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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 5 U 140/06
Rechtsgebiete: GenG


Vorschriften:

GenG § 3
GenG § 7
GenG § 65
GenG § 67 a
GenG § 74
GenG § 115 b
1. § 115 b GenG ist keine verjährungsrechtliche Bestimmung, sondern konkretisiert den Kreis der Passivlegitimierten einer Nachschusspflicht.

2. Mit dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft bei einer Genossenschaft erlischt die Einlageverpflichtung des Genossen auf die Pflichtleistung.

3. Ist nach dem Statut der Genossenschaft von den zu zeichnenden Pflichtanteilen sofort nur ein Betrag von 10% zu zahlen und kann der Rest innerhalb von 3 Jahren anderweitig aufgefüllt werden, dann verletzt der Genosse nicht seine Verpflichtung zur Leistung der Pflichteinlage, wenn vor Ablauf der 3 Jahre das Mitgliedschaftsverhältnis wirksam beendet wird, ohne dass der offene Restbetrag der Pflichteinlage gezahlt wird.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 140/06

verkündet am: 23. November 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 09. November 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25. August 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 239,30 € nebst 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 9. 1. 2005 zu zahlen.

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird die weitergehende Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 96 %, der Beklagte 4%.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 95% zur Last, dem Beklagten 5%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Einkaufsgenossenschaft, macht gegen den aus der Genossenschaft ausgeschiedenen Beklagten eine Verlustbeteiligung im Rahmen der Auseinandersetzung seiner genossenschaftlichen Mitgliedschaft geltend.

Der Beklagte trat unter dem 14. Dezember 2000 der damals noch unter dem Namen "Dachsanitärhandel e. G." firmierenden Klägerin bei. Nach der zum Zeitpunkt des Beitritts des Beklagten gültigen Satzung der Klägerin musste jedes Genossenschaftsmitglied mindestens 5 Geschäftsanteile zu je 900 DM zeichnen (§ 37 Abs. 1 lit a (Bl. 42 d. A.). Auf diese zu zeichnenden Geschäftsanteile war ein Betrag von 1.000 DM sofort unmittelbar einzuzahlen. Der Beklagte zeichnete insgesamt 10 Geschäftsanteile und zahlte per 31. Dezember 2000 die geforderten 1.000 DM ein. Ab 1. Januar 2001 trat eine neue Satzung (Anlage K1 - Bl. 5 ff. d. A.) in Kraft. Nach § 5 Abs. 1 dieser Satzung konnte jedes Mitglied seine Mitgliedschaft zum Schluß eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr schriftlich kündigen.

Die Auseinandersetzung regelte § 10 u. a. wie folgt:

"(1) Für die Auseinandersetzung zwischen dem ausgeschieden Mitglied und der Genossenschaft ist der festgestellte Jahresabschluß maßgebend...

(3) Reicht das Vermögen der Genossenschaft einschließlich der Rücklagen und aller Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden nicht aus, so ist das ausscheidende Mitglied verpflichtet, von dem Fehlbetrag einen nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu berechnenden Anteil, höchstens jedoch die Haftsumme an die Genossenschaft zu zahlen. Der Genossenschaft haftet das Auseinandersetzungsguthaben des Mitglieds für einen etwaigen Ausfall, insbesondere im Insolvenzverfahren."

Nach § 37 Abs. 1 der Satzung wurden die Geschäftsanteile auf 500 € umgestellt. Jedes Mitglied hatte sich mit 10 Geschäftsanteilen zu beteiligen (Pflichtbeteiligung). § 37 Abs. 3 der Satzung bestimmte:

"Auf den ersten Geschäftsanteil und die nach Absatz 1 a) und b) zu zeichnenden Pflichtanteile ist ein Betrag von 10 % sofort einzuzahlen.

Der Restbetrag ist innerhalb von 3 Jahren durch genossenschaftliche Rückvergütung und Dividenden oder auch anderweitig aufzufüllen..."

