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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: 5 U 44/01
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 32 a
GmbHG § 32 b
Zur Frage des eigenkapitalersetzenden Charakters einer Bürgschaft im Zusammenhang mit der systematischen Fremdfinanzierung einer GmbH
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 44/01

Verkündet am: 31. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Kiel vom 15. Februar 2001 - 15 O 136/00 - geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 153.387,56 € (300.000,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Oktober 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jedoch kann der Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 178.952,15 € (350.000,00 DM) abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Beklagten 153.387,56 € (300.000,00 DM).

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma T den Beklagten wegen der Rückzahlung eines durch dessen Bürgschaft gesicherten Kontokorrentkredits gemäß §§ 31 a Abs. 2, 32 b S. 1 GmbHG in Anspruch.

Der Beklagte hatte sich am 50.000,00 DM betragenden Stammkapital der Firma T Handelsgesellschaft mbH (im folgenden Firma T) am 20. April 1998 zunächst in Höhe eines Gesellschaftsanteils von 16.600,00 DM und am 29. Mai 1998 in Höhe eines weiteren Geschäftsanteils von 8.400,00 DM beteiligt. Zur gleichen Zeit hielt er 50 % der Geschäftsanteile einer K in Handels-GmbH (im folgenden Firma K In), die wie die Firma T im Sonderpostengeschäft tätig war. Die Firma hatte zum 31. Dezember 1997 keinen Jahresabschluß aufgestellt und laut Jahresabschluß zum 31. Dezember 1996 (Bl. 24 f. d. A.) - seinerzeit noch unter der Firma KO firmierend - einen bilanziellen Verlust des Stammkapitals in Höhe von 5.263,00 DM ausgewiesen. Wie der Beklagte im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge im zum Az. AG Norderstedt geführten Insolvenzantragsverfahren - am 6. Mai 1999 zu Protokoll gegeben hatte (Bl. 8 f. d. A.), hat er den Geschäftsanteil von 16.600,00 DM vom ausscheidenden Gesellschafter Ko für 1,00 DM erworben und den weiteren Geschäftsanteil von 8.400,00 DM für 60.000,00 DM, da nach Angaben des ausscheidenden Gesellschafters der Gesamtwert der sich in dem Sonderpostenmarkt der Firma T vorhandenen Waren seinerzeit auf 120.000,00 DM belaufen haben soll.

Am 24. April 1998 gewährte die Raiffeisenbank Q der Firma T einen Kontokorrentkredit über 300.000,00 DM, der ausweislich des zu Ziff. 4 des Kreditvertrages (Bl. 17 d. A.) vorhandenen Eintrages neben Bürgschaften der Mitgesellschafterin G und eines B G durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft des Beklagten über 300.000,00 DM gesichert wurde. Die von dem Beklagten unterschriebene Bürgschaftserklärung vom selben Tage (Bl. 19 d.A.) sieht in Ziff. 3 vor, daß die Bürgschaft aus wichtigem Grund oder frühestens ein Jahr nach ihrer Übernahme unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist schriftlich gekündigt werden kann. Ausweislich eines bei der Raiffeisenbank Q intern geführten "Kreditprotokolls" (Bl. 32 d. A.) waren in der "Sicherheitenübersicht" zu dem erwähnten Kredit unter den gewährten Bürgschaften diejenige des Beklagten mit einem Wert von 300.000,00 DM und mit dem Zusatz "Grund Werthaltigk.: untermauert durch umfangreiches unbelastetes Grundvermögen" angegeben. Ferner angegeben war eine "Sicherungsübereignung Warenlager" betreffend eine Sicherungsübereignung eines der Firma K In gehörenden Warenlagers, deren Wert allerdings mit "0" vermerkt wurde. Im Abschnitt "Stellungnahme" heißt es:

"Beurteilung der persönlichen und rechtlichen Verhältnisse: Vormals KO, unbenannt in T GmbH mit Stammkapital 50.000,00 DM, alte Firma K In Sonderpostenmarkt aufgelöst, Gesellschafter K. Ko 16.700,--, G 16.700,-- Z 16.600,--. zwei Märkte in und

Detaillierte Darstellung des Vorhabens:

Sonderpostenmarkt mit entsprechenden Artikeln, Übernahme des KO-Geschäftes in.

