Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 5 U 32/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

AnfG § 3 Abs. 1
AnfG § 20
BGB § 242
BGB § 812
1. Gem. dem sog. Günstigkeitsprinzip aus der Übergangsregelung in § 20 Abs. 1 AnfG kommt es für vor dem 01.01.1999 vorgenommenen Rechtshandlungen - selbst wenn eine Anfechtung nach neuem Recht zu bejahen ist - auf die Anfechtbarkeit nach altem Recht an. Gem. 3 Abs. 1 AnfG a.F. gab es zu Lasten des Anfechtungsgegners keine Vermutungsregelung. Der Anfechtende hat deshalb die entsprechende Gläubigerbenachteiligungsabsicht bei dem Anfechtungsgegner in vollem Umfang nachzuweisen.

2. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach den gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde. Ein Bereicherungsanspruch, der von einer großen Bank als Drittschuldner erstmals mehr als 6 Jahre nach Erkennbarkeit der irrtumsbedingten Zahlungen geltend gemacht wird, ist verwirkt, wenn besondere Umstände vorliegen (hier Vermögensdispositionen der Bereichungsschuldnerin im gutgläubigen Vertrauen auf die Richtigkeit der Zahlungen)


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 32/09

verkündet am: 2.7.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 02. Juli 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin zu 1) gegen das am 16. Januar 2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg werden zurückgewiesen.

Die Streithelferin zu 1) trägt die Kosten ihrer Nebenintervention selbst. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Berufungsrechtszuges einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers zu 2).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten und des Streithelfers zu 2) wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. der Streithelfer zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 53.250,98 EUR aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Streithelferin zu 1) ist die Abtretungsgläubigerin. Bei dem Streithelfer zu 2) handelt es sich um den vorgerichtlichen anwaltlichen Vertreter der Beklagten.

Die Klägerin hatte als Drittschuldnerin an die Beklagte als Vollstreckungsgläubigerin in der Zeit vom 01.11.1996 bis 01.11.2002 den mit der Klage geltend gemachten Betrag gezahlt. Anfang 2003 stellte sich im Rahmen einer internen Prüfung heraus, dass die von der Beklagten im Jahr 1996 gepfändeten Forderungen bereits zuvor am 23.04.1996 an die Streithelferin zu 1) abgetreten worden waren.

Der geschiedene Ehemann der Beklagten, der Zahnarzt W.R., gewährte der Klägerin am 18.11.1979 ein sog. Berlinförderungsdarlehen über 225.000,00 DM (= 115.040,67 EUR). Die Klägerin verpflichtete sich, dieses Darlehen in halbjährlichen Annuitätenraten (6 % Zinsen und 1,5 % Tilgung) in Höhe von jeweils 4.314,03 EUR zurück zuzahlen.

Im Rahmen des Trennungs- und Scheidungsverfahrens der Eheleute R. erwirkte die Beklagte am 22.03.1996 gegen ihren Ehemann einen Arrestbeschluss vor dem Amtsgericht H. (Az.: 22 F 84/96; Blatt 98 R. GA) zur Sicherung ihrer Zugewinn- und Unterhaltsansprüche über einen Betrag in Höhe von 158.785,63 DM sowie eine Kostenpauschale von 14.000,00 DM. Auf Grundlage dieses Titels ließ die Beklagte u.a. die Darlehensrückzahlungsansprüche ihres Ehemannes bei der Klägerin gem. § 845 ZPO vorläufig pfänden.

Auf den Widerspruch des Ehemanns der Beklagten erging am 10.04.1996 durch Amtsgericht H. (Az.: 22 F 84/96) ein Arresturteil, durch das der Arrestbeschluss vom 22.03.1996 abgeändert und lediglich wegen eines Betrages von 59.000,00 DM sowie einer Kostenpauschale von 8.000,00 DM (insgesamt 67.000,00 DM) aufrecht erhalten wurde.

Auf Grundlage dieses Arresturteils (AG H. vom 10.04.1996 Az.: 22 F 84/96) erwirkte die Beklagte am 25.04.1996 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegen die Klägerin,dass der Klägerin am 02.05.1996 zugestellt wurde. Der entsprechende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf der Grundlage des v.g. Arresturteils vom 10.04.1996 wurde von der Beklagten allerdings erst am 13.05.1996 beantragt, am 14.05.1996 vom AG Husum erlassen und am 28.05.1996 der Klägerin zugestellt.