Zur Nachschusspflicht bestimmte § 40 der Satzung:

"Die Nachschusspflicht der Mitglieder ist auf die Haftsumme beschränkt. Die Haftsumme für jeden Geschäftsanteil beträgt 500 Euro. Die Haftsumme ist auf den Gesamtbetrag von 10 Geschäftsanteilen beschränkt."

Unter dem 20. November 2001 erklärte der Beklagte die ordentliche Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 31. Dezember 2002.

Am 25. Januar 2002 wurde auf einer außerordentlichen Generalversammlung der Klägerin die Schließung der Sparte Haustechnik beschlossen. Die außerordentliche Generalversammlung wurde nicht in der Zeitschrift Genossenschaftsforum angekündigt, vielmehr wurden die einzelnen Genossenschaftsmitglieder angeschrieben und schriftlich eingeladen. Auf der außerordentlichen Generalversammlung vom 7. März 2002 wurde die Satzung u.a . dahingehend geändert, dass sich jedes Mitglied mit 13 Geschäftsanteilen zu beteiligen hatte.

In der ersten Instanz haben die Parteien darüber gestritten, ob der Beklagte sich diese Satzungsänderung entgegenhalten lassen muss. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil dies verneint, weil die Satzungsänderung dem Beklagten gegenüber nicht wirksam geworden ist. Dieser Komplex ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitig.

Der Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben vom 23. Mai 2002 die fristlose Kündigung seiner Mitgliedschaft (Anlage B 6 Bl. 36 d. A.).

Die Klägerin schloss das Geschäftsjahr 2002 ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2002 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 273.021,85 € ab. Dabei sind sämtliche Pflichtanteile der Mitglieder in den Verlust geschrieben worden (Anlage K 2 Bl. 17 ff d. A.).

Die Klägerin hat in der ersten Instanz die Ansicht vertreten, der Beklagte habe mangels Kündigungsrecht seine Mitgliedschaft nicht im Wege außerordentlicher Kündigung beendet, so dass er zur Zahlung von insgesamt 13 Pflichtanteilen zu je 500 € abzüglich eines zum 31. Dezember 2002 bestehenden Geschäftsguthabens von 531,05 € verpflichtet sei. Demgemäß hat sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.968,95 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Umstandes, dass auf der außerordentlichen Generalversammlung der Klägerin die Schließung der Sparte Sanitär beschlossen worden sei, was er erstmals mit einem Schreiben vom 5. Dezember 2002 erfahren habe, zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen zu sein.

Die Klage ist dem Beklagten am 8. Januar 2005 zugestellt worden.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, den Beklagten treffe eine Verlustbeteiligung aus § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG i. V. mit §§ 10 Abs. 3, 40 der Satzung. Danach habe zum 31. Dezember 2002 unter Berücksichtigung aller noch nicht gezeichneten Pflichtanteile ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 273.021,85 € bestanden, so dass der Beklagte zur Zahlung der Haftsumme an die Klägerin verpflichtet sei. Die Satzungsänderung vom 7. März 2002 sei dem Beklagten gegenüber nicht wirksam geworden, weil die beschließende Generalversammlung fehlerhaft einberufen worden sei. Bei - deshalb nur - 10 Anteilen belaufe sich die Haftsumme auf den Gesamtbetrag von 5.000 €. Unter Berücksichtigung eines Guthaben von 531,05 € sei er daher zur Nachzahlung von 4.468,95 € nebst Zinsen verpflichtet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten.

Zum 31. 12. 2002 betrug die Anzahl der Mitglieder der Klägerin 866; die Geschäftsanteile beliefen sich auf 11.409.