Weitervertrieb in

Beurteilung des Vorhabens:

Entwicklung muß beobachtet werden

Beurteilung der Vermögenssituation und Kapitaldienstfähigkeit:

durch Neugründung noch keine Zahlen, Kredit und Kap.dienstfähigkeit bisher über K In

Beurteilung der Zukunftsperspektiven:

Erscheint aufgrund Entwicklung der K In positiv, muß beobachtet werden

Beurteilung der Sicherheiten

Bürgschaft Z aufgrund umfangreichen Grundvermögens voll bewertbar"

Eine Kündigung der Bürgschaft des Beklagten erfolgte auch nicht, als er am 17. Dezember 1998 zwecks Liquidation der Firma T seinen Geschäftsanteil auf den als Abwickler fungierenden A übertrug. Die Firma T verkaufte in der Folgezeit u. a. ihr Warenlager an die Firma M, die zur Erfüllung ihrer Kaufpreisverpflichtung am 8. Januar 1999 den in Höhe von 303.182,63 DM valutierenden Kontokorrentkredit bei der Raiffeisenbank Q ausglich. Mit Schreiben vom 3. Februar 1999 beantragte der Abwickler die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 15. September 1999 eröffnet und in dem der Kläger sodann zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Der dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beigefügte Vermögensstatus hatte als Vermögen noch eine Portokasse in Höhe von 150,00 DM und im übrigen einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 228.937,00 DM ausgewiesen. Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 4. Oktober 1999 vergeblich zur Zahlung des klagweise geltend gemachten Betrages unter Fristsetzung bis zum 20. Oktober 1999 auf.

Der Kläger hat im wesentlichen geltend gemacht, daß der Kontokorrentkredit über 300.000,00 DM von Anfang an eigenkapitalersetzend im Sinne von § 32 a Abs. 2 GmbHG gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Kreditgewährung habe die Firma T praktisch eine Neugründung finanzieren müssen und hierzu selbst damals wie später über keinerlei Mittel verfügt, um einen Kredit in dieser Höhe zu marktüblichen Konditionen ausreichend aus eigenen Mitteln besichern zu können. Insoweit sei es auf die Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten entscheidend angekommen, zumal das sicherungsübereignete Warenlager von der Bank mit "0" bewertet worden sei, weil ein derartiger Warenbestand keine ausreichende Kreditsicherheit gewähre. Auch habe der Beklagte die gewährte Bürgschaft selbst nach seinem Ausscheiden aus der Firma T dort "stehengelassen".

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 300.000,00 DM nebst 4 % jährlicher Zinsen hierauf seit dem 21. Oktober 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, daß der zuständige Kreditsachbearbeiter der Raiffeisenbank Q, der Zeuge J, das Warenlager der Firma K In im April 1998 in Augenschein genommen und sich hierbei ein Bild von der Werthaltigkeit des Warenbestandes gemacht habe. Hierbei sei dieser Zeuge zu dem Schluß gekommen, daß der Warenbestand tatsächlich einen Verkehrswert wenigstens in Höhe der Valuta des beantragten Darlehens gehabt habe. Die Raiffeisenbank Q habe sich daher nach Zeichnung der nach ihrer Einschätzung werthaltigen Bürgschaft schlicht nicht mehr die Mühe gemacht, die von ihr angestellten Recherchen zur Werthaltigkeit des sicherungsübereigneten Warenlagers schriftlich zu fixieren. Zum Zeitpunkt der späteren Veräußerung des Warenbestandes an die Firma M habe das fragliche Warenlager einen Einkaufswert von 305.594,92 DM und einen Verkehrswert von 592.820,39 DM gehabt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger eine Kreditunwürdigkeit der Firma T nicht schlüssig habe darlegen können und die unterlassene Kündigung der Bürgschaft durch den Beklagten eine Vergrößerung der bereits entstandenen Verbindlichkeiten nicht mehr habe bewirken können. Anzeichen für eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Kreditgewährung hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Der unterlassene Jahresabschluß zum Jahresende 1997, der Bilanzverlust im Jahre 1996 und die Bewertung des sicherungsübereigneten Warenlagers durch die Raiffeisenbank mit "0" seien lediglich Hilfstatsachen, die weder für sich noch zusammen den notwendigen Schluß auf eine Kreditunwürdigkeit im Zeitpunkt der Darlehensgewährung ermöglichten. Außerdem habe der Kläger gerade keinen Beweis dafür angetreten, dass die Firma T ohne die selbstschuldnerische Bürgschaft des Beklagten den Kredit nicht von der Raiffeisenbank Q erhalten hätte.

Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden und gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO fortgeltenden Fassung auf das angefochtene Urteil nebst den darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

Gegen dieses ihm am 27. Februar 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 27. März 2001 bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nachfolgend form- und fristgerecht wie folgt begründet:

Die Sicherungsübereignung des Warenlagers der Firma K In könne die Kreditwürdigkeit der Firma T schon deshalb nicht erhöht haben, weil diese auf eine derartige Sicherung überhaupt keinen Anspruch gehabt habe. Ohnehin würden Warenlager von Sonderpostenmärkten von Kreditinstituten generell nicht als werthaltige Kreditsicherheiten akzeptiert (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens). Aber auch im hier zu beurteilenden Fall habe die Raiffeisenbank Q den Kontokorrentkredit nur aufgrund der Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten gewährt (Beweis: Zeugnis J, Raiffeisenbank Q). Im übrigen folge der kapitalersetzende Charakter der durch den Beklagten gewährten Bürgschaft auch daraus, daß der Kontokorrentkredit nur durch die Veräußerung der gesamten Geschäftsausstattung der Firma T habe zurückgeführt werden können und der Beklagte damit auf Kosten der Gesellschaft aus seiner Bürgschaft frei geworden sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 300.000,00 DM nebst 4 % jährlicher Zinsen hierauf seit dem 21. Oktober 1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist darauf, daß auch kreditwürdigen Gesellschaften Banken häufig nur gegen persönliche Sicherheitsgewährung Kredite gewähren würden. Jedenfalls aber könne die Bürgschaft nicht in voller Höhe als kapitalersetzend eingeordnet werden.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2001 und der Gewährung von Schriftsatznachlaß im Hinblick auf die zur Sprache gekommene vorläufige Rechtsauffassung des Senats hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Januar 2002 ergänzend u. a. darauf verwiesen, daß sich die finanzielle Situation der Firma T 1997 und im ersten Halbjahr 1998 verbessert habe und er nur deshalb bereit gewesen sei, sich an der Gesellschaft zu beteiligen. Neben schon beim vorgelegten Abschluß für 1996 noch zu berücksichtigenden stillen Reserven sei maßgeblich, daß das auf einer Verkaufsfläche von 585 m² des von der Firma T in Henstedt-Ulzburg betriebenen Einkaufsmarktes befindliche Warenlager der Firma T allein ein Warenwert von rund 250.000,00 DM aufgewiesen habe (Beweis: Zeugnis K Ko, B G, G). Auch hätten seiner Überzeugung nach zum 31. Dezember 1998 keine Verbindlichkeiten in Höhe von 229.087,00 DM bestanden. Insbesondere Lieferantenverbindlichkeiten seien im Umfang von wenigstens 77.000,00 DM nicht gerechtfertigt gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.

Zu Recht nimmt der Kläger gemäß §§ 32 a Abs. 2 i. V. m. 32 b S. 1 und S. 2 GmbHG den Beklagten in Höhe der seinerzeit bis zu einem Betrag von 300.000,00 DM übernommenen Bürgenhaftung für den von der Raiffeisenbank Q am 24. April 1998 der Firma T gewährten Kontokorrentkredit über 300.000,00 DM in Anspruch.

Gemäß §§ 31 a Abs. 2, 32 b GmbHG hat nämlich ein Bürge der Gesellschaft den zurückgezahlten Darlehensbetrag bis zur Höhe seiner Bürgenhaftung zu erstatten, wenn die Gesellschaft das Darlehen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezahlt hatte und die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen worden war, "indem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten" (§ 32 a Abs. 2 S. 1 GmbHG). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats im zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt. So erfolgte die Rückführung des erwähnten Kontokorrentkredits durch die Firma T unstreitig dadurch, daß die Firma M aus dem Kaufpreis des von ihr angekauften Warenlagers der Firma T am 8. Januar 1999 einen der Valuta des eingeräumten Kontokorrentkredits entsprechenden Betrag in Höhe von 303.182,63 DM an die Raiffeisenbank Q ausglich. Auch beantragte der Abwickler der Firma T bereits mit Schreiben vom 3. Februar 1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so daß die Zahlung ersichtlich im dem Insolvenzverfahren vorgelagerten maßgeblichen Zeitraum erfolgt war. Aber auch vom eigenkapitalersetzenden Charakter der Bürgschaftsübernahme ist auszugehen. Zwar folgt dies noch nicht aus einem "Stehenlassen" der Bürgschaft bei Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft (1.). Auch steht jedenfalls nicht zweifelsfrei fest, daß die Gesellschaft im Hinblick auf die Gewährung des Kontokorrentkredits erst durch die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft kreditwürdig geworden ist (2.). Wohl aber ist deshalb vom eigenkapitalersetzenden Charakter dieser Bürgschaft auszugehen, weil ihre Übernahme jedenfalls mit dazu diente, die von der Firma T nach dem Frühjahr 1998 betriebenen Aktivitäten systematisch fremdzufinanzieren (3.).

