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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 4 U 156/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 433
BGB § 638
Bei einem Vertrag über den Erwerb von Windkraftanlagen vom Hersteller handelt es sich trotz einer damit verbundenen Verpflichtung zu deren Aufstellung um einen Kaufvertrag (mit Montageverpflichtung).
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 156/06

verkündet am: 07.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 04.07.2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.09.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht wegen eines von ihr regulierten Brandschadens geltend. Die Streithelferin ist Haftpflichtversicherer der Beklagten.

Gemäß eines zwischen der E und der N geschlossenen Vertrages vom 13./17.07.2000 (Blatt 16 ff., 326 ff. d. A.) errichtete die N sechs Windkraftanlagen vom Typ 2000/72 2,0 MW auf einem Gelände in W. Durch Generalübernahmevertrag vom 16.07.2000 (Blatt 32 ff. d. A.) übertrug die E GmbH den Windpark auf die U GmbH und Co KG als Betreiberin. Die Dauer der Gewährleistung wurde durch eine Vereinbarung zwischen der U und der N vom 17.05.2003 (Blatt 41 d. A.) bis 30.06.2004 verlängert. Die Klägerin ist der Versicherer der U.

Im Jahre 2004 fusionierte die X mit der N zur X GmbH, wodurch die Beklagte zur Rechtsnachfolgerin der N wurde.

Am Morgen des 09.06.2004 schlug in eine Windkraftanlage ein Blitz ein. Diese brannte völlig aus. Die Klägerin regulierte den daraus entstandenen Schaden und ließ sich die Gewährleistungsansprüche der U gegen die Beklagte aus dem Kaufvertrag vom 13./17.07.2000 abtreten.

Die Klägerin behauptet, der Blitzableiter der zerstörten Windkraftanlage sei defekt gewesen, sodass die Beklagte für den Schaden hafte. Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Verjährung und bestreitet im Übrigen sowohl das Vorliegen eines Defektes als auch die Höhe des geltend gemachten Schadens. Die Schadensersatzklage ist der Beklagten am 08.07.2005 zugestellt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und insoweit ausgeführt, der Anspruch sei verjährt, da es sich bei dem zwischen der E GmbH und der N geschlossenen Vertrag um einen Kaufvertrag gehandelt habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und bezieht sich insoweit im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.012.899,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2005 zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat der R Limited, dem Versicherer der N, den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. - Die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vollumfänglich Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den zwischen der E GmbH und der N am 13./17.07.2000 geschlossenen Vertrag als Kaufvertrag angesehen. Dies hat zur Folge, dass die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche, nachdem die Gewährleistungsfrist bis 30.06.2004 durch Vereinbarung vom 17.05.2003 verlängert worden war, zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2005 verjährt waren.

1.a. Verpflichtet sich ein Unternehmer, einen Gegenstand zu liefern und zu montieren, kommt es für die rechtliche Einordnung darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie auf die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz auf den Besteller im Vordergrund steht und je weniger die individuellen Anforderungen des Kunden und die geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrages (mit Montageverpflichtung) geboten.

Im vorliegenden Fall hat die N sechs Windkraftanlagen geliefert zum Kaufpreis 21.211.000,00 DM. Diese Windkraftanlagen waren laut Vertrag auf von der Käuferin vorgefertigten Fundamenten binnen eines Tages zu montieren. Weiter hatte sich die Verkäuferin lediglich verpflichtet, die Windkraftanlagen in Betrieb zu nehmen und den ersten Probebetrieb erfolgreich zu absolvieren (§ 5). Es handelte sich um in Serie gefertigte Windkraftanlagen eines bestimmten Typs, nicht etwa um nach den speziellen Wünschen der E GmbH gefertigte Anlagen (vgl. BGH NJW 1986, 1927 ff. - Heizöltank -; NJW 1998, 3197 - Trogkettenförderer). Es ist auch gerichtsbekannt, dass Windkraftanlagen in wenigen großen Teilen angeliefert und vor Ort lediglich zusammengesetzt werden. Dies ergibt sich auch aus der vom Verkäufer angegebenen Montagezeit von einem Tag. Damit steht aber bei dem vorliegenden Geschäft der Warenumsatz im Vordergrund, dieser prägt das Vertragsverhältnis, nicht etwa die vom Verkäufer geschuldete Montageleistung (Errichtung auf einem vorgefertigten Fundament, vgl. BGH NJW-RR 2004, 1205 ff. - Mobilheim -). Der Vertrag enthielt auch bezüglich der Montageverpflichtung der Verkäuferin keine besonderen, auf die Käuferin zugeschnittenen Verpflichtungen (vergleiche BGH NJW-RR 2004, 850 ff. - Solaranlage -). Damit liegt ein Kaufvertrag (mit Montageverpflichtung) vor, nicht aber ein Werkvertrag.