Zuvor, nämlich am 23.04.1996, hatte der Ehemann der Beklagten zur Sicherung von Darlehen seine Forderungen gegen die Klägerin an die Darlehensgeberin (= Rechtsvorgängerin der Streithelferin zu 1) abgetreten. Diese Abtretung hat die Darlehensgeberin unstreitig mit Schreiben vom 29.04.1996 gegenüber der Klägerin offen gelegt (Eingang bei der Klägerin am 06.05.1996).

Mit Schreiben vom 17.09.1996 bestätigte die Klägerin gegenüber dem damaligen anwaltlichen Vertreter der Beklagten (= Streithelfer zu 2)) die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 13.05.1996 (22 F 84/96 AG H.) und vom 20.08.1996 (11 M 1125/96) und erklärte, dass "Rechte Dritter an dieser Forderung nicht bekannt seien und eigene zur Aufrechnung geeignete Gegenansprüche nicht bestünden".

Erst nachdem in der Folgezeit von der Beklagten weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erwirkt wurden (in der Zeit vom 18.10.1996 - 06.04.1998 insgesamt 11 Stück), wies die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 06.12.1996 auf die Vorrangigkeit der Abtretung vom 23.04.1996 hin. Auf Nachfrage des damaligen Beklagtenvertreters vom 12.12.1996 teilte die Klägerin mit Schreiben vom 17.12.1996 mit, dass sie bereits zugunsten der Beklagten die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 13.05.1996 (AG H. 22 F 84/96) und vom 20.08.1996 (11 M 1125/96) mit Schreiben vom 17.09.1996 als vorrangig bestätigt habe. Erst danach habe sie eine Abtretung zu Gunsten eines Dritten erhalten.

Die Klägerin zahlte - ohne Berücksichtigung der vorrangigen Abtretung- an die Beklagte in der Zeit vom 01.11.1996 bis 01.11.2002 insgesamt 53.250,98 EUR.

Am 21.03.1997 gab der Ehemann der Beklagten, W.R., die eidesstattliche Versicherung ab, ohne jedoch auf die vorrangige Abtretung seiner Forderungen gegen die Klägerin an die Streithelferin zu 1) hinzuweisen.

Im Rahmen einer internen Überprüfung Anfang 2003 stellte die Klägerin fest, dass die Abtretung vom 23.04.1996 tatsächlich dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 13./14.05.1996 vorging und forderte deshalb die Beklagte (bzw. den Streithelfer zu 2) mit Schreiben vom 05.02.2003 zur Rückzahlung des auf den vorgenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gezahlten Betrages von 53.520,93 EUR auf.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Vorrangigkeit der Abtretung vom 23.04.1996 zu Gunsten der Streithelferin zu 1) nicht erkannt und deshalb an die Beklagte geleistet. Ihr Irrtum habe darauf beruht, dass sie das vorläufige Zahlungsverbot vom 25.04.1996, zugestellt am 02.05.1996, für vorrangig gehalten habe, zumal die Abtretung vom 23.04.1996 ihr gegenüber erst am 06.05.1996 offen gelegt worden sei. Soweit die Zahlungen über den titulierten Anspruch (67.000,00 DM = 34.256,56 EUR) hinaus gingen, seien diese automatisiert erfolgt und leider erst zu spät bemerkt worden. Die Abtretung vom 23.04.1996 stelle keine Gläubigerbenachteiligung da. Die Streithelferin zu 1) habe erst im November 1996 davon Kenntnis erlangt, dass der Schuldner (= Ehemann der Beklagten) seine Zahnarztpraxis schon Ende März 1996 aufgegeben habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 53.250,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2004 zu zahlen.

Die Streithelferin zu 1) hat im ersten Rechtszug keinen Antrag gestellt (Blatt 222 GA).