Der Beklagte macht geltend:

- Der Anspruch der Klägerin sei ausgeschlossen. Gemäß § 115 b GenG seien Nachschüsse von ausgeschiedenen Mitgliedern subsidiär und nur innerhalb von 18 Monaten nach deren Ausscheiden zu verlangen. Da er mit Ablauf des 31. Dezember 2002 aus der Genossenschaft ausgeschieden sei, die Klage jedoch erst am 31.12.2004 anhängig geworden sei - unstreitig -, sei der Anspruch verfristet.

- Auch materiell sei der Anspruch nicht begründet, weil nach seinem Austritt die klagende Genossenschaft ausstehende Pflichtanteile nicht mehr geltend machen könne.

- Im Übrigen habe er als ausgeschiedenes Mitglied von dem Fehlbetrag nur den ihn treffenden Anteil an die Genossenschaft zu zahlen. Der Fehlbetrag werde nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander berechnet. Insoweit sei die Klage unschlüssig, da weder die Kopfzahl der Mitglieder noch die von diesen gehaltenen Geschäftsanteile von der Klägerin während des Prozesses dargelegt worden seien.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die form- und fristgerecht eingereichte Berufung des Beklagten ist überwiegend begründet. Allerdings ist der Einwand, der am 31. Dezember 2004 anhängig gemachte Zahlungsanspruch sei verfristet, könne deshalb nicht mehr geltend gemacht werden, nicht durchgreifend (1); dagegen ist die Klägerin gehindert, vom Beklagten die restlichen Pflichteinlagen einzufordern (2); es besteht allerdings ein Anspruch auf anteilige Haftung aus § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG (3).

1.) Der geltend gemachte Anspruch ist weder verfristet, noch verjährt: Auszugehen ist dabei von dem in der 1. Instanz zwischen den Parteien unstreitigen Umstand, dass die Mitgliedschaft des Beklagten als Genosse der Klägerin mit seiner Kündigung mit Ablauf des 31. Dezember 2002 beendet worden ist. Dies ergibt sich zunächst ohne weiteres aus seiner ordentlichen Kündigung vom 20. November 2001. Gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung kann nämlich jedes Mitglied seine Mitgliedschaft zum Schluß eines Geschäftsjahres unter Einhaltung der Frist von einem Jahr schriftlich kündigen. Da nach der Satzung Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, wirkte diese Kündigung zum 31.12.2002. Aber auch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 23. Mai 2002 ist erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden. Dies folgt - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - aus einer entsprechenden Anwendung des § 67 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GenG. Danach besteht bei einer Änderung des Statuts, durch welche eine Erhöhung des Geschäftsanteils oder die Einführung oder Erweiterung einer Pflichtbeteiligung mit mehreren Geschäftsanteilen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2, 3 GenG) beschlossen wird, ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn die Versammlung nicht gehörig berufen worden ist. Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 67 a Abs. 2 Satz 2 GenG kann jedoch die außerordentliche Kündigung bei einer Änderung des Statuts (nur) innerhalb eines Monats zum Schluss des Geschäftsjahres erklärt werden, führt also nicht zur sofortigen Beendigung der Mitgliedschaft. Da das Landgericht - was von der Berufung nicht bekämpft wird - von einer wirksamen außerordentlichen Kündigung ausgegangen ist, wirkt auch diese auch erst zum 31.12. 2002.