1.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht einen kapitalersetzenden Charakter der Bürgschaftsgewährung noch nicht darin gesehen, daß der Beklagte die gewährte Bürgschaft bei Übertragung seines Geschäftsanteils auf den Jörg A am 17. Dezember 1998 nicht gegenüber der Raiffeisenbank Q kündigte, sondern "stehen ließ". Zwar dürfte dem Beklagten bei Ausscheiden aus der Firma T eine Kündigung aus wichtigem Grund grundsätzlich möglich gewesen sein (hierzu auch bereits BGH NJW 1986, 252 f.). Der Charakter eines kapitalersetzenden "Stehenlassens" kann dem Unterlassen einer Kündigung jedoch nur dann zukommen, wenn der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft hierdurch sein Risiko unter Verlagerung der Risiken auf die Gesellschaftsgläubiger verringert, anstatt der Gesellschaft entweder eigene Liquidität oder die Gesellschaft der Liquidation zuzuführen (BGH ZIP 1995, 280, 281). Genau letzteres tat der Beklagte jedoch im Dezember 1998, als er zu einem Zeitpunkt - in welchem das baldige Ende der Gesellschaft mehr als deutlich gewesen sein dürfte - seine Anteile an den Abwickler veräußerte, mag es ihm hierbei auch vorrangig darum gegangen sein, die "eigene Haut" zu retten.

2.

Zweifelsohne käme der von dem Beklagten gewährten Bürgschaft ein kapitalersetzender Charakter jedoch dann zu, wenn zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung die Firma T überhaupt nicht kreditwürdig gewesen wäre, also die Kreditwürdigkeit entweder durch entsprechendes Eigenkapital oder durch die Bürgschaftsgewährung erst hergestellt werden mußte.

Hierbei ist eine Gesellschaft dann als kreditunwürdig anzusehen, wenn ein außenstehender Dritter ihr das konkrete Darlehen in Kenntnis der kreditrelevanten Umstände überhaupt nicht oder nicht mehr zu markttypischen Bedingungen gewährt hätte (BGH WM 1998, 243, 244; BGH ZIP 1997, 1648, 1650). Bilanzverluste oder gar Unterbilanzierung sowie Überschuldung der Gesellschaft können insoweit Indizien darstellen, mehr aber nicht. Denn selbst bei an sich unzureichender Eigenkapitalausstattung kann eine Gesellschaft aus Sicht eines Gläubigers deshalb als kreditwürdig erscheinen, weil sich ihr aus seiner Sicht hervorragende Geschäftschancen eröffnen oder sie Zugriff auf gesellschaftsfremde Sicherheiten besitzt. Maßgeblich ist insoweit eine verobjektivierende Betrachtung zum Zeitpunkt der Kreditgewährung, nicht aber etwa die subjektive Einschätzung einzelner konkreter Kreditgeber (BGHZ 119, 201, 207 f.; OLG Hamburg ZIP 1990, 791, 794 f.).