Die Beklagte und der Streithelfer zu 2) haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben und darüber hinaus Verwirkung geltend gemacht. Sie bestreiten die Echtheit der Abtretung vom 23.04.1996. Die Unterschrift stamme nicht von W.R., außerdem sei die Abtretung vordatiert worden. Ferner haben sie die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 3 Anfechtungsgesetz wegen Gläubigerbenachteiligung erhoben. Außerdem hat sich die Beklagte auf Entreicherung berufen. Sie habe darauf vertraut, dass sie die Zahlungen behalten dürfe und mit dem Geld die Ausbildung ihrer beiden Kinder (Studium) finanziert.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 16.01.2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass dem Vorrang der Abtretung vom 23.04.1996 die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz n.F. entgegenstehe. Außerdem sei die Beklagte nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert. Es könne deshalb offen bleiben, ob die Abtretungsurkunde vom 23.04.1996 tatsächlich mit der Unterschrift des W:R. versehen und damit echt sei.

Dagegen richten sich die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin zu 1). Sie wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Sie meinen, die Voraussetzungen für die Einrede der Anfechtbarkeit nach §§ 3, 9 Anfechtungsgesetz a.F. lägen nicht vor. Die Beklagte sei auch nicht entreichert, da es auf die Erklärungen im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht ankomme und sie ihren Kindern in jedem Falle ein Studium ggf. auch durch Kreditaufnahme ermöglicht hätte.

Die Klägerin und die Streithelferin zu 1) beantragen,

dass angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 53.250,98 EUR nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2004 zu zahlen.

Die Beklagte und der Streithelfer zu 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und meinen im Übrigen, dass die Forderung im Wesentlichen verjährt darüber hinaus verwirkt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02. Juli 2009 Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin zu 1) sind unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob die Abtretung vom 23.04.1996 tatsächlich echt ist und ob die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit dieser Abtretung nach §§ 3, 9 Anfechtungsgesetz vorliegen. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch ist jedenfalls verwirkt (§ 242 BGB).

1. Ob ein Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt, ist zwischen den Parteien streitig.

Unstreitig liegt eine Leistung der Klägerin an die Beklagte in der Zeit vom 01.11.1996 - 01.11.2002 in Höhe der Klagforderung vor. Die Leistung der Klägerin als Drittschuldnerin hatte zumindest auch den Zweck, das Pfand- und Einziehungsrecht der Beklagten als Vollstreckungsgläubigerin zum Erlöschen zu bringen.

Die Zahlungen der Klägerin erfolgten auf das Pfändungspfandrecht der Beklagten gem. §§ 829, 835 BGB. Die Klägerin hat - wie aus den Schreiben vom 17.09.1996 und 17.12.1996 ersichtlich ist - auf die beiden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 13./14.05.1996 (AG Husum 22 F 84/96) und vom 20.08.1996 (11 M 1125/96) gezahlt. Unstreitig sind ferner über den Pfändungsbetrag von 67.000,00 DM hinaus weitere Zahlungen an die Beklagte ohne Rechtsgrund geleistet worden.

Die Zahlungen der Klägerin auf das Pfändungspfandrecht wären allerdings nur dann ohne Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB geleistet, wenn der Schuldner (= Ehemann der Beklagten) die Forderungen tatsächlich schon am 23.04.1996 (Anlage K1, Blatt 5 GA) wirksam an die Streithelferin zu 1) abgetreten hätte (§§ 398, 407 BGB). Die Abtretung ist der Klägerin unstreitig am 06.05.1996 offen gelegt worden. Wegen des Prioritätsprinzips ist das Datum des Abschlusses des Abtretungsvertrages (hier der 23.04.1996) maßgebend.

Die Vorpfändung (= vorläufiges Zahlungsverbot) vom 25.03.1996, der Klägerin zugestellt am 01.04.1996, konnte den Rang nicht wahren. Der dieser Vorpfändung zugrunde liegende Titel (= Arrestbeschluss AG H. vom 22.03.1996 Az.: 22 F 84/96) wurde nämlich mit Arresturteil vom 10.04.1996 (AG H. Az.: 22 F 84/96) teilweise aufgehoben und in der Hauptsache auf 67.000,00 DM (59.000,00 DM + 8.000,00 DM Kosten) reduziert. Das schließlich auf Grundlage des Arresturteils vom 10.04.1996 erwirkte vorläufige Zahlungsverbot vom 25.04.1996 (zugestellt am 02.05.1996) lag zeitlich hinter der Abtretungsvereinbarung vom 23.04.1996. Gleiches gilt für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 13./14.05.1996, der erst am 28.05.1996 zugestellt worden ist.

