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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 29.02.2008
Aktenzeichen: 4 U 149/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 252 n.F.
BGB § 313
BGB § 842
BGB § 843 a.F.
ZPO § 323
1) Abänderung eines privatschriftlichen Vergleichs betreffend Pflegemehrbedarf (§ 843 Abs. 1 BGB), wenn sich die Parteien in dem Vergleich der (entsprechenden) Anwendung des § 323 ZPO unterworfen haben

2) Bemessung des Fortkommensschadens eines bei den Eltern lebenden jugendlichen Schwerbehinderten (hier unter Heranziehung der Entwicklung des nicht behinderten Zwillingsbruders)


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 149/07

verkündet am: 29. Februar 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Alpes, den Richter am Oberlandesgericht Röttger und den Richter am Oberlandesgericht Harder für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. Juli 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten geändert und wie folgt neu gefasst:

1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu zahlen

- monatlich weitere € 300,00 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 1. Februar 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. ab dem jeweils ersten Kalendertag eines jeden Monats,

- beginnend mit dem 1. März 2008 monatlich vorschüssig € 900,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. ab dem jeweils ersten Kalendertag eines jeden laufenden Monats.

2) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu zahlen € 2.720,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. ab dem 01.12.2005 auf € 1.100,00, seit dem 01.02.2006 auf weitere € 150,00, seit dem 01.03.2006 auf weitere € 110,00, seit dem 01.04.2006 auf weitere € 210,00, seit dem 01.05.2006 auf weitere € 210,00, seit dem 01.06.2006 auf weitere € 210,00, seit dem 01.07.2006 auf weitere € 210,00, seit dem 01.08.2006 auf weitere € 210,00, seit dem 01.10.2006 auf weitere € 300,00.

3) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 1. September 2007 monatlich vorschüssig 223,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. seit dem jeweils 1. Kalendertag eines jeden fälligen Betrages zu zahlen.

4) Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger zu zahlen 3.706,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a.

- auf € 705,75 seit dem 17. Januar 2006,

- auf jeweils weitere € 141,15 seit dem 1. Februar 2006, seit dem 1. März 2006, seit dem 1. April 2006, seit dem 1. Mai 2006, seit dem 1. Juni 2006, seit dem 1. Juli 2006, seit dem 1. August 2006

- und auf jeweils weitere € 167,76 seit dem 1. September 2006, seit dem 1. Oktober 2006, seit dem 1. November 2006, seit dem 1. Dezember 2006, seit dem 1. Januar 2007, seit dem 1. Februar 2007, seit dem 1. März 2007, seit dem 1. April 2007, seit dem 1. Mai 2007, seit dem 1. Juni 2007, seit dem 1. Juli 2007 und seit dem 1. August 2007.

Wegen des weitergehenden Zinsantrages wird die Klage abgewiesen.

5) Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger 13 % und der Beklagte 87 %. Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Beklagte.

6) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung von rückständigem sowie laufendem Pflegemehrbedarf sowie Ersatz seines Verdienstausfallschadens. Der am 30. Juni 1988 im Klinikum I., dessen Träger der Beklagte ist, geborene Kläger erlitt dort einen Geburtsschaden und ist seitdem schwerbehindert. Er sitzt im Rollstuhl und ist bei sämtlichen Verrichtungen auf die Hilfe Dritter angewiesen. Der Kläger erhält aus der Pflegeversicherung Leistungen der Pflegestufe 3. Der Beklagte ist aufgrund des Vergleichs ... vom 10. Februar 2003 im Rechtsstreit ... u. a. dazu verpflichtet, eine Schmerzensgeldrente von monatlich € 350,00 beginnend ab dem 1. Januar 2003 zu zahlen und sämtliche weiteren immateriellen und materiellen Schäden des Klägers mit einer Quote von 70 % zu regulieren, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind (Ziffer 2 des Vergleichs). Im Zusammenhang mit einem weiteren Rechtsstreit der Parteien schloss der Kläger mit dem durch den ... vertretenen Beklagten am 27./29. April 2004 einen außergerichtlichen Vergleich zum materiellen Schaden einschließlich des Pflegemehrbedarfs (Anlage K 2, Bl. 10 f d. A.). Dort heißt es u. a.:

"2. Ab Januar 2004 werden ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht zum Ausgleich des sachlichen und persönlichen Pflegebedarfs monatlich - jeweils vorschüssig - 1.110,00 € gezahlt.

Der vorstehende Betrag errechnet sich nach Abzug des monatlichen Pflegegeldes der Pflegeversicherung in Höhe von z. Zt. 665,00 €.

Sollten sich die Pflegegeldzahlungen ändern bzw. weitere Leistungen Dritter erbracht werden, die zu dem behindertenbedingten Mehrbedarf kongruent sind und auf Dritte übergehen können, so ist die monatliche Zahlung entsprechend abzuändern. Der Kläger verpflichtet sich, dem Versicherer Änderungen der Pflegegeldzahlungen durch die Kranken- bzw. Pflegekasse und sonstiger Dritter unverzüglich mitzuteilen. Insoweit erfolgen die Zahlungen des Versicherers unter Vorbehalt der Rückforderung bzw. Verrechnung falls die Kassen Leistungen erbringen, die mit den Zahlungen des Versicherers identisch sind.

Bei wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse kann von beiden Parteien entsprechende Abänderung nach § 323 ZPO verlangt werden."

Damals besuchte der bei seinen Eltern in H. lebende Kläger eine Schule. Er wurde damals von Montag bis Freitag um 07.30 Uhr durch die Einrichtung abgeholt und war um 13.30 Uhr wieder zu Hause. Der Kläger hatte jährlich 3 Monate Ferien. Zum 1. September 2005 nahm der Kläger seine Arbeit in der Behindertenwerkstatt ... auf. Dort ist er von Montag bis Donnerstag von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr und am Freitag von 08.00 Uhr bis 12.30 Uhr tätig. Zwischen dem 1. September 2005 und dem 30. August 2006 übernahmen die Eltern des Klägers mit einem täglichen Gesamtzeitaufwand von rd. 2 Stunden seinen Transport zur Arbeitsstätte und zurück, weil der Bus der ...Werkstätten" den damaligen Rollstuhl des Klägers nicht transportieren konnte. Seit dem 1. September 2006 hat die Einrichtung den Transport übernommen, der Kläger wird etwa eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn abgeholt und etwa eine halbe Stunde nach Arbeitsende wieder zu Hause abgeliefert.

