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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 19.05.2006
Aktenzeichen: 4 U 33/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 34

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Das Fehlen eines für die weitere Behandlung erforderlichen Hinweises in dem für den Nachbehandler bestimmten Entlassungsbrief begründet ein Dokumentationsversäumnis und die Umkehr der Beweislast für die Hinweiserteilung. Der nachbehandelnde Arzt kann sich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit des Entlassungsbriefes verlassen.

Für eine als Verwaltungshelferin vertraglich hinzugezogene Fachklinik gilt im Innenverhältnis nicht das Haftungsprivileg des Art. 34 Satz 2 GG.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 33/05

verkündet am: 19.05.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 08.03.2006 durch die Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Januar 2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für an die Zeugin A. gezahlte Dienstbezüge sowie Ersatz der für die ärztliche Behandlung der Zeugin aufgewendeten Kosten.

Bei der Zeugin A., einer Soldatin, wurde im Jahre 1999 im linken distalen Oberschenkelknochen ein Enchondrom (tumorartige gutartige Verwachsung) diagnostiziert. Wegen dieses Befundes stellte sich die Zeugin aufgrund einer truppenärztlichen Überweisung am 7.10.1999 bei der Beklagten vor, die eine auf orthopädische Chirurgie spezialisierte Klinik betreibt. Dort wurde am 8.10.1999 das Enchondrom operativ entfernt, der entstandene Hohlraum im Oberschenkelknochen wurde durch einen Knochenspan ausgefüllt. Die Zeugin wurde am 14.10.1999 aus der Klinik zur weiteren truppenärztlichen Behandlung entlassen; der der Zeugin mitgegebene Patientenbrief zur Vorlage bei dem nunmehr zuständigen Truppenarzt enthielt den Vermerk, dass eine Vollbelastung prinzipiell gestattet sei. Die Notwendigkeit einer weiteren Verwendung von Unterarmgehstützen fand keine Erwähnung.

Am 6.11.1999 kam es bei der Zeugin auf einem Strandspaziergang ohne äußere Einwirkungen zu einem Bruch des operierten Oberschenkelknochens. Die Fraktur wurde im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Klinikum B. durch das Einbringen eines Verriegelungsnagels stabilisiert. Die Behandlungskosten in Höhe von 3.337,05 € trug die Klägerin. Aufgrund der Oberschenkelfraktur trat eine endgültige Heilung des Oberschenkelknochens erst am 6.10.2000 ein, anderenfalls wäre die Zeugin A. bereits am 8.1.2000 arbeitsfähig gewesen. Für die Zeit vom 8.1.2000 bis 6.10.2000 zahlte die Klägerin der Zeugin Dienstbezüge in Höhe von 17.948,36 €.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte hätte die Zeugin A. darauf hinweisen müssen, dass sie auch nach ihrer Entlassung bis auf weiteres Unterarmgehstützen hätte verwenden müssen. Sie ist der Auffassung, der Entlassungsbrief hätte ebenfalls diesen Vermerk enthalten müssen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 21.285,41 € zuzüglich 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.11.2003 auf 17.948,36 €, sowie auf weitere 3.337,05 € ab Zustellung des Klagerweiterungsschriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Zeugin sei im Rahmen des Entlassungsgesprächs darüber aufgeklärt worden, dass eine ständige Entlastung des Beines unter Verwendung von Unterarmgehstützen erfolgen müsse. Jedenfalls hätten aber die weiterbehandelnden Truppenärzte das Fehlen dieses Hinweises bemerken müssen und die Zeugin von sich aus auf diese Notwendigkeit hinweisen müssen.

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Frau A., Dr. C. und Dr. D. hat das Landgericht der Klage stattgegeben und ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund einer positiven Vertragsverletzung des Vertrages bezüglich der Übertragung der ärztlichen Behandlung der Zeugin A. zu Schadensersatz verpflichtet sei. Denn die Beklagte habe nicht beweisen können, dass die Zeugin A. im Rahmen des Entlassungsgesprächs auf die weitere Notwendigkeit der Verwendung von Unterarmgehstützen hingewiesen worden sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beklagte gem. § 141 ZPO gehört. Er hat ein mündliches Gutachten des Sachverständigen Dr. E. eingeholt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8.3.06 (Bl. 241ff.) sowie auf die vorab eingereichten schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen vom 12.2.06 (Bl. 236ff.) Bezug genommen. Wegen des weiteren Vortrags und insbesondere auch der weiteren Streitpunkte wird vollumfänglich auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ebenso die Krankenunterlagen der Zeugin A., die dem Senat vorlagen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben, da die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in geltend gemachter Höhe aus positiver Forderungsverletzung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrages über die ärztliche Versorgung der Soldatin A. hat.

