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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 4 U 110/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 5 IV
WEG § 10 II
WEG § 15 I
BGB § 877
Entspricht eine Vereinbarung unter Wohnungseigentümern über den Tausch grundbuchlich eingetragener Sondernutzungsrechte nicht den Anforderungen des § 877 BGB, so kann die darin liegende Gebrauchsregelung mit (nur) obligatorischer Wirkung gleichwohl auch Rechtsnachfolger binden. Sie müssen aber den Tausch als für sich verbindlich anerkannt haben.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 110/00

Verkündet am: 12. September 2001

In dem Rechtsstreit

wegen eines Sondernutzungsrechts nach WEG

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hensen, den Richter am Oberlandesgericht Burck und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Krönert für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.05.2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Kiel teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin zur alleinigen Nutzung des Tiefgaragenstellplatzes Nr. 1 (laut Aufteilungsplan) auf dem Flurstück 10/4 der Flur 1 der Gemarkung L., eingetragen im Grundbuch von L. Blatt 1337 berechtigt ist.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen; die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die den Beklagten auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin wie auch für die Beklagten jeweils 19.600,00 DM.

Entscheidungsgründe:

A. Die Klägerin hatte durch Kaufvertrag vom 31.10.1996 von der Streithelferin die Eigentumswohnung Nr. 10 im Hause S. in L. erworben. Die Beklagten sind Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die von der Streithelferin zunächst durch Kaufvertrag vom 10.02.1998 an die Eheleute A. und dann von ihnen durch Kaufvertrag vom 29.06.1999 weiter an die Beklagten veräußert worden ist.

Laut grundbuchlicher Eintragung war mit der Wohnung Nr. 10 das Sondernutzungsrecht am Tiefgaragenstellplatz Nr. 10 und mit der Wohnung Nr. 1 das am Stellplatz Nr. 1 verbunden. In den Verträgen vom 05.02. und 06.08.1998 hatten die Streithelferin und die Klägerin einen Tausch der beiden Sondernutzungsrechte vereinbart. Die Erwerber der Wohnung Nr. 1, also die Eheleute A. und alsdann die Beklagten, hatten in den jeweiligen Kaufverträgen den Tausch der Sondernutzungsrechte als für sie selbst verbindlich anerkannt.

Gleichwohl machen die Beklagten der Klägerin das Nutzungsrecht am Stellplatz Nr. 1 streitig. Deshalb hat sie beantragt,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr dingliches Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 1 Zug um Zug gegen ihr - der Klägerin - Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 10 zu übertragen und die hierfür erforderlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen abzugeben,

hilfsweise,

festzustellen, dass sie zur alleinigen Nutzung des Stellplatzes Nr. 1 berechtigt ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin sie im vollem Umfange weiter. Die Streithelferin ist nur dem Hilfsantrag beigetreten.

Von weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird gemäß § 543 Absatz 1 ZPO abgesehen.

B. Das Rechtsmittel ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.

I. Mit ihrem Hauptantrag vermag die Klägerin nicht durchzudringen.

1. Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) besteht nicht.

a) Mit der - hier erfolgten - Eintragung des Sondernutzungsrechts im Grundbuch wird der Inhalt der Gebrauchsregelung gemäß §§ 15 Abs. 1, 5 Abs. 4 und 10 Abs. 2 WEG zum Inhalt des Sondereigentums und hat damit - ohne ein selbständig dingliches Recht zu sein - dingliche Wirkung erlangt. Ein Übergang bzw. der Austausch von Sondernutzungsrechten aufgrund einer Vereinbarung der beteiligten Rechtsinhaber ist als Inhaltsänderung des Sondereigentums und damit des jeweiligen Wohnungseigentums i. S. v. § 877 BGB anzusehen (vgl. BGHZ 73, 145, 148 f. und Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl. 2001, WEG § 15 Rn 18 ff.). Folglich bedarf es der Einigung der beteiligten Rechtsinhaber über den Eintritt der Rechtsänderung und deren Eintragung in das Grundbuch.