Der für den Beklagten handelnde ... vertrat - beginnend mit Schreiben vom 30. August 2005 - die Auffassung, der Umfang des Pflegemehrbedarfs habe sich aufgrund der im Vergleich zum Schulbesuch nun längeren häuslichen Abwesenheit des Klägers reduziert und kürzte die Zahlungen für den monatlichen Pflegemehrbedarf mit Wirkung zum 1. September 2005 von € 1.110,00 auf € 900,00 und zum 1. November 2006 auf € 600,00. Einer Aufforderung des Klägers vom 16. Januar 2006 (Bl. 74 d. A.), den mit der Klage geltend gemachten Pflegemehrbedarf und den Verdienstausfall anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis über den anerkannten Betrag herzureichen, kam der ... nicht nach.

Der gesunde Zwillingsbruder M. des Klägers hat zum 1. September 2005 eine Lehre als Bäcker in H. angetreten.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß dazu verurteilt, ab dem 1. Dezember 2006 monatlich vorschüssig Euro 900,-- nebst gesetzlicher Zinsen ab dem jeweils ersten Kalendertag eines jeden laufenden Monats für dessen Pflegemehrbedarf zu zahlen (Ziffer 1 des Urteilstenors). Weiterhin hat das Landgericht die Beklagte (Ziffer 2 des Urteilstenors) zur Zahlung von rückständigen Pflegemehrbedarfsbeträgen von insgesamt 2.720,-- € nebst gesetzlicher Zinsen verurteilt und zwar für die Monate Dezember 2005 (1.100,-- €), Februar 2006 (150,-- €), März 2006 (110,-- €), April 2006 (210,-- €), Mai 2006 (210,-- €), Juni 2006 (210,-- €), Juli 2006 (210,-- €) und August 2006 (210,-- €) sowie November 2006 (300,-- €). Im Hinblick auf den geltend gemachten Verdienstausfall hat das Landgericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung eines monatlichen Betrages von 71,15 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 1. Februar 2006 (Ziffer 3 des Urteilstenors) sowie zur Zahlung rückständiger Beträge in Höhe von insgesamt 355,75 € für die Monate September 2005 bis einschließlich Januar 2006 nebst gesetzlicher Zinsen (Ziffer 4 des Urteilstenors) verurteilt. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Verurteilung zur Zahlung des Pflegemehrbedarfs von monatlich Euro 900,-- folge bereits aus dem Anerkenntnis der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 26. Mai 2006. Die mit dem Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 nachträglich erfolgte Einschränkung des Beklagten, ab dem 1. September 2006 nur noch einen Betrag in Höhe von 600,-- € anzuerkennen, sei prozessrechtlich unerheblich, da der Beklagte, auch wenn ein Teilanerkenntnisurteil nicht sogleich ergangen sei, an sein Anerkenntnis gebunden sei. Die hiernach vorgenommene Anpassung der klägerischen Anträge stelle keine Änderung der Klagansprüche dergestalt dar, dass ein Anerkenntnisurteil nicht mehr hätte ergehen können.

Der Kläger könne aus dem Vergleich vom 27./29. April 2004 sowohl den geltend gemachten Rückstand als auch den zukünftigen Pflegemehrbedarf verlangen. Insoweit habe der für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse - Reduzierung des Pflegebedarfs - beweisbelastete Beklagte nicht nachweisen können, dass hier diese Voraussetzungen des § 323 ZPO im Hinblick auf den im Jahre 2004 abgeschlossenen Vergleich vorlägen. § 323 ZPO sei anwendbar, weil sich die Parteien im Vergleich wegen einer Abänderung der monatlichen Zahlen ausdrücklich auf dessen Voraussetzungen geeinigt hätten. Dem Vergleich aus April 2004 könne bereits nicht entnommen werden, welche konkreten Verhältnisse der vereinbarten Höhe der monatlichen Zahlung zugrunde gelegt worden seien. Der Beklagte habe trotz des substantiierten Bestreitens des Klägers keinen Beweis dafür angeboten, dass das von ihm in diesem Zusammenhang dargelegte Rechenwerk zutreffend sei. Der Beklagte könne daher nicht beweisen, dass ein ganz bestimmter Zeitaufwand und ein ganz bestimmter Stundensatz für die Berechnung zugrunde gelegt worden seien. Im Übrigen sei die Kammer davon überzeugt, dass in den tatsächlichen Verhältnissen aufgrund der Tätigkeit des Klägers seit September 2005 in den G-Werkstätten eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei. Zeitgewinne der Eltern im Zeitraum zwischen September 2005 bis August 2006 seien durch die in diesem Zeitraum unvermeidlichen Transporte durch die Eltern kompensiert worden. Der im Vergleich zu den früheren Ferienzeiten geringere Urlaubsanspruch des Klägers stelle keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO dar. Für die Zeit nach dem 1. September 2006 sei die Beklagte bis auf weiteres zur Zahlung von vorschüssig 900,-- € monatlich verpflichtet, wie sich bereits aus dem Anerkenntnis ergebe. Auch insoweit liege im Übrigen keine so wesentliche Veränderung der Verhältnisse vor, dass eine Reduzierung des rechnerischen Pflegebedarfs unter Zugrundelegung der 70 %-igen Haftung der Beklagten aus dem gerichtlichem Vergleich vom 10. Februar 2003 auf unter 900,-- € gerechtfertigt sei. Der Kläger habe nachgewiesen, dass er an durchschnittlich zwei Tagen monatlich von seinen Eltern tagsüber wegen Unpässlichkeiten abgeholt und nach Hause gebracht werden müsse. Das habe die Zeugin K. glaubhaft bekundet. Es sei deshalb ein wesentlicher Zeitgewinn der Eltern bei der Pflege und Betreuung des Klägers nur eingeschränkt eingetreten, der eine weitere Reduzierung des Pflegemehrbedarfs als auf den vom Kläger selbst nachvollziehbar berechneten Betrag von 900,-- € monatlich nicht rechtfertige.