Die Verjährungseinrede des Beklagten, die Nachschusspflicht eines ausgeschiedenen Genossen sei gemäß § 115 b GenG innerhalb von 18 Monaten geltend zu machen, verfängt ersichtlich nicht. Es ist zwar zutreffend, dass § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG bestimmt, dass dann, wenn das Vermögen der Gesellschaft einschließlich der Rücklagen und aller Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden nicht ausreicht, der Ausgeschiedene von dem Fehlbetrag den ihn treffenden Anteil an die Genossenschaft zu zahlen hat, "wenn und soweit [er] im Falle des Insolvenzverfahrens Nachschüsse an sie zu leisten gehabt hätte". Richtig ist auch, dass § 115 b GenG bestimmt, dass dann, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass bestimmte Insolvenzgläubiger auch nicht durch Einziehung der Nachschüsse von den Genossen Befriedigung oder Sicherstellung erlangen können, "die hierzu erforderlichen Beträge von den innerhalb der letzten 18 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ... ausgeschiedenen Genossen zur Insolvenzmasse zu leisten sind". Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt hierin aber keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Nachschussanspruchs. Vielmehr wird durch diese Vorschrift lediglich der Kreis der passivlegitimierten Genossen näher bestimmt, denen gegenüber der Insolvenzverwalter eine Nachschusspflicht geltend machen kann. Wie lange dieser Anspruch verfolgt werden kann, insbesondere wann dieser Anspruch verjährt, ist in dieser Vorschrift aber gerade nicht geregelt. Die Auffassung des Beklagten als zutreffend zugrunde gelegt, würde derjenige Genosse, der genau 18 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschieden ist, bereits einen Tag nach der Antragstellung vor der eigentlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens sich auf die Verfristung dieses Anspruchs berufen können, ohne dass ein Insolvenzverwalter überhaupt die Gelegenheit gehabt hätte, einen möglichen Anspruch zu prüfen und zu verfolgen. Dies erhellt, dass die Funktion dieser Norm nicht in der Sonderreglung einer Verjährung liegt, sondern in der Konkretisierung derjenigen Genossen, die zur Deckung des Fehlbetrages herangezogen werden können und dürfen.

Die Verjährung des Verlustbeteiligungsanspruchs beträgt 3 Jahre: Regelte zunächst § 74 GenG lediglich den Anspruch des ausgeschiedenen Genossen auf Auszahlung des Geschäftsguthabens dahin, dass dieser Anspruch in 2 Jahren verjährt, so wandte doch die ganz einhellige Ansicht in der Literatur, diese Vorschrift analog auf den Verlustbeteiligungsanspruch der Genossenschaft gegen den ausgeschiedenen Genossen an (vgl. Beuthien, GenG., 14. Aufl., § 74 Rn. 2; Lang-Weitmüller-Metz, GenG., 33. Aufl., Rn. 9, Müller, Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 2. Aufl., § 74 Rn. 9; Hettrich-Pöhlmann, GenG., 2. Aufl., § 74 Rn. 4) mit der Begründung, es handele sich um den gleichen Anspruchsgrund. Mit der Aufhebung des § 74 GenG durch Art. 14 Ziffer 3 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (Bundesgesetzblatt vom 14. Dezember 2004, I S. 3214), das nach Art. 25 am Tag nach der Verkündung in Kraft trat, unterfällt inzwischen auch dieser Anspruch der allgemeinen 3-jährigen Verjährung gem. § 195 BGB. Die Klage ist daher rechtzeitig erhoben.

2.) Die Klägerin ist auch nicht mehr berechtigt, ausstehende Pflichteinlagen von dem Beklagten zu erheben. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Klägerin gehindert ist, ihm gegenüber die noch ausstehenden Pflichtteilseinlagen geltend zu machen (a); sie ist auch nicht berechtigt, von dem Beklagten Schadensersatz zu verlangen, weil dieser seine satzungsgemäßen Verpflichtungen, die Pflichtteilseinlagen zu erbringen, nicht verletzt hat (b).