1. Nicht zu entscheiden war die Frage, ob der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Charakter hatte, da die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 17a Abs. 5 GVG im Berufungsrechtszug nicht mehr zu überprüfen ist.

2. Keine Bedenken bestehen auch, dem Landgericht dahingehend zu folgen, dass zwischen den Parteien ein Vertrag über die Behandlung der Zeugin A. zustande gekommen ist.

Die Klägerin hat die Zeugin A., deren Heilbehandlung der Klägerin gemäß § 34 Soldatengesetz oblag und die bereits von der Klägerin eingeleitet worden war, zur Weiterbehandlung an die Beklagte überwiesen. Damit beauftragte sie die Beklagte, die Behandlung der Zeugin A. fortzuführen, da sie, die Klägerin, nicht über die Fachkompetenz verfügte, wie sie die Beklagte als auf orthopädische Operationen spezialisierte Klinik aufwies. Eine entsprechende Beauftragung ergab sich für die Beklagte aus dem Überweisungsschein, der auf § 75 Abs. 3 SGB V verwies (vgl. auch § 76 Abs. 4 SGB V) sowie aus den damit verbundenen Umständen, indem die Klägerin die Zeugin A. mit den schon von Seiten der Klägerin durchgeführten Voruntersuchungen (Röntgen, MRT, Szintigraphie) konkret im Hinblick auf die durchzuführende Operation überwies und auch die Weiterbehandlung der Zeugin nach Entlassung von der Klägerin wieder übernommen werden sollte. Mit der Beauftragung wurde zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis begründet, unabhängig davon, ob die Beklagte im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit gegenüber der Zeugin A. in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig wurde (vgl. dazu auch BGH VersR 96, 976 m.w.N; im übrigen Senat, Urt. vom 22.12.97 Az. 4 U 108/96; BGH VersR 1996, 976; OLG Brandenburg VersR 2001, 1428).

Soweit die Beklagte ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin leugnet und auf den zwischen der Zeugin A. und ihr geschlossenen Behandlungsvertrag verweist, führt dies zu keiner anderen Bewertung, Denn das von der Zeugin A. unterzeichnete Vertragsformular schließt nicht ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aus. Ein solcher Vertragsabschluss auch bei Behandlung eines der staatlichen Heilfürsorge unterliegenden Patienten mag durchaus den Sinn haben, weitere nicht im Rahmen der staatlichen Heilfürsorge zu erbringende Leistungen zu vereinbaren, für die der Patient dann in der Folge persönlich haftet. Zudem kann dieser mangels Parteienidentität keine Auswirkung auf ein schon zuvor zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits begründetes Vertragsverhältnis haben.

3. Den zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrag über die Weiterbehandlung der Zeugin A. verletzte die Beklagte, indem sie die Zeugin A. bei Entlassung nicht auf die Notwendigkeit der weiteren Verwendung von Unterarmgehstützen hinwies. Dass ein solcher Hinweis erforderlich war, mithin sein Unterlassen behandlungsfehlerhaft, ist zwischen den Parteien unstreitig.

a. Die Beklagte konnte nicht beweisen, einen solchen Hinweis der Zeugin A. im Rahmen des Entlassungsgesprächs gegeben zu haben. Die Vernehmung des Zeugen Dr. F., der das Entlassungsgespräch führte, und der Zeugin A. hat nicht zur Überzeugung des Landgerichts den notwendigen Beweis erbracht. Die Ausführungen des Landgerichts im Rahmen der ?eweiswürdigung sind nicht zu beanstanden. Auch die Gesamtumstände begründen keine Zweifel an der Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen, so dass gem. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auch kein Anlass bestand, die Beweisaufnahme insoweit zu wiederholen. Soweit die Beklagte auf ihre eigenen Behandlungsunterlagen, u. a. den OP-Bericht und die Krankenblatteintragung, verweist, mag ihr ohne weiteres zugestanden werden, dass ihrerseits die notwendige Weiterverwendung von Unterarmstützen auch nach Entlassung außer Frage stand. Entscheidend ist jedoch, ob dies der Zeugin A. auch mitgeteilt wurde, wie der Zeuge Dr. D. in seiner Vernehmung bekundete, dagegen die Zeugin A. nicht erinnerte.