Der Kläger könne weiterhin von dem Beklagten aus den §§ 842, 843 i. V. m. dem gerichtlichen Vergleich vom 10. Februar 2003 den Ersatz seines Fortkommensschadens in Höhe von derzeit 71,15 € monatlich ab dem 1. Februar 2006 sowie von insgesamt 355,75 € rückwirkend für die Monate September 2005 bis Januar 2006 verlangen. Die Kammer lege für die Bemessung des Fortkommensschadens des Klägers nach den §§ 252 Satz 2 BGB, 287 ZPO die Entwicklung des Zwillingsbruders des Klägers zugrunde. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Krankenversicherungsbeiträge sei von einem Nettoeinkommen in Höhe von rund 310,-- € monatlich auszugehen. Hiervon sei ein Betrag von 5 % für Berufskleidung und Fahrten zur Berufsschule zu ziehen. Darüber hinaus sei ein Abzug von monatlich 100,-- € vorzunehmen, weil dem Kläger vermutlich von den Eltern freie Kost und Logis gewährt werde, wohl zumindest begrenzt Leistungsfähigkeit bestehe und Kinder grundsätzlich nicht nur moralisch verpflichtet seien, sich an den Aufwendungen des elterlichen Hausrats im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu beteiligen. Hiernach stehe ein geschätzter Betrag von 194,50 € monatlich zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote des Beklagten aus dem gerichtlichen Vergleich von 70 % ergebe sich rechnerisch ein Ersatzanspruch des Klägers in Höhe von 136,15 € monatlich. Hiervon sei das in den Gl-Werkstätten erwirtschaftete Einkommen bzw. Taschengeld in Höhe von 65,-- € monatlich abzuziehen. Für die Geltendmachung dieses Betrages sei der Kläger auch unter Berücksichtigung der Regressankündigung der BfA aktivlegitimiert, denn eine sachliche und zeitliche Konkurrenz zwischen dem Anspruch des Klägers und den Leistungen der BfA sei nicht ersichtlich. Die Kosten für die Lehrgangsteilnahme des Klägers stellten einen zusätzlichen Bedarf des Klägers dar und hätten keine Lohnersatzfunktion, sodass die vorliegenden Ansprüche des Klägers nicht nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X übergegangen seien.

Gegen die Beurteilung des Fortkommensschadens durch das Landgericht wendet sich der Kläger - unter Erweiterung der Klage - mit den folgenden Berufungsangriffen (Bl. 211 ff. d. A.):

Zu Unrecht habe das Landgericht das monatliche Lehrlingsgehalt um einen fiktive Abgabe von 100,-- € an die Eltern gekürzt. Dadurch werde der Schädiger ungerechtfertigt entlastet. Im Rahmen einer nach § 533 ZPO zulässigen Klageänderung seien die Anträge für den Verdienstausfall anzupassen, weil der Zwillingsbruder Malte sich seit dem 1. September 2006 im zweiten Lehrjahr befunden habe und sich seit dem 1. September 2007 im dritten Lehrjahr befinde. Die Anträge seien sachdienlich, weil sonst eine neue Klage wegen der Erhöhungsbeträge des zweiten und dritten Lehrjahres notwendig gewesen wäre. Unter Zugrundelegung der vom Landgericht vorgenommenen Berechnung nach Maßgabe der obigen Korrektur ergebe sich für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis zum 31. August 2006 ein monatlicher Nettobetrag von 310,-- €, von dem 5 % für berufsbedingte Aufwendungen mithin 15,50 € abzusetzen seien. Von dem verbleibenden Schaden von 294,50 € habe der Beklagte 70 % zu tragen, mithin 206,15 €. Nach dem Abzug der 65,-- € Taschengeld errechne sich ein Betrag von monatlich 141,15 €. Für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2007 folge aus dem Bruttogehalt von monatlich 440,-- € ein Nettoeinkommen von 350,02 € nach Abzug von 5 % ergebe sich ein Betrag von 332,52 €, hiervon 70 % seien 232,76 €. Abzüglich des Taschengeldes von 65,-- € ergebe sich ein monatlicher Verdienstausfallschadensbetrag von 167,76 €. Ab September 2007 folge aus dem Brutto von 545,-- € ein Netto von 433,54 €, nach Abzug von 5 % (21,68 €) belaufe sich der Schaden auf 411,86 €. 70 % hiervon ergäben 288,30 €, abzüglich 65,-- € Taschengeld folge hieraus ein Schadensbetrag von 223,30 €.

Der Kläger hat die Klage im Hinblick auf den Antrag zu 1) wegen von dem Beklagten monatlich bis zum 1. Februar 2008 gezahlter € 600,00 insoweit teilweise für erledigt erklärt und nach mündlicher Klarstellung im Termin vor dem Senat beantragt

das Urteil des Landgerichts Itzehoe zu Ziff. 3 u. 4 des Tenors abzuändern und den Beklagten insoweit zu verurteilen,

3. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich vorschüssig 223,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. seit dem jeweils 1. laufenden Kalendertag eines jeden fälligen Betrages, beginnend mit dem 1. September 2007, zu zahlen.