a) Gem. § 73 GenG erfolgt bei einer Kündigung die Auseinandersetzung aufgrund der ordentlichen Jahresbilanz, die zum Ende des Geschäftsjahres aufgestellt ist, in dem die Mitgliedschaft endet (§ 73 Abs. 2 Satz 1 GenG). Dabei richtet sich das Auseinandersetzungsguthaben gem. § 73 Abs. 1 GenG nach der Vermögenslage der Genossenschaft. Ist diese überschuldet - wie hier - hat sich der Ausscheidende an diesem Verlust im Verhältnis der Mitglieder zu beteiligen (vgl. Beuthien aaO., § 73 Rn. 8). Weil mit dem Ausscheiden des Mitglieds aus der Genossenschaft auch seine Mitgliedschaft endet, erlischt damit zugleich auch seine Einzahlungspflicht. Der Genosse kann deshalb wegen des noch offenen Teils nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Abwicklung der vermögensrechtlichen Beziehungen erfolgt allein über § 73 Abs. 2 GenG (Pöhlmann-Hättrich, aaO., § 7 Rn. 11). Dem stehen die Kommentierungen von Müller (aaO., § 73 Rn. 2 sowie § 7 Rn. 16) sowie ferner von Schulte (Langwald/Müller/Schulte, GenG, § 7 Rn. 17) nicht entgegen. Zwar heißt es dort, dass durch die Kündigung der Mitgliedschaft als solche die Verpflichtung zur Zahlung der Pflichtleistungen nicht aufgehoben wird, so dass rückständige Einzahlungen ohne Rücksicht auf ein zur Auszahlung anstehendes Geschäftsguthaben noch eingezogen werden können. Diese Auffassung übersieht indessen, dass aufgrund des Umstandes, dass das Ausscheiden eines Genossen nicht mehr davon abhängig ist, dass sein Ausscheiden in die Genossenliste einzutragen ist, so dass seine Mitgliedschaft mit dem Wirksamwerden der Kündigung ohne weiteres erlischt und sich die Abwicklung deshalb allein nach § 73 Abs. 2 GenG beurteilt.

Das Erlöschen der Verpflichtung, die noch offenen Pflichtteilseinlagen zu erbringen, hat seine Grundlage in dem im Verhältnis zur Aktiengesellschaft oder GmbH anders strukturierten finanziellen Aufbau der Genossenschaft. Ein Grund- oder Stammkapital, das für die Gläubiger schlechthin gebunden wäre, gibt es bei den Genossenschaften nicht. An diese Stelle tritt vielmehr im Wesentlichen die Haftpflicht der Genossen in ihren verschiedenen Ausgestaltungen als beschränkte und unbeschränkte Haftpflicht und Nachschusspflicht (vgl. RGZ 135, 55, 58). Weil mit der Beendigung der Mitgliedschaft zugleich auch die darauf beruhenden Einzahlungspflichten enden, kann der Genosse deshalb auch nicht mehr auf Einzahlung seiner Pflichtbeiträge in Anspruch genommen werden, sondern lediglich zur Zahlung des auf ihn entfallenden Haftanteils (so schon KG OLGE 9, 269; Rosenthal, GenG, 1909, § 73 Anm. 14; zutr. OLG Oldenburg DB 1992, 1181, 1182). Bereits das Reichsgericht hat in RGZ 135, 55, 60f. unter Bezugnahme auf die Entscheidung RGZ 73, 140 ff. festgestellt, dass sich aus der Eigenart des Genossenschaftsrechts ergibt, dass die Einzahlungspflicht nicht nur hinsichtlich ihrer Entstehung, sondern auch wegen ihres Fortbestandes mit dem Genossenverhältnis verknüpft ist, so dass noch nicht fällige Raten mit der Konkurseröffnung gegen die Genossenschaft "schlechthin erlöschen". Streitgegenstand ist damit allein der sich aus § 73 Abs. 2 Satz3 GenG ergebende anteilige Haftungsanspruch, nicht aber der Anspruch auf Zahlung der restlichen Pflichteinlage aus § 7 Ziffer 1 GenG.