b) Die Vereinbarung zwischen der Streithelferin und der Klägerin vom 05.02.1998 enthält noch keine Einigung über eine Inhaltsänderung ihres jeweiligen Sondereigentums. Zwar mögen die unter Nr. 1 bis 3 getroffenen Regelungen bei isolierter Betrachtung derart zu verstehen sein. Aber dagegen spricht bereits in der Präambel der letzte Absatz, alsdann auch die Nr. 4 mit der darin eingegangenen Verpflichtung zur schuldrechtlichen "Weitergabe" des vereinbarten Tausches der Nutzungsrechte an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger und schließlich die beabsichtigte Absicherung der ausgetauschten Nutzungsrechte durch Dienstbarkeiten, was freilich an der fehlenden dinglichen Belastbarkeit von Sondernutzungsrechten scheiterte.

Die deswegen gleichsam "nachgeschobene" Vereinbarung vom 06.08.1998 zwischen Streithelferin und Klägerin sollte den dinglichen Austausch herbeiführen. Sie vermochte indes, da bereits am 18.02.1998 hinsichtlich der Wohnung Nr. 1 eine Eigentumsvormerkung zu Gunsten der Käufer A. eingetragen worden war, nichts mehr zu Gunsten der Klägerin zu bewirken. Zudem hat sich auch mangels Eintragung des ausgetauschten Nutzungsrechts noch nicht der Inhalt ihres Sondereigentums geändert. Schließlich wäre dazu auch die Zustimmung von Grundschuldgläubigern erforderlich gewesen (vgl. §§ 877, 876 BGB und Blatt 74, 79 d. A.).

2. Die Klägerin kann von den Beklagten auch nicht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 (1. Alt.) BGB die Übertragung ihres (dinglichen) Sondernutzungsrechts am Stellplatz Nr. 1 beanspruchen. Ein derartiger Bereicherungsanspruch könnte für die Streithelferin gegen die Eheleute A. und alsdann für letztere gegen die Beklagten erwachsen sein, falls nach dem jeweiligen Kaufvertrag an sich nur das (dingliche) Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 10 zu leisten war, nicht jedoch das am Stellplatz Nr. 1. Dagegen spricht jedoch, dass in den beiden Verträgen die Verkäuferseite sich jeweils die verbindliche Anerkennung der Vereinbarung vom 05.02.1998 (wie dann auch der vom 06.08.1998) ausbedungen hat, womit an sich der Fortbestand der dinglichen Rechtslage vorausgesetzt wird. Im übrigen könnte, selbst falls sich derartige Bereichungsansprüche herleiten lassen sollten, sich die Klägerin allenfalls auf der Grundlage der Vereinbarung vom 06.08.1998 an die Streithelferin halten zwecks Abtretung von deren Anspruch, sie könnte jedoch keinesfalls direkt auf die Beklagten zugreifen.

II. Dem Hilfsantrag der Klägerin ist hingegen stattzugeben.

1. In der Vereinbarung vom 05.02.1998 waren die seinerzeitigen Rechtsinhaber dahingehend übereingekommen, dass die Rechte aus dem Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 1 der Klägerin und die am Stellplatz Nr. 10 der Streithelferin zustehen sollten. Zugleich hatten sie sich zu einer entsprechenden Nichtausübung der eigenen (verdinglichten) Nutzungsrechte verpflichtet ("Verzicht"). Damit hatten sie unter sich eine sie berechtigende wie auch verpflichtende Gebrauchsregelung mit obligatorischer Wirkung getroffen.