Auf Grundlage des Arrestbeschlusses vom 22.03.1996 wurde zwar am 25.03.1996 ein entsprechender Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt, eine Zustellung an die Klägerin konnte jedoch nicht nachgewiesen werden (Blatt 326 GA).

Ob allerdings die Abtretung vom 23.04.1996 im Sinne von § 398 BGB, 416 ZPO bewiesen ist, ist tatsächlich zweifelhaft. Die Beklagte bestreitet die Echtheit der Unterschrift ihres Ehemannes W. Das Original der Abtretungsurkunde vom 23.04.1996 befindet sich unstreitig nicht bei den Akten. Die Vordatierung der Abtretung ist allerdings im Hinblick auf das unstreitige Schreiben der Streithelferin zu 1) vom 29.04.1996 (vgl. Anlage K2, Blatt 6 GA), und die damit verbundene Offenlegung gegenüber der Klägerin am 06.05.1996 äußerst unwahrscheinlich. Ob die Abtretung vom 23.04.1996 tatsächlich mit Wissen und Wollen des Ehemanns der Beklagten unterzeichnet worden ist, könnte wegen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.03.1997 (Blatt 162-164 GA) zweifelhaft sein, denn dort wird die Abtretung der Forderungen zu Gunsten der Streithelferin zu 1) überhaupt nicht erwähnt, sondern vielmehr die Pfändung zu Gunsten der Beklagten angegeben (vgl. Blatt 174 GA). Schließlich hat auch die Klägerin selbst mit Schreiben vom 17.09.1996 (Blatt 332 GA) erklärt, dass "Rechte Dritter nicht bekannt seien", obwohl ihr - ausweislich der Anlage K2 - bereits am 06.05.1996 die Abtretung angezeigt worden sein soll. Letztlich kann die Frage die streitige Frage der Echtheit der Abtretungsurkunde vom 23.04.1996 jedoch offen bleiben.

2. Ob der Abtretung vom 23.04.1996 die Einrede der Anfechtbarkeit gem. §§ 3, 9 Anfechtungsgesetz a.F. entgegen gehalten werden kann, ist ebenfalls zweifelhaft.

Eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung liegt nach § 3 Abs.1 AnfG n.F. nur dann vor, wenn der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und wenn der andere Teil (Anfechtungsgegner) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Dabei ist das Landgericht allerdings zu Unrecht gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 Anfechtungsgesetz n.F. von der Vermutung einer entsprechenden Kenntnis zu Lasten der Streithelferin zu 1) (bzw. deren Rechtsvorgängerin) ausgegangen, weil es eine entsprechende Kenntnis von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners bei der Sparkasse Schleswig-Flensburg als Darlehensgeberin unterstellt hat.

Gem. der Übergangsregelung in § 20 Abs. 1 Anfechtungsgesetz ist das neue Recht auf die vor dem 01.01.1999 vorgenommenen Rechtshandlungen nur insoweit anwendbar, soweit diese nicht nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind (sog. Günstigkeitsprinzip; vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 10. Auflage § 20 Rn. 2). Selbst wenn also eine Anfechtung nach neuem Recht zu bejahen ist, kommt es wegen des Günstigkeitsprinzips auf die Anfechtbarkeit nach altem Recht an. Gem. 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz a.F. (aufgehoben mit Wirkung vom 01.01.1999 durch Artikel 1 § 20 Abs. 2 Satz 1 EGInsO vom 05.10.1994; Bundesgesetzblatt I Seite 92911) gab es zu Lasten des Anfechtungsgegners keine Vermutungsregelung. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F. (abgedruckt in Anhang 1 bei Huber, a.a.O., Seite 290) waren alle Rechtshandlungen anfechtbar, welche der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat.