4. Der Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger 3.706,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a.

seit dem 1. September 2005 auf 141,15 €,

seit dem 1. Oktober 2005,

seit dem 1. November 2005,

seit dem 1. Dezember 2005,

seit dem 1. Januar 2006,

seit dem 1. Februar 2006,

seit dem 1. März 2006,

seit dem 1. April 2006,

seit dem 1. Mai 2006,

seit dem 1. Juni 2006,

seit dem 1. Juli 2006,

seit dem 1. August 2006,

seit dem 1. September 2006 auf je weitere 167,76 €,

seit dem 1. Oktober 2006,

seit dem 1. November 2006,

seit dem 1. Dezember 2006,

seit dem 1. Januar 2007,

seit dem 1. Februar 2007,

seit dem 1. März 2007,

seit dem 1. April 2007,

seit dem 1. Mai 2007,

seit dem 1. Juni 2007,

seit dem 1. Juli 2007,

seit dem 1. August 2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen und beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger abzüglich der geleisteten Beträge

1. für die Zeit ab Dezember 2006 monatlich mehr als 600,-- € nebst Zinsen (Ziff. 1 des Urteilstenors),

2. einen Rückstand von 2.720,00 € nebst Zinsen (Ziff. 2 des Urteilstenors),

3. ab Januar 2006 mehr als monatlich 60,-- € nebst Zinsen (Ziff. 3, 4 des Urteilstenors) zu zahlen.

Hilfsweise hat der Beklagte Abänderungswiderklage erhoben mit dem Antrag,

den Vergleich vom 27.04./29.04.2004 dahingehend zu ändern, dass der Beklagte dem Kläger für September 2005 bis August 2006 nicht mehr als monatlich 900,-- € und ab September 2006 nicht mehr als monatlich 600,- € schuldet.

Der Beklagte wendet sich mit den folgenden Berufungsangriffen gegen das landgerichtliche Urteil (226 ff. d. A.):

Vorsorglich werde noch einmal ausdrücklich das mit Schriftsatz vom 26. Mai 2001 abgegebene Anerkenntnis in Höhe von monatlich 300,-- € für die Zeit ab September 2006 widerrufen. Zu beanstanden sei das Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts, da bereits im Schriftsatz vom 26. Mai 2006 eine Reduzierung des anerkannten Betrages für den Fall vorbehalten worden sei, dass die Behindertenwerkstätten den Transport selbst übernehmen könnten. Dem Landgericht sei bei Verkündung des Urteils bekannt gewesen, dass sich entsprechend die Verhältnisse ab September 2006 geändert hätten. Darüber hinaus sei von der Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 ausdrücklich klargestellt worden, dass sie das Anerkenntnis von monatlich 900,-- € nur auf die Zeit von Juni bis August 2006 beziehe. Aus dem Inhalt dieses Schriftsatzes ergebe sich ein jedenfalls konkludenter teilweiser Widerruf des ursprünglichen Anerkenntnisses.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch für den Zeitraum zwischen dem 1. September 2005 und Ende August 2006 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, da sich der Pflegemehrbedarf für die Eltern im Ergebnis an den Werkstatttagen um 1,3 Std. täglich reduziert habe. Darüber hinaus sei die Reduzierung der früheren Ferienzeit von drei Monate auf unstreitig 36 Tage zu berücksichtigten gewesen, sodass der Kläger im zeitlich größerem Umfang zu Hause abwesend sei und daher kein Pflegebedarf mehr anfalle. Die wesentliche Änderung ergebe sich aus der reduzierten Betreuungszeit und rechtfertigt ggf. im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO eine Herabsetzung um monatlich mindestens 300,-- €.

Für die Zeit ab September 2006 sei auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Eltern den Kläger im Monatsdurchschnitt zwei Mal von den Werkstätten abholen müssten eine weitere Reduzierung des Pflegemehrbedarfs auf monatlich 600,-- € gerechtfertigt, weil sich die häusliche Abwesenheit des Klägers an den Werkstatttagen gegenüber der Schulzeit um täglich 2,3 Std. erhöhe und der Kläger nur noch 36 Urlaubstage habe.

Hinsichtlich des Verdienstausfallschadens sei zu beanstanden die mangelnde Befassung des Landgerichts mit dem Einwand, dass bei einem behinderten Menschen der mit dem Verdienst zu finanzierende Lebensunterhalt jedenfalls teilweise durch Leistungen der Pflegeversicherung, Schmerzensgeld und Schmerzensgeldrente ausgeglichen werde.

Zu Unrecht habe sich das Landgericht nicht mit dem in der Entscheidung des OLG Düsseldorf angesprochenen Abschlag von 25 % vom errechneten Erwerbsschaden - begründet mit den Unwägbarkeiten des beruflichen Werdeganges - beschäftigt.

Im Hinblick auf den von dem Beklagten im Hinblick auf sein Anerkenntnis monatlich gezahlten Betrag von 600,-- € hätte die Klage für die Zeit von Dezember 2006 bis März 2007 teilweise abgewiesen werden müssen, da der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt habe, insoweit bestehe auch keine Verzinsungspflicht.

In der Umstellungsphase zwischen September 2005 bis Februar 2006 seien von dem Beklagten 4.440,-- € und im Februar 2006 ein ergänzender Differenzbetrag von 960,-- € geleistet worden, sodass ein Zahlungsrückstand nicht bestehe. Für den Zeitraum ab September 2006 sei bei einem angesetzten Pflegemehrbedarf von 600,-- € der Überzahlung von jeweils 300,-- € in den Monaten September und Oktober 2006 dadurch Rechnung getragen worden, dass für November und Dezember 2006 jeweils 300,-- € überwiesen worden seien.

Zur Überprüfung des Senats werde ferner die Kostenentscheidung des Landgerichts gestellt vor dem Hintergrund, dass der Beklagte den Klaganspruch teilweise sofort anerkannt habe und eine Zahlungspflicht von 900,-- bzw. 600,-- € unstreitig gewesen sei. Dies auch vor dem Hintergrund des Streitwertes, wobei darauf hinzuweisen sei, dass es sich kostenmäßig nicht zu Lasten des Beklagten auswirken könne, wenn der Kläger nicht nur die "offene Spitze", sondern den Gesamtbetrag einklage.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien im zweiten Rechtszug sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2008 Bezug genommen.

II.