b. Auch die Diktion des Vertrages vom 13./17.07.2000 spricht in der Gesamtschau für einen Kaufvertrag. Der Vertrag ist bereits überschrieben mit: "Vertrag über den Kauf von ...". § 1 (1) des Vertrages (Bl. 326 d. A.) führt aus, dass Gegenstand der Kauf von 6 Windkraftanlagen sei. In (2) ist der Lieferumfang, bestehend aus sechs Komponenten beschrieben. § 2 regelt den Kaufpreis, gemäß § 4 (4) behält sich die Verkäuferin einen Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. § 6 regelt Liefertermin und Lieferort. Darüber hinaus enthält der "Kaufvertrag" vom 20.09. 2004 zwischen der in N und der U über den Erwerb von einer Windkraftanlage (als Ersatz der zerstörten Anlage) in § 11 (Sachmängelhaftung) in Abs. 1 (3) nunmehr sogar den Hinweis auf § 377 HGB.

c. Die Klägerin kann auch nicht darauf verweisen, dass der Vertrag über den Kauf und die Errichtung der Windkraftanlage dem Vertrag über der Errichtung eines Fertighauses entspricht, bei dem es sich regelmäßig um einen Werkvertrag handelt. Denn wesentliches Merkmal eines Werkvertrages ist die durch Arbeit erfolgte Wertschöpfung (vgl. auch Palandt-Sprau, 66. Aufl., vor § 631 Rn. 1). Eine solche Wertschöpfung liegt bei der Errichtung eines Fertighauses vor, denn es kommt dem Bauherrn in erster Linie auf die Errichtung des Bauwerkes, d. h. die trotz der Verwendung von Fertigteilen zu erbringende Arbeitsleistung an, die in erheblichem Umfang anfällt und die das prägende Merkmal dieses Vertrages darstellt (vgl. BGH NJW 1983, 1489 m. w. N.). Dies spiegelt sich auch in der deutlichen Diskrepanz zwischen der "Menge der Fertigteile" und dem daraus errichteten Haus wieder, das regelmäßig auch in gewissem Umfang den Wünschen des Käufers angepasst wird.

Demgegenüber fällt der Aufwand für die Errichtung einer Windkraftanlage durch den Verkäufer, berücksichtigt man auch den Kaufpreis einer solchen Anlage, kaum ins Gewicht. Die Windkraftanlage wird bereits fast vollständig gefertigt angeliefert, sie wird lediglich vor Ort auf einem ebenfalls nicht vom Lieferanten erstellten Sockel an einem Tag montiert. - Die bei ihr vorzunehmende Montageleistung ist auch nicht vergleichbar mit der Montage einer größeren Industrieanlage, die aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt wird und deren Montage einen längeren Zeitraum erfordert und nicht selten weitere Architekten- und Ingenieurleistungen verlangt. Die Erstellung der Gesamtanlage war zudem ausdrücklich Aufgabe der E GmbH, wie sich aus dem Generalübernahmevertrag vom 16.07.2000 ergibt (vgl. BGH NJW 1998, a. a. O.).

2. Nach alledem ist - entgegen dem Ansatz der Berufung - unerheblich, ob es sich bei der Windkraftanlage um ein Bauwerk im Sinne von § 638 BGB a. F. (vgl. z.B. BGH NJW-RR 2002, 664 m. w. N.) und ob es sich um ein Scheinbestandteil gemäß § 95 BGB (vgl. dazu OLG Schleswig BauR 2006, 358 ff.) handelt. Diese Fragen würden sich nur stellen, wenn Werkvertragsrecht und damit § 638 BGB a. F. Anwendung fänden. § 95 BGB dient nur der sachenrechtlichen Zuordnung und stellt für die Frage, ob es sich um ein Bauwerk handelt, kein geeignetes Abgrenzungskriterium dar (BGH NJW-RR 1991, 1367 ff.; NJW-RR 2003, 1320 ff.) - Unter gewissen Umständen mag sich aus der Tatsache, dass ein Bauwerk vorliegt, eine Indizwirkung für die Qualifizierung eines Vertrages als Kauf- oder Werkvertrag ergeben (so offensichtlich der BGH in NJW 1986, a. a. O.). Im vorliegenden Fall bestehen aber aus den oben angeführten Gründen bereits keine Zweifel, dass hier ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und nicht ein Werkvertrag vorliegt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen ersichtlich nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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