Bereits von daher nicht bedenkenfrei muß die Auffassung des Landgerichts erscheinen, von einer Kreditunwürdigkeit zum Zeitpunkt der Kreditgewährung könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger keinen Negativbeweis für die Behauptung angetreten habe, daß die Firma T ohne die selbstschuldnerische Bürgschaft des Beklagten den benötigten Kredit nicht mehr erhalten habe. Denn ungeachtet dessen, daß der Kläger in seiner Berufungsbegründung nunmehr diesen Beweisantritt durch Benennung des zuständigen Sachbearbeiters der Raiffeisenbank als Zeugen nachgeholt hat und bereits die Nichterwähnung der Sicherungsübereignung des Warenlagers der Firma K In in Ziffer 4 "Sicherheiten" des Kreditvertrages (Bl. 17 d. A.) die Maßgeblichkeit gerade der Bürgschaft des Beklagten für die konkrete Kreditgewährung zumindest nahelegen dürfte, käme einer Aussage des benannten Zeugen allenfalls eine indizieller Beweiswert zu, so daß - wäre die Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt zu stützen - der unter Sachverständigenbeweis gestellten Frage der generellen Untauglichkeit bzw. Tauglichkeit des fraglichen Sonderpostenlagers als Kreditsicherheit nachzugehen wäre. Hierbei soll allerdings nicht verhehlt werden, daß auch nach Einschätzung des Senats bei der Ermittlung des "Zerschlagungswertes" eines Sonderpostenlagers ganz erhebliche Abstriche gegenüber den erwarteten Einzelverkaufspreisen und durchaus auch gegenüber den aufgewendeten Einkaufspreisen notwendig werden dürften.

Letztlich kann die Frage, ob die Kreditwürdigkeit der Firma T im Frühjahr 1998 erst durch die Übernahme von Bürgschaften u. a. durch den Beklagten hergestellt oder bereits aufgrund der Sicherungsübereignung des der Firma K In gehörenden Warenlagers gewährleistet gewesen wäre, jedoch offenbleiben. Denn beide Alternativen ändern nichts daran, daß zu einem Zeitpunkt, zu welchem - wie die Raiffeisenbank Q in ihrem Kreditprotokoll vermerkt hat - faktisch eine "Neugründung erfolgte, die Bereitstellung der für dieses Vorhaben erforderlichen Betriebsmittel nicht mehr von der Gesellschaft selbst vorgenommen werden konnte, sondern die ein "Überleben" der Gesellschaft überhaupt ermöglichenden Aktivitäten ausschließlich und systematisch fremdfinanziert werden mußten.

3.

Schon generell muß nach dem Normzweck des § 32 Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG einer Zuführung von Fremdmitteln jedenfalls dann eigenkapitalersetzender Charakter zukommen, wenn sie für die Verwirklichung der von der Gesellschaft verfolgten Ziele unentbehrlich ist und von vornherein ein längerfristiges Belassen dieser Fremdmittel im Sinne einer systematischen Außenfinanzierung der Gesellschaft geplant ist (BGHZ 104, 33, 41 sowie auch allgemein K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 37 IV 2. c; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., 2000, Rn. 168 f. zu § 32 a/b). Im Falle einer Zuführung benötigter Fremdmittel durch Gewährung einer Bürgschaft wird von einem hinreichend längerfristigen Belassen jedenfalls dann ausgegangen werden dürfen, wenn im Verhältnis des Bürgen zur Gesellschaft zumindest eine stillschweigende Abbedingung des bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners ergebenden Befreiungsanspruchs gemäß § 775 BGB angenommen werden kann (BGH NJW 1987, 1080, 1082). So lag es aber nach Auffassung des Senats auch im hier zu beurteilenden Sachverhalt:

Was die Eigenkapitalausstattung der Firma T anbelangt, so war diese im Grunde schon per Bilanz zum 31. Dezember 1996 nicht mehr zureichend. Daß bei den im wesentlichen aus dem Warenbestand des Sonderpostenlagers bestehenden "Vorräten" in Höhe von ausgewiesenen 96.385,40 DM noch allzu viele "stille Reserven" aktivierbar gewesen wären, ist eher unwahrscheinlich. Auch standen diesen Vorräten schon seinerzeit ein hohes Ausmaß kurzfristiger Verbindlichkeiten gegenüber, nämlich 105.662,62 DM, (Bl. 24 d. A.). Für eine nennenswerte Verbesserung der Eigenkapitalsituation der Firma T bis zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung im Frühjahr 1998 ist jedoch nichts ersichtlich. Zwar hat der Beklagte bei seiner Vernehmung als Zeuge im Insolvenzverfahren den Gesamtwert des seinerzeit vorhandenen Warenlagers mit 120.000,00 DM beziffert und hiermit den für den Erwerb der hälftigen Gesellschaftsanteile gezahlten Kaufpreis in Höhe von etwa 60.000,00 DM erklären wollen. Doch dürften selbst einem derartigen Warenwert wiederum ebenso Verbindlichkeiten gegenübergestanden haben, wie der Kaufpreis für einen Unternehmensanteil typischerweise nicht allein durch den Wert vorhandener Waren geprägt wird, sondern gerade auch durch den - auf einer umfassenderen Beurteilung beruhenden - "Firmenwert". Eine signifikante Werthaltigkeit des seinerzeitigen Warenlagers der Firma T unterstellt, hätte außerdem erwartet werden dürfen, daß die Raiffeisenbank Q sich zur Besicherung eines der Gesellschaft gewährten Kredits zumindest Sicherheiten an diesem werthaltigen Gesellschaftsvermögen bestellen läßt. Schon vor diesem Hintergrund fällt es auch nicht mehr ins Gewicht - und veranlaßt nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung -, daß der Beklagte in seinem unter Berücksichtigung der im Termin geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung des Senats nachgelassenen Schriftsatz vom 10. Januar 2002 pauschal eine Verbesserung der finanziellen Situation der Gesellschaft in den Jahren 1997 sowie im ersten Halbjahr 1998 behauptet und für Frühjahr 1998 den Wert des Warenlagers der Firma T mit 250.000,00 DM beziffert hat. Eine derartige Behauptung einer allgemeinen Situationsverbesserung ist im Verhältnis zur unstreitigen schlechten finanziellen Situation der Gesellschaft nach 1996 unsubstantiiert. Hinzu kommt, daß die Behauptung eines Warenwertes von 250.000,00 DM ersichtlich der referierten Aussage des Beklagten im Insolvenzverfahren kontrastiert, die von einem Warenwert in Höhe von weniger als der Hälfte des nunmehr behaupteten Werts ausging. Ohnehin nicht bei der Ermittlung der Eigenkapitalsituation der Firma T berücksichtigt werden darf die Werthaltigkeit des von der Firma K In sicherungsübereigneten Warenlagers. Denn mag auch eine derartige Sicherungsübereignung eines Dritten grundsätzlich die Kreditwürdigkeit einer Gesellschaft wieder herstellen, kann sie nicht fehlendes Eigenkapital ersetzen, da - anderes hat der Beklagte nicht dargelegt - die Gesellschaft auf diese Sicherheit keinen Anspruch gehabt haben dürfte und überdies nach Eintritt des Sicherungsfalls mit entsprechenden Rückgriffsansprüchen des Sicherungsgebers hätte rechnen müssen.

Diese wirtschaftliche Situation konnte und durfte dem Beklagten als Gesellschafter nicht verborgen bleiben. Als ordentlicher Kaufmann hätte er im Frühjahr 1998 entweder schon seinerzeit die Gesellschaft der Liquidation zuführen oder ihr - wollte er an dem von der Raiffeisenbank Q als "faktische Neugründung" qualifizierten ehrgeizigen Vorhaben festhalten - weiteres Eigenkapital zur Verfügung stellen müssen. Entschied er sich statt dessen dafür, eine Bürgschaft zu gewähren und diese auch bis zur Krise gegen Jahresende 1998 weder zu kündigen oder gemäß § 775 BGB gegenüber der Gesellschaft einen Befreiungsanspruch geltend zu machen, so muß davon ausgegangen werden, daß auch aus seiner Sicht der Bürgschaft anstelle von haftendem Eigenkapital die Funktion einer längerfristigen Kreditunterlage zukommen sollte. Dies aber rechtfertigt die Realisierung dieses Eigenkapitalersatzes nach erfolgter Befriedigung des kreditgebenden Gesellschaftsgläubigers.

Die Rechtsfolge des Anspruchs besteht - über den Ersatz möglicherweise aufgezehrten Stammkapitals hinausgehend - in der Erstattung des vollen von der Gesellschaft für die Kreditrückführung aufgewendeten Betrages (303.1862, 63 DM), begrenzt durch die Höhe der Bürgenhaftung in Höhe von 300.000 DM (153.357, 56 €). Das Zinsbegehren rechtfertigt sich aus §§ 286 , 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO und § 546 Abs. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden und nach Maßgabe von § 26 Nr. 5 EGZPO fortgeltenden Fassung.

Ende der Entscheidung

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