., § 18 GrdstVG Anm. 4.26.2, S. 822). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 22 Abs. GrdstVG (§ 1 Nr. 2 LwVG) ist ebenso bei dem Gericht zu stellen, in dessen Bezirk die Hofstelle der Veräußerers liegt. Diese Hofstelle ist auch maßgebend in den Verfahren nach § 10 Reichssiedlungsgesetz (§ 1 Nr. 3 LwVG), vgl. zum Ganzen Barnstedt/Steffen, a.a.O., § 10 Rn.4 und 5).

Ist aber in sämtlichen Gesetzen, die landwirtschaftliche Grundstücke betreffen, jeweils die Hofstelle des Verpächters bzw. Veräußerers gemeint, ist angesichts der klaren Regelung des § 2 HöfeO, wonach die Verpachtung nichts daran ändert, dass die Pachtfläche Hofbestandteil des Hofes des Verpächters bleibt, nicht zu begründen, warum für die Räumungsklage einer Landpachtsache das Amtsgericht zuständig sein sollte, in dem die Hofstelle des Pächters liegt. Vielmehr erscheint es sachgerecht, dass für sämtliche landwirtschaftliche Verfahren, die ein und das selbe Pachtobjekt betreffen, dasselbe Landwirtschaftsgericht zuständig ist.

Da die Klägerin keine natürliche Person ist und deshalb gemäß § 1 HöfeO keinen Hof haben kann und somit auch keine Hofstelle der Verpächterin vorhanden ist, ist gemäß § 10 S. 2 LwVG das Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Grundstücke ganz oder zum größten Teil liegen. Die Pachtflächen aus den streitgegenständlichen Pachtverträgen vom 20. Dezember 2004 liegen sämtlich in A. und B., Landkreis Bad Segeberg, sodass das Amtsgericht Bad Segeberg zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist.

2.

Das Amtsgericht Bad Schwartau war nicht nach § 48 Abs.1, § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bad Segeberg gebunden. Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird allerdings noch nicht dadurch infrage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht. Aus rechtstaatlichen Gründen (vgl. Art. 20 Abs. 3 und Art. 101 Abs. 1 GG) kann ein Verweisungsbeschluss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn er auf Willkür beruht, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 1993, 1273 mit weiteren Hinweisen). Es kann dahinstehen, ob die Bindungswirkung schon deshalb fehlt, weil der Verweisungsbeschluss vom 7. Juni 2006 mangels Begründung nicht erkennen lässt, dass das Landwirtschaftsgericht sich mit der heute einhelligen Kommentierung, wonach maßgebend nicht die Hofstelle des Pächters, sondern die des Verpächters ist, überhaupt auseinandergesetzt hat (vgl. Zöller/Greger, 26. Aufl., § 281 Rn. 17 mit Hinweis auf KGR 2000, 68/6).

Die Besonderheit liegt hier darin, dass die Klägerin vor der Verweisung durch das Amtsgericht Bad Segeberg mit Schriftsatz vom 19. Mai 2006 den Vortrag des Beklagten, seine Hofstelle befinde sich in C., bestritten hat und auch mit Nichtwissen bestritten hat, dass er das Pachtobjekt von dort aus betreibt. Diesen auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Vortrag hat das Landwirtschaftsgericht im Verweisungsbeschluss übergangen und ebenfalls ohne jede Begründung zugrunde gelegt, dass der Beklagte in C. über eine Hofstelle verfügt, von der aus er die Flächen bewirtschaftet. Die Behandlung von streitigem Vortrag als unstreitig stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar.