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos, während die Berufung des Klägers begründet ist. Der Kläger kann von dem Beklagten aus Ziffer 2 des außergerichtlichen Vergleichs vom 27./29. April 2004 für seinen Unterhaltsmehrbedarf die Zahlung von monatlich vorschüssig insgesamt € 1.110,00 bis zum 1. September 2006 (Rückstände gemäß Urteilstenor zu 2) und danach von € 900,00 (Urteilstenor zu 1) und nicht lediglich die vom Beklagten zuerkannten und gezahlten zunächst € 900,00 und seit dem 1. September 2006 € 600,00 verlangen.

A. Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger antragsgemäß einen monatlichen Pflegemehrbedarf von € 1.110,00 für den Zeitraum von September 2005 bis August 2006 und von danach € 900,00 zuerkannt, sodass die Berufung des Beklagten unbegründet ist. Der Beklagte kann von dem Kläger nicht nach Maßgabe der materiellen Kriterien von § 313 Abs. 1 BGB (vgl. zu den insoweit materiellrechtlich maßgeblichen Kriterien der Störung der Geschäftsgrundlage: BGHZ 85, 64, 73; Palandt-Grüneberg, BGB, Kommentar, 67. Aufl. 2008, § 313, Rdnr. 54) i. V. m. § 323 ZPO und Ziffer 2 Abs. 4 des Vergleichs vom 27./29. April 2004 die Herabsetzung des Unterhaltsmehrbedarfs im Zeitraum vom 1. September 2005 bis zum 31. August 2006 von monatlich € 1.110,00 auf € 900,00 und für den Zeitraum nach dem 1. September 2006 auf € 600,00 verlangen, weil eine schwerwiegende Änderung der für den Vergleichsschluss maßgeblichen Umstände nicht vorliegt.

1) Auf privatschriftliche oder andere außergerichtliche Vergleiche ist § 323 ZPO allerdings nicht anwendbar, weil es an einem abzuändernden Titel fehlt; die Parteien können sich der Regelung des § 323 ZPO jedoch vergleichsweise unterwerfen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, Kommentar, 26. Aufl. 2007, § 323 ZPO, Rdnr. 43 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1960, 60 sowie Köln FamRZ 1986, 1018). So liegt der Fall hier. Nach der in Ziffer 2 Abs. 4 des Vergleichs vom 27/29. April 2004 von den Parteien getroffenen Vereinbarung kann eine Abänderung der Zahlungsverpflichtung bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO verlangt werden. Auch wenn der Wortlaut von Ziffer 2 Abs. 4 der Vergleichsvereinbarung sowohl die Vereinbarung des Erfordernisses einer Abänderungsklage als auch Vereinbarung eine Anwendbarkeit nur der materiellen Kriterien von § 323 ZPO als denkbar erscheinen lässt, kann - wie vorliegend der Fall - der Einwand der wesentlichen Veränderung der Verhältnisse auch im Rahmen einer vom Gläubiger erhobenen Leistungsklage geprüft werden, sodass es der hilfsweise erhobenen Abänderungswiderklage nicht bedarf.

2) Die Voraussetzungen für eine Reduzierung der monatlichen Zahlung für den Unterhaltsmehrbedarf des Klägers wegen einer wesentlichen Veränderung der hierfür maßgebenden Umstände nach den §§ 323 ZPO i. V. m. 313 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu allg. BGHZ 85, 64, 73) liegen nicht vor.

a) Nach dem Parteivorbringen ist davon auszugehen, dass der für den Beklagten bei Abschluss des Vergleichs vom 27./29. April 2004 auftretende KSA in dem von dem Kläger angenommenen Vergleichsangebot einen täglichen Pflegemehrbedarf von durchschnittlich 7,5 - 8,3 Stunden berücksichtigte. Umgerechnet auf 30 Tage kam der KSA unter Zugrundelegung eines Stundensatzes zwischen 9,00 und 10,00 € auf eine Ausgangsleistung von € 2.250,00, von der die Zahlung der Pflegeversicherung von € 665,00 abgesetzt, dann wegen der lediglich 70 %-igen Haftung 30 % abgezogen und gerundet der Monatsbetrag von € 1.110,00 festgelegt worden ist. Hiernach ist ein der Vergleichsvereinbarung zugrunde liegender Pflegemehrbedarf von gerundet 8 Stunden täglich zugrunde legen, der zu einem jährlichen Pflegemehrbedarf von 2.912 Stunden führt. Dem lag unstreitig auch zugrunde, dass der damals 16 Jahre alte Kläger bei Abschluss des Vergleichs die Schule besuchte und hierzu um 07.30 Uhr abgeholt wurde und um 13.30 Uhr wieder zu Hause war (Schulzeit von 8.00 - 13.00 Uhr). Das entsprach einer häuslichen Abwesenheit von wöchentlich 30 Stunden.