Mangels einer gesetzlichen Vermutungsregelung fehlt es hier an dem Nachweis der positiven Kenntnis der Streithelferin zu 1) von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht. Die Streithelferin zu 1) hat behauptet, sie habe von der Praxisaufgabe des Schuldners erst im November 1996 erfahren. Der Schuldner sei zum Zeitpunkt der Abtretung (23.4.96) noch zahlungsunfähig gewesen, denn er habe unstreitig noch am 20.04.1996 Unterhalt in Höhe von 2.629,82 DM an die Beklagte gezahlt. Ferner ergebe sich aus dem als Verfahren AG H. (Az.: 2 F 387/94 EA), dass der Schuldner noch im Juli 1996 monatlich netto 8.758,00 DM verdient habe. Die Streithelferin zu 1) hat vorgetragen, sie sei zum Zeitpunkt der Abtretung am 23.04.1996 noch von einem "gutem Einkommen des Schuldners" ausgegangen. Dies hat die Beklagte nicht widerlegt. Schließlich hat der Streithelfer zu 2) im Auftrag der Beklagten noch mit Schreiben vom 12.04.1996 gegenüber der Streithelferin zu 1) erklärt, dass sich Rechte aus einer Vorpfändung sowie eines Pfändungsbeschlusses erledigt hätten und dass das Konto freigegeben werde. Soweit die Beklagte behauptet, die Streithelferin zu 1) habe Kenntnis von der Praxisaufgabe des Schuldners bereits zum 31.03.1996 und von dessen schlechter Vermögens- und Einkommenssituation gehabt, gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Der Senat hat der Streithelferin zu 1) mit Verfügung vom 16.06.2009 aufgegeben, den Inhalt der Kreditverhandlungen im Zusammenhang mit der Sicherungsabtretung vom 23.04.1996 darzulegen sowie den entsprechenden Schriftwechsel aus dem Jahr 1996 vorzulegen. Das ist mit Schriftsatz vom 29.6.2009 geschehen. Danach haben die Streithelferin zu 1) und der Schuldner W.R. am 23./25.4.1996 einen Darlehensvertrag über 100.000,-- DM geschlossen. Die Valutierung des Darlehens war von der Abtretung der Forderungen aus dem Berlin-Darlehen abhängig. Erst im Nov. 1996 hat die Streithelferin zu1) von der Praxisaufgabe des Schuldners und seiner schlechten finanziellen Situation Kenntnis erlangt. Der Schuldner selbst hatte die Streithelferin zu 1) noch mit Schreiben vom 20.7.1996 (Bl. 353 GA) auf "ausreichend weitere Vermögenswerte" hingewiesen. Eine frühere Kenntnis der Streithelferin zu 1) (= Sparkasse) dürfte sich nach alledem nur schwer nachweisen lassen.

3. Ob der Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berechtigt ist, kann letztlich auch offen bleiben. Auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts (Seite 9 und 10 des angefochtenen Urteils) zu diesem Punkt wird hingewiesen. Die Beklagte war während des gesamten Zeitraums des Empfangs der Leistungen (01.11.1996 - 01.12.2002) gutgläubig. Die Klägerin hatte ihr gegenüber mit Schreiben vom 17.09.1996 (Blatt 332 GA) und vom 17.12.1996 (Anlage K9, Blatt 81 GA) die Erstrangigkeit der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 13./14.05.1996 (AG Husum 22 F 84/96) und vom 20.08.1996 (Az.: 11 M 1125/96) bestätigt. Die Beklagte durfte auch auf die Richtigkeit der weiteren Zahlungen vertrauen, denn immerhin handelt es sich bei der Klägerin um ein großes Kreditinstitut.

Die Bereicherung ist weggefallen, wenn das Aktivvermögen des Empfängers den Bereicherungsanspruch nicht mehr deckt; dann ist nicht mehr zu prüfen welche Verluste im Einzelnen mit ihr zusammen hängen (Palandt-Sprau, BGB, 68. Auflage § 818 Rn. 36 m.w.N.). Es gibt einige Anhaltspunkte, dass die Beklagte vermögenslos ist und nur über ein Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze verfügt.