Hier kommt hinzu, dass greifbare Zweifel an der Richtigkeit des Vortrages des Beklagten bestanden. Denn er ist ausweislich des Klagrubrums, des Rubrums der Pachtverträge und seines Schriftsatzes vom 14. März 2006 nicht in C. (Amtsgerichtsbezirk Bad Schwartau), wo sich eine Mehrzweckhalle befinden soll, wohnhaft, sondern in D. (Amtsgerichtsbezirk Eutin). Mindestvoraussetzung für eine Hofstelle im Sinne des § 1 HöfeO ist aber das Vorhandensein eines ausreichenden Wohngebäudes für den Betriebsleiter (Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, 3. Aufl., § 1 HöfeO Rn. 34; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfeordnung, 10. Aufl., § 1 Rn. 10). Das Amtsgericht Bad Segeberg hätte deshalb im Hinblick darauf, dass die §§ 48, 10 LwVG eine ausschließliche Zuständigkeit begründen und die allgemeinen Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, schon ohne das Bestreiten des Vorhandenseins einer Hofstelle in C., von der aus die Flächen bewirtschaftet werden sollen, auch auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Veranlassung zu einem Hinweis zur Ergänzung des Parteivortrags und Ausbringung eines Beweisantritts gehabt, um nähere Feststellungen zu der Hofstelle treffen zu können, von der aus der Beklagte die Pachtflächen angeblich bewirtschafte, zumal der Beklagte nicht einmal das Grundbuch bezeichnet hat, in dem ein Hofesvermerk eingetragen ist.

Angesichts dieser Häufung von Verfahrensfehlern (Behandlung streitigen Vortrages als unstreitig; keine Prüfung zum Vorhandensein eines Hofes und einer Hofstelle von Amts wegen) in Verbindung mit dem Fehlen jeglicher Begründung dafür, warum das Amtsgericht entgegen der in allen gängigen, aktuellen Kommentierungen vertretenen Auffassung auf die Hofstelle des Pächters abstellte, erscheint die Verweisung objektiv willkürlich.

3.

Es ist unerheblich, dass die Klägerin - nachdem das Amtsgericht Bad Schwartau die Verweisung nicht als bindend angesehen hat und das Landwirtschaftsgericht Bad Segeberg ihr mit Beschluss vom 11. September 2006 dies nahe gelegt hat, mit der Begründung, dass anderenfalls noch gesondert über die Zuständigkeit verhandelt werden müsste - unstreitig gestellt hat, dass der Beklagte die streitbefangene Pachtfläche von einer Hofstelle aus C. betreibt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Verweisung objektiv willkürlich ist, ist allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Verweisungsbeschlusses. Im Übrigen handelt es sich bei § 10 LwVG, wie ausgeführt, um eine ausschließliche Zuständigkeit. Ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, hat das Landwirtschaftsgericht von Amts wegen zu prüfen. Amtsprüfung bedeutet, dass es seinen Zweifeln an der Zulässigkeit der Klage über § 139 ZPO auch dann nachgehen muss, wenn die Zulässigkeitstatsachen unstreitig sind. Die Bestimmungen der §§ 288, 138 Abs. 3 ZPO gelten hier nicht. Insoweit ist der Verhandlungsgrundsatz eingeschränkt, denn die Parteien können nicht über die dem öffentlichen Interesse dienenden Prozessvoraussetzungen verfügen. Auch auf der Grundlage seiner unzutreffenden Rechtsauffassung zu § 10 LwVG war für das Amtsgericht Bad Segeberg zu jeder Zeit erkennbar, dass die Klägerin die Behauptung des Beklagten nicht wegen besserer Erkenntnisse unstreitig gestellt hat, sondern nur, um den zeitraubenden Zuständigkeitsstreit der Gerichte zu beenden. Sie hat dazu ausdrücklich vorgetragen, dass sie den Vortrag unstreitig stelle, weil ihr nur an einem möglichst umgehenden Verfahrensfortgang gelegen sei und für sie von sehr untergeordneter Bedeutung sei, welches Gericht über die Klage entscheide. Das aber war auch auf der Grundlage der falschen Rechtsauffassung des Landwirtschaftsgerichts ersichtlich nicht zur Begründung einer ausschließlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Schwartau ausreichend.

Ende der Entscheidung

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