b) Seit dem 1. September 2005 hält sich der Kläger unstreitig regelmäßig zwischen Montag und Donnerstag von 8.00 - 16.00 Uhr und am Freitag von 8.00 Uhr - 12.30 Uhr, also wöchentlich 36,50 Stunden, in den "Glückstädter Werkstätten" auf. Bis zum 31. August 2006 ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers durch den Transport des Klägers zur Einrichtung unstreitig einen echten Betreuungsmehraufwand von mehr als einer Stunde täglich hatten, da sie den Kläger morgens um 07.30 Uhr in die Einrichtung fuhren (Rückkehr 08.20 Uhr) und am Nachmittag um 15.30 Uhr zum Abholen des Klägers losfuhren. Dieser (echte) Betreuungsaufwand ist jedenfalls im Umfang von 5 Stunden wöchentlich gegenüber einer mit der Arbeitsaufnahme verbundenen Entlastung der Eltern gegen zu rechnen. Das führt zu einem betreuungsfreien Zeitraum für die Eltern des Klägers von 31,50 Stunden wöchentlich, also zu einer gegenüber der Schulzeit um 1,5 Stunden wöchentlich erhöhten häuslichen Abwesenheit des Klägers, wobei die Zeit der häuslichen Abwesenheit nicht gleichgesetzt werden kann mit erspartem Pflegeaufwand der Eltern.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Verlassen der Schule unstreitig nicht mehr 3 Monate Ferien (= 90 Kalendertage), sondern lediglich einen Urlaubsanspruch von nur noch 36 Werktagen (Werktag = Montag-Freitag), also von 7 Wochen und 1 Tag (= 50 Kalendertage) hat. Hierdurch entfallen rd. 40 Kalendertage (= rund 29 Werktage) der Ferienzeit von 3 Monaten, die während der Schulzeit zu einer (werktäglichen) pflegerischen Mehrbelastung der Eltern führte. Der Senat schätzt die pflegerische Entlastung der Eltern für diese 29 Werktage gemäß § 287 ZPO auf höchstens 2,5 Stunden täglich, wobei die gegenüber den übrigen Werktagen kürzere Abwesenheit des Klägers an den in diesem Zeitraum liegenden Freitagen noch nicht einmal berücksichtigt worden ist. Denn es ist davon auszugehen, dass die wesentlichen Pflegetätigkeiten, wie etwa das An- und Ausziehen und die Körperpflege, von den Eltern morgens und abends erbracht werden. Während der arbeitsbedingten Abwesenheit des Klägers entfällt die angesichts der Behinderung des Klägers erforderliche Begleitung während des Mittagessens und die Betreuung bei ggf. mehreren Toilettengängen (vgl. die Erwägungen des Senats in OLGR 2007, 859, juris Rdnr. 15). Der im Vergleich zu den Ferien zeitlich reduzierte Urlaub führt mithin zu einer Ermäßigung des Pflegemehrbedarfs um jährlich 72,5 Stunden.

Unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen sind dem hinzuzusetzen ein wegen der vergleichsweise längeren häuslichen Abwesenheit während der werktäglichen Arbeitszeit ersparter Pflegemehrbedarf von 24,38 Stunden (= 78 Stunden : 3,2 entsprechend 2,5 Stunden Pflegemehrbedarfsersparnis bei 8 Stunden häuslicher Abwesenheit), sodass sich hierdurch eine jährliche Reduzierung des Pflegemehraufwandes von rund 97 Stunden ergibt. Im Verhältnis zu der dem Vergleich zugrunde liegenden Zeit von 2.912 Stunden jährlich liegt eine - unbeachtliche - Reduzierung des Pflegemehraufwandes um 3,3 % vor. Der Kläger kann von dem Beklagten daher die Zahlung der unstreitig vom Beklagten im Vergleich zur geschuldeten Zahlung von € 1.110,00 nicht gezahlten und mit dem Klagantrag zu 2) geltend gemachten Beträge von € 1.110,00 für den Dezember 2005, € 150,00 für Februar 2006, € 110,00 für März 2006 und jeweils € 210,00 für April - August 2006 verlangen. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

c) Der Kläger kann von dem Beklagten auch die mit dem Klagantrag zu 1) geltend gemachte fortlaufend Zahlung von monatlich vorschüssig € 900,00 - nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung bis zum 1. Februar 2008 noch von monatlich € 300,00 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 1. Februar 2008 - und die in Höhe restlicher € 300,00 für den Monat November 2006 mit dem Klagantrag zu 2) geltend gemachte Zahlung aus Ziffer 2 des Vergleichs vom 27./29. April 2004 verlangen.

aa) Allerdings muss sich der Beklagte jedenfalls für den Zeitraum nach Eingang seines Schriftsatzes vom 12. Dezember 2006 nicht an seinem Anerkenntnis vom 26. Mai 2006 festhalten lassen. Zwar ist der Beklagte an sein - unbedingt erklärtes - Anerkenntnis gebunden, Widerruf und Anfechtung wegen Irrtums finden nicht statt, anerkannt ist lediglich der auf die Wiederaufnahmegründe des § 580 ZPO gestützte Widerruf eines von einem Restitutionsgrund betroffenen Anerkenntnisses, was hier nicht der Fall ist. Diese Bindung folgt aus dem Charakter des Anerkenntnisses als grds. unwiderruflicher Prozesshandlung (vgl. BGH NJW 1981, 2193 f.; NJW 1989, 1934; NJW 2006, 217 f.; so auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 574; KG NJW-RR 1995, 958). Es ist unschädlich, dass nicht sofort Teilanerkenntnisurteil ergangen ist (vgl. Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 307, Rdnrn. 3). Auch ist die erforderliche Identität zwischen Anerkenntnis und dem vom Kläger im Laufe des Verfahrens an die Zahlungen angepassten Klagantrag (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer, a. a. O., Rdnrn. 3, 5 a. E.) und zwar sowohl hins. des Klagantrags zu 1) als auch bzgl. der im Klagantrag zu 2) mit € 300,00 teilweise enthaltenen Rate für November 2006 gewahrt. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. FamRZ 2002, 88, 90) ist der Widerruf eines Anerkenntnisses jedoch unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO möglich (so zuvor bereits OLG Schleswig FamRZ 1993, 577 f.; SchlHA 1996, 72 f.; OLG Koblenz FamRZ 1988, 915; vgl. auch Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, Vor §§ 306, 307 ZPO, Rdnr. 6). Eine wesentliche Veränderung der für die Abgabe des Anerkenntnisses maßgebenden Umstände ist in der Folgezeit mit dem Wegfall der bei Abgabe des Anerkenntnisses seit dem 1. September 2005 zusätzlich erforderlich gewordenen Betreuungsaufwandes der Eltern von werktäglich etwa 2 Stunden für den Transport des Klägers zu den Werkstätten und zurück nach Hause eingetreten. Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 sind als schlüssiger Widerruf des Anerkenntnisses zu verstehen.