b. Die Beklagte ist in Anbetracht ihres Entlassungsbriefs, der einen solchen Hinweis ebenfalls hätte enthalten müssen, bezüglich dieses notwendigen Hinweises auch beweispflichtig. Zwar trifft die Klägerin die Beweislast für eine Pflichtverletzung der Beklagten. Dass die Beklagte aber einen Hinweis über die Notwendigkeit der Weiterverwendung von Unterarmgehstützen in das Entlassungsschreiben hätte aufnehmen müssen, ist bereits im Schlichtungsgutachten vom 5.9.01 (im Rahmen der Auseinandersetzung der Zeugin A. mit der Beklagten) ausgeführt und zwischen den Parteien auch unstreitig. Der Zeuge Dr. D. hat die Notwendigkeit der Aufnahme dieses Hinweises in das Entlassungsschreiben in diesem Verfahren noch einmal bestätigt. Das Fehlen dieses Hinweises im Entlassungsbrief begründet jedoch, sollte ein solcher Hinweis dennoch mündlich gegeben worden sein, ein Dokumentationsversäumnis. Bei Vorliegen eines Dokumentationsversäumnisses hat aber der behandelnde Arzt zu beweisen, dass dennoch die betreffende Maßnahme, hier die Aufklärung der Zeugin A. über die Weiterverwendung der Unterarmgehstützen, erfolgt ist (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. 125 f. m.w.N.).

4. Eine Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist auch nicht gemäß Art. 34 Satz 2 GG ausgeschlossen, weil die Beklagte ggf. nur einfache, nicht aber grobe Fahrlässigkeit trifft.

Zwar hat die Klägerin der Beklagten vertraglich hoheitliche Aufgaben übertragen (vgl. BGH a.a.O.). Dennoch greift die Rückgriffsbeschränkung im vorliegenden Falle nicht, da die Klägerin die Beklagte als Verwaltungshelferin einschaltete (vgl. BGH VersR 1996, a.a.O.), für die aber auch bei Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gegenüber der Klägerin das Haftungsprivileg des Art. 34 Satz 2 GG nicht gilt (BGHZ 161, 6ff. = BGH NJW 2005, 286 ff. = VersR 2005, 362ff.). Denn im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Haftungsprivilegs ist bei der Einschaltung von Verwaltungshelfern eine einschränkende Auslegung geboten, da die der Haftungsbegrenzung zugrunde liegenden Gedanken, nämlich die Entschlussfähigkeit und Entschlussfreudigkeit zu fördern sowie dem Gebot der Fürsorge gegenüber öffentlichen Bediensteten Rechnung zu tragen, für vertraglich herangezogene Verwaltungshelfer nicht gelten (vgl. BGH NJW 2005 a.a.O. mit ausführlichen Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte). Lediglich im Falle unselbstständiger Verwaltungshelfer mag eine begrenzte Innenhaftung Anwendung finden, sofern ihnen gegenüber eine ähnliche Fürsorgepflicht besteht wie Beamten, Richtern, Soldaten, Zivildienstleistenden sowie Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes (so entschieden für im Turnunterricht hilfeleistende Schüler, BGH VersR 1958, 705; Schülerlotsen, OLG Köln NJW 1968, 655).

Eine Rechtfertigung für eine Haftungserleichterung im Sinne des Art. 34 Satz 2 GG ist im vorliegenden Falle jedoch nicht gegeben. Deren Zweck, die Entschlussfreudigkeit und Schlagkraft der öffentlichen Verwaltung zu stärken, spielt bei einem als Verwaltungshelfer herangezogenen privaten Unternehmer von vornherein keine Rolle, weil eine solche Qualifizierung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn ihm allenfalls geringe Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt sind (BGHZ 161 a.a.O.). Auch für den Fürsorgegedanken ist unter solchen Umständen kein Raum. Denn anders als ein abhängig Beschäftigter kann der gewerblichen Unternehmer über Art und Umfang seines Einsatzes selbst bestimmen; es steht ihm frei, die jedenfalls im Regelfall auch versicherbaren Haftungsrisiken einzugehen und deren Kosten in das von ihm geforderte Entgelt einzukalkulieren oder von der Übernahme der Tätigkeit abzusehen, wenn ihm das Risiko zu groß erscheint. Dies alles gilt auch gegenüber der Beklagten. Ihr ist eigenverantwortlich die ärztliche Behandlung der Zeugin A., gerade weil die Klägerin nicht die nötige Fachkompetenz besaß und sie eine Fachklinik betreibt, vertraglich übertragen worden. Das damit verbundene Haftungsrisiko der Beklagten entspricht dem Risiko, das sie bei jeder ärztliche Behandlung eingeht und das sie versichert. Es fehlt deshalb an einem inneren rechtfertigenden Grund, die Beklagte im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit von ihrer vertraglichen Haftung gegenüber der Klägerin auch nur teilweise freizustellen.