b) Der Beklagte haftet der Klägerin auch nicht, wie diese unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Oldenburg in DB 1992, 1182, meint, auf Schadensersatz. Der Beklagte hat seine satzungsgemäßen Verpflichtungen nicht verletzt. Die Klägerin übersieht nämlich, dass der Beklagte gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 lit. a der Satzung zwar verpflichtet war, sich mit 10 Geschäftsanteilen zu beteiligen (Pflichtbeteiligung), dass aber nach Abs. 3 eben dieser Vorschrift auf den ersten Geschäftsanteil und die weiter zu zeichnenden Pflichtanteile nur ein Betrag von 10 % sofort zu zahlen war. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte aber unstreitig nachgekommen mit seiner Zahlung vom 31.12. 2000 in Höhe von 1.000,00 DM. Der Restbetrag konnte gem. § 37 Abs. 3 Satz 2 der Satzung innerhalb von 3 Jahren durch genossenschaftliche Rückvergütung und Dividenden oder auch anderweitig aufgefüllt werden. Da die Mitgliedschaft vor Ablauf dieses Zeitraums beendet worden ist, war der Beklagte mit der Einzahlung der Restbeträge auf die Pflichtanteile zum Zeitpunkt seines Ausscheidens weder in Rückstand noch gar in Verzug. Wenn der Beklagte sich auf diese Satzungsbestimmung beruft, dann ist dies nicht unbillig. Die Klägerin hatte es in der Hand gehabt, eine Satzungsbestimmung zu erlassen, die eine sofortige Fälligkeit der Zahlung der Pflichtanteile vorsah. Bei der außerordentlichen Generalversammlung am 25. Januar 2002 ist ausweislich des Protokolls dieses Problem auch gesehen worden: Unter dem TOP 3 ist nämlich eine Satzungsänderung diskutiert worden, weil ein Betrag von rd. 4 Mio. DM fehlte, da Geschäftsanteile der Mitglieder mangels Fälligkeit noch nicht voll eingezahlt worden waren. Die Voraussetzungen gem. §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs liegen daher offensichtlich nicht vor.

3.) Die Klägerin hat jedoch gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG. Nach dieser Vorschrift hat der Ausgeschiedene - wenn das Vermögen der Gesellschaft einschließlich der Rücklagen und aller Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden nicht ausreicht -, von dem Fehlbetrag den ihn treffenden Anteil an die Genossenschaft zu zahlen, wenn und soweit er im Falle des Insolvenzverfahrens Nachschüsse an sie zu leisten gehabt hätte. Dabei wird der Anteil in Ermangelung einer anderen Bestimmung des Statuts nach der Kopfzahl der Mitglieder berechnet. Die Voraussetzungen für diese Haftung liegen unstreitig vor.

Nach § 40 der Satzung der Klägerin ist die Nachschusspflicht der Mitglieder auf die Haftsumme beschränkt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beträgt die Haftsumme für jeden Geschäftsanteil 500 €. Nach Satz 3 ist die Haftsumme auf den Gesamtbetrag von 10 Geschäftsanteilen beschränkt. Die damit grundsätzlich in Höhe von insgesamt 5.000 € bestehende Haftsumme kann von der Klägerin jedoch nicht in vollem Umfang gegen den Beklagten geltend gemacht werden. Denn die Klägerin übersieht, dass gem. § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG der Beklagte nur aus dem Fehlbetrag "den ihn treffenden Anteil" an die Genossenschaft zu zahlen hat. Dieser Anteil wird grundsätzlich nach der Kopfzahl der Mitglieder berechnet, es sei denn das Statut sieht insoweit eine andere Bestimmung vor (§ 73 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz GenG). Eine solche andere Bestimmung enthält aber die Satzung der Klägerin in § 10 Abs. 3. Danach ist der Haftungsanteil nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander zu berechnen.

Die Anzahl der Geschäftsanteile zum 31. 12. 2002 betrug nach dem Geschäftsbericht der Klägerin für das Jahr 2002 (Bl. 212 d. A.) insgesamt 11.409 Stück. Bei 11.409 Gesamt- und 10 Eigenanteilen ergibt sich ein Haftungsanteil von 273.021,85 : 10/11.409 = 239,30 €. Insoweit haftet demgemäß der Beklagte auch nur.

Zinsen werden als Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Diese sind seit dem 9.1.2005 zuzuerkennen (§ 291 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt noch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtssprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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