bb) Hiervon zu unterscheiden ist die zu verneinende Frage, ob eine schwerwiegende Veränderung der tatsächlichen, für den Vergleichsschluss maßgeblichen Verhältnisse nach dem 1. September 2006 gemäß § 323 ZPO i. V. m. § 313 Abs. 1 BGB eine Reduzierung des monatlichen Pflegemehrbedarfs auf unter € 900,00 rechtfertigt. Da der Kläger seit dem 1. September 2006 von den "... Werkstätten" morgens abgeholt und nachmittags wieder nach Hause gebracht wird, verringert sich die Zeit, in der die Eltern mit ihm pflegerisch beschäftigt sein können gegenüber der Situation bei Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs im Jahr 2004 wegen der reinen Arbeitszeit um 6,5 Stunden wöchentlich (s. o. b). Hinzu kommen wegen des nunmehr von der Einrichtung durchgeführten Transports des Klägers zur Einrichtung und zurück weitere 5 Stunden wöchentlich. Die häusliche Abwesenheit des Klägers erhöht sich gegenüber der Situation im Jahr 2004 mithin um etwa 598 Stunden jährlich. Der Pflegemehrbedarf reduziert sich hierdurch nach den obigen Überlegungen (vgl. oben b) um rund 187 Stunden (= 598 : 3,2). Dem ist die durch den im Vergleich zu den Ferien kürzeren Urlaub resultierende Reduzierung des Pflegemehraufwands um 72,5 Stunden hinzuzusetzen (s. o. b), sodass sich der Pflegemehrbedarf seit dem 1. September 2006 jährlich um rd. 259,4 Stunden und im Verhältnis zu dem bei Vergleichsschluss unterstellten Pflegemehrbedarf von 2.912 Stunden um 9 % verringert hat. Diese Veränderung der tatsächlichen Umstände ist bereits nicht wesentlich i. S. d. § 313 Abs. 1 BGB bzw. § 323 ZPO. Sie dürfte nur knapp über der Geldentwertung/Lohnsteigerung zwischen April 2004 und September 2006 liegen, mittlerweile dürfte die Inflation darüber liegen. Zu berücksichtigen wäre weiterhin, dass mit der Volljährigkeit des Klägers am 30. Juni 2006 ein vom Gesamtpflegebedarf abzusetzender (altersabhängiger) "Sowiesobedarf" wie er von der Rechtsprechung bei Minderjährigen bejaht wird, weggefallen ist (vom OLG Stuttgart 1 U 51/05 v. 13.12.2005 etwa mit 1,5 Stunden täglich für das Alter von 14 - 18 Jahren angenommen; vgl. auch Senat OLGR 2007, 859, juris Rdnr. 16 - 19). Jedenfalls hat der Kläger mit seiner Reduzierung des monatlichen Pflegemehrbedarfs von € 1.110,00 um 19 % auf € 900,00 den tatsächlichen Veränderungen im Vergleich zu seiner Schulzeit mehr als hinreichend Rechnung getragen...

B. Die im Hinblick auf den Fortkommensschaden eingelegte Berufung des Klägers hat - auch mit der Klagerweiterung - Erfolg. Der Kläger kann von dem Beklagten aus Ziffer 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 10. Februar 2003 i. V. m. den §§ 842 Abs. 1, 843 Abs. 1 a. F. (Art. 229, § 8 Abs. 1 EGBGB) 249, 252 BGB den ihm geltend gemachten Fortkommensschaden, nämlich 70 Prozent des um fiktive Werbungskosten und die Taschengeldleistung des Arbeitsamts bereinigten Nettoeinkommens seines Zwillingsbruders M. seit dem 1. September 2005 verlangen.

1) Die mit der Berufungsbegründung vorgenommene Erweiterung des Klagantrages um den geltend gemachten Fortkommensschaden für den Zeitraum auch nach dem 1. September 2006 im Hinblick auf das jährlich gestiegene Lehrlingsgehalt des Zwillingsbruders M. ist nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen, da die Klage ohne Hinzutreten eines weiteren Klagegrundes nur der Höhe nach erweitert worden ist. Deshalb bedarf es einer Prüfung der Voraussetzungen der §§ 533, 529, 531 Nr. 2 ZPO nicht.

2) Das Landgericht hat den Anspruch auf Ersatz des Fortkommensschadens dem Grunde nach zutreffend bejaht. Der Einwand des Beklagten, der mit dem Verdienst zu finanzierende Lebensunterhalt sei bei einem behinderten Menschen jedenfalls teilweise durch Leistungen der Pflegeversicherung, Schmerzensgeld und Schmerzensgeldrente ausgeglichen, greift nicht. Denn die Pflegeversicherung sichert die behinderungsbedingt erforderliche Pflege, nicht aber den Lebensunterhalt. Schmerzensgeldkapital und Schmerzensgeldrente betreffen den immateriellen Schaden und damit gerade nicht den materiellen Erwerbsausfallschaden.

3) Nicht zu beanstanden ist nach Maßgabe der §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO, wie das Landgericht den Verdienstausfallschaden ausgehend vom Verdienst des Zwillingsbruders M im ersten Lehrjahr von unstreitig mtl. € 385,00 brutto (zzgl. 35 % Weihnachtsgratifikation) ermittelt hat. Für die nach Maßgabe der §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO vorzunehmende Schätzung liegen hier geradezu ideale Verhältnisse vor, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger - wäre er gesund geboren worden - sich beruflich schlechter entwickelt hätte als der Zwillingsbruder, der unstreitig nach dem Hauptschulabschluss im September 2005 die - gerichtsbekannt - eher durchschnittlich entlohnte Bäckerlehre in H angetreten hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt angesichts dieser Umstände im Rahmen der vom Senat nach den §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung keine Veranlassung für einen Prognoseabzug von 25 % vor. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nicht jedenfalls auch eine - wegen der frühmorgendlichen Arbeitszeit gerichtsbekannt nicht sonderlich begehrte - Lehrstelle als Bäcker erhalten hätte. Anlass für einen Abzug wegen des Risikos des Arbeitsplatzverlusts sieht der Senat nicht. Nicht angegriffen und auch nicht zu beanstanden sind die Abzüge des Landgerichts für Sozialversicherungsbeiträge von mtl. 75,00 € auf € 310,00. Ohne weiteres im Rahmen von §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO bewegt sich auch der weitere Abzug von 5 % für Werbungskosten, insbesondere wegen der für einen Bäckerlehrling erforderlichen wöchentlichen Fahrt zur Berufsschule von H nach E und zurück.