Ausnahmsweise besteht eine Bereicherung nur fort, soweit der Empfänger im Zusammenhang mit dem rechtsgrundlosen Erwerb durch Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart hat, die er notwendigerweise auch sonst gehabt hätte, dass heißt von denen anzunehmen ist, dass sie ansonsten mit anderen verfügbaren Mitteln getätigt worden wären (Palandt/Sprau, a.a.O § 818 Rn. 34 mit Hinweis auf BGH NJW 2003, 3271). Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die mit der Klagforderung geltend gemachten Zahlungen für die Finanzierung des Studiums ihrer beiden Kinder Sven und Maike verbraucht. Die Beklagte, gelernte Erzieherin, war rechtlich nicht verpflichtet, ihren beiden Kindern jeweils das Studium zu finanzieren. Ohne das Geld der Mutter wären die Kinder auf öffentliche Förderungen (Bafög, Sozialhilfe) oder aber eine private, anderweitige Finanzierung (z.B. Ausbildungsdarlehen) angewiesen gewesen. Die Beklagte war nicht verpflichtet, ein Darlehen aufzunehmen, um damit ein Studium ihrer Kinder zu finanzieren. Ersparte Aufwendungen sind deshalb nicht nachvollziehbar dargelegt.

4. Ob im Hinblick auf die Darlehensraten vom 01.11.1996 bis 01.11.1999 im Umfang von 30.198,21 EUR (= 7 Raten á 4.314,03 EUR) die Forderung verjährt ist, braucht nicht entschieden zu werden. Die Forderung ist jedenfalls verwirkt.

5. Die Klägerin hat ihren möglicherweise zustehenden Bereicherungsanspruch gem. § 242 BGB verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach den gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH NJW 2008, 2254; Palandt/Heinrichs, a.a.O. § 242 Rn. 87 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Sowohl das Zeit - als auch das Umstandsmoment sind erfüllt.

Der Klägerin war die Abtretung vom 23.04.1996 bereits seit dem 06.05.1996 bekannt (vgl. den Eingangsstempel auf dem Schreiben vom 29.4.1996). Die Klägerin muss sich die entsprechende Kenntnis ihres zuständigen Mitarbeiters nach § 166 BGB zurechnen lassen Die Überzahlungsansprüche werden erstmals mit Schreiben vom 05.02.2003 und damit nach mehr als 6 Jahren geltend gemacht. Der Umstand, dass die Klägerin irrtümlich die Vorrangigkeit der Abtretung vom 23.04.1996 in ihrem Haus nicht erkannt hat, kann sie nicht entlasten. Die Klägerin verfügt über eine eigene Rechtsabteilung und hätte unter Anwendung des Prioritätsgrundsatzes die Vorrangigkeit der Abtretung durchaus erkennen können. Schließlich hat sie sogar noch auf die ausdrückliche Nachfrage der Beklagten vom 12.12.1996 die Vorrangigkeit der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 13.05.1996 bzw. 20.08.1996 mit Schreiben vom 17.12.1996 (Frau M.) bestätigt. Es genügt, dass der Berechtigte bei objektiver Beurteilung Kenntnis hätte haben können (Palandt/Heinrichs, a.a.O. § 242 Rn. 94 m.w.N.).

Auch das Umstandsmoment ist erfüllt. Die Beklagte durfte wegen der Mitteilungen der Klägerin vom 17.09.1996 und vom 17.12.1996 auf die Vorrangigkeit und damit Wirksamkeit ihrer beiden Pfändungen vom 13./14.5.1996 und vom 20.8.1996 vertrauen. Im Hinblick darauf, dass die regelmäßigen Zahlungen von einer großen Bank kamen, durfte die Beklagte auch auf die Rechtmäßigkeit der Überzahlungen vertrauen. Sie hat selbst in der Folgezeit weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf Grundlage verschiedener Titel gegen die Klägerin erwirkt (insgesamt 11 Titel in der Zeit vom 18.10.1996 - 06.04.1998; vgl. die Zusammenstellung Blatt 107 und 108 GA), wobei insoweit allerdings die Klägerin stets auf die Vorrangigkeit der Abtretung hingewiesen hat. Die Beklagte hat aber aufgrund der Vorrangigkeit der o.g. beiden Pfändungen Vermögensdispositionen getroffen, die ihr anderenfalls aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen wären. Sie hat mit dem Geld die Ausbildung ihrer Kinder finanziell unterstützt. Nach alledem sind die Voraussetzungen einer Verwirkung gegeben.

Die Berufungen haben mithin keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere weicht das Urteil nicht von der Rechtssprechung anderer Oberlandesgerichte ab.

Ende der Entscheidung

Zurück