5. Im Rahmen der Haftung der Beklagten ist auch nicht ein Mitverschulden der nachbehandelnden Truppenärzte oder etwa der Zeugin A. zu berücksichtigen.

a. Die Zeugin A. hat sich nach ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung am 14.10.1999 bei dem behandelnden Truppenarzt, Stabsarzt Dr. G., vorgestellt, der sich noch in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin befand. Am 19.10.1999 stellte sie sich auf Empfehlung von Dr. G. bei Oberstabsarzt Dr. H. vor, Facharzt für Allgemeinmedizin. Im Hinblick darauf, dass der Entlassungsbericht der Beklagten als Fachklinik keine Einschränkung hinsichtlich der Frage der Vollbelastung enthielt, haben beide Ärzte von sich aus keine Einschränkungen hinsichtlich der Vollbelastung mit der Zeugin besprochen. Soweit die Beklagte dies zunächst behauptet hatte, hat sie diesen Vortrag, nachdem der Senat der Klägerin die Auflage erteilt hatte, zu diesem Punkt ergänzend vorzutragen, nicht mehr aufrecht erhalten. Auch die Eintagungen auf der Patientenkarte der Zeugin A. enthalten keinen Hinweis auf ein solches Gespräch.

b. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. in der mündlichen Verhandlung vom 8.3.2006, ergänzt durch die schriftlichen Ausführungen vom 12.2.2006 (Blatt 236ff.) ist dies den behandelnden Truppenärzten nicht vorzuwerfen, da sie sich auf den Entlassungsbericht der Beklagten verlassen durften. Es bestanden für sie, als Fachärzte für Allgemeinmedizin bzw. in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin befindlich, keine Anhaltspunkte dafür, an den Angaben der entlassenden Klinik zu zweifeln. Denn - so hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt - für einen Allgemeinarzt sei ein Enchondrom sehr selten. Er begegne dieser Erkrankung vielleicht einmal in seinem Berufsleben oder kenne sie nur aus dem Lehrbuch. Auch habe im vorliegenden Falle der behandelnde Truppenarzt keine Kenntnis von dem Ausmaß des Enchondroms und den ggf. mit der Operation verbundenen statischen Besonderheiten gehabt. Er habe in Unkenntnis dieser Verhältnisse und in Ansehung des Entlassungsberichts deshalb davon ausgehen können, dass Vollbelastung so gemeint gewesen sei, wie auch im Entlassungsbericht gestanden habe. Selbst wenn man ein Gespräch zwischen der Patientin und dem Arzt über die Verwendung von Unterarmgehstützen unterstellen würde, hätte der Arzt ohne weiteres in Ansehung des Entlassungsberichts der Patientin erlauben dürfen, die Gehstützen weg zu lassen. Denn wenn im Entlassungsbericht von Vollbelastung gesprochen werde, so sei damit aus seiner Sicht auch Vollbelastung ohne Einschränkung gemeint, andernfalls hätte von Vollbelastung unter Verwendung von Unterarmgehstützen gesprochen werden müssen. Daran ändere auch das Wort "prinzipiell" in diesem Zusammenhang nichts.

Der weiterbehandelnde Arzt sei darauf angewiesen, dass das, was im Entlassungsbericht stehe, auch stimme und auch ernst gemeint sei. Dies gelte insbesondere bei einer seltenen Operation, wie sie hier durchgeführt worden sei. Gerade dann sei dies zwingend notwendig. Lediglich wenn begründete Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Anordnung des entlassenden Arztes bestehe, sei es üblich, dass der weiterbehandelnde Arzt telefonisch zurückfragt. Dieser Fall habe hier aber nicht vorgelegen, zumal kein eigener Erfahrungshorizont des weiterbehandelnden Arztes in Anbetracht des seltenen Krankheitsbildes vorhanden gewesen sei.

Der Senat folgt ohne Bedenken den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E., Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Christian-Albrecht-Universität Kiel. Er ist dem Senat aus anderen Verfahren als äußerst sorgfältig und fachkompetent bekannt. Seine Ausführungen waren in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend, sie setzten sich differenziert mit den Einwendungen der Gegenseite auseinander.

c. Ein Mitverschulden der Zeugin A. ist ebenfalls nicht ersichtlich. Aus dem Entlassungsschreiben war für diese nicht zu entnehmen, dass sie nicht jedenfalls rund 4 Wochen nach Entlassung, d.h. zum Zeitpunkt des Unfalls, auf die Verwendung von Unterarmgehstützen verzichten konnte. Dies gilt auch für sie als Angehörige eines Sanitätsbatallions. Im übrigen wird auf die Ausführungen unter 5b) Bezug genommen.

6. Auch hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadens bestehen keine Bedenken. Soweit die Beklagte darauf verweist, bei der Zeugin A. sei aufgrund der Erkrankung lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 % ab 6.11.99 und 30 % ab 1.5.2000 festgestellt worden, berührt dies nicht die Tatsache, dass die Zeugin A. infolge des Bruches jedenfalls bis zum 6.10.2000 dienstunfähig war und anderenfalls bereits ab 8.1.2000 den Dienst wieder hätte aufnehmen können.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die vorliegende Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen BGH VersR 1996, 976 sowie BGH NJW 2005, 286 nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und durch die vorgenannten Entscheidungen die hier vorliegenden Rechtsfragen geklärt sind (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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