Zu Unrecht hat das Landgericht von dem um Sozialabgaben und Werbungskosten bereinigten Vergleichsmonatsgehalt des Bruders beim Kläger einen fiktiven Abzug für Kost und Logis von € 100,00 vorgenommen und hiermit die Kategorien von Einkommen/berufsbedingten Aufwendungen einerseits und Einkommensverwendung in schadensersatzrechtlich unzulässiger Weise vermengt. Insbesondere werden die für Kost und Logis des Klägers notwendigen Aufwendungen weder vom Beklagten noch einem Leistungsträger der Sozialversicherung oder der Fürsorge, sondern von den Eltern getragen. Der Kläger erhält neben der insoweit nicht einschlägigen Schmerzensgeldrente vom Beklagten lediglich den streitgegenständlichen Pflegemehrbedarf und von der Pflegeversicherung Leistungen der Stufe 3 für seine Pflege. Freiwillige Leistungen Dritter oder Unterhaltsleistungen entlasten den Schädiger nicht (vgl. Palandt-Heinrichs, 67. Aufl. 2008, Vorb v § 249, Rdnrn. 131, 137).

Entsprechend dem klägerischen Vorbringen hat das Landgericht von beiden Parteien unbeanstandet für das erste Lehrjahr einen Betrag von € 65,00 im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X wegen des von der Bundesanstalt für Arbeit fortlaufend an den Kläger gezahlte Ausbildungsgeldes abgesetzt. Unstreitig beläuft sich der monatliche Nettoverdienst des Zwillingsbruders M im Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2007 auf € 350,02 und nach dem 1. September 2007 auf € 433,54. Hiernach ergeben sich die Ansprüche in der vom Kläger geltend gemachten Höhe:

Zeitraum 01.09.2005 - 31.08.2006:

310,00 € netto, abzgl. 15,50 € (= 5 % Werbungskosten) = 294,50 €, davon 70 % = 206,15 € abzgl. € 65,00 = € 141,15 monatlich.

Zeitraum 01.09.2006 - 31.08.2007:

350,02 € netto, abzgl. 17,50 € (5 % Werbungskosten) = 332,52 €, davon 70 % = 232,76 abzgl. € 65,00 = € 167,76 monatlich.

Die Summe der in den vorgenannten Zeiträumen angefallenen monatlichen Beträge führt zu dem mit dem Klagantrag zu 4) geltend gemachten Betrag von € 3.706,92. Da eine Mahnung des Klägers erst mit dem Schreiben vom 16. Januar 2006 (Bl. 74 d. A.) vorliegt, können die vom Kläger verlangten gesetzlichen Verzugszinsen nach den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nur seit dem 17. Januar 2006 geltend gemacht werden. Auf € 705,75 (= Ersatzbeträge 9/05 - 1/06) kann daher Verzinsung erst ab dem 17. Januar 2006 verlangt werden, im Übrigen dann analog § 1612 Abs. 3 S. 1 BGB jeweils zum Monatsersten.

Zeitraum ab 01.09.2007:

433,54 € netto, abzgl. 21,68 € (5 % Werbungskosten) = 411,86 €, davon 70 % = 288,30 abzüglich € 65,00 = € 223,30 monatlich.

Die insoweit mit dem Antrag zu 3) in der Berufungsbegründung erweiterte Klage auf wiederkehrende Leistung (§ 258 ZPO) ist auch wegen der Zinsforderung für September 2007 begründet (§ 291, 288 Abs. 1 BGB), da die Berufungsbegründung den Beklagtenvertretern am 30. August 2007 (Bl. 216 d. A.) zugestellt worden ist, i. Ü. auch wegen der Erfüllungsverweigerung des Beklagten.

Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Kostenentscheidung folgt für den ersten Rechtszug aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das teilweise Unterliegen des Klägers hinsichtlich des in erster Instanz mit € 292,00 monatlich geltend gemachten Verdienstausfalls nach Maßgabe des vom Landgericht mit Beschluss vom 1. August 2007 festgesetzten Streitwertes. Der Senat sieht keine Veranlassung, den Streitwert für den Antrag zu 1), den das Landgericht nach § 42 Abs. 2 GKG festgesetzt hat, zu ermäßigen, weil hinsichtlich eines zunächst € 900,00 und sodann € 600,00 betragenden Teils der monatlichen Rate in Anbetracht der Zahlungen des Beklagten lediglich ein Titulierungsinteresse vorlag. Das rechtfertigt einen Abschlag nicht (vgl. OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 256; OLG Celle FamRZ 2003, 1683 f.). Das Teilanerkenntnis des Beklagten hat das Landgericht zutreffend nicht als Anerkenntnis i. S. d. § 93 ZPO angesehen, da der Beklagte mit seinen eigenmächtig reduzierten und unter Vorbehalt erfolgten Zahlungen Veranlassung zur Klagerhebung gegeben hat. Nach dem außergerichtlichen Vergleich hatte der Beklagte ein Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO oder ggf. im Wege der Feststellungsklage durchzuführen, um von sich von seiner materiellen Zahlungsverpflichtung zu lösen. Es stand dem Kläger auch frei, ohne Kostennachteile befürchten zu müssen, nicht nur die "offene Spitze" von jeweils € 300,00, sondern den gesamten Pflegemehrbedarf einzuklagen. Insoweit bestand ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Titulierung über den gesamten vom Kläger monatlich beanspruchten Pflegemehrbedarf, da der Kläger einen Titel nicht hatte und der hierzu aufgeforderte Beklagte einen Titel über den unstreitigen Betrag nicht geschaffen hatte (vgl. allg. zum Rechtsschutzbedürfnis: BGH NJW 1998, 3116 f.). Für den Berufungsrechtszug folgt die Kostenentscheidung aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 a ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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