Die Vertragsstellung der Streithelferin hatten alsdann in den beiden Kaufverträgen vom 10.02.1998 und 29.06.1999 die jeweiligen Erwerber der Wohnung Nr. 1 übernommen. Zu diesem Vertrag zwischen ausscheidender und eintretender Partei hatte die Klägerin die ihrerseits erforderliche Zustimmung bereits, wie es durchaus möglich ist und auch ihren eigenen Interessen entsprach, im vorhinein in der Vereinbarung vom 05.02.1998 erteilt (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 398 Rn 38 a). Hinsichtlich der dort getroffenen Gebrauchsregelung für die Stellplätze Nr. 1 und 10 ist es somit zu einer Übertragung bzw. einer Übernahme eines Schuldverhältnisses im Ganzen gekommen.

2. Die von den Beklagten geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

a) Hinsichtlich der beiden Kaufverträge wird als Verstoß gegen § 13 a Abs. 1 und 2 BeurkG gerügt: Die Vereinbarungen zwischen Streithelferin und Klägerin vom 05.02. und 06.08.1998, auf die verwiesen werde, seien den Erwerbern nicht bekannt gewesen, diese hätten auch nicht auf das Vorlesen verzichtet und die Urkunden seien weder beigefügt gewesen noch hätten die Erwerber darauf verzichtet gehabt.

Zufolge einer entsprechenden Erklärung in den von den Erwerbern unterzeichneten Kaufverträgen waren ihnen jene Vereinbarungen freilich bekannt. Vor allem hatten jedoch die in Bezug genommenen Urkunden auf den Inhalt der Kaufverträge tatsächlich gar keinen bestimmenden Einfluss, sondern dienten lediglich der Erläuterung, so dass die Verweisung an keine Förmlichkeit gebunden war (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 313 Rn 35). Überdies wäre eine - angenommene - Formnichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB) jedenfalls, da Auflassung und Eintragung erfolgt sind, gemäß § 313 S. 2 BGB geheilt.

b) An der Wirksamkeit der Vertragsübernahme vermochte auch der zwischen den beiden Erwerbern, den Eheleuten A. und den Beklagten, durch Schriftwechsel vom 18.11./22.12.1998 vereinbarte "Verzicht auf die Rechte aus § 1 Abs. 2" ihres Kaufvertrags nichts zu ändern; denn dafür fehlt es an der wiederum erforderlichen Zustimmung der Klägerin.

Im übrigen handelt es sich bei der zwischen Streithelferin und Klägerin getroffenen Vereinbarung nicht um ein - kündbares - unentgeltliches Nutzungsverhältnis wie die Leihe, sondern um eine dauerhafte obligatorische Gebrauchsregelung, nicht anders als bei dem an sich im nachhinein angestrebten dinglichen Austausch, freilich ohne dessen kraft Grundbucheintragung eintretende Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern.

c) Schließlich liegt auch kein gemeinschaftlicher Irrtum über einen für die Willensbildung wesentlichen Umstand vor, der den Rückgriff auf die Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage zuläßt (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 242 Rn 149 f.). Insoweit machen die Beklagten geltend, sie wie auch ihre Verkäufer A. hätten irrtümlich angenommen, aufgrund der Vereinbarungen vom 05.02. und 06.08.1998 zwischen der Streithelferin und der Klägerin hätten sie die darin getroffene Nutzungsregelung auch für sich selbst als verbindlich hinnehmen müssen. Gegen den behaupteten Irrtum spricht freilich an sich bereits der Inhalt des Grundbuchs. Des Weiteren fehlt es jedenfalls auf Seiten der Veräußerer A. schon deshalb an einem Irrtum, weil sie aufgrund ihres Kaufvertrags vom 10.02.1998 mit der Streithelferin tatsächlich an die zuvor getroffene Nutzungsregelung gebunden und zur entsprechenden Einbindung ihrer Rechtsnachfolger verpflichtet waren. Völlig unberücksichtigt lassen die Beklagten das Erfordernis der Unzumutbarkeit der Vertragserfüllung, das eine Anwendung der Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage voraussetzt: sie wussten jedoch bei Abschluss ihres Kaufvertrags, dass ihnen die Nutzung (allein) am Stellplatz Nr. 10 zustehen sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 sowie 101 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu auch Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 101 Rn 2 a